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2004: Der "Coup", die Spaltung der Krisis ... und der "Exit"

 

2004: Der "Coup", die Spaltung der Krisis ... und der "Exit"

 

 

ZUR SPALTUNG DER KRISIS-GRUPPE

Erklärung ehemaliger Redaktions- und Trägerkreismitglieder

 

Die Theoriezeitschrift "Krisis", in der BRD und international bekannt geworden durch ihren wertkritischen Ansatz, ist den Weg der Linken gegangen: Sie wurde gespalten. Gegen den Willen der Mehrheit von Redaktion und Koordinationskreis wurden Robert Kurz und Roswitha Scholz ausgeschlossen, und in der Folge die Redaktionsmehrheit mit ihnen. Möglich wurde ein solcher Putsch durch eine Instrumentalisierung des bislang passiven Fördervereins, der formaljuristisch als Herausgeber der Zeitschrift firmiert. Zwei von drei Vorstandsmitgliedern, vor Jahren ehrenamtlich bestimmt und außerhalb der theoretischen Debatte stehend, ließen sich zu Marionetten der Redaktionsminderheit machen und setzten sich über den aktiven Trägerkreis hinweg. Auch auf der anschließenden Mitgliederversammlung setzten sie sich gegen die Mehrheit der Anwesenden mit schriftlichen Blanko-Vollmachten von nicht erschienenen Leuten durch; eine Meisterleistung deutschen Vereins-Machiavellismus', wie neidlos anzuerkennen ist.

Begründet wurde dieses Vorgehen, unter ausdrücklicher Berufung auf den Nazi-Rechtstheoretiker Carl Schmitt, mit dem absurden Konstrukt eines "Ausnahmezustands", angeblich hervorgerufen durch Robert Kurz und Roswitha Scholz, die nach dem Muster von Polizeistrategien als Persönlichkeiten pathologisiert werden sollten. Die Redaktionsmehrheit, die das anders sah und sich dem "fürsorglichen Rausschmiss" widersetzte, wurde in dieser Frage für unzurechnungsfähig erklärt, da "in ihrer Mitschuld befangen".

In diesem Konflikt sind die Beziehungs- und die Inhaltsebene unauflöslich ineinander verschränkt. Auf der Beziehungsebene spielen persönlicher Ehrgeiz, Konkurrenzgefühle und Autoritätsprobleme einem allzu produktiven Mitglied der eigenen Gruppe gegenüber eine Rolle, dessen man, sich selbst als "Flasche" (so die vorliegenden Selbstzeugnisse) und ihn als Guru imaginierend, bloß noch durch "Vatermord" sich erwehren kann. Nur in der Lebensmitte sich befindende Linke können freilich auf die Idee kommen, eine derart klassische, spezifisch abendländische Konstellation als emanzipatorischen Akt (miss) zu verstehen.

Die Wurzel dieses Konflikts liegt, wo Beziehungs- und Inhaltsprobleme sich berühren: im Geschlechterverhältnis. Wie die Abspaltungstheorie seit 12 Jahren ein Fremdkörper in der Krisis-Wertkritik geblieben ist, so deren Urheberin Roswitha Scholz als Person bei etlichen Protagonisten der Krisis-Männerriege ein Ärgernis. Es ist kein Zufall, sondern durchaus willkommener Nebeneffekt, dass die Krisis-Redaktion, nach gerade mal einjährigem Interregnum, nunmehr wieder frauenlos ist. Und auch Robert Kurz hat man(n) es nie verziehen, dass er diesen Ansatz unterstützt hat, der den ableitungslogischen Objektivismus der alten Krisis-Theoriebildung in Frage stellt.

Zugespitzt hat sich dieser lange schwelende inhaltliche Konflikt in der Formulierung einer radikalen Kritik der bürgerlichen Aufklärungsphilosophie, wie sie von Robert Kurz in der Auseinandersetzung mit den Antideutschen entwickelt wurde. Die oberflächliche Gemeinsamkeit der Frontstellung konnte eine zeitlang über den bestehenden Dissens hinsichtlich der via Abspaltungstheorie bis zu Ende geführten Kritik an der männlich-weißen westlichen Subjektform hinwegtäuschen. Dieser Dissens dürfte jetzt aufgebrochen sein: Gewünscht wird eine "nettere" Kritik der Aufklärung, um Momente des androzentrischen Universalismus zu retten.

Enthält dieses Motiv eine gewisse Kompatibilität mit dem "prowestlichen" Basisideologem der Antideutschen, so verhält es sich genau umgekehrt in der Auseinandersetzung um den Stellenwert des Antisemitismus als Krisenideologie. Der Betonung der durchaus richtigen Aspekte bei den Antideutschen steht hier eine Tendenz zur objektivistischen Verharmlosung des antisemitischen Syndroms gegenüber. Auch in dieser Hinsicht verdeckte die oberflächlich gemeinsame Kampagne gegen den Bellizismus nur einen tiefer liegenden Dissens.

Die hier angesprochenen inhaltlichen Konflikte waren keineswegs ausgereift und hätten bis zu einem gewissen Grad im Rahmen von "Krisis" ausgetragen werden können. Dem wurde durch die Verlagerung auf Beziehungsprobleme und deren administrative "Lösung" ausgewichen. Was bleibt, ist das Gegeneinander auf nunmehr auch organisatorisch unterschiedenen Plattformen:

Die bisherige Redaktionsmehrheit inklusive Roswitha Scholz und Robert Kurz werden zusammen mit Teilen des aktiven Trägerkreises von Krisis ein anderes wertkritisches Projekt und eine neue Theoriezeitschrift mit veränderter Akzentsetzung auf den Weg bringen. Dabei sollen die letzten Eierschalen eines ableitungslogischen Objektivismus in der bisherigen "Krisis"-Theorie abgestreift und die Kritik der männlich-weißen westlichen Subjektform vorangetrieben werden; gerade in Zeiten einer "prowestlichen" Hurra-Ideologie bis in die Linke hinein. Über die weitere theoretische Fundierung einer Kritik der "abstrakten Arbeit" als Substanz des Kapitalverhältnisses wollen wir einen kritisch-solidarischen statt "linkspopulistischen", antisemitische Denkmuster bedienenden Bezug zu den aufkeimenden sozialen Bewegungen herstellen.

Wir bitten alle innerhalb und außerhalb von "Krisis", die mit dieser Absicht sympathisieren, uns dabei zu unterstützen.

Hanns von Bosse, Petra Haarmann, Brigitte Hausinger, Claus Peter Ortlieb

11.04.2004

 

 

Werfen wir einen Blick hinter die Kulissen und auf Reflektionen über die Ereignisse der ersten Monate des Jahres 2004, als sich die bereits früher deutlich gewordenen Dissonanzen und Konflikte bis zu einem regelrechten Putsch und die Spaltung des alten Krisis-Projekts zuspitzten. Sie machen vielleicht deutlich, warum es diesen und nicht den anderen Ausweg gab, wie er in der "Erklärung" angedeutet wurde: "Die hier angesprochenen inhaltlichen Konflikte waren keineswegs ausgereift und hätten bis zu einem gewissen Grad im Rahmen von "Krisis" ausgetragen werden können. Dem wurde durch die Verlagerung auf Beziehungsprobleme und deren administrative "Lösung" ausgewichen. Was bleibt, ist das Gegeneinander auf nunmehr auch organisatorisch unterschiedenen Plattformen ". Im Folgenden einige Schlaglichter auf die Vorgänge vor, auf und nach der besagten Redaktionssitzung am 20. Februar 2004, die Stunde der Abrechnung, der Ent-scheidung.

 

"Verlagerung auf Beziehungsprobleme ...

Kurz nach dem 20. Februar versuchten die Putschisten gegenüber dem Krisis-Zusammenhang und den Mitgliedern ihr Vorgehen mit Hilfe eines Dossiers, der so genannten "DOKUMENTENSAMMLUNG von emails und Anhängen vom 9. - 20.2.04, die sich auf den aktuellen Konflikt beziehen" zu rechtfertigen. Darin werden u. a. auch die Wortmeldungen im Vorfeld der Redaktionssitzung der später "geschassten" - Robert Kurz, Claus Peter Ortlieb und Roswitha Scholz - dokumentiert.

 

 

Von: "Robert Kurz"

Datum: Mon, 9 Feb 2004 09:30

 

Liebe Leute,

wie es scheint, wird sich beim Redaktionstreffen ein Konflikt um "gruppenpolitische", strategische und vor allem organisatorische Fragen ergeben, der in den "Nürnberger Gegensätzen" wurzelt. Das müssen wir als Redaktion möglichst klären. Bei einem Telefonat mit Franz erfuhr ich, dass angeblich an unserem Redaktionstreffen die Personen der anderen Gruppe teilnehmen sollen, die gar nicht in der Redaktion sind, nämlich Lohoff und Wedel. Ich bin aus allen Wolken gefallen. Wo ist jemals die Teilnahme dieser Leute festgelegt worden? Wir (mindestens Roswitha und ich) werden an keinem Treffen teilnehmen, zu dem andere Redaktionsmitglieder eigenmächtig Leute einladen, die nicht der Redaktion angehören, sich daraus längst verabschiedet haben und außerhalb der Redaktion Teil einer Konfliktpartei sind. Ein solches Vorgehen ist völlig unkorrekt und inakzeptabel. Dann müssten aus unserer Gruppe auch Brigitte und Udo teilnehmen, und dann hätten wir kein Redaktionstreffen mehr, sondern einen "Nürnberger Schlagabtausch" oder ein momentan sowieso nicht sinnvolles "Therapietreffen". Wir verlangen, dass ein ordnungsgemäßes Redaktionstreffen stattfindet, zu dem niemand ohne Wissen oder gegen den Willen der anderen Redaktionsmitglieder andere Personen einladen kann.

Auf einem anderen Blatt steht es, wenn der Vorschlag gemacht wird, dass, um den aufbrechenden Konflikt INNERHALB DER REDAKTION SELBST zu moderieren, Vertrauenspersonen eingeladen werden, nämlich Lorenz (Wien) und Otto (Bremen). Damit wären wir einverstanden. Sollten jedoch gegen unseren Willen Lohoff und Wedel von irgendjemandem eigenmächtig eingeladen und damit das Treffen ALS REDAKTIONSTREFFEN gesprengt werden, kann es in dieser Form gar nicht erst stattfinden. Wir gehen jedoch davon aus, dass das Redaktionstreffen stattfindet, zu dem dann eben kommt, wer der Redaktion tatsächlich angehört oder von der Redaktion als Redaktion eingeladen wird (darüber müsste zuerst eine Verständigung stattfinden). Eine Einladung von Lohoff und Wedel lehnen wir rundweg ab. Ein Redaktionstreffen wird auf jeden Fall stattfinden, es wurde geplant, festgelegt, und das kann niemand einfach nach Gutdünken über den Haufen schmeißen. .

Mit herzlichen Grüssen

 

 

 

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Von: C.P.Ortlieb

Datum: Wed, 11 Feb 2004 14:32

 

Liebe Leute,

es dürfte, grob geschätzt, das vierte bis sechste Mal sein, dass ein Treffen (Redaktion, KOK), an dem ich beteiligt bin und das für mich zumindest einen nicht unerheblichen Zeitaufwand bedeutet, im Nürnberger Schlamassel zu ersäufen droht. Mir reicht es langsam auch. Nach meinem derzeitigen Informationsstand sieht es so aus, dass das Redaktionstreffen als Redaktionstreffen zu Stande kommt, mit den dazugehörigen Personen, also den Mitgliedern der Redaktion (war wirklich

jemals etwas anderes geplant?). Was dort besprochen wird, sollten wir in groben Zügen allerdings vorher klären, schon deswegen, weil ich gerne wüsste (und sei es auch nur der Deutschen Bahn wegen), wann das Treffen beginnt (Freitag, 20. Februar, 15 Uhr?) und wann es endet, was von der Länge der Tagesordnung abhängt. Was die betrifft, fallen mir drei größere Blöcke ein, neben einigen kleineren Punkten, die besprochen oder delegiert werden müssten (nächste Veranstaltungen, Osnabrück, Hanloser, ...).

1. Organisationsstruktur der Krisis

Nach den inzwischen aufgelaufenen Erfahrungen scheint es mir dringend erforderlich, dass wir uns formaler organisieren, also ganz stinkbürgerlich als Verein mit definierten und tatsächlich auszufüllenden Ämtern und Verantwortlichkeiten. Ohne solche Formen läuft es zwischen uns

bürgerlichen Subjekten nur, so lange wir uns alle grün sind, was ja offensichtlich nicht der Fall ist. Und im Konfliktfall wird die Einhaltung bestimmter Formen sowieso eingefordert, auch ohne dass wir uns vorher auf sie verständigt hätten. Die Frage, ob es erlaubt ist, noch jemanden

unabgesprochen zur Redaktionssitzung mitzubringen, ist dafür nur ein kleines Beispiel (formale Antwort: Nein). Um es deutlicher zu sagen: Die Krisis darf nicht vom (informellen) Funktionieren des früheren Nürnberger Zusammenhangs abhängig sein und muss von ihm daher komplett abgekoppelt werden (auch um die einzelnen Personen als AutorInnen zu behalten). Das soll natürlich nicht heißen, dass der Wohnort Nürnberg oder Fürth zum Ausschluss von bestimmten Ämtern führt, jedenfalls nicht automatisch. Ob wir das hinkriegen, weiß ich nicht, aber Sitzungen, wie wir sie schon

häufiger hatten und wie sie die nächste wieder zu werden droht, werden wir nicht mehr allzu oft wiederholen können. Genauere Ausführungsbestimmungen wären willkommen.

2. Strategiepapier von Bobby

Hier scheint mir mehr Konfliktstoff zwischen den Zeilen zu liegen, als im Text selbst. Der müsste thematisiert werden, was ja offenbar auch beabsichtigt ist. Abstrakt gesprochen, steht wohl (wieder mal?) die Frage an, wie wir mit Dissensen umgehen, bzw. was davon in welcher Form nach "außen" getragen werden darf. Die letzten beiden Sätze in Bobbys Papier kann ich nur unterstreichen, aber völlig offen scheint, was das konkret heißt.

