Erschienen in KONKRET 11/13 Claus Peter OrtliebGegen die WandVon der gemeinsamen Ursache der ökologischen und ökonomischen KriseWährend die öffentliche Diskussion in den kapitalistischen Zentren die ökonomische Krise trotz ihres Andauerns als bloß vorübergehende Erscheinung deutet, nimmt sie die ökologische Krise durchaus als Grundproblem der modernen Lebensweise wahr. Allzu offensichtlich ist der Widerspruch zwischen den ökonomischen Wachstumsimperativen auf der einen und der Endlichkeit der stofflichen Ressourcen und der Aufnahmefähigkeit der natürlichen Umwelt für den Zivilisationsmüll auf der anderen Seite. Im Vordergrund der Diskussion steht seit einigen Jahren die angekündigte Klimakatastrophe, auch wenn es um sie wegen anderer Prioritäten im Zuge der Versuche, die ökonomische Krise zu bewältigen, etwas stiller geworden ist. Das Zwei-Grad-Ziel, mit dem die allerschlimmsten Folgen der Aufheizung der Atmosphäre gerade noch hätten vermieden werden sollen, gilt inzwischen als nicht mehr erreichbar. Vom Einbruch im Rezessionsjahr 2009 einmal abgesehen, steigt die weltweite CO2-Emission unvermindert an, und der Klimawandel beginnt, sich selbst zu verstärken, etwa indem er durch das Auftauen von Permafrostböden weitere Klimagase freisetzt oder durch das Abschmelzen von Gletschern die Rückstrahlung des Sonnenlichts verringert. Dabei ist der Klimawandel nur eines der Schlachtfelder, auf dem der »Krieg des Kapitals gegen den Planeten« stattfindet, so die US-amerikanischen Soziologen John Bellamy Foster, Brett Clark und Richard York in ihrem lesenswerten (wenn auch an vielen Stellen miserabel übersetzten) Buch »Der ökologische Bruch«. Mit der Versauerung der Ozeane, der zunehmenden Wasserknappheit, der Erosion von Böden, der rapiden Abnahme der Biodiversität und der Verschmutzung durch Chemikalien kommen weitere, miteinander zusammenhängende und die Umwelt zerstörende Entwicklungen hinzu, von denen jede einzelne mittelfristig das Zeug dazu hat, große Teile der Erde unbewohnbar zu machen. Insbesondere die im Zusammenhang mit dem Klimawandel erhobenen Daten haben deutlich gemacht, wo die Verursacher der kaum noch abwendbaren Katastrophe sitzen, die vor allem die ärmeren Länder betreffen wird: Im Jahr 2010 lag die CO2-Emission pro Kopf weltweit bei 4.4, in den USA bei 17.3, in Deutschland bei 9.3, in OECD-Europa bei 7.0, in China bei 5.4, in Indien bei 1.4 und in Afrika bei 0.9 Tonnen (Quelle: IEA). China hat hier in den letzten Jahren stark aufgeholt, im Jahr 2004 lagen seine Pro-Kopf-Emissionen noch unterhalb des weltweiten Durchschnitts. Offensichtlich liegt das an seinen weiterhin hohen ökonomischen Wachstumsraten, während die OECD-Länder mit der Rezession kämpfen und deswegen auch ihre CO2-Emissionen leicht rückläufig sind. Nicht nur an diesen Zahlen ist zu erkennen, dass die Überschreitung der natürlichen Schranken mit der Entwicklung kapitalistischen Reichtums stark korreliert. Es gibt ein paar Ausnahmen, aber pauschal lässt sich sagen: Je entwickelter und reicher ein Staat, desto höher der Beitrag seiner Bürger zur globalen Umweltzerstörung. Dabei betreffen die Auswirkungen dieser Zerstörungen nur selten diejenigen in erster Linie, die sie verursacht haben. Noch einmal ganz pauschal: Die entwickelten Länder führen den »Krieg gegen die Erde«, seine Folgen aber bekommen die ärmeren Länder als erste zu spüren. Das ist