Einladung
zum EXIT!-Seminar 2014
vom 17. -
19. Oktober in Mainz
KRISE UND
TRANSFORMATION
Die
Krise von 2008 hat in
der Linken eine Transformationsdebatte ausgelöst.
Staatsbankrotte und
Strukturanpassungsprogramme mehren sich, nicht zuletzt auch in
südeuropäischen
Ländern, was zur Folge hat, dass es zu
Legitimationsproblemen des kapitalistisch-demokratischen Systems und
folglich
zu sozialen Unruhen kommt. Bürgerkriegsszenarios, rechte
Parteien,
islamistische Fundamentalismen, der sogenannte
Israel-Palästina-Konflikt und
nicht zuletzt die Ukraine-Russland-Konfrontation stehen im Blickpunkt
der
Medien. Die Rede vom Verfall des Kapitalismus geht mittlerweile
etlichen Linken
leicht über die Lippen, selbst wenn in Merkel-Deutschland
trügerische Ruhe herrscht.
Es wird nach neuen Lösungen gesucht. Sieht man/frau indes
genauer hin, zeigt es
sich, dass die „Systemfrage“ mit altlinken
Konzepten und Rezepten beantwortet
wird: Wirtschaftsdemokratie, keynesianische Maßnahmen,
solidarische Ökonomie,
Commons u. ä. In
der ersten Hälfte des
Seminars werden zwei Aspekte der „Krise“
beleuchtet, in der zweiten widmen sich
zwei Vorträge dem Thema „Transformation“.
Freitag,
17. Oktober
19.00
–
21.30
Bericht
zum Moishe Postone – Seminar in Dresden (2. – 4.
Mai 2014)
Ernst
Johannes Schnell
Jenseits seiner
unbestrittenen Verdienste um die Reaktualisierung einer marxistischen
Wertkritik
haben wir die Defizite Postones in seinem Buch
„Zeit, Arbeit und
gesellschaftliche Herrschaft“ diskutiert.
Dabei standen zunächst die
Themenkreise „Abstrakte Arbeit und Substanz des
Wertes“, „Methodologischer
Individualismus“ und „Das Verständnis von
Zeit“ im Mittelpunkt der Vorträge und
Diskussionen. In engem theoretischen Zusammenhang mit der
kritischen
Auseinandersetzung damit konnte dann
herausgearbeitet werden,
daß diese
Defizite beinahe automatisch zur „Absenz
einer Krisentheorie“ führen
müssen.
Die
Vorträge und die wichtigsten Diskussionsergebnisse sollen in
diesem Referat
zusammenfassend erläutert werden. Postones Versuch
einer Neuinterpretation der
Marxschen Politischen Ökonomie (geschrieben im
Original bereits in den 1980er
Jahren in den USA) weist insbesondere bei den obigen
Themenkreisen
Schwachstellen und Lücken auf. So gehen wir davon aus,
daß er immer wieder einem
methodologischen Individualismus
anhängt, statt seine begrüßenswerten
Ansätze einer dialektischen Herangehensweise
konsequent durchzuhalten, daß er
eine zu statische Auffassung von Zeit im Kapitalismus hat,
daß sein
Substanzbegriff des Wertes lediglich auf das gesellschaftliche
Vermittlungsverhältnis
rekurriert, ohne die Substanzbildung durch die abstrakten
Arbeit zu erwähnen,
daher also unvollständig ist, und daß er aus eben
diesen Gründen keinerlei
Krisentheorie entwickeln kann. Durch häufige Bezüge
auf die
Wert-Abspaltungskritik und insbesondere auf Texte von Robert Kurz
wurden in den
Vorträgen und Diskussionsbeiträgen unsere
Kritikpunkte verdeutlicht. Bei den
Diskussionen wurde als das größte Manko bei Postone
die Absenz einer
Krisentheorie betont. Seine Hinweise auf eine
ökologische Krisensituation
wurden übereinstimmend als ungenügend für
eine Erklärung des heutigen Kapitalismus
empfunden.