3. Heft 28

Das war ja wohl der eigentliche Grund für das Redaktionstreffen, und wenn ich mich richtig erinnere, sollten die Text bis Ende Januar in der Redaktion eingegangen sein. Tatsächlich liegt aber noch gar nichts vor, wurde jedenfalls noch nicht verschickt (oder geht das inzwischen auch bilateral?). Wenn nichts dazwischen kommt, kriege ich mein VWL-Artikelchen bis zum Treffen noch fertig, aber das ist ja vergleichsweise unerheblich. Weiß da jemand Genaueres? Ich möchte mir Anfang nächster Woche eine Fahrkarte nach Nürnberg kaufen, Hin- und Rückfahrt inklusive Platzreservierung. Bis dahin sollte also zumindest der Zeitrahmen des Redaktionstreffens feststehen. Falls ihr noch Punkte habt, die besprochen werden müssen, gebt sie mal bekannt.

Herzliche Grüße

Claus Peter

 

 

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Von: "Robert Kurz"

Datum: Fri, 13 Feb 2004 09:30

 

Hallo Leute,

anbei Vorschläge für TO und Ablauf des Treffens. Wir (d.h. unsere Nürnberger Gruppe) übernehmen auch mit all den Unzulänglichkeiten der Kurzfristigkeit die Organisation des Treffens, die nach dem Ende des informellen Zustands nicht geklärt war. Sobald wir da Genaueres wissen (Ort etc.) werden wir es Euch sofort mitteilen. Es ist immerhin noch eine Woche Zeit.

Herzliche Grüsse

B.

 

Vorschlag zur Tagesordnung und Verfahrensweise des Redaktionstreffens

 

Die als sich angeblich abzeichnendes Debakel dargestellten Punkte lassen sich vielleicht in relativer Kürze abhandeln und sollten gleich am Anfang stehen. Es geht zunächst um Beschuldigungen gegen unsere Gruppe bzw. deren exponierte Personen, die in verschiedenen Varianten teils schon früher von Lohoff/Trenkle als Begründung für die von ihnen vollzogene Spaltung der Nürnberger Gruppe genannt, teils in der Baumgart-Mail massiv erhoben, teils von Wedel bei seinem jüngsten Ausstieg aus unserem Diskussionszusammenhang wiederholt wurden, teils ganz außerhalb des Krisis-Dunstkreises vor allem bei Softcore-Antideutschen und wer weiß noch wo zirkulieren. Es geht nicht um den exakten Wortlaut oder die verschiedenen Aggregatzustände, sondern um den sinngemäßen Kern; und es geht nicht um eine formelle Verurteilung bestimmter Leute, sondern um eine kurze Stellungnahme aller Redaktionsmitglieder zu diesen sinngemäßen Beschuldigungen, egal von wem sie in welcher Schärfe erhoben wurden.

 

Ihr kennt uns alle seit Jahren, habt großenteils die Konflikte mit Karoshi und den Parteigängern der Antideutschen im Krisis-Zusammenhang miterlebt und habt unser Auftreten in den Kok- und Redaktionstreffen kennen gelernt. Deshalb möchten wir von Euch folgende Fragen beantwortet haben:

 

1.       Ist es richtig, dass die erwähnten Konflikte durch die quasi-stalinistische Fraktionskämpfer-Mentalität und Unduldsamkeit von Robert Kurz entweder überhaupt erst erzeugt oder zumindest unnötig verschärft wurden?

 

2.       Ist es richtig, dass Roswitha Scholz und Robert Kurz als "schreckliches Paar" in den Krisis-Gremien ein autoritäres Diskurs-Regime führen, das andere mundtot macht, und dass sie generell ein unmögliches Diskussionsverhalten an den Tag legen?

 

3.       Ist es richtig, dass die Polemik gegen die Antideutschen wesentliche Züge einer Sektenpolitik trägt und Krisis unmöglich gemacht oder geschädigt hat?

 

Wir wollen nicht tatbestandsmäßig festgestellt haben, wer wann wo mit welcher genauen Formulierung etwas in diesem Sinne geäußert hat, um dann ein Tribunal oder (im Fall externer Gruppen) eine öffentliche Erklärung auf den Weg zu bringen. Es geht überhaupt nicht um den Vollzug irgendeiner "Abrechnung", sondern darum, was Ihr positiv zu solchen (oder ähnlichen) Anwürfen von verschiedenen Seiten denkt. Diese Stellungnahme ist uns einzig deswegen wichtig, weil wir für unsere weitere Mitarbeit bei Krisis wissen müssen, woran wir dabei sind, und zwar mit Euch. Das hat keinerlei formale Konsequenzen. Wir denken nur, dass wir ein gewisses Recht darauf haben, positiv zu wissen, ob eine ungenau "in den Raum gestellte" harte Kritik dieser Preislage an uns von Euch ganz oder teilweise geteilt wird. Wenn Ihr uns diese Stellungnahme verweigert, können wir daran nichts ändern. Es würde uns einfach verunsichern und unsere innere Emigration verstärken.

 

Im Übrigen geht es nicht, wie Franz diese Dinge als bloße "Befindlichkeiten" oder "üblen Ehestreit" genervt abzuwehren. Es ist richtig, über psychodynamische, gruppendynamische Motive können wir nicht in der Redaktion befinden, weil sie nicht objektivierbar sind. Aber Gegenstand muss es werden, wenn solche Motive in ein sehr wohl objektivierbares Politikum umschlagen. Schon die nackte Tatsache der Nürnberger Gruppenspaltung war ein Krisis-Politikum, und die Begründungen dafür sind es erst recht; im landläufigen Sinne handelt es sich um politische Denunziationen von führenden Krisis-Mitgliedern (als Sektenhäuptling, Diskursdiktator etc. mit "unmöglichem Diskussionsverhalten" und autoritären Vorgehensweisen etc.). Das geht weit über solidarische, kasuelle Kritik hinaus in der politischen Generalisierung (die Spaltung der Gruppe ist ja auch der organisatorische Vollzug dieses Hinausgehens über "normale" Kritik), und deshalb kriegt man das allmählich auch bei den Krisis-Feinden spitz als mögliche politische Denunziation: "Das sagen ja auch die eigenen Leute" (ganz extrem war das übrigens schon so beim in Konkret veröffentlichten Leipziger Polemik-Papier gegen Robert Kurz, da sagte Konkret exakt das).

Der zweite Teil der angeblich debakelträchtigen Thematik muss unserer Auffassung nach das Problem männerbündischer Strukturen und von "Geschlechtspolitik" im Krisis-Zusammenhang sein. Es ist keineswegs zufällig, dass sich in diesem Konflikt auf der einen Seite die meisten der wenigen in KOK und Redaktion aktiven Frauen befinden (Roswitha, Brigitte und in einiger Hinsicht auch Petra). Ein ungern thematisierter Hintergrund für die Nürnberger Spaltung war nun mal das übelste männerbündische Mobbing, das ich je erlebt habe. Und auch wenn Roswitha zur Diskursdiktatorin stilisiert wird, ist das nicht als bloß gruppendynamisches Problem abzutun, sondern in seiner geschlechtspolitischen Dimension offen zu legen. Ähnliches hat vielleicht Petra beizutragen. Das alles ist Politikum, das kann man nicht als "üblen Ehestreit" verschwinden lassen, um sich für unzuständig zu erklären, weil "so etwas" nicht auf die Redaktions-, KOK - oder gar Krisis-Ebene gehöre.

 

Auch hier wollen wir keine formelle Verurteilung, kein Abstimmungsverfahren oder dergleichen. Es geht darum, diese durchaus organisations- und diskurspolitische Beziehungsebene als dieses Politikum zum Gegenstand zu machen. Es ist nicht zuviel verlangt, auch in diesem Sinne von den Redaktionsmitgliedern Stellungnahmen zu erbitten, die ja durchaus höchst unterschiedlich und gegensätzlich ausfallen können (also keine 5:4-Abstimmung etc., sondern Stellungnahmen zur politischen Seite der Beziehungsebene, die an diesem Punkt eben kein befassungsunfähiges Privatding mehr ist).

 

Der dritte einschlägige Tagesordnungspunkt ist wieder ganz einfach. Unsere Gruppe hat ihren weitgehenden Vertrauensverlust gegenüber der anderen Nürnberger Gruppe geäußert. Deshalb halten wir es für nicht länger akzeptabel, dass diese Gruppe den Krisis-Apparat, den Informationseingang und vor allem die Finanzverwaltung monopolistisch unter ihrer Kontrolle hat. Natürlich werfen wir niemandem Unregelmäßigkeiten vor. Vielmehr bezieht sich unser Vertrauensverlust darauf, dass wir bei einer möglichen Trennung im Streit finanziell das Nachsehen haben, wie es oft genug beim Auseinanderbrechen linker Gruppen der einen Seite passiert ist. Deshalb wollten wir, dass die Finanzverwaltung ganz aus Nürnberg wegverlagert wird zwecks Neutralität in vertrauenswürdigen Händen. Da dieses Ansinnen für uns etwas überraschend die heftigsten Reaktionen seitens Franz hervorgerufen hat (von Seiten der anderen Gruppe wissen wir keine Reaktion), schlagen wir stattdessen einen Kompromiss vor: Die Finanzverwaltung bleibt in Nürnberg und wird gleichberechtigt und zeichnungsberechtigt von Norbert Trenkle und Brigitte Hausinger ausgeübt. Das wäre eine rein formal-funktionelle Beziehung, wo Sachlichkeit geübt werden kann. Vielleicht hat jemand noch einen anderen Einfall, der unseren Vertrauensverlust nicht einfach ignoriert. Des weiteren möchten wir, dass alle eingehenden Informationen, Anforderungen, publizistischen Anfragen, Verhandlungen usw. automatisch an alle Redaktionsmitglieder weitergeleitet werden (ungeachtet der Bearbeitung, die natürlich von den dafür Beauftragten gemacht wird). Wo kein Vertrauen mehr ist, bleibt nur Kontrolle. Das ist dazu alles.

 

Ansonsten muss bei diesem Tagesordnungspunkt die formale Struktur des Fördervereins, dessen Veränderung und die Neubesetzung der Funktionen geklärt werden (dazu waren Vorschläge und ein Papier angekündigt).

 

Im Anschluss daran Finanzbericht, oder vorher?

 

Als vierten Tagesordnungspunkt schlagen wir die Diskussion über das vorliegende Strategiepapier vor, vor allem die zu Grunde liegende Analyse und die Schlussfolgerungen über ein weiteres Vorgehen, um überhaupt Kriterien für so etwas wie Strategie in der Positionierung des wertkritischen Theorieprojekts zu gewinnen, statt bloß von Entwicklungen getrieben zu werden. Der Nürnberger Bruch wird dabei insofern sekundär berührt, als die Frage nach Kriterien der Verbindlichkeit im Innen- und Außenverhältnis geklärt und solche möglichst festgelegt werden sollten.

 

Fünfter Tagesordnungspunkt wäre dann wohl die nächste Krisis. Es stimmt nicht ganz, dass hier gar nichts vorliegt, denn der Materialismus-Artikel von Christian ist fertig. Ein zweiter Artikel von Christian zur Kritik an Rakowitz (Begriff des automatischen Subjekts etc.) auf der Ebene der Ökonomiekritik ist weitgehend fertig und bedarf nur noch geringer Überarbeitung. Christian könnte ihn vielleicht noch verschicken oder zumindest den Inhalt kurz darstellen. Ungefähr zur Hälfte fertig ist mein Artikel "Die Substanz des Kapitals. Abstrakte Arbeit als Realmetaphysik und die absolute innere Schranke der Akkumulation" (könnte vielleicht innerhalb von 2 Wochen fertig gestellt werden). Über Aufbau und Inhalt kann berichtet werden. Als Referat fertig ist Roswithas erkenntniskritische Erörterung zum Abspaltungstheorem; das muss noch als Text lektoriert und überarbeitet werden. Auch darüber ist ein kurzer Bericht möglich. Ferner fehlt beim Artikel von Franz nur der Schluss, wie er schreibt. Fertig ist auch der Artikel von Claus Peter, der in akademischen Kreisen offenbar schon Furore gemacht hat und unbedingt in die Krisis rein muss. Sonst ist uns nichts bekannt, vielleicht hat Achim weitere Informationen. Selbst wenn sonst in absehbarer Zeit nichts mehr kommt, wäre damit eine Krisis-Nr. in Bälde zu bestreiten.

 

Sechster Tagesordnungspunkt könnte der Skandal um Raimund Philipp, Solidarisierung, publizistische Aktivitäten usw. sein.

 

Weiters könnte ich für unsere Gruppe aufgrund von Aufzeichnungen einen kurzen Bericht über unsere bisherige Diskussion und Vorgehensweise zum Thema mögliche Globalisierungsbroschüre geben.

 

Das sind einige Vorschläge. An Achim ist die Bitte gerichtet, evtl. weitere Punkte zu sammeln und eine endgültige TO vorzulegen.

 

Die Schwierigkeit mit dem Protokoll des letzten Treffens liegt in erster Linie daran, dass damals keines festgelegt wurde, weil wir das schlicht vergessen hatten, und das erst am Schluss zur Sprache kam. Roswitha hat eine Art Rekonstruktion gemacht, die ich aufgrund meiner Aufzeichnungen ergänzen wollte. Das hätte schon vor einiger Zeit geschehen sollen, ich habe es aber in den jüngsten Turbulenzen versäumt und weiß nicht, ob ich jetzt noch den Nerv und die Zeit dazu habe. Diesmal sollte das Protokollschreiben gleich von Anfang an festgelegt werden, dann kommt so etwas nicht mehr vor.

 

Was Ort und Zeit angeht, so werden wir uns bemühen, noch rechtzeitig einen öffentlichen Raum oder einen Gaststätten-Nebenraum zu finden. Falls das nicht klappt, wäre mit 9 Personen eine Tagung teils in der Schwabenstrasse, teils am Kaiserplatz rein räumlich noch möglich.

 

Als Beginn käme wie beim letzten Mal Freitag 15 Uhr in Betracht. Wenn jemand erst später kann, bitte melden und Zeitpunkt des späteren Beginns mitteilen.

 

Bei uns können 1 oder notfalls 2 Personen übernachten. Wir bitten alle Auswärtigen, sich mit bevorzugten Ansprechpartnern in Nbg./Fürth zwecks Übernachtung selbst telefonisch in Verbindung zu setzen. Wer keinen Platz findet oder aus persönlichen Gründen eher nicht will, möge bitte bei uns möglichst sofort anrufen, damit wir eine Pension oder ein günstiges Hotel besorgen.

 

Es ist momentan nicht möglich, vorauszusagen, wann das Treffen beendet sein wird.