sicher ein Grund dafür, dass immer nur Symptome bekämpft, ihre Ursachen aber nicht wirklich angegangen werden. Der tiefere Grund aber liegt in der Bedeutung, die das ökonomische Wachstum für das Wohlergehen noch jeder modernen Gesellschaft zu haben scheint. Krisen sind immer Wachstumskrisen. Damit etwa Länder wie Portugal aus ihrer Misere wieder heraus kommen können, wäre nach allgemeinem Konsens ein jahrzehntelanges BIP-Wachstum von jährlich drei Prozent erforderlich, von dem niemand weiß, woher es kommen soll; China benötigt nach den Vorstellungen seiner Führung ein jährliches Wachstum von mindestens sieben Prozent und legt dazu ein Konjunkturprogramm nach dem anderen auf; und noch jeder G8- oder G20-Gipfel ist sich bei allen sonstigen Differenzen darin einig, dass alles dafür getan werden muss, das globale Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Offensichtlich haben wir es mit einer Dilemma-Situation zu tun: Eine moderne Gesellschaft muss wachsen, auch in der Konkurrenz mit anderen, sonst droht sie auseinander zu brechen wie die Staaten des »real existierenden Sozialismus« Ende der 1980er Jahre oder die des »arabischen Frühlings« in diesem Jahrzehnt – die demokratischen oder islamistischen Ideologien, die angeblich den Umsturz herbeigeführt haben, waren hier wie dort bloße Folklore. Bei der Art des Wachstums, von dem hier die Rede ist, wächst aber die Umweltzerstörung in gleicher Weise mit. Am Ende bleibt nur die Alternative zwischen gesellschaftlichem Zerfall und dem Raubbau an den natürlichen Grundlagen. Die kapitalistische Produktionsweise als blinder Fleck der UmweltdiskussionEs stellt sich also die Frage, ob es einen Weg aus diesem Dilemma gibt. Das Problem dabei ist, dass in der bürgerlichen Öffentlichkeit die kapitalistische Produktionsweise und ihre Kategorien – Arbeit, Ware und Geld, Lohn und Profit, Markt und Staat – sakrosankt sind. Eher ist der Weltuntergang vorstellbar als die Überwindung dieser historisch doch sehr spezifischen Gesellschaftsformation. Wenn nun aber der Kapitalismus für so natürlich und selbstverständlich gilt wie die Luft zum Atmen, die er uns demnächst abdrehen wird, ist es unmöglich, auf die Frage nach Wegen aus dem genannten Dilemma eine adäquate Antwort zu finden. Die gesamte Diskussion der Umweltkrise läuft deswegen notwendigerweise ins Leere und wirkt seltsam unwirklich, weil auf allen Seiten mit Fiktionen gearbeitet wird und bestenfalls Scheinlösungen produziert werden, was alle Beteiligten auch irgendwie wissen. Am deutlichsten springt das – von der schlichten Problemleugnung einmal abgesehen – bei den ökonomischen Hardlinern ins Auge, durch deren Wahrnehmungsraster eine wirtschaftlich so unproduktive Ressource wie ein Regenwald ebenso fällt wie die jenseits der aktuellen Verwertungszyklen liegende Zukunft. Was die etwas ferneren Zeiten betrifft, operieren sie gern mit sogenannten Diskontierungsfaktoren, mit denen zukünftige Kosten zum Verschwinden gebracht werden. Der frühere Chefökonom der Weltbank Nicholas Stern hatte 2006 in dem nach ihm benannten Report die Kosten des Klimawandels in Dollar vorgerechnet, wodurch die Klimadiskussion überhaupt erst an Fahrt gewann, schließlich ging es jetzt um Geld. Dem Stern-Report zufolge werden die Kosten des ungebremsten Klimawandels bis zum Ende des Jahrhunderts zwischen 5 und 20 Prozent des weltweiten BIP betragen, während