Man(n) trägt wieder Bart. Gender, Queer und Rechtsruck

Vortrag mit Roswitha Scholz in Hamburg

Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks in den 1990er Jahren feierte der Neoliberalismus Triumphe. Auch im Feminismus kam es dabei zu Veränderungen. Die Frauenforschung mutierte zur Genderforschung. Judith Butlers prominentes Buch „Das Unbehagen der Geschlechter“ war dabei eine Art Klammer zwischen Gender- und Queer-Orientierung. Männlichkeit und Weiblichkeit wurden nun als diskursiv hervorgebracht gedacht und sollten in der Travestieshow radikal unglaubwürdig gemacht werden. War bis zu den 1990ern von Patriarchat und Zwangsheterosexualität die Rede, so ging es nun in einer kraftlos neutralisierenden Sprache eben um Gender und „Heteronormativität“. In den Medien war viel von der Verwirrung der Geschlechter die Rede. Dem Neoliberalismus mit seinen Flexi-Anforderungen an die Individuen kam dies zu pass. Manche Linke dachten nun jedoch schon das Ende von Patriarchat und Heterosexualität sei gekommen.

Schon früher, insbesondere aber seit dem Finanzcrash 2007/8 wird nun mehr als deutlich, dass ein oberflächliches Gendern und Queeren von Sprache, den Medien, von Politik, Ökonomie usw. nicht ausreicht das dominierende Hetero-Patriarchat zu unterminieren, wenn die Verhältnisse immer prekärer werden. Es kam zu einem massiven Rechtsruck (AFD, Pegida, Querfrontbewegungen), der u.a. im Versuch der Restaurierung traditioneller Geschlechtsmuster bis hin zur Gewalt gegen Schwule, Lesben und Transpersonen zeigt. Man(n) trägt sozusagen wieder Bart. Überdeutlich wird nun auch, dass objektive, materielle Strukturen und die psychische Disposition der Subjekte nicht außer Acht gelassen werden können und eine härtere Gangart gegenüber den kapitalistisch-hetero-patriarchalen Zuständen einzuschlagen ist. Dabei ist allerdings zu reflektieren, dass (u. a. querfrontartige) Verwerfungen auch in feministischen und LGBT-Bewegungen sichtbar werden, wie etwa auch die Diskussion um den Band „Beißreflexe“ zeigt. Man/frau sollte sich auf keinen Fall davon täuschen lassen, dass die AFD in aktuellen Wahlumfragen wieder Stimmen verloren hat.