 

Im Übrigen, ganz einfach: in Zukunft muss beim Abschluss des jeweiligen Treffens (oder generell) jemand festgelegt werden, der das nächste Treffen organisatorisch vorbereitet. Das gehört auch zum Ende des informellen Zustands. Da es Telefon und Mail gibt, muss das nicht unbedingt jemand aus Nürnberg sein.

 

Eine letzte kleine Bemerkung: Es trägt ganz besonders zur Stimmungsaufhellung bei, wenn angesichts einiger seitens der gesamten Redaktion versäumter Dinge unter Abstrahieren von der realen Konfliktlage und unter eindeutiger Schuldzuweisung der Status quo ante beschworen wird. Da weiß man wenigstens, was man denken muss.

 

Für unsere Nürnberger Gruppe, R.K.

 

 

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Von: "Roswitha Scholz"

Datum: Wed, 18 Feb 2004 15:07

 

 

Liebe Mit-Redaktionsmitglieder,

ich habe zuerst gezögert, aber nach den jüngsten Mails und einer beginnenden Schmutz- und Pathologisierungskampagne schicke ich Euch eine persönliche Erklärung anbei. Jetzt reicht es auch mir.

Beste Grüsse

Roswitha

 

 

Liebe RedakteurInnen, schon vor einigen Tagen habe ich eine persönliche Stellungnahme zum Krisiskonflikt verfaßt. Nachdem ich sie geschrieben hatte, habe ich mich jedoch gefragt, ob ich sie überhaupt wegschicken soll, da darin nicht zuletzt die leidige Psychebene behandelt wird und manche davon gestrichen die Schnauze voll haben und sich davon überfordert fühlen. Nach den Mobbing-Mails, ja der Mobbing-Kampagne der anderen Seite, in der Bobby systematisch fertig gemacht werden soll, bitte ich inständig darum, sie nun doch zu lesen.

 

 

PERSÖNLCHE STELLUNGNAHME

 

1. Um es gleich vorweg zu sagen, ich beabsichtige nicht zu sagen, was "tatsächlich" vorgefallen ist. Dass alle miteinander, also die "zwei Lager" zutiefst verfeindet sind, wird an Norberts Mail selbst klar. Ich bekenne mich also als befangen. Dass Norbert sich hingegen objektiv wähnt, wird z.B. besonders deutlich, wenn er schreibt: "Die Ursache (für die monatelange Vergiftung in Kok und Redaktion) muss klar benannt werden: es ist Bobbys Fixierung auf die Idee einer Intrige gegen ihn, mit der er sich und uns nicht in Ruhe lassen kann".

Ausgerechnet vor dem Hintergrund dieser Zuschreibung signalisiert er dann Dialogbereitschaft: "Bin an einvernehmlichen Lösungen interessiert", die er jedoch durch Ton und Inhalt der ganzen Mail dementiert: ER hat recht und ER weiß, was tatsächlich passiert ist. Genau an derartigen Haltungen wird jedoch deutlich, dass man nunmehr nur noch die "instrumentelle Vernunft" walten lassen muss, wie Hanns es fordert.

Zwischenzeitlich hat sich die Nürnberger Situation noch zugespitzt. Karl-Heinz weigert sich aus Bobbys Garten rauszugehen und will uns zwingen rechtliche Schritte zu unternehmen. Mit so jemandem trete ich nicht mehr in einen Dialog ein, schon gar nicht rede ich offen über meine Gefühle und Verletzungen, mit so jemandem verkehre ich bloß noch per Rechtsanwalt, wie es von ihm auch gewünscht ist. Es ist einfach ein Hohn, von Norbert dazu aufgefordert zu werden, mit so jemandem andererseits über unsere Verletzungen offen zu reden und noch in die Mail reinzuschreiben, dass Karl-Heinz zu einem gruppendynamischen Gespräch mit uns bereit ist.

Im übrigen ist es bezeichnend, dass ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, wo es ziemlich vulgärmaterialistisch um die Kasse geht, auf einmal wieder (Pseudo-)gespräche für möglich gehalten werden, gar mit dem Ziel irgendwann wieder einmal "freundschaftlich" miteinander zu verkehren. Nach all dem was gelaufen ist und wie Norberts Mail verfasst ist, empfinde ICH das als Unverschämtheit.

Die einzige Chance ist die der "instrumentellen Vernunft". Die Verhältnisse sind irreversibel zerrüttet. Einzig und allein die formale Umorganisation und das Aufbrechen der Informalität kann meines Erachtens noch Thema sein (Kasse, transparenter Informationsfluss für alle usw.)

In diesem Kontext ist noch eines festzuhalten: Die Nürnberger Frauen haben weiß Gott genug Konzilianz gezeigt: Nach der Ohrfeige von Fritz habe ICH IHN angerufen, um die Situation zu entschärfen. Und Brigitte hat Norbert angerufen, um ein Meeting mit ihm auszumachen, nachdem ER SIE offen gemobbt hat. Was tut frau nicht alles zum Erhalt des Krisiszusammenhangs! Ich weiß bis heute nicht, warum mir Norbert vor ein paar Jahren plötzlich die kalte Schulter gezeigt hat, bei noch formeller Freundlichkeit. Ich kann hier bloß männerbündische Interessen vermuten.

Ich habe in der Tat oft das Gefühl, dass Norbert und auch Karl-Heinz nicht aufrichtig sind. Es kommt erst nach Monaten, ja Jahren heraus, was sie wirklich gedacht und empfunden haben; ja sagen wir es ruhig, was sie im Schilde geführt haben. Diese Erkenntnis ist für mich menschlich äußerst bitter. Ich bin aber nicht einfach bloß verstimmt, sondern ich habe eine Sauwut, der ich an Krisis-Biertischen auch Ausdruck gegeben habe. Wir können uns nicht mehr sehen. Und wenn die anderen ehrlich sind, geben sie das auch zu. Es ist doch ganz offensichtlich: vor allem Bobbyklatschen ist bei der Gegenseite längst zum beliebten Sport geworden. Das wird trotz aller Offensichtlichkeit aber geleugnet, weil man ihn nach außen hin als Aushängeschild und Spendenbeschaffer braucht.

Mir ist es nicht gegeben, so viel "Contenance" wie Norbert zu wahren. Ich bin da in meinem Verhalten direkter, naiver und primitiver. Von Norbert kam kein Klärungsangebot an mich, obwohl ich sein Verhalten beim Kok wiederholt problematisiert hatte. Ungefähr 3 Jahre lang hätte er dazu Zeit gehabt. Jetzt, wo die Situation sich zuspitzt und es um seine Org- und Kassenmacht geht, will er auf einmal am Telefon wieder mit mir "persönlich" reden.

Übrigens habe ich das mit Fritzens Ohrfeige nur kasuell betrachtet, also nach dem Motto: Männer sind auch nur Menschen; inzwischen ist für mich klar, dass hier eine umfassende und ausgewachsene Männerbund-Struktur vorliegt, viel schlimmer als ich mir das vorgestellt hatte. Deshalb hat Norbert das Verhalten von Fritz stets wenn nicht gar gedeckt, so doch ein Übermaß an Verständnis gezeigt.

Bobby ist hier mein Flankenschützer, "mein Zuhälter" wie ich immer sage, auf den frau in solchen Zusammenhängen auf gar keinen Fall verzichten kann. Damit hat er sich aber ausgerechnet als "Obermacker" auch zum Männerbundverräter gemacht. Dieser Tatbestand und die damit verbundene paradoxe Struktur scheint es mir zu sein, worüber Bobby gestolpert ist. Nachgetragen wird ihm von einigen inzwischen nicht mehr so ganz jungen Jungbullen dabei gerade auch, dass sie sich an seiner Energie und seinen Fähigkeiten männlich-identitär und konkurrent abarbeiten.

 

2. Ich als von ihm hauptsächlich Angegriffene habe keine Antwort auf Karl-Heinz Redaktions-Mail verfaßt, weil die Mail m.E. für sich steht. Aber jetzt muss ich ja wohl was dazu sagen. Aus meiner Sicht ist es eine Verdrehung der "Tatsachen", wenn Karl-Heinz sich von mir "genichtet" und unsichtbar gemacht fühlt. Hier wird einfach in einer Art Negativ -political correctness der Spieß umgedreht. Nicht Frauen, die wir zudem massenhaft im Krisiszusammenhang haben, werden unsichtbar gemacht, wie dies für die Geschichte des warenförmig patriarchalen Systems charakteristisch ist, sondern die doch genauso, wenn nicht ERST RECHT unterdrückten Männer.

Dabei ist der Schulterschluss von Karl-Heinz mit Norbert und Fritz doch ganz offensichtlich (Stichwort: Dreierbande). Wenn Norbert darauf verweist, dass in der Mail von Karl-Heinz das steht, was "tatsächlich" stattgefunden hat, zeigt er, dass es ein gemeinsames Interpretationsraster dieser dann eben wirklich existierenden "Dreierbande" gibt; diese "Dreierbande" und die Existenz von 2 Lagern also keineswegs bloß ein Konstrukt von uns sind, wie Norbert behaupten will.

Ich habe die Unsichtbarmachung von Frauen (nicht nur von mir, sondern auch von der schon einmal auch von Karl Heinz mit-gemobbten Brigitte, die Karl-Heinz überhaupt nicht erwähnt) im Krisiszusammenhang schon oft erlebt. Bekanntlich habe ich zu dem Komplex Klasse-"Rasse"-Geschlecht und postmoderne Individualisierung, der verdammt viel mit Aufklärungskritik zu tun hat, gearbeitet. Mit Brigitte habe ich schon oft telefoniert, dass die von mir eingebrachten Aspekte weitgehend einfach nicht sonderlich interessieren und man nicht darauf eingeht. Dies gilt ganz besonders für Karl-Heinz. Mein "anderer Zugang" (Abspaltung, Thematisierung und Kritik von Rassismus, Sexismus usw.), passt offensichtlich nicht in schablonisierte Fragestellungen. Die Genossin Roswitha bringt hier wieder mal alles durcheinander. Die verschiedenen Zugänge können sich nicht bereichern, sondern ein "anderer Zugang" interessiert einfach nicht. Im Übrigen: Hätte ich mich immer bloß um den im Krisiskontext gerade im Mittelpunkt stehenden "Zugang" gekümmert, gäbe es die ganze Wert-Abspaltungstheorie nicht.

Meine Themen sind nun auch nicht gerade die von Bobby. Bei ihm habe ich jedoch das Gefühl, daß ich machen kann, was ich will. Seine Sichtweise und sein "Zugang" konkurriert nicht mit dem meinen. Dies gilt auch für Udo.

Die Erfahrungen des Niederschauens und der Ignoranz (nicht-machens!) mache ich im Krisiszusammenhang freilich nicht zum ersten Mal. So war z.B. Petra die einzige aus Kok und Redaktion, die bei meiner Veranstaltung beim Seminar war. Und meine Beschäftigung mit "Rasse"-Klasse-Geschlecht als eigenen Themen bewegt sich angeblich eh nur auf der soziologischen Oberflächenebene, die traditionell im Krisiszusammenhang nicht besonders hoch geschätzt wird.

Andererseits muss ich jedoch auch sagen, dass ich nicht in Gänze im Krisiszusammenhang von Männern "niedergeschaut" werde. Da sind zum Beispiel Claus-Peter und Gerard oder auch Martin, vornehmlich übrigens Männer, die sich nicht im bzw. eher am Rande des inner circle des Krisiszusammenhangs bewegen. Bei diesen Männern glaube ich ein aufrichtiges Interesse und ein Goutieren meiner Wert-Abspaltungstheorie zu spüren. Dabei habe ich den Eindruck, dass es gewissen anderen Männern ziemlich stinkt, daß die Wert-Abspaltungstheorie nicht nur innerhalb, sondern auch außerhalb des Krisizusammenhangs auf eine gewisse Resonanz stößt.

Und tatsächlich hat Bobby ab einem gewissen Punkt meine Gedanken protegiert, hat er darauf geachtet, dass sie neben anderen im Krisisprojekt Bestand haben können. Vielleicht haben manche Männer allein schon dies als Vergewaltigungsakt betrachtet. Dabei hat Bobby doch lange Zeit in seinen Texten auf den Zusammenhang der Wert-Abspaltung selbst eher bloß beiläufig Bezug genommen.

In all den Jahren habe ich mich daran gewöhnt "mein eigenes Ding zu machen", wenn ich es objektiv für richtig halte, auch wenn "Zugang" und manche Themen im Krisiszusammenhang nicht gerade für besonders wichtig gehalten werden. Hätte ich mich von Anfang an von "Nichtungen" beeindrucken lassen, die auch Bobby bis Anfang der Neunziger im Hinblick auf feministische Fragestellungen massiv drauf gehabt hat, wäre ich zu gar nichts gekommen.

Mir war natürlich die ganze Zeit bewusst, dass die Spannungen in der Krisis auch dicke etwas mit der Geschlechterproblematik zu tun haben, allerdings war mir nicht bewusst, wie viel abgrundtiefer Hass damit verbunden ist. Dabei wird nicht nur Bobby als priapistisch empfundener Leader, der als "unmenschlich" in seiner Produktion gilt, als Konkurrenzobjekt gesehen, sondern gerade auch ich als Frau.

Ich glaube in der Tat, dass in der alten Nürnberger Gruppe vor allem Bobby und Bernd alias Peter Klein (was immer man sonst von ihm und seinen Ausführungen hält) zentrale Gedanken der Wertkritik entwickelt haben und zwar vor allem im stillen Theoriekämmerlein und nicht unbedingt primär durch die Gruppendiskussion. In der Gruppe waren die beiden in erster Linie Stichwortgeber und Inspiratoren für die anderen. Dennoch habe ich Karl-Heinz, Norbert und auch Fritz schon häufig zu erkennen gegeben, dass ich so manche Artikel von ihnen gut fand und sie keineswegs als "nichtig" ansehe. Es geht aber einfach zu weit, wenn Fritz sich - und dies wurde uns von mehreren Seiten schon berichtet - gewissermaßen als Ghostwriter von Bobby ausgibt und dies verbreitet; als habe eigentlich er Bobbys Bücher verfasst. Hier geht es einfach um Konkurrenz, Neid u.ä. unter Männern. Und in diesem Zusammenhang habe ich einfach den Eindruck, dass zwischen Anspruch und Wirklichkeit eine breite Kluft besteht. Es ist gerade diese Kluft und es sind genau derartige Haltungen, die es mir in der Tat schwer machen, auf BESTIMMTEN EBENEN Respekt zu empfinden, auch wenn ich so manchen Artikel durchaus gut finde; zumal ich jahrelang mitbekommen habe, dass man sich selbstredend an Bobby anlehnen will, und man gleichzeitig nach mir als Frau mit den Füßen getreten hat. So banal es ist und so klischeehaft, so sehr trifft es leider zu - und das mußte ja kommen: hier werden Kastrationsängste des "hausfrauisierten" Mannes sichtbar. Dieses Klischee trifft die Sache m.E. einfach. In der Verkehrung wird nun so getan, als wäre ICH nicht bloß die Fußtreterin, sondern mir wird von ihnen aus die Macht eingeräumt, sie gar zu "vernichten"! .