für die notwendigen Gegenmaßnahmen nur Investitionen von 1 Prozent des weltweiten BIP innerhalb der nächsten zwanzig Jahre erforderlich seien, zu finanzieren etwa durch eine Kohlenstoffsteuer. Die Frage bei solchen Rechnungen ist immer, wie zukünftige und heute anfallende Kosten miteinander verglichen werden. Der Stern-Report operiert mit einer Diskontierung von 1.4 Prozent pro Jahr, was bedeutet, dass in 90 Jahren anfallende Kosten von 1000 Dollar heute mit 285 Dollar zu Buche schlagen. Dagegen argumentierten die Mainstream-Ökonomen, allen voran William Nordhaus, Ökonomieprofessor in Yale, diese Diskontierung sei viel zu niedrig angesetzt, weil die Welt aufgrund des ökonomischen Wachstums zukünftig viel reicher sein werde als heute. Nordhaus legte dann eine Rechnung mit einer Diskontierung von jährlich etwa 6 Prozent vor, bei der 1000 Dollar, die in 90 Jahren zu zahlen sind, heutigen 5 Dollar entsprechen, womit zukünftige Kosten weitgehend vernachlässigt werden können. Die Umweltkrise ist damit weggerechnet, es gibt sie nicht mehr. Etwas weniger brachial gehen Firmen und Regierungen vor, die auf die Sorgen ihrer Kunden oder Wählerinnen Rücksicht nehmen müssen. Hier hat sich die Strategie des »Greenwashing« bewährt, also die bloße Simulation von Umwelt- und Klimaschutz. Im Falle von Unternehmen ist klar, dass es allein auf das grüne (und soziale) Image ankommt, das aufpoliert werden muss, damit sich ihre Produkte ohne schlechtes Gewissen konsumieren lassen. Was hinter der schönen Fassade passiert, spielt dagegen kaum eine Rolle, solange es nicht ruchbar wird. Regierungen müssen zuallererst ihrer Aufgabe nachkommen, eine möglichst reibungslose Kapitalverwertung zu gewährleisten. Dafür wurden sie gewählt, und davon hängt über das Steueraufkommen ihre Handlungsfähigkeit ab. Der Umweltschutz, dessen Wichtigkeit selbstverständlich betont werden muss, hat sich nach dieser Decke zu strecken, die allenfalls grün eingefärbt werden darf. In Deutschland lässt sich das besonders gut beobachten, wenn es um die Interessen der für das deutsche Geschäftsmodell zentralen Autoindustrie geht: Natürlich wird auf internationalen Konferenzen vereinbart, die CO2-Emissionen auch des Straßenverkehrs zu senken, aber sobald jemand damit ernst machen will, wie 2007 die EU-Kommission, die vom Jahr 2012 an Abgaben für einen CO2-Ausstoß von Limousinen von mehr als 130 Gramm pro Kilometer verlangte, kann ein deutscher Umweltminister (hier Sigmar Gabriel) darin nur einen »Wettbewerbskrieg gegen deutsche Autohersteller« erkennen. Und die Abwrackprämie des Jahres 2009, ein Konjunkturprogramm zugunsten der Autoindustrie und eine Umweltsauerei ersten Ranges, firmierte unter dem grünen Label einer »Umweltprämie«. Nicht an der Regierung befindliche politische Parteien und außerparlamentarische Gruppierungen können es sich demgegenüber leisten, die Prioritätensetzung etwas ausgewogener zu gestalten und die Vereinbarkeit von Ökonomie und Ökologie zu propagieren, an die sie selber glauben, solange sie sie nicht umsetzen müssen. Dabei kommen dann Konzepte eines »Green New Deal« oder gar eines »ökologischen Kondratieff« heraus, also einer neuen langen Welle kapitalistischer Akkumulation, die auf »grüner Technologie« beruhen und den gegenwärtigen »finanzgetriebenen Kapitalismus« ablösen soll. Betont wird in diesem Zusammenhang die segensreiche Wirkung