Postone, Moishe;
Zeit, Arbeit und
gesellschaftliche Herrschaft; Freiburg; 2003
ders.; Marx
neu denken; in:
Jaeggi, Rahel und Loick, Daniel (Hrsg.); Nach Marx;
Berlin; 2013
ders.: „Die
Deutschen inszenieren
sich am liebsten als Opfer“, Interview mit Philipp Schmidt;
in: Gremliza,
Hermann L. (Hrsg.): No way out?; Hamburg; 2012
Samstag,
18. Oktober
10.00
–
12.30 Uhr
Die Ukraine
und die Weltkrise des Kapitals
Tomasz
Konicz
Das
Referat wird die
eskalierende geopolitische Auseinandersetzung um die Ukraine als Moment
der
tiefen strukturellen Krise des spätkapitalistischen
Weltsystems diskutieren. Einerseits
sollen die Frontverläufe bei dem neoimperialistischen "Great
Game" an
der Südwestflanke der Russischen Föderation
dargestellt und die Motivation der
einzelnen Großmächte erhellt werden. Zugleich gilt
es, diese geopolitische
Akteure als Getriebene der sich verschärfenden
innerkapitalistischen
Widersprüche zu begreifen, die hierauf mit einer nach
Außen gerichteten
Expansionsbewegung reagieren. Den Hauptteil des Vortrags wird aber die
innerukrainische Krisenentfaltung einnehmen, in deren Folge das
pauperisierte
osteuropäische Land seiner sozioökonomischen
Reproduktionsbasis verlustig ging.
Die Kernthese des Vortrags lautet somit, dass die Ukraine nur deswegen
zum
Objekt des geopolitischen Great Game zwischen Ost und West werden
konnte, weil
aufgrund eines drohenden wirtschaftlichen Zusammenbruchs die
ökonomische
Grundlage der staatlichen Souveränität dieses
postsowjetischen Landes erodierte
– und die Staatsführung sich folglich zwischen einer
Einbindung in das
russische oder das europäische Bündnissystem
entscheiden musste.
15.00
–
17.30 Uhr
Krisenerklärungen
und Transformationskonzepte ohne Subjekt- und Ideologiekritik
Wie sich der Kapitalismus
nicht überwinden lässt
Claus Peter
Ortlieb
Die
Erkenntnis, dass es sich
bei gegenwärtige Krise nicht bloß um den
Übergang in den nächsten Modus
kapitalistischer Vergesellschaftung handelt, sondern vielmehr diese
selber
unhaltbar geworden ist, hat inzwischen das Umfeld sowohl der
„Piratenpartei“
als auch das der Partei
„Die Linke“ erreicht. Es finden sich dort
Krisenerklärungen, die nicht auf das
angeblich aus dem Ruder gelaufene Finanzkapital abheben, sondern die
Ursachen
in der Entwicklung der Produktivkräfte und dem mit ihr
verbundenen Verschwinden
der Arbeit aus der Produktion sehen. Sie sind damit an eine
wertkritische
Krisentheorie immerhin anschlussfähig. Es könnte sich
daher als sinnvoll
erweisen, sich mit ihnen auseinanderzusetzen, was im Vortrag versucht
werden
soll:
Diese
Krisenerklärungen gründen in einer objektivistisch
verkürzten Kapitalismuskritik,
so als seien die Subjekte von der Gesellschaft, der sie
angehören, gar nicht
affiziert. Für die einen wird die Technik zum eigentlichen
Träger eines quasi
automatischen Übergangs in die neue Gesellschaft, für
die anderen scheint sich
die Transformation auf die Organisation einer neuen
„A-Klasse“ der mehr oder
weniger prekär Beschäftigten innerhalb der
bestehenden politischen Strukturen
zu reduzieren. Dagegen dürfen die – offenbar
transhistorisch gedachten – Waren-
und Geldsubjekte bleiben wie sie sind. Dass diese auf die Krise
mehrheitlich
mit reaktionären Ideologien reagieren, wird dabei
hoffnungsfroh übersehen.