Ich halte mich mit meiner Wert-Abspaltungs-Theorie übrigens keineswegs für besonders originell. Im Zusammenwurf von Wertkritik, kritischer Theorie und feministischen Überlegungen habe ich zwar etwas neues kreiert, allerdings auf

vielen anderen Standbeinen.

 

3. Norbert schreibt, dass er und Fritz von Bobby aus dem Krisiszusammenhang herausgedrängt werden sollen. Das halte ich für Unsinn, davon war bei uns nie die Rede; allerdings traue ich Bobby harsche Aussagen etwa am Telefon in Rage durchaus zu, wenn er sich grundsätzlich angegriffen fühlt. Er ist ja nun nicht gerade ein kontrollierter Typ. Andererseits kennt man Bobby ja nun schon jahrelang (manche fast schon jahrzehntelang), hat man ein "implizites Wissen" (Michel Polanyi) und man müsste wissen, dass letztendlich vieles nicht so heiß gegessen wie gekocht wird. Hatte man früher noch ein patriarchales Anlehnungsbedürfnis - und vielleicht vergisst man gerade deshalb ein ehemals vorhandenes implizites Wissen - so bläst man ihn nun zum hollywoodreifen King Kong auf, der in seiner Monstrosität und Gefährlichkeit unentwegt New York in Angst und Schrecken versetzt und endlich in Ketten gelegt gehört.

In Wirklichkeit ging es Bobby aber keineswegs um den tatsächlichen Rausschmiss von Fritz und Norbert, sondern es ging ihm schlicht und ergreifend darum, die Finanzen und die Organisation umzustrukturieren, nachdem ein Vertrauensverhältnis verloren gegangen ist.

In diesem Zusammenhang verwundert es dann doch sehr, dass Franz nach gehabten Spannungen mit Fritz und Norbert plötzlich unumwunden auf deren Seite steht. ER hat recht dumm geschaut als ihm sein Geld aus der Krisiskasse unvermutet nicht ausgezahlt wurde. Und er hat sich beschwert, dass Norbert Informationen offensichtlich nicht weiter gibt. Nicht zuletzt Franz hat uns da erst so richtig heiß gemacht und nun will er nichts mehr davon hören. Was weiß ich, was da gelaufen ist. Byzanz, Byzanz ...

Ob man hier von einem vorsichtigen Vermittlungsversuch von Franz sprechen kann, bezweifle ich sehr. Allerdings gilt dies durchaus für die Achim-Intervention, der im Großen und Ganzen viel weniger zum Mail- und Telefonklüngel im Krisiszusammenhang wie Franz gehört und von daher auch einfach weniger mitkriegt und es sicher gut gemeint hat. Bobby hat seine schroffe Mail im Hinblick auf den Achim-Beitrag bedauert und sich auch bei ihm diesbezüglich gemeldet. King Kong in absolutum haut eben nicht hin.

 

4. Norbert spricht im Hinblick auf Bobby von einem "TEILWEISE (Hervorheb. von mir, R.S.) in der Tat dominantem Verhalten". Dass hier eine "Versämtlichung" (Hedwig Dohm) vorliegt, zieht sich durch die ganze Mail. Jede/r hat "Furcht in die Mailmaschine zu gelangen; freilich wird erst recht auch Moni "genichtet" (Oberpatriarch!). Karl-Heinz wird nicht nur von mir, sondern freilich auch von Bobby "genichtet". Ebenso Fritz und Norbert (es wird Zeit, daß die Jungs mal erwachsen werden, und ihr Selbstwertgefühl nicht bloß in der Abgrenzung zum Übervater bestimmen müssen). Und so versucht Bobby auch bloß von seinem patriarchalen Verhalten abzulenken, als Alleszermalmer, als Allesvernichter, indem er die anderen als Männerbündler diffamiert. Dahinter steht freilich: Er mit seiner aggressiven King Kong-Art ist der Ober-Patriarch, das sieht doch ein jeder.

Nach allem, was ich erlebt habe, kann ich auf einen Beschützer wie Norbert, der Frauen angeblich nicht zum Objekt machen will, verzichten. Es ist kein Zufall, dass sich die Frauen zumindest im inner-circel der Krisis soweit ich sehe in erster Linie auf Bobby beziehen und zu ihm mehr Zutrauen haben, sich im Männerbund Gehör verschaffen zu können, als bei dem scheinbar so sanften und gewaltlosen Norbert und den "hausfrauisierten" und misshandelten Opfer-Männern in der anderen Gruppe, die meines Erachtens wenig mit einer Auseinandersetzung mit patriarchalen Strukturen im Krisiszusammenhang zu tun haben, aber stattdessen umso mehr darunter leiden, als Mann scheinbar nicht anerkannt zu sein und sich gerade deswegen mit der Soft-Masche an die Frauen anwamsen. Nochmals: Es geht hier nicht allein um patriarchale Strukturen, sondern um die Durchsetzung männlicher Interessen in warenförmig-patriarchalen Verhältnissen. Aus meiner Sicht verdeckt der Angriff auf den dominanten und aggressiven Macho-Mann Bobby das eigene Dominanzstreben. Ohne Bobby wäre schon so manche der ohnehin wenigen Frauen im Krisiszusammenhang abserviert. Dabei will mit meinen Ausführungen überhaupt nicht bestreiten, daß Bobby durchaus auch ein problematisches Dominanzverhalten zeigt; die Thematisierung dieses Verhaltens durch ein männliches Konkurrenz und Macht-Individuum wie Norbert ist aber nicht koscher.

Was dieses Verhalten von Bobby angeht, so zeigt er es übrigens vor allem dann, wenn er eine grundsätzliche Feindseligkeit verspürt. Sein Fehler ist dabei aus meiner Sicht jedoch, dass er sich jahrelang als scheinbar indifferenter Boxsack benutzen lässt, um dann endlich in die Luft zu gehen. Dann bleibt oft kein Auge trocken. Mein Rat deshalb an Bobby: schon früher seinen Ärger und Unmut zeigen, Sachen klären und zur rechten Zeit und in der rechten Situation auf den Tisch hauen. Manch cholerischer Anfall ist für andere nämlich dann, wenn er kommt, weil sich etliches angesammelt hat, möglicherweise gar nicht mehr nachvollziehbar.

Bobby ist also keineswegs frei von patriarchalen Verhaltensweisen (wie ich umgekehrt auch nicht frei von weiblichen bin, trotz meines Rufs als Krisismegäre habe ich immer wieder mal versucht den Zusammenhang zu kitten, z.B. als ich nach der Watschen auf Fritz zugegangen bin oder auch jetzt, wenn ich Bobbys Verhaltensweisen zu "verstehen" versuche). Und so ist es auch in der Tat zu problematisieren, wie Bobby Moni nach dem Karl-Heinz -Knatsch begegnet ist. Ich kann es aber nicht nur nachvollziehen, sondern empfinde es genauso wie er, dass in einer intriganten Struktur und einem byzantischen Gespinst sondergleichen wie der Krisisgruppe einem dann auch Moni nicht ganz geheuer ist (wobei auch früher schon Moni selber mir gegenüber Misstrauen geäußert hat im Hinblick auf diese intrigante Struktur in der Krisis!). Allerdings ist es äußerst schräg und Scheiße, wenn dies dann in der Form patriarchaler Zuschreibungen daherkommt.

 

5. Nun noch kurz zum Punkt Denunziationen/Wahnvorstellungen. Leider handelt es sich nicht nur um Phantasien von Bobby, sondern es sind Aussagen bzw. auch Mails von Petra, Horst, Frank und sogar Franz da und natürlich auch die früheren tatsächlichen Hasspapiere von Fritz gegenüber Bobby, die er nun zum Teil auch in Wien zu verteilen scheint und andere Dinge, die noch zur Sprache kommen. Die Vergiftung der Atmosphäre geht also leider nicht bloß von unserer Seite aus. Daß selbst Franz teilweise so empfindet und er nicht als Sektenhäuptling dastehen möchte (hoffentlich erinnert er sich daran auch noch in der Redaktion), zeigt, dass Bobby nicht bloß wild herumphantasiert und das Problem nicht auf die Nürnberger Gruppendynamik zu beschränken ist. Deshalb gehört es in die Redaktion und ist nicht einfach Privatsache.

 

Langer Rede kurzer Sinn: Neben dem Punkt der denunziatorischen statt solidarischen Kritik und der Geschlechterfrage ist es vor allem die Organisationsfrage und die Neuorganisation der Finanzen, die auf dem Redaktionstreffen im Mittelpunkt stehen müssen und nicht die Psychodynamik. Nachdem unser Vorschlag, die Finanzen aus Nürnberg wegzunehmen bei der Gegenseite nicht angekommen ist, waren wir bereit, das ganze in Nürnberg zu belassen, allerdings in einer Norbert-Brigitte-Connection und nicht mehr in einer Norbert-Karl-Heinz Connection, bei der die Kasse in der Hand der anderen Gruppe ist, um so das gemeinsame Krisis-Projekt zu retten. Wir bewegen uns hier also durchaus und sind keineswegs stur und "ultimativ".

Obwohl Franz dies weiß, schreibt er seine Mail "Strukturelemente" so, als wäre da gar nichts passiert. Irgendwie habe ich den Eindruck in diesem Konflikt, dass Franz gar nicht ins Konzept passt, dass Bobby sich bewegt. Damit aber erhöht Franz selber das Potential, dass der Krisiszusammenhang auseinander fliegt. Gruppen - und interessensstrategisch scheint es ihm irgendwie nicht zu passen, dass der schlimme, unflätige Kurz so schlimm dann doch nicht ist.

Die Voraussetzung miteinander wirklich "kollegial" umgehen zu können (Gefühle und Vertrauen kann man nicht kommandieren, Franz) ist die Neuregelung des materiellen Fundaments der Krisis und die Organisationsfrage. Wenn da die Spannung raus ist, kann man vielleicht wieder unbefangener miteinander umgehen. Und nach einer Zeit in der man über Inhalte und Sachen kommuniziert hat, ist dann irgendwann mal für die Kombattanten ein klärendes Psychogespräch möglich.

So etwas kann man aber nicht übers Knie brechen. Der bisherige Mailwechsel zeigt, dass BEIDE Seiten derzeit zu einem solchen einvernehmlichen Gespräch nicht bereit und dazu in der Lage sind. Die Mails sind voll mit gegenseitigen Schuldzuschreibungen und Vorwürfen.

 

Ich war gerade mit dieser Mail fertig, als von Norbert die Mail "Ein Beispiel mit System" kam, die meine Einschätzung voll bestätigt. Gleichzeitig kam auch noch eine persönliche Mail von Franz an Bobby, aus der ich zitiere (auf Verlangen schicken wir die Mail gerne): "Warum schließt du eigentlich so dezidiert aus, dass nicht sein darf, was so offensichtlich ist, nämlich dass du als gekränktes Subjekt mit einer bestimmten Situation, die dich eigentlich völlig ratlos und hilflos macht, absolut nicht fertig wirst, und daher Hilfe brauchst (!). Das ist keine Schande. Du jedoch willst in obligater Manier Schluss machen, und in deiner Panik (ja es ist Panik, die sich aggressiv kleidet!) fällt dir als gelernter K-Gruppler (!) nur die K2L Taktik ein. Selbst jene Leute sehen das, die es sich aus Rücksicht auf dich oder aus Furcht nicht zu sagen trauen. Wir werden um die Debatte auf dieser Ebene nicht herumkommen (...)".

Franz pathologisiert wüst und schürt hier byzantinische Annahmen und Ängste, um sogleich deren Vorhandensein auszuschließen: "Ich fürchte du wirst sehr einsam sein. Die Ausweitung wird in Nürnberger Zuständen enden, nämlich in deiner Isolation, was niemand wollen kann, und du wahrscheinlich nur als neuerliche Verschwörung, Intrige oder sonst was wahrnimmst, indes du doch eigentliche ein ausgesprochen warmherziger, liebenswürdiger und geselliger Mensch bist, der aber begonnen hat die dunkle Seite seines Subjekts über all das zu ziehen (!), was ihn als Individuum so auszeichnet. Man muss nicht nur andere vor dir schützen, man muss auch dich vor dir schützen, und auch wenn es nicht gelingen sollte, muss es probiert werden".

Zynisch "freundliche" Pathologisierung, und die Androhung der Totalisolierung von Bobby im männerbündischen Universum, während die andere Nürnberger Gruppe und die Frauen, Brigitte und ich, überhaupt nicht mehr vorkommen. So sieht also die Bereitschaft zum "einvernehmlichen Gespräch" des anderen Lagers aus, zu dem Franz mittlerweile voll gehört. Den anderen für verrückt erklären, andeuten dass in Wirklichkeit alle gegen ihn sind (man hat da in der Zwischenzeit offensichtlich auch gewühlt). Mehr als eine einseitige Schuldzuweisung wird hier nicht mehr sichtbar, die nun aber wirklich jede Bereitschaft zu einem "einvernehmlichen Gespräch" dementiert. Deine Methode ist mehr als übel, mein lieber Franz! So etwa gibt es eigentlich gar nicht !

Mit der Thematisierung über die Verfügung der Kasse haben wir offensichtlich in ein Wespennest gesprochen. Ein Basisproblem dabei scheint mir hier die materielle Reproduktion einiger Leute sein, die über die vor allem auch durch Bobby hereingekommenen Spenden unter sich bestimmen wollen. Es kommt mir im Nachhinein richtig vor, Bobby geraten zu haben, nicht auf die Psycho-Papiere von Norbert und Karl-Heinz geantwortet zu haben; in Wirklichkeit hat der ganze Konflikt vielleicht einen ziemlich vulgärmaterialistischen Hintergrund. Langsam frage ich mich tatsächlich, was da eigentlich los ist. Warum läuft plötzlich eine derartige Denunziationsmaschine?