auf neue Jobs und wirtschaftliche Entwicklung, wodurch auf einmal die Ökologie kein Hindernis für die Wirtschaft, sondern im Gegenteil ein direkter Weg zu neuen Profiten darstelle. In der deutschen Diskussion sind damit natürlich Arbeitsplätze und Profite der deutschen Marktführer gemeint, und in der Tat wäre eine Übertragung auf die ganze Welt auch gar nicht möglich: Solange grüne Energie teurer ist als fossile, wird sie sich in der kapitalistischen Konkurrenz auch nicht durchsetzen können. Und umgekehrt: Sie kann – wenn überhaupt – nur billiger werden, indem die Arbeit (damit aber auch die Profite) aus ihrer Produktion weitgehend wegrationalisiert wird. Das reicht dann für neue Jobs allenfalls in Deutschland oder – wahrscheinlicher – China. Das in diesen Konzepten zum Ausdruck kommende Ziel eines »nachhaltigen wirtschaftlichen Wachstums« (»sustained economic growth«), für das sich etwa der UNO-Gipfel für Nachhaltige Entwicklung 2012 in Rio de Janeiro aussprach, ist bei aller Dehnbarkeit des Begriffs der Nachhaltigkeit ein Widerspruch in sich, solange jedenfalls wirtschaftliches Wachstum im heutigen Sinne gemeint ist. Und wie könnte es sonst gemeint sein? Wer so redet, vernebelt bloß die Umwelt- und Klimaproblematik und versucht, sich die Vereinbarkeit des Unvereinbaren einzureden. Aus der Einschätzung, dass eine Entkopplung von Wirtschaftswachstum und zunehmender Umweltzerstörung nicht möglich sein wird, ziehen die Vertreterinnen und Vertreter einer »Postwachstumsgesellschaft« schließlich den naheliegenden Schluss, sich vom Wachstumskonzept vollständig zu verabschieden. Angesichts des engen Zusammenhangs zwischen kapitalistischer Produktionsweise und Wachstumsfetischismus wäre in den einschlägigen Sammelbänden zum Postwachstum eigentlich ein Programm der Abschaffungen zu erwarten. Tatsächlich aber darf dort der Bundespräsident a. D. Horst Köhler unwidersprochen die Forderung nach einer »sozialen und ökologischen Marktwirtschaft« aufstellen, als gäbe es so etwas wie eine nichtkapitalistische Marktwirtschaft. Die Hoffnung wird auf Unternehmer gesetzt, die nicht mehr dem Profit nachjagen, sondern der Nachhaltigkeit ihrer Produktion verpflichtet sind. Schon gar nicht wird das Geld als Medium der Vergesellschaftung in Frage gestellt, nur der Umgang mit ihm soll wieder etwas seriöser, sprich sparsamer vonstatten gehen als in den letzten Jahren. Und natürlich tummeln sich in diesem Umfeld auch die Anhänger eines Silvio Gesell, die den Zins für die Ursache allen Übels halten und dem »raffenden Kapital« an den Kragen wollen (vgl. den Text »Elendsselbstverwaltung« von Peter Bierl in KONKRET 4/2013). Trotz einzelner kluger Analysen des tiefliegenden Zusammenhangs zwischen Wachstumskonzept und Moderne scheint es am Ende zu mehr als einer verkürzten Kapitalismuskritik nicht zu reichen, und die kann manchmal schlimmer sein als gar keine. Was wächst da eigentlich so zwanghaft?Wer vom Wachstumszwang wegkommen will, muss erst einmal verstehen, worin er besteht. Den übermäßigen Konsum dafür haftbar zu machen, verfehlt die tatsächlichen Zwänge, denn anders, als es uns die Lehrbücher der Volkswirtschaftslehre weismachen wollen, ist der Konsum nicht der Zweck der kapitalistischen Produktion. Wäre das so, bedürfte es der Werbung nicht. Bekanntlich stand ja die von manchen Postwachstumsideologen jetzt wieder propagierte protestantische