Ludger
Eversmann: Projekt
Post-Kapitalismus: Blue Print für die nächste
Gesellschaft,
Telepolis-Ebook, Hannover 2014
Constanze Kurz /
Frank Rieger: Arbeitsfrei:
Eine Entdeckungsreise zu den Maschinen, die uns ersetzen,
München 2013
Manfred Sohn: Vor
dem
Epochenbruch: Warum die gegenwärtige Krise keine
»normale« ist und was das für
die Linke heißt, Neues Deutschland 06.08.2013, http://www.neues-deutschland.de/artikel/829420.vor-dem-epochenbruch.html
Manfred Sohn: Am
Epochenbruch:
Varianten und Endlichkeit des Kapitalismus, Köln 2014
ab 19.00
Uhr
Mitgliederversammlung
des Vereins für kritische Gesellschaftswissenschaften
Sonntag,
19. Oktober
10.00
–
12.30 Uhr
Zur
Dialektik der Fetischkritik
Die Wandlungen der
Fetischmuskritik im Zuge gesellschaftlicher Transformationsprozesse und
die
Aufgaben der Wert-Abspaltungskritik
Roswitha
Scholz
War
Fetischismus-Kritik
einstmals bestimmt von Hinterzimmer-Existenzen, so gibt es sie heute in
den
verschiedensten Farben
und Formen. Sie
ist nicht bloß in den linken Diskurs eingesickert, sondern
beschäftigt selbst
bürgerliche Kreise. Dabei gerät sie immer mehr in die
Gefahr, Bestandteil der
Krisenverwaltung zu werden. Stattdessen ginge es darum, Distanz zur
eigenen
Theoriegeschichte zu gewinnen, auf einer Dialektik der Fetischkritik zu
bestehen und kompromisslos in der Einsicht der Notwendigkeit eines
„kategorialen Bruchs“ (Robert Kurz)
„abgehoben“ zu intervenieren. Einfachen
Lösungen im Sinne einer heruntergebrochen
Wert-Abspaltungskritik sowohl im
Kontext wissenschaftlicher Verarbeitung, als auch in Form von
praktischen Pseudo-Konzepten,
gilt es somit mit Misstrauen zu begegnen.
Christine
Blättler / Falko Schmieder (Hrsg.): In Gegenwart des
Fetischs, Wien
2014, http://www.turia.at/titel/fetisch.html
Luc Boltansky
/ Ève Chiapello: Der neue Geist des Kapitalismus,
Konstanz 2003
Ulrich
Bröckling: Das unternehmerische Selbst. Soziologie
einer
Subjektivierungsform, Frankfurt a. M. 2007
Zum
Tagungsort
Jugendherberge
Mainz
Otto-Brunfels-Schneise
4
55130
Mainz
Telefon
06131/85332
mainz@diejugendherbergen.de
http://www.diejugendherbergen.de/jugendherbergen/mainz/mainz/portrait/
Anreise
Mit der Bahn:
Mainz
ist EC- und IC-Station.
Vom Hauptbahnhof Buslinien 62 und 63 in Richtung Weisenau-Laubenheim,
Haltestelle „Am Viktorstift/Jugendherberge“.
Mit dem Pkw:
Über
Autobahnring A60
Mainz-Darmstadt, Abfahrt Weisenau/Großberg in Richtung
Innenstadt/Volkspark.
Teilnahmekosten
pro Person mit Übernachtung und Verpflegung
Freitag bis
Sonntag:
Vierbettzimmer
m. Dusche/WC:
80 Euro (28 Plätze)
Zweibettzimmer
m. Dusche/WC:
90 Euro (10 Plätze)
TN-Beiträge
bitte nicht
vorher überweisen, sondern in bar mitbringen.
Teilnahme
nur am Seminar:
Tagungsbeitrag 15 Euro
Es
stehen bis zu 50 Plätze
zur Verfügung.
Wer
nicht im Haus
übernachtet, aber bestimmte Mahlzeiten dort einnehmen will,
gebe bitte bei der
Anmeldung, welche (Frühstück, Mittagessen,
Nachmittagskaffee, Abendessen).
Teilnehmer,
die nicht in der
Jugendherberge übernachten wollen, bitten wir, sich selbst um
eine externe
Übernachtungsmöglichkeit zu kümmern. Die
Jugendherbergsleitung hat uns das
Hotel Stiftswingert (Am Stiftswingert 4; Tel. 06131-982640) und das
Ibis-Hotel
(direkt am Südbahnhof; Holzhofstr. 2, Tel. 06131-2470)
empfohlen; von beiden
ist das Tagungshaus gut zu Fuß zu erreichen; man muss jeweils
mit ca. 50€ pro
Nacht rechnen.
Ermäßigung
Wer
sich den TN-Beitrag
nicht leisten kann, muss deswegen nicht auf das Seminar verzichten:
bitte
sprecht uns in diesem Fall bei Eurer Anmeldung wegen einer
Ermäßigung an!
Anmeldung:
Per
E-mail: seminar +
@exit-online.org (bitte manuell zusammenfügen und das
Pluszeichen dabei
weglassen)
Per
Post: Verein für
kritische Gesellschaftswissenschaften, Hanns v. Bosse, Am
Heiligenhäuschen 68,
67657 Kaiserslautern
Roswitha
Scholz und Claus Peter Ortlieb für die
EXIT!-Redaktion