Jetzt also volle Kanne. Der massiv gehäufte und oft gleichzeitige Eingang der Hass-Mails von Norbert, Karl-Heinz und auch Franz macht auf mich unwillkürlich den Eindruck, dass hier eine abgesprochene Mobbing-Kampagne läuft, selbst wenn ihnen das nichts bringt, weil sie dann einen ihrer geistigen und materiellen Hauptzubringer verlieren. Bobby soll offensichtlich fertig und "verrückt" gemacht werden. Ich habe meine Zweifel, ob da mit diesen Leuten selbst auf der Ebene "instrumenteller Vernunft" noch was laufen kann.

Wie es weiter geht, weiß ich nicht, ich werde mich aber mal ans Telefon setzen. So nicht!

Roswitha

 

 

 

... und deren administrative ‚Lösung’"

 

 

Claus Peter Ortlieb

Persönliche Erklärung

zu der am 20. Februar 2004 vollzogenen Spaltung der Krisis

 

 

Die am 20.02.04 vom Vereinsvorstand eingesetzte Krisisredaktion unterstellt in ihrer Erklärung an die Mitglieder des KOK, meine von der ihren abweichende Entscheidung beruhe wesentlich auf einer falschen Loyalität gegenüber Robert Kurz und Roswitha Scholz. Richtig ist, dass ich mit allen Redaktionsmitgliedern bis zuletzt loyal zusammengearbeitet habe, dass Franz Schandl und Norbert Trenkle mich aber grob getäuscht und damit auch mir ganz persönlich die Loyalität aufgekündigt haben:

 

Norbert Trenkle hat es in einem Telefongespräch eine Woche vor dem Redaktionstreffen auf meine ausdrückliche Frage hin weit von sich gewiesen, eine Krisis ohne Robert Kurz anzustreben. Franz Schandl hat mich noch einen Tag vor dem Treffen angerufen und seiner Besorgnis Ausdruck gegeben, ob denn die verfahrene Situation wohl noch konstruktiv gewendet werden könne. Kein Wort davon, dass er seine "Lösung" bereits parat und in Gang gesetzt hatte. Wie soll ich Leute nennen, die mich in aller Freundlichkeit und mit dem ihnen zu Gebote stehenden Charme anlügen? Mit ihnen weiter zusammenzuarbeiten, übersteigt jedenfalls meine Fähigkeiten.

 

Es gab in Vorbereitung auf das Treffen von Petra Haarmann, Hanns von Bosse und mir getragene Vorschläge, das persönliche Zerwürfnis nach dem "Zerrüttungsprinzip" zu behandeln und die Redaktionsarbeit durch formale Zuordnung von Verantwortlichkeiten und weitgehende Auslagerung aus Nürnberg dem Einfluss der dort prozessierenden Psychodynamik zu entziehen. Aus meiner Sicht hätte dazu auch eine verbindliche Regelung gehört, die das Austragen persönlicher Konflikte (Verbalinjurien auf der einen, Pathologisierungskampagnen auf der anderen, "schmutzige Wäsche" auf beiden Seiten) auf der Ebene der Redaktion (und des KOK) unterbindet. Ich habe beiden Konfliktparteien am Telefon zugleich sehr deutlich gemacht, dass ich keine Regelung mittragen werde, die auf dem Ausschluss einzelner Redaktionsmitglieder basiert.

 

Ob diese Vorstellungen vor dem Hintergrund der inzwischen fortgeschrittenen Eskalation noch tragfähig gewesen wären, weiß ich nicht. Das zu überprüfen war nicht mehr möglich, die Vorschläge wurden gar nicht erst diskutiert. Die eine der beiden Konfliktparteien hat es vorgezogen, die Angelegenheit der Redaktion zu entziehen und administrativ in ihrem Sinne zu entscheiden. Vorgegangen wurde nach dem archaischen "Schuldprinzip", zu Richtern in diesem "Scheidungsverfahren" wurde Leute aus der eigene Clique bestellt. Peter Millian und Bernd Suffert haben ihre Kenntnis der Vorgänge aus Informationen bezogen, die ihnen vermutlich am Biertisch übermittelt wurden. Sie haben es jedenfalls nicht für nötig gehalten, die Gegenseite und die bis dato ja immer noch die Redaktionsmehrheit bildenden "Nichtkombattanten" anzuhören. Wer hier der Hund und wer der Schwanz ist, wird auch daran deutlich, dass die neue Redaktion jetzt eine Erklärung abgibt, die bei einem korrekten Vorgehen Sache des Vorstands gewesen wäre.

 

Im Ergebnis wurden die eine Nürnberger Konfliktpartei (Bobby und Roswitha) sowie vier Personen von außerhalb (Petra, Hanns, Christian und ich) aus der Redaktion entfernt und durch zwei Mitglieder der anderen Konfliktpartei (Fritz und Karl-Heinz) ersetzt, die jetzt die Mehrheit in der Redaktion stellt. Es möge bitte niemand behaupten, die Entfernung der Nicht-Nürnberger sei nicht beabsichtigt gewesen. Diese Konsequenz war zum Zeitpunkt des Beschlusses den Akteuren durchaus bekannt. Einer durch private Beziehungen verbundenen Clique ist es jetzt gelungen, die Ressourcen der Krisis und die Kontrolle über ihre Verwendung an sich zu bringen. Einen derartigen Vorgang bezeichnet man wohl als Putsch. Dass die allgemeine gesellschaftliche Tendenz zur Mafiotisierung bereits soweit vorangeschritten ist, habe ich vorher nicht gewusst.

 

Franz Schandl hat bei der Verkündung des von seinem Racket erlassenen Dekrets unter ausdrücklichem Bezug auf Carl Schmitt festgestellt, es ginge im vorliegenden Ausnahmezustand ganz dezisionistisch um die Entscheidung, wer Freund und wer Feind sei. Damit ist jede Zusammenarbeit von vornherein ausgeschlossen, jeder weitere Vermittlungsversuch sinnlos. Die Spaltung der Krisis haben diejenigen zu verantworten, die jetzt in aller Unschuld vorgeben, sich um ihre Funktionsfähigkeit zu sorgen.

 

Hamburg, 23. Februar 2004

 

 

 

Vor der Mitgliederversammlung (MV) des Fördervereins der Krisis im April 2004 unterbreitete die "Vierer-(Männer)-Bande" der "Provisorischen" vier Papiere: Ernst Lohoffs "Clash of cultures", Norbert Trenkles "Kleine Krisis-Kassenkunde", eine persönliche Erklärung von Franz Schandl "Warum zu tun war, was getan wurde" und Karl-Heinz Wedels "Die Mechanik der Subsumtion", auf die Robert Kurz in seinem weiter hinten auszugsweise abgedruckten Papier "Die Revolution der Nettigkeit" noch näher eingeht. Im Vorfeld nicht bekannt war, dass sich die "Provs" mit dem unrechtmäßigen und Manipulations-Instrument notariell beglaubigter Blanco-Vollmachten Mehrheiten sichern wollten und dann auch einsetzten. Zu diesem Treffen meldete sich auch ein nicht im engeren Kreis und in die Nürnberger "Beziehungsprobleme" involviertes Mitglied zu Wort.

 

 

 

An
den Vorstand des Fördervereins Krisis - Hans von Bosse mit der Bitte um Weiterleitung (mail-Adressen nicht bekannt) an seine Vorstandskollegen Peter Millian und Bernd Suffert
die Teilnehmer von MV und KOK

Da ich am kommenden Samstag aus familiären Gründen leider nicht an der MV teilnehmen kann, melde ich mich in dieser Form zu Wort.

Es gereichte dem Projekt Krisis bisher sicher zur Ehre, dass es so lange und erfolgreich auf informelle Weise zu Rande kam und der herkömmlichen "Vereinsmeierei" nicht zuviel Bedeutung beigemessen wurde. In diesem Falle kann mensch sehr gut mit inaktiven Mitgliedern, so genannten "Vereins- aber auch Vorstandsleichen" leben. Problematisch und ernst wird es bekanntlich erst, wenn Konflikte auftauchen. Dann kann es auch brenzlig werden und eben auch wichtig, wie mit dem Verein "herumgemeiert" wird, welche Leichen, zu welchem Zeitpunkt und zu welchem Zwecke plötzlich quicklebendig werden.

Heute sind vom Förderverein Krisis Anträge zur TO und diverse Papiere der "Provisorischen" per Post angekommen und dann in ausgewählter Form auch in den KOK-Verteiler gestellt worden. Dabei fällt dem unbedarften Leser auf, dass die beiden Vorstandsmitglieder des Fördervereins Peter Milian und Bernd Suffert, die an dem besagten 20. Februar qua "Auferstehung" zur Staffage einer "Mehrheitsbeschaffung" und eines mehrheitlichen Vorstandsbeschlusses, (der im übrigen eine Legitimität vorgab, die in der bisherigen Vereinssatzung gar keine Grundlage hat), bereit standen, inzwischen wieder Leiche und "gen Himmel gefahren" zu sein scheinen und nicht einmal mehr pro forma die Fördervereins-Geschäfte erledigen. Die "Provisorische Redaktion" hat wie ja wohl am liebsten alles in der Hand - Norbert (sicher Mitglied des Fördervereins) und Franz (sicher gar kein Mitglied des Fördervereins) geben die Kommentare und Richtung an.

Ich frage die beiden mir nicht weiter bekannten Vorstandsmitglieder Peter Millian und Bernd Suffert:
Warum habt ihr nicht auch am 20. Februar die vorher und auch jetzt wieder praktizierte Zurückhaltung geübt? Im Interesse des Krisisprojekts und des Fördervereins wäre es an Euch gewesen, solch folgenschwerem Vorgehen nicht die voreilige von einer Minderheit gewünschte Scheinlegitimation zu geben, sondern auf eine schnelle Einberufung einer MV, einer Beratung, Klärung und konkreten Entscheidung in diesem Kreise hinzuwirken. Es war unverantwortlich und im wahrsten Sinne des Wortes vereins- und projektschädigend, dass am 20.2. mit Eurer Hilfe unwiderrufliche Fakten geschaffen wurden. Es hätte gut noch einen Monat bis zu einer Beratung im großen Kreis Zeit gehabt und die Chance für einen wirklichen KAU bestanden. Ich gebe zu, die Hauptverantwortlichen für die Ereignissee vom 20.2. seid ihr nicht. Aber ihr habt Euch instrumentalisieren lassen.

Die Hauptakteure waren andere und ihre Sichtweise der Vorgänge ist ziemlich einfach aber keineswegs so einsichtig und überzeugend gestrickt, wie vorgegeben wird. Fritz, alias E..L., formuliert es in seinem "Clash of cultures"-Schreiben. einleitend noch einmal "klassisch":
"Das Begleitschreiben zur MV-Einladung und die mitverschickte persönliche Erklärung von Franz Schandl legen klar, in welch heilloser Situation sich die "Krisis" im Februar 2004 befand. Weil es unmöglich war einen Minimalkonsens für eine informelle Lösung zu finden, blieb nur noch der formelle, von der Vereinssatzung vorgesehene Weg: Einberufung einer über die Zukunft der Krisis entscheidenden außerordentlichen Mitgliederversammlung und für die Zwischenzeit die Einsetzung einer provisorischen Redaktion. Robert Kurz und die Seinen bezeichnen diesen Schritt notorisch als "Putsch".


In diesen wenigen Zeilen kommt die in allen Äußerungen der "Provisorischen" wiederkehrende verengte und ver-rückte, problematische und letztlich auch falsche Sicht der Dinge zu Tage.
- Nicht einmal nur die Situation in der Redaktion der "Krisis" war vermeintlich heillos, nein die der Krisis überhaupt. "Le crisis c’est moi oder besser sont nous, les provisoires”.
- Der allseits nachlesbare Minimalkonsens angeblich nicht gegeben.
- Es "blieb nur noch der formelle, von der Vereinssatzung vorgesehene Weg: Einberufung einer über die Zukunft der Krisis entscheidenden außerordentlichen Mitgliederversammlung." Für wahr, dies wäre der Weg gewesen. Nur dieser Weg wurde eben nicht gegangen, keine a.o. MV einberufen und vorbereitet (für die die jetzt angesetzten 3 Stunden natürlich nicht reichen können), um den Rat und die Unterstützung des größeren Kreises der Mitglieder und Freunde der Krisis einzubeziehen.

Es wurden lediglich die der "groupe de coup" genehmen, hörigen oder vielleicht auch schon angehörenden Vorstandsmitglieder und eben nicht für eine a..o. MV (die das weitere Mitglied Hans von Bosse sicher mitgetragen hätte) sondern für die "Stunde der Entscheidung" im kleinen Kreis am 20.2.2004 hier und jetzt und sofort aufgeboten. Dies ist nicht nur nicht in der bisherigen Vereinssatzung so vorgesehen und zukünftig notwendig auch formell klar und richtig und ganz anders zu regeln. Wenn zu einer Redaktionssitzung eine Gruppe von Mitgliedern zum Zwecke der Zur- Schaustellung einer un-gehörigen Mehrheit bei der Zusammenkunft mitbringt, was nicht dazugehört, und über die Köpfe der realexistierenden Mehrheit (ob nun genehm oder nicht) ultimative Entscheidungen und den Rauswurf eines oder mehrer Redaktionsmitglieder verkündet und den Verlust weiterer billigend oder gerne in Kauf nimmt, dann ist dies weder formell noch inhaltlich zu billigen. Mensch mag über die Berechtigung des einen oder anderen Begriffes für solches Vorgehen herumphilosophieren. Es hat ‚was von einem "Putsch". Und wenn es bis zum 20. nur "Halluzinationen" des "kranken" Robert Kurz gewesen sein mögen, dass sich da etwas "zusammenbraut", dann scheint es mit und nach dem 20. in der Tat weniger abwegig, als mensch zu glauben wagte.
Aber was noch schlimmer ist, das Vorgehen der "Provs" ist nicht nur eine Provokation, es setzte leider vor Einbeziehung des Ratschlags des größeren Kreises der Krisis-Freunde unwiederbringliche Fakten. es gibt zu dieser a.o. MV leider keine offene Situation der Klärung im Sinne des KAU mehr. Die "Provs" haben gespalten, bevor bestpraktikabler Zusammenhalt noch (noch einmal) probiert werden konnte. Da mag der Dieb noch so viel und lauthals "Haltet den Dieb" schreien.