Ethik der Askese und des Verzichts an den Anfängen des Kapitalismus: Geld zu verdienen, nicht um es zu verprassen, sondern um immer mehr Geld daraus zu machen, ist seitdem der irre Selbstzweck allen Wirtschaftens. Der Kapitalismus ist damit zum Wachsen verdammt: Wenn er sie absetzen kann, produziert er Waren ohne Ende; wenn er es nicht kann, gerät er in die Krise. In diesem Prozess ist der Konsum bloßes Mittel, weil die Waren zum Zweck der Geldvermehrung ja auch verkauft werden müssen Zum genaueren Verständnis ist hier zwischen Mehrwertproduktion, stofflichem Output und Ressourcenverbrauch zu unterscheiden. Immer mehr Mehrwert zu erzielen, ist der eigentliche Zweck der Produktion, der sie antreibt. Mehrwert entsteht durch die Ausbeutung von Arbeit, wobei es für den durch Arbeit erzeugten abstrakten Reichtum auf die konkrete Tätigkeit nicht ankommt, sondern nur auf die Arbeitszeit, in der »Muskel, Nerv, Hirn usw. verausgabt« werden (Marx). Allerdings bedarf der abstrakte Reichtum eines stofflichen Trägers, und zur Realisierung des Mehrwerts müssen die Waren zunächst hergestellt, dann aber eben auch abgesetzt werden, was eine entsprechende zahlungsfähige Nachfrage voraussetzt. Durch die Steigerung der Produktivität hat sich im Laufe der Geschichte der kapitalistischen Produktionsweise das quantitative Verhältnis zwischen dem in Arbeitszeit gemessenen abstrakten Reichtum auf der einen und dem zu seiner Produktion erforderlichen materiellen Aufwand dramatisch verändert. Die Produktivitätssteigerung selber hat ihre Ursache in der Jagd nach Extraprofiten, die demjenigen winken, der billiger produzieren kann als die Konkurrenz. Diese Entwicklung führt dazu, dass die Arbeit mehr und mehr aus dem Produktionsprozess herausgenommen und durch Maschinen ersetzt wird. Mit immer weniger Arbeitsaufwand lässt sich immer mehr stofflicher Reichtum produzieren. Da dieser aber nicht der eigentliche Sinn und Zweck der Produktion ist, wird nicht etwa die Arbeitszeit reduziert, wie es in materieller Hinsicht sinnvoll und möglich wäre, sondern es wird die umgekehrte Rechnung aufgemacht: Für die Produktion desselben, in Arbeitszeit gemessenen, abstrakten Reichtums ist ein immer höherer stofflicher Output und – da Arbeit durch Maschinen ersetzt wird – ein noch stärker wachsender Ressourcenverbrauch erforderlich. Es gibt gegenläufige Tendenzen, so etwa in der steigenden Energieeffizienz, wenn sich also der Energieaufwand je Endprodukt verringert. Das Verhältnis von stofflichem Aufwand pro Arbeitszeit ist aber eindeutig: Es wächst in den Mehrwert produzierenden Sektoren ständig an, sichtbar z. B. an dem materiellen und monetären Aufwand je Industriearbeitsplatz. In diesem »prozessierenden Widerspruch« (Marx), der darin besteht, dass das Kapital die Arbeit zunehmend aus dem Produktionsprozess herausnimmt, auf deren Ausbeutung doch sein Reichtum beruht, dem es nachjagen muss, liegt die gemeinsame Ursache von ökonomischer und ökologischer Krise. Die stofflichen Träger des zum maßlosen Wachsen gezwungenen abstrakten Reichtums sind nun einmal endlich, so dass die Expansion hier notwendig auf Schranken stoßen muss: die der begrenzten zahlungsfähigen Nachfrage (ökonomische Krise) und die der natürlichen Grenzen (ökologische Krise). Dabei gerät auch die Behandlung der Krisensymptome, die innerkapitalistisch allenfalls noch möglich ist, zu sich selbst in Widerspruch: Jeder Versuch, die ökonomische Krise durch Konjunkturprogramme auch nur abzumildern, führt zu erhöhter Umweltzerstörung. Um die zu verringern, wäre umgekehrt der Weltwirtschaft eine tiefe Dauerdepression zu verschreiben, mit all den sozialen und materiellen Folgen, die diese für die Insassen der kapitalistischen Produktionsweise hätte. Tatsächlich lag der einzige kleine Knick in der Wachstumskurve der weltweiten CO2-Emission im Rezessionsjahr 2009. Notwendig wäre eine gesellschaftliche Planung nach Gesichtspunkten allein des stofflichen Reichtums, seiner Produktion und Verteilung. Dem aber steht im Kapitalismus die Dominanz des abstrakten Reichtums und der Zwang zu seiner permanenten Vermehrung im Wege, wie Robert Kurz im Epilog seines »Schwarzbuch Kapitalismus« in allgemeinerem Zusammenhang feststellt: »Die Aufgaben, die gelöst werden müssen, sind von geradezu ergreifender Schlichtheit. Es geht erstens darum, die real und in überreichem Maße vorhandenen Ressourcen an Naturstoffen, Betriebsmitteln und nicht zuletzt menschlichen Fähigkeiten so einzusetzen, daß allen Menschen ein gutes, genußvolles Leben frei von Armut und Hunger gewährleistet wird. Unnötig der Hinweis, daß dies längst mit Leichtigkeit möglich wäre, würde die Organisationsform der Gesellschaft diesen elementaren Anspruch nicht systematisch verhindern. Zweitens gilt es, die katastrophale Fehlleitung der Ressourcen, soweit sie überhaupt kapitalistisch mobilisiert werden, in sinnlose Pyramidenprojekte und Zerstörungsproduktionen zu stoppen. Unnötig zu sagen, daß auch diese ebenso offensichtliche wie gemeingefährliche »Fehlallokation« durch nichts anderes als die herrschende Gesellschaftsordnung verursacht ist. Und drittens schließlich ist es erst recht von elementarem Interesse, den durch die Produktivkräfte der Mikroelektronik gewaltig angeschwollenen gesellschaftlichen Zeitfonds in eine ebenso große Muße für alle zu übersetzen statt in »Massenarbeitslosigkeit« einerseits und verschärfte Arbeitshetze andererseits. Es hat die Züge eines verrückten Märchens, in dem das Absurde normal und das Selbstverständliche ganz unverständlich erscheint, daß das, was offen auf der Hand liegt und eigentlich gar nicht erwähnt zu werden braucht, im gesellschaftlichen Bewußtsein vollständig verdrängt worden ist, als wäre darüber ein Zauberbann ausgesprochen worden. Trotz der geradezu schreiend evidenten Tatsache, daß ein auch nur einigermaßen sinnvoller Einsatz der gemeinsamen Ressourcen mit der kapitalistischen Form völlig unvereinbar geworden ist, werden nur noch »Konzepte« und Vorgehensweisen diskutiert, die genau diese Form voraussetzen.« Damit wird die Sinnhaftigkeit so mancher Einzelmaßnahme zur Erhaltung der Umwelt nicht bestritten. Der oft und gern beschworene »Frieden mit der Natur« aber wird nur jenseits des Kapitalismus zu haben sein. J. B. Foster / B. Clark / R. York: Der ökologische Bruch. Der Krieg des Kapitals gegen den Planeten, LAIKA-Verlag, Hamburg 2011 I. Seidl / A. Zahrnt (Hrsg.): Postwachstumsgesellschaft. Konzepte für die Zukunft, Metropolis-Verlag, Marburg 2010 H. Welzer / K. Wiegand (Hrsg.): Wege aus der Wachstumsgesellschaft, S. Fischer Verlag, Frankfurt a. M. 2013 R. Kurz: Schwarzbuch Kapitalismus. Ein Abgesang auf die Marktwirtschaft, Eichborn, Frankfurt a. M. 2009, als PDF unter http://www.exit-online.org/pdf/schwarzbuch.pdf |