Den Wortmeldungen und Schreiben der "Provs" ist zu entnehmen, dass sie von ihrem Tun und von sich selbst zutiefst überzeugt sind. Am Anfang fand es der eine oder andere sogar lustig, sonst wären wir nicht mit der Lächerlich- und Peinlichkeit einer "Gartenzwerg-mail" beglückt worden. Fragen oder Skrupel kommen ihnen nicht. Rechtfertigungen werden geschrieben gegen vermeintliche Vorwürfe, die noch niemensch erhoben hat. Prüfungen gibt es in jedem Fall. Niemensch kann wünschen, das es finanzielle Unregelmäßigkeiten oder zu Beanstandendes gegeben hat. Sonst müsste manch einer für Dinge gerade stehen und Konsequenzen tragen, an die er heute nicht zu denken wagt. Es ist prekär genug, keiner wünscht mehr davon.

Richtig ist, das Vereinsgebaren und das Finanzgebaren des Vereins bedürfen einer Überprüfung und Revision und für die Zukunft einer eindeutigen und transparenten Regelung.. In diesem Sinne habe ich mich anknüpfend an die "Formalisierungsansätze" vor dem 20.2. nach dem 20. auch in Beratungen mit den "Geschassten" und anderen "Anti-Provs" über solche Fragen eingemischt, um bescheidene Erfahrungen in und um bürgerliche und sonstige Vereine und Vereinigungen einzubringen und unterstütze Anträge und Vorschläge für zukünftige Regelungen. Diese müssten sicher weitergehen als die "redaktionszentrierten" Strukturvorschläge Franz Schandls, die richtige Verknüpfung der Vereinsebene mit den Tätigkeitsfeldern und -organen des Krisisprojekts herstellen und nicht der Redaktion sondern dem, was das KOK hätte sein können oder müssen, ein Gremium des großen gemeinsamen Ratschlags, des Be-ratens, deshalb formell an besten auch "Beirat" genannt, in den Mittelpunkt stellen.

Aber auch wenn dies (noch) nicht so geregelt war, so hätten die späteren "Provs" und die zum falschen Zeitpunkt und Ort auferstandenen "Vorstandsleichen" durchaus die Chance dieses "weiteren" Blicks auf das ganze der Krisis haben und praktizieren können. Es gab eben mehr als die 3 Möglichkeiten, von denen Franz Schandl spricht:
1. Rauswurf von Kurz und Kollateralschäden
2. Weiteres Kuschen vor Kurz
3. Rückzug oder Weglaufen wie zuvor Fritz und Norbert
Auf die Idee, dass der richtigere Weg
4. die Beratung im größeren Kreise und Lösungen jenseits von Rausschmiss, Kuschen und Rückzug. zumindest versucht und dann auch gefunden werden könnten, seid ihr nicht gekommen. Konntet ihr wohl nicht, weil hier Selbstüberschätzen, da falsche Selbstbehauptung, letztlich die Kurzsicht eines gewissen privater Befreiungsschlag , mehr galt als das commune Anliegen des Krisisprojekts und seiner auch anderen Mitträger.

Es hat was Groteskes, dass der ehemals wahrzunehmende Klein-mut jetzt als Über- und Hochmut daherstiefelt:
Die Redaktion ist die krisis, die "Provs" sind die Redaktion, die "Provs" sind die Krisis, die "Provs" sind die Substanz. Und ohne Robert Kurz fühlen wir uns nicht nur gut, sind wir, ist Krisis erst richtig gut. Schaut her unsere Texte. Und Franz Schandl stellt wieder (k)ein Ultimatum. Immerhin, die Staffage ist größer geworden. Jetzt sind es alle Mitglieder des Vereins und nicht nur die beiden Vorstandskollegen, die mitwirken sollen: Entweder ihr billigt mein Verhalten oder ich bin weg. und überhaupt. "Vor einem Projekt ohne Robert Kurz und Roswitha Scholz habe ich wirklich keine Angst. es geht auch ohne sie." Genau das ist die "offene Situation und Zukunft", die das Vorgehen der "Provs" vom 20. Februar in Wirklichkeit zurückgelassen hat. Entweder gehen die einen oder die anderen. Und was dann noch "Krisis" ist, entscheiden im schlimmsten Fall die Gerichte. Ihr habt sehr kurz-schlüssig gehandelt. Ich habe keine große Hoffnung auf mehr Weit-sicht, würde heißen: Einsicht, Rücknahme, Entschuldigung, die Situation wieder etwas öffnen. Die Situation hat sich verkehrt, heute müsste mensch Euch raten, was ihr Bobby angeraten habt: Spannt mal aus, geht Euren liegen gebliebenen Projekten nach. Schreibt die Bücher, die ihr schon längst geschrieben haben wolltet, macht Streifzüge, viel Erfolg bei der gelben Offensive... und dann kommt zurück.

Schade. Es wäre anders möglich gewesen. Ich erinnere mich an die Situation auf dem Seminar in Markbreit. Fritz hielt das Auftakt-Referat. Es ging ihm offensichtlich nicht gut. Der Auftritt war irgendwie peinlich. (Ich hoffe, dass er trotzdem die angemessene Aufwandsentschädigung erhalten hat, die übrigens den auswärtigen Gastreferenten wie meiner erwerbslosen Kollegin Anne Eberle nicht angeboten wurde). Vermutlich machten ihm die Nürnberger Situation, der "Übervater" und seine "Eigenwilligkeiten" zu schaffen. Insider mögen Näheres gewusst haben. Aber warum wurden Probleme nicht für die Gemeinde der Krisis-Freunde öffentlich und transparent gemacht. Nur so hätten auch Bobbys vermeintliche oder wirkliche "Unverträglichkeiten" für das Projekt, die Redaktion oder wen oder was sonst noch Thema und angegangen werden können. Stattdessen wie auch jetzt die "enge", "private" Lösung jetzt unter umgekehrten Vorzeichen - Nicht Weglaufen, sondern "Rausschmeißen". Die Situation schien einmalig günstig. Die Positionierung von Franz Schandl machte einiges möglich.

Ich folge keiner blinden Loyalität oder Parteinahme. Mit meinen bescheidenen Mitteln habe ich mich in der Vergangenheit eingemischt und Bedenken geäußert, auch gegenüber Bobby und andere Autoritäten, vor allem dann, wenn ich den Eindruck hatte, es würde wie jetzt auch zu wenig an die Einbeziehung der Freunde und Folgen im Umkreis der Krisis gedacht: so beim Schließen der mailing-liste, die nicht wenige Kontakte abschnitt und allein ließ oder bei der Offensive gegen mausebaer, den letztlich Franz offen und öffentlich mit "No fun, no wert" abwatschte. Seit jüngstem erscheint Holger, alias mausebaer, auf der Streifzüge-homepage als Gewährsmann für Einführendes zur Wertkritik. Für wahr, dies war er schon, als noch weniger geliebt und beachtet und bevor er abgestraft wurde. Ein Schelm wer dabei und anderen überraschenden "links" Böses oder an "Politik" denkt.

Ich wünschte mir, dass die MV noch einmal den Türspalt offen sein könnte, wie es vor dem 20.2.2004 noch war. Die "Provs" haben ihn zugeschlagen, sie haben es in der Hand. Ich befürchte, dazu fehlt die Einsicht und Selbstkritik.
In diesem Falle liegt und bleibt die Verantwortung für "no return possible" wesentlich bei Ihnen. Schade!

Mit wertlosen Grüßen
Uli Leicht

 

 

 

"Gleichzeitig treten die instrumentellen Rechtsfetischisten von Rest-"Krisis" die Flucht nach vorn an, indem sie linkspopulistische Töne gegen die Rechtsform spucken"

 

DIE GAUNER DER RECHTSFORM ALS LINKSPOPULISTISCHE BIEDERMÄNNER

Wie Rest-"Krisis" die eigenen Spuren verwischen möchte

 

Am liebsten hätten es die Usurpatoren des von ihnen als "Markenklamotte" betrachteten "Krisis"-Labels natürlich gehabt, dass sie nach dem mit unlauteren Mitteln inszenierten Hinauswurf der ehemaligen Redaktionsmehrheit ihre Ruhe haben und die Früchte ihres "Coups" genießen könnten. Umso größer das Gezeter, dass jetzt die Illegitimität ihres Vorgehens auch auf der juristischen Ebene attackiert wird. Mit dem falschen Gestus der Antibürgerlichkeit beklagt sich Rest-"Krisis" beim Publikum darüber, dass "das Recht eine der Lieblingswaffen von >Exit< geworden" sei. Anscheinend haben diese Verächter des bürgerlichen Rechts schon nach drei Monaten vergessen, dass das bürgerliche Recht ihre Lieblingswaffe war, um die "Krisis"-Redaktion gegen den Willen der Redaktionsmehrheit an sich zu reißen und die unliebsamen bisherigen Hauptautoren hinauszuwerfen.

Diese "Herrschaftskritiker" wussten sich eben der Herrschaftsmittel zu bedienen. Zur Information und zur Erinnerung: Mittels einer Instrumentalisierung des formaljuristischen Status des "Krisis"-Fördervereins wurde unter ausdrücklicher Berufung auf den Nazi-Rechtstheoretiker Carl Schmitt ein "Ausnahmezustand" ausgerufen und mit Hilfe von zwei Vorstandsmitgliedern, die mit Redaktion und Theoriebildung noch nie etwas oder schon lange nichts mehr zu tun hatten, die bürgerliche Rechtsform in Anspruch genommen, um sich das "Krisis"-Label anzueignen.

Die juristische Farce der jetzigen Rest-"Krisis" setzte sich fort durch eine anschließende Mitgliederversammlung mit einer unwürdigen formaldemokratischen Abstimmung über das Schicksal der Theoriezeitschrift durch eine zufällige Menge von passiven Rezipienten, die "Volksgericht" spielen sollten und teilweise auch wollten. Diese formaljuristische Inszenierung wäre sogar schief gegangen, weil die anwesenden Mitglieder mit einer Stimme Mehrheit gegen die Regisseure der Farce entschieden. Diese zogen jedoch vier Blanko-"Vollmachten" von nicht Anwesenden aus der Tasche, um sich zum "Sieger" zu erklären; abermals eine Instrumentalisierung der formaljuristischen Ebene. Jedoch eine in doppelter Hinsicht falsche. Denn erstens war dieses Vorgehen natürlich völlig illegitim, weil die gesamte Mitgliedschaft nicht über ein Verfahren mittels Vollmachten informiert worden war, also dieses Mittel einseitig und überfallartig benutzt wurde. Und zweitens war es juristisch illegal, weil nach dem Vereinsrecht Vollmachten unzulässig sind, sofern nicht ausdrücklich in der Satzung vorgesehen (was beim "Krisis"-Förderverein nicht der Fall ist).

Es ist wirklich ein schlechter Witz: Diejenigen, die das bürgerliche Recht instrumentalisiert und gleichzeitig zu ihren Gunsten immanent gebrochen haben, posieren nun als großartige Rechtskritiker. Dann allerdings wären auch Handtaschenräuber und Serienkiller revolutionäre Kritiker der Rechtsform. Die inszenierte juristische Farce von Rest-"Krisis" kann nicht anders als mit juristischen Mitteln beantwortet werden. Was nur heißt, dass die illegitimen Aneigner des "Krisis"-Labels auf Heller und Pfennig die Zeche zahlen müssen, die sie gern geprellt hätten. Hier gilt eben nicht nur, dass "mit Musik gekämpft wird", sondern vor allem: Wer die Musik bestellt, der zahlt sie auch.

Nicht anders steht es mit der Geiselhaft unserer Texte auf der Homepage der "Krisis"-Usurpatoren. Sie haben uns mit schmutzigen Mitteln hinausgeworfen, aber sie möchten unsere Namen, unsere Ideen und unsere Schriften weiterhin als Aushängeschild benutzen und sich die Definitionsmacht über die Geschichte der wertkritischen Theoriebildung unter den Nagel reißen. Niederträchtiger geht es kaum noch. Es ist eine "Aneignungsbewegung" der besonderen Art. Als "Krisis" soll es uns nicht mehr geben, aber unsere Eliminatoren wollen nun mit "Macht" unsere intellektuelle Erbmasse verwalten. Die Dreistigkeit hat allerdings einen faktischen Grund: Wenn die Artikel von Robert Kurz, Roswitha Scholz und Claus Peter Ortlieb sowie die Übersetzungen von Petra Haarmann heruntergenommen werden müssen, sieht die Homepage von Rest-"Krisis" elend kahl aus und es wird unübersehbar, wer hier die theoretische Substanz repräsentiert. Die Vermarktung des Labels durch seine illegitimen Aneigner würde damit der Lächerlichkeit preisgegeben. Im Übrigen ist die Rechtslage völlig klar, und wir werden dafür sorgen, dass unsere Texte komplett von dort verschwinden, wo wir sie nicht haben wollen. Wer diese Texte herunterladen will, kann dies jederzeit von der EXIT-Homepage aus machen. Wir stellen diese Texte auch gelegentlich kostenlos für einen Abdruck zur Verfügung (etwa jüngst einer norwegischen Studentenzeitung), aber wir wollen selber die Kontrolle darüber behalten.

Die Verlogenheit von Rest-"Krisis" ist wirklich weltrekordverdächtig. Diese Leute sprechen euphemistisch von "ausgeschiedenen Mitgliedern" und von einer "gemeinsamen Publizistik", die nicht deshalb hinfällig werde, "weil einige der daran Beteiligten jetzt die Krisis verlassen haben". Stalin hatte wenigstens noch den Anstand, sich nicht mit den geistigen Erzeugnissen eines Bucharin schmücken zu wollen und damit hausieren zu gehen.

Gleichzeitig treten die instrumentellen Rechtsfetischisten von Rest-"Krisis" die Flucht nach vorn an, indem sie linkspopulistische Töne gegen die Rechtsform spucken und dabei die Gedankenlosigkeit einer formal egalitaristischen Szene bedienen. Sie merken nicht einmal, dass ihre Adaption etwa des Copyleft-"Prinzips" selber dem Rechtsfetisch aufsitzt. Nur zur Klarstellung: Wenn wir das von Robert Kurz mitverfasste "Manifest gegen die Arbeit" auf unsere Homepage stellen, hat das gar nichts mit einer Inanspruchnahme jenes ausgeheckten "Prinzips" zu tun. Es handelt sich bei diesem um einen neo-kleinbürgerlichen Utopismus, der sich die Unterbietung gewerkschaftlicher Standpunkte im Sinne einer freiwilligen Selbstenteignung von Autoren als transzendierendes Programm in die Tasche lügt. Wir warten darauf, dass sich die Neonazi-Querfront-Postillen dieses formalistischen "Prinzips" bedienen. Der Weg von Rest-"Krisis" in den Bewegungs-Opportunismus ist vorgezeichnet.

EXIT wird sich in der demnächst erscheinenden ersten Ausgabe nicht vorrangig mit diesem intellektuellen Abstieg einer "Wertkritik light" beschäftigen. Erst recht nicht werden wir uns allerdings davon abhalten lassen, mit den gebotenen Mitteln gegen die formaljuristischen Aneigner des "Krisis"-Labels und unserer Texte vorzugehen. Peinlich sind einzig und allein die mittels Instrumentalisierung der Rechtsform zur "Bedeutung" aufgeblasenen unreflektierten Pseudo-Verächter des bürgerlichen Rechts, deren theoretische Hinfälligkeit und Unselbständigkeit sich in der neuesten Inszenierung der Rest-"Krisis"-Redaktion bereits andeutet.

 

P.S. Die Behauptung, Rest-"Krisis" habe "unter anderem eine finanzielle Starthilfe für Exit angeboten", ist schlicht und einfach eine weitere freche Lüge. Richtig ist vielmehr, dass SpenderInnen Rest-"Krisis" aufgefordert haben, Teile ihrer Spenden Exit zukommen zu lassen. "Generös" sind diese Leute immer nur auf Kosten anderer. Im Übrigen lassen wir uns unsere Gegenmaßnahmen nicht abkaufen.


Redaktion EXIT
sowie
Vorstand

Verein für kritische Gesellschaftswissenschaften

 

 

 

 

"Eine Frau kann nur in Vermittlung über einen Mann oder einer Männerclique in der Krisis-Mann!schaft sein, oder sie kann gar nicht sein!"

 

 

GENDER-TROUBLE IN DER KRISIS

 

Gemeinsame Stellungnahme von Frauen, die schon einmal ins Allerheiligste der Krisis, die Redaktion, vorgedrungen waren.

 

 

Die plötzliche Spaltung der Krisis ist nicht aus den Ereignissen und Aussagen der letzten Wochen zu begreifen, sondern beruht auf tief sitzenden Struktur- und Beziehungsproblemen. Dass Franz Schandl Robert Kurz vorgeworfen hat, dieser "halluziniere" den Krisiszusammenhang als "Männerbund", zeigt nicht nur die völlige Unreflektiertheit Schandls in dieser Hinsicht, sondern macht auch deutlich, wie überfällig es ist, dass sich endlich einmal einige der wenigen im bisherigen inner circle der Krisis aktive Frauen in dieser Angelegenheit äußern und nicht bloß die beteiligten Männerbündler selbst. Wir haben zu vielen Vorgängen und Vorfällen in der Vergangenheit geschwiegen, nicht nur, weil es uns um den Erhalt des Krisis-Zusammenhangs ging, in dessen Kontext unseres Erachtens die Frage des asymmetrischen Geschlechterverhältnisses im Kapitalismus einzig adäquat theoretisch thematisiert werden muss, und nicht nur, weil wir eine Haltung "Männer sind auch bloß Menschen" an den Tag gelegt haben, sondern leider auch deswegen, weil uns die Tragweite der Geschlechterproblematik in den Krisis-Beziehungen, trotz aller abstrakten Thematisierung der Wert-Abspaltungskritik in den konkreten Krisiszusammenhängen - in unverzeihlich naiver Weise muss frau jetzt sagen - nicht voll bewusst war. Jetzt, nach dem Mobbing- und Putschversuch durch Schandl, Trenkle & Co., kann diese grundlegende Problematik in ihrem vollen Ausmaß jedoch nicht mehr ignoriert werden.

 

  1. Frauen im Männerbund Krisis

 

Fact ist: Frauen erlebten in der Krisis auf eine für einen Männerbund charakteristische Weise immer wieder ein Niederschauen, Ignorieren, Geschnittenwerden, Gedankenklau ohne Angabe der Urheberin, "Vergessenwerden" bei der Weitergabe von Informationen u.ä. - bis hin zum offenen Mobbing (durch Ernst Lohoff, Norbert Trenkle und Karl-Heinz Wedel in der Nürnberger Gruppe) auf Veranlassung eines verschmähten und von ihr persönlich kritisierten Mannes (Ernst Lohoff). Es kam sogar zu einem tätlichen Angriff in der Nürnberger Gruppe: Ernst Lohoff rutschte gegenüber Roswitha Scholz die Hand aus.

Es ist leider so: Frauen werden in der Krisisgruppe vor allem dann am liebsten geduldet, wenn sie passive Anhängsel sind. Sie sollen nur "Dabei-Sein" dürfen und am besten geschlechtsneutrale Standpunkte einnehmen. Dies ist der Subtext des männerbündischen Krisiszusammenhanges bis heute (auch wenn dies durchaus nicht für jedes männliche Krisismitglied gilt, aber es gilt nicht zufällig besonders für die Putschistenclique), trotz aller oberflächlichen Goutierung, einer bloß jargonmäßigen Einarbeitung der Wert-Abspaltungstheorie (oft ohne Verweis auf die Urheberin) und einer mittlerweile zur Schau getragenen Geschlechtersensibilität in abstracto. Diese Struktur ist faktisch gegeben, selbst wenn jetzt in der Not des Konflikts Frauen bezeichnenderweise aus der Krisisperipherie angekarrt werden sollten, um Gegenteiliges zu behaupten, die die inkriminierten Vorfälle und Dauersituationen gar nicht aus eigenem Erleben aus der Nähe kennen.

 

Aber selbst dann, wenn frau es ausnahmsweise schon mal in den Olymp der Theorieproduktion geschafft hat, ist ihre "weibliche Seite" gefordert. Sie hat alles zu tun, um die schnell beleidigten zarten Männerseelen zu begütigen (Paradefall Lohoff) und die "Sache", das Krisisprojekt, am Laufen zu halten. Den Anforderungen gerecht zu werden, ist keineswegs einfach, denn das gewissermaßen Spanische Hofzeremoniell einzuhalten, heißt vor allem niemals zu vergessen, dass Frau lediglich als Protege eines der Hofschranzen oder seiner Clique überhaupt Zutritt erhalten hat. Unbotmäßigkeit wird sofort geahndet und, wie eine der Frauen erfahren durfte, die Vollstreckung (Ausschluss aus der Gruppe, weil ihre bloße Anwesenheit dem Mann Lohoff "unerträglich" geworden war) der Delinquentin nurmehr durch einen Adlatus verkündet (qua wie immer freundliche telefonische Andeutung von Trenkle, sie brauche eigentlich nicht mehr zu kommen). Eine Frau kann nur in Vermittlung über einen Mann oder einer Männerclique in der Krisis-Mann!schaft sein, oder sie kann gar nicht sein!

 

Dementsprechend wurde in den Mails der Putschisten und auch in deren Aussagen am Putschtag überhaupt keine besondere Begründung mehr geliefert, warum Roswitha Scholz aus Kok und Redaktion ausgeschlossen werden soll. Noch als angebliche "Männernichterin" (so Karl-Heinz Wedel über sie), ist sie dennoch bloß Anhängsel von Robert Kurz. Da hat ihr Ausschluss doch schon von vornherein ad hoc-Plausibilität!

 

  1. Männer und Konkurrenz im Männerbund Krisis

 

Wenn wir aber von "Männerbund" oder einer "männerbündischen Struktur" reden, sollten wir uns zunächst einmal vergewissern, was überhaupt darunter verstanden werden kann. Eva Kreisky schreibt dazu in zwar problematisch positivistischer Manier (was hier aber nicht weiter zu verhandeln ist): "Männerbünde sind immer Wertegemeinschaften. Die Affinität und Solidarität der Männer hat nicht nur rationale, sondern auch emotionale, affektive und häufig auch erotische Basis. Männerbünde haben eine extrem hierarchische Binnenstruktur: Um die zentrale Figur des `Männerhelden`(`Führer`, `Meister`) scharen sich die libidinös gebundenenen `Brüder`, `Freunde`, `Kameraden`. Männerbünde bedürfen der Aura des Geheimnisvollen. Initiationsriten, Zeremonien, magische Techniken, Sprache `verbinden`. Künstliche Feindbilder (...) schweißen - trotz aller internen Differenzen und Gegensätze - zusammen".

 

Dies war (trotz ihres inoffiziellen Status ganz ähnlich wie in akademischen Gremien oder politischen Institutionen) so ungefähr der Zustand der Krisis-Gruppe bis Anfang der 90er Jahre. Inhaltliche Innovationen des "Meisters" Robert Kurz gingen so gut wie immer durch wie Butterschneiden; aber nur so lange, bis er gegen den erbitterten Widerstand der gesamten damaligen Nürnberger Gruppe die Wert-Abspaltungstheorie von Roswitha Scholz zu unterstützen begann. Ohne diese Unterstützung wäre diese Theorie gänzlich abgewehrt worden. Ab diesem Zeitpunkt aber wurde der ehedem dezidiert antifeministische Robert Kurz so etwas wie ein informeller Frauenbeauftragter im Krisis-Zusammenhang. "Der Meister" hat auf diese paradoxe Weise den Männerbund selbst in Frage gestellt, ja er ist für die anderen Männerbund-Männer emotional wie intellektuell zum Männerbundverräter geworden - so will es uns nach all den Vorgängen heute erscheinen. Gerade jetzt ist es ganz offensichtlich, dass die gerade im inner circle der Krisis vorhandenen, der Wert-Abspaltung immanenten Strukturen sich nunmehr endgültig gegen den ehemaligen Leader des Männerbunds selbst wenden, was soweit geht, dass er im Zuge einer Mobbing-Kampagne sogar pathologisiert wird (insbesondere durch Franz Schandl).

 

Leute, die mit Psychopathologisierung daher kommen, können meistens nicht beschreiben, warum sie etwas als Psychopathologie bezeichnen, oder, um es sinngemäß mit Dostojewski auszudrücken: "Ist man deshalb nicht verrückt, weil man seinen Nachbarn einsperrt?" Die Exklusion, wie sie nun im kleinen Rahmen des Krisis-Zusammenhangs durch den formalen Putsch an Robert Kurz und Roswitha Scholz exekutiert worden ist, hat im Abendland eine lange Geschichte, wie auch die Weise ihres Verstehens. Die Exklusion durch Zuschreibung einer angeblich psychotischen Persönlichkeit mit der Folge der Entmündigung bei gleichzeitiger Kontrolle durch betreuende Sorgestruktur (man(n) muß ihn unter Kuratel stellen!) blieb allerdings, zumindest bisher, der kapitalistischen Vergesellschaftung vorbehalten. Es ist ja auch gar zu angenehm, wenn man(n) unter Hintanstellung des gesellschaftlichen Kontextes - es wird schon nieman(n)d merken - nicht nur die Subsumtion unter die gesellschaftsspezifisch-objektive Sachnorm vollzieht, sondern im gleichen Akt der eigenen, also partikularen, männlichen Eigenmacht zum "Obsiegen" verhilft. Man(n) hat ja nur geborgt, nämlich bei der sonst so gescholtenen gesellschaftlichen Vermittlung, aber da diese, wie der ausgewiesene Kapitalismuskritiker ja zu wissen meint, sowieso ausschließlich repressiver "Natur" ist, nimmt Man(n) für den Moment an, dass die Ausübung der ihm allokierten relativen Freiheit im Sonst wo, jedenfalls jenseits der kapitalistischen Gesellschaftlichkeit, begründet sein muss.

 

Dabei ist auch die Eigenmacht, also die Potenz, andere Männer im übertragenen Sinn zu entmannen und damit der subordinierten Sphäre der Weiblichkeit zu überantworten, erst durch das gesellschaftliche Verhältnis konstituiert, wobei - und hier unterscheidet sich der Kapitalismus von anderen Gesellschaften - jeder Mann gleichermaßen befugt ist, die Nichtidentität eines anderen mit dem objektiv Richtigen zu konstatieren und die notwendigen Schritte einzuleiten. Anders als in früheren Gesellschaften betätigt man(n) sich also nicht als Urteilsfinder, der die Einhaltung des korrekten Verfahrens überwacht und Beweisurteile spricht (etwa Robert Kurz könnte sich "selbstzwölft" - er und seine 12 Eideshelfer - von der Anklage lösen), sondern er urteilt über die materielle Wahrheit, indem er auf den ermittelten Sachverhalt materielle, also gesellschaftlich objektivierte Normen anwendet ("Sachlichkeit"). Mit dem Kapitalismus wurde der (gesellschaftliche) Mann also "sachlich" und die Frau "hysterisch".

 

Und nun sind es ausgerechnet Männer wie Norbert Trenkle, Ernst Lohoff, Franz Schandl und Karl-Heinz Wedel, die Frauen geschlagen (Lohoff), die Frauen gemobbt (Trenkle, Lohoff, Wedel), die sich intringant verhalten (Schandl), die in blinder Abgrenzungswut wiederholt aggressive interne Papiere gegenüber Robert Kurz verfasst haben (Lohoff), bis dieser bis aufs Blut gereizt NACH JAHREN endlich die Zähne gefletscht hat, und die nun Extrem-Mobbing gegenüber dem einstigen "Übervater" mit Pathologisierungszuschreibungen betreiben - es sind eben diese Männer, die den kleinen Finger spreizend in ihrem Mitglieder-Rundbrief, wo sie ihren Putsch zu rechtfertigen versuchen, nun eine "Verwilderung der internen Umgangsformen" bedingt angeblich allein durch Robert Kurz beklagen, seinen "Kommunikationsstil" und seine "kommunikativen Entgleisungen" anprangern. Ausgerechnet diese Typen erdreisten sich zu schreiben: "Wir wollen ein organisatorischer Zusammenhang sein, wo niemand beschimpft, beleidigt und gemobbt wird". Da kann frau nur ausspucken!

 

Der tiefere Grund für die Konflikte und die Spaltung des Krisis-Zusammenhanges liegen in diesem Kontext unseres Erachtens vor allem in der Geschlechterproblematik. Dies betrifft nicht nur das Verhältnis der Krisismänner zu (unbotmäßigen) Frauen, sondern vor allem auch das Verhältnis der Krisis-Männerbund-Männer untereinander. Es geht hier um Neid, Konkurrenz, Haben-Wollen u.ä. vor allem gegenüber dem einstigen (?) Übervater, den man selbst mit Kräften in diese Rolle hineingeschoben hat (so Peter Klein alias Bernd Suffert in einer Mail, in der er den fast gleichaltrigen Robert Kurz als diesen seinen einstigen Übervater bezeichnet) - und der nun unverzeihlicherweise, was die Publikationstätigkeit und die öffentliche Reputation angeht, den anderen davongelaufen ist. Nachdem er die Jungs bereitwillig in die Öffentlichkeit mitgenommen hat (es ist ja "seine" Krisis), hat er jetzt nicht nur seine Schuldigkeit getan, sondern man muß ihn angeblich zum Wohle der Krisis geradezu hinrichten, damit die ehedem unterwürfigen einzelnen Männer der Bruderschaft nun überhaupt ein identitäres Eigenleben führen können.

 

Dabei geht es ihnen gerade nicht darum, dem Männerbund zu entkommen, ihn emanzipatorisch zu überwinden, auch wenn der Gestus der Emanzipation als Tonfallschwindel bemüht wird. Ein Schwindel ist es deshalb, weil ja gleichzeitig die männerbündische Struktur als angebliche reine Halluzination heftig abgestritten wird. Es geht also ganz im Gegenteil darum, durch Liquidierung der Funktion des ehemaligen Leaders/Übervaters diesen nunmehr im Verhältnis "gleich zu gleich" männerbündisch zu re-etablieren, indem er unter Kuratel und auf neue Bruder-Füße gestellt, also "ins Glied zurück geholt" werden soll. Was natürlich nur heißt, dass in der unüberwundenen männerbündischen Struktur erneut die Konkurrenz aufblühen wird. Gleichzeitig soll so auch der drohenden "Mädchen- und Fraueninvasion" (Blüher), die dem Krisis-Männerbund schon geblüht hat, endgültig gewehrt werden; hatten es doch nunmehr schon drei (!) unbotmäßige Frauen, veritable "Männernichterinnen", geschafft, in den inner circle der Krisis zu gelangen, die sich "erschreckenderweise" als fähig erwiesen haben, bestimmte Positionen zu besetzen, und jetzt zusammen mit Robert Kurz abserviert werden sollen.

 

So gesehen betrachtet man die folgende Feststellung des als Rausschmiss-Administrator von Robert Kurz und Roswitha Scholz plötzlich wieder aufgetauchten Bernd Suffert/Peter Klein mit anderen Augen: "Für eine Organisation mit hohem theoretischen Anspruch ist Bobbys Hang zum Administrieren das pure Gift". Eine weitere Formalisierung bedroht eben die bisherige informelle Männerbund-Struktur (die "Machtbasis" eines Norbert Trenkle), weil sie nicht zuletzt den Frauen eine gewisse Möglichkeit und Absicherung bietet. Lassen wir noch einmal Blüher zu Wort kommen: "Vom Votum einer Frau darf im Staate niemals etwas abhängen. Denn der Staat ist (...) doch dazu berufen, größtes und mächtigstes Werkzeug des Geistes in der Welt zu werden. Da die Frau weder den Geist noch den Staat im Grunde ihres Wesens ernst nehmen kann, so darf sie auch nichts in ihm zu sagen haben".

 

Festzuhalten gilt es in diesem Zusammenhang, dass die Wert-Abspaltungstheorie auch weit reichende erkenntnistheoretische Konsequenzen hat, die selbst in einer hochabstrakten sozialphilosophischen Dimension den Philosophenkönig in Frage stellen. Die "Hinrichtung" des Männerbundverräters Robert Kurz, der Rausschmiss der Theoretikerin Roswitha Scholz, die Austreibung der unbotmäßigen Frauen aus dem inner circle überhaupt, sogar gegen den Willen der Redaktionsmehrheit, die gewaltsame Verteidigung der informellen Machtverhältnisse (vor allem des Zugriffs auf die Kasse) und die versuchte Re-Etablierung androzentrischer Begriffshoheit sind durchaus in einem Zusammenhang zu sehen.

 

  1. Die Organisation der "Verknappung" in der Warengesellschaft und der Männerbund Krisis.

 

Hatte der patriarchale Männerbund in vorkapitalistischen Zeiten die Knappheit organisiert, so organisiert er in der Warengesellschaft die (künstliche) Verknappung. Auch radikale Gesellschaftskritiker haben diese Logik zu vollziehen, denn sie ist strukturell bedingt. Theorieproduktion wird notwendigerweise auch zur Ware, zumindest dann, wenn sie die Beschränkungen der reinen "Freizeitbeschäftigung" sprengen will. Der implizit darin enthaltene Widerspruch ist auszuhalten und zu benennen. Einerseits sollen sich möglichst viele Menschen das Produkt aneignen und wiederum weiter vermitteln, andererseits hat die ursprüngliche Kerngruppe das Bedürfnis, für das Produkt bedeutsam zu bleiben, um so ihre eigene Reproduktion - und damit die Möglichkeit zum Vorantreiben der radikalen Kritik - zu gewährleisten.

 

Das führt zu einem im bürgerlichen Sinne geradezu klassischen Innen- und Außenverhältnis. Im Kontext der unüberwundenen, ja völlig unreflektierten männerbündischen Struktur nimmt dieses Verhältnis eine bestimmte Aggregierung an. Nach außen hin tritt die Produktionsgenossenschaft als Bruderschaft auf, die möglichst viel "gesellschaftliches Vermögen" in Geldform einwerben muss, während im Inneren dieser "Erwerb" zu verteilen ist, und zwar wegen des ursprünglich gleichgeordneten Zurechnungszwanges am Produkt nach den Grundsätzen der Egalität. Alle haben an der unterstellten gemeinschaftlichen Urheberschaft "gleiches Recht" und damit einen gleichen Anspruch auf Zuwendungen, seien es Geld oder immaterieller Wert wie Anerkennung oder Geltung nach außen.

 

Solange die Protagonisten "in Treue fest" zusammenstehen, bleibt dieses Konstrukt tragfähig. Die Situation wird aber schnell prekär, wenn einer qua theoretischer und publizistischer Überproduktivität den Bund "verrät" und das Gesamthandelseigentum "auf eigene Rechnung" und zudem erfolgreich "verwertet". Zwar werden auf diese Weise neue Rezipientenschichten erschlossen, aber der Zurechnungszusammenhang bezüglich der Erträgnisse aus diesen "Alleingängen" ist nicht mehr eindeutig. Dies gilt umso mehr, wenn vom "Verräter" die Teilnahme eines zusätzlichen Teilhabers, in diesem Fall auch noch einer Teilhaberin (!), in die Kerngruppe durchgesetzt wird, deren Beitrag darüber hinaus die Qualität des gemeinsamen Produkts grundsätzlich verändert. Der zunächst in der Vermittlung nach außen systemisch aufoktroyierte Zwang zur Verknappung kehrt dann als Logik der Knappheit ins Innenverhältnis zurück; die Männergruppe, so erlebt sie es, wurde von dem Abtrünnigen "verraten und verkauft".

 

Gerade in dieser Situation hätte die Abspaltungstheorie, wäre sie ernsthaft statt bloß jargonmäßig rezipiert und auf die eigene Situation bezogen worden, zur Klärung der Befindlichkeiten, der Bestimmung der eigenen Struktur und der weiteren Vorgehensweise fruchtbar gemacht werden können. Stattdessen wurde sie klammheimlich samt ihrer Urheberein offenbar projektiv als Quelle allen Übels identifiziert und nur oberflächlich und "gezwungener Maßen" aufgenommen. Vor allem ging es ab jenem gewissen Punkt darum, den eigenen Anteil am Gesamtprodukt zu sichern und sich aus dem Gesichtspunkt der "commotio ex negatione" (negatives Interesse) durch Besetzung der organisatorischen Schaltstellen und Aufbau informeller Strukturen möglichst schadlos zu halten.

 

Im Ergebnis führte dies zu den Ereignissen vom 20.2.2004. Die unmittelbar Beteiligten haben hierdurch sicherlich erhebliche persönliche Verletzungen erlitten und müssen für die Zukunft finanzielle Einbußen befürchten. Noch erheblicher ist allerdings der Schaden für das wertkritische Projekt, zumal die Personage der Putschisten sich in großen Teilen als unfähig erwiesen hat, ihre "eigene Theorie" auch tatsächlich aktiv zu denken.

 

  1. Der Umgang mit der Wert-Abspaltungstheorie im bisherigen Männerbund Krisis.

 

Freilich kann die Wert-Abspaltungstheorie im jetzigen Krisiszusammenhang nicht mehr einfach schlankweg ignoriert werden. Darauf berufen sich ja ständig die Männerbund-Männer scheinheilig, indem sie betonen, es gebe gar keine inhaltlichen Differenzen und die Abspaltungstheorie sei bei ihnen hoch geachtet (als Sonntagspredigt). Aber man(n) verfährt dabei eiskalt nach dem Motto: "Deine Ideen, aber ohne Dich", wobei der wertkritische Philosophenkönig diese Ideen nach seinem Gusto aufzubereiten gedenkt. Die Methode dafür lässt sich als Ausgrenzung und Eingemeindung zugleich beschreiben. Es ist mittlerweile Usus und guter Ton der Krisis-Männerbund-Männer, an irgendeiner Stelle eines Artikels einen Absatz (wahrscheinlich mit Roswitha Scholz` High-Heels vor dem geistigen Auge) zur Wert-Abspaltung an- und einzustückeln. Ungeübte Männerhände setzen den vorgefertigten Flicken auf das gähnende Loch ihres glorreichen In-Sich-Reflektiertseins und trösten sich damit, dass immerhin die "Wertform hierarchisch über der Abspaltung angeordnet ist" (Norbert Trenkle). Was nur beweist, dass sie in Wahrheit von der Abspaltungstheorie nichts begriffen haben und nichts begreifen wollen. In der neuen Konzeption des Wertkritik-Magazins "Streifzüge" gibt es sogar eine eigene Rubrik "Wert-Abspaltung" - also statt der Erkenntnis eines durchgängigen Zusammenhangs durch alle Bereiche sozusagen die wertkritische "Seite für die Frau". Dass wir das noch erleben durften (bevor wir gegangen wurden)!

 

Das Putzige an diesem veröffentlichten "theoretischen Zugang" der Krisis-Mannen ist, dass in jedem Artikel ein großes Gewese um das blind Vorausgesetzte allen gesellschaftlich immanenten Denkens gemacht wird, die Meta-Ebene der Wert-Abspaltung aber nicht erklommen, sondern als von der Wertform abgeleitete Kelleretage namens Wertschatten von unseren Fremdenführern nur nebenbei und mit dem zarten Hinweis auf die in diesen Gewölben hausenden Schrecken Erwähnung findet. Gar schaurig ist`s, übers Moor zu gehen, wo kein "Begriff" mehr Weg und Steg bereitet und jegliche Kategorie sich als trügerischer Treibsand entpuppt. Nein, damit haben sie nichts zu tun. Sie haben zwar im Theorieunterricht aufgepasst und "gelernt", dass es "da draußen" etwas gibt; aber dass hier sogar Praxis möglich ist und diese bei ihnen selbst "da drinnen" anfängt, das ist noch jenseits des Begreifens. So spalten sie eben ab und lassen die Puppen (die Krisis-Frauen) tanzen, damit diese stellvertretend für sie ihre unangenehmen Gefühle erleben. Auch dem scheinbar reflektierten Krisis-Mann (Ernst Lohoff) kann mal die Hand ausrutschen, gerade bei Roswitha Scholz, und der angestrebte Rausschmiss einer anderen Frau aus der Nürnberger Gruppe unter der Prämisse "sie oder ich" war sicher fürsorglich gemeint, damit das arme Mädchen sich nicht länger bei trockener Theorie langweilen musste.

 

Dementsprechend soll es mittlerweile offenbar durch die Rückkehr von Peter Klein bei gleichzeitigem Hinauswurf von Roswitha Scholz auch darum gehen, eine androzentrisch-universalistische Theoriebildung und deren "Zugang" zu re-etablieren, die zum Beispiel allen Ernstes behauptet, mit Kant könne es keinen Rassismus und Sexismus geben. Von "gleich zu gleich" im Männerbund muss man(n) ganz pluralistisch eben auch derartigen Ansichten Platz einräumen. Dies wurde schon auf dem Koordinationstreffen 2001 deutlich, wo die Diskussion hinter den Stand der 90er Jahre zurückfiel, was ohne Einspruch allerdings dann doch nicht so einfach durch ging. "Die Männer schlagen zurück" (so der Name eines Buches von Susan Faludi Anfang der 90er Jahre), nachdem die wenigen Frauen in der Krisis nicht mehr alles mit sich machen lassen und nun verstärkt auch andere Themen (Sexismus, Rassismus, Antisemitismus), durchaus auch gedeckt durch andere Krisis-Männer, einen gewissen "Zugang" nicht mehr so ohne weiteres erlauben, der all dies am liebsten in der Geschichts-Objektivität verschwinden lassen möchte.

 

Als bedrohlich empfunden wird somit weniger Robert Kurz als immer noch dominierender "Übervater", sondern in Wahrheit, dass er sowohl inhaltlich seine androzentrische Position überprüft und revidiert hat und er längst nicht mehr widerspruchsfrei dem Männerbund angehört bzw. auf dieser Basis den Oberpatriarchen spielt (eben deswegen muss er ja "gestürzt" und unter Kuratel gestellt werden). Implizit wird ihm vorgeworfen, dass nun die wilden Weiber in der Krisis ihr Unwesen treiben durften.

 

  1. Konsequenzen für weitere Arbeitszusammenhänge

 

Aus dieser Analyse möchten wir einige Schlussfolgerungen ziehen. Theoretische Arbeitszusammenhänge, deren Anliegen die Wert-Abspaltungskritik ist, dürfen in Zukunft weder nach einem hierarchischen Führerprinzip noch komplementär als Bruderhorde von "gleich zu gleich" nach männerbündischer Manier strukturiert sein, also nach dem Tauschprinzip kapitalistischer Zirkulation, das bekanntlich immer auf Konkurrenz, ja dem Todeswunsch in Bezug auf "den Anderen" basiert und prinzipiell mit einer Abspaltung des Weiblichen und einer Ausgrenzung der realen Frauen einhergeht. In einer solchen Struktur blitzt unter dem Mantel der Solidarität gegenüber dem "Übervater" immer schon das Konkurrenz-Messer gegenüber diesem und den anderen Brüdern in der Horde auf. Solche verborgenen und verdrängten Zusammenhänge, die bei den Krisis-Männern stets nur als abstrakt-allgemeines und unverbindliches Bekenntnis vorkommen, dass sie ja auch nur bürgerliche Subjekte seien, sind konkret mit ihren Implikationen zu reflektieren und zu überwinden.

 

Anzustreben sind stattdessen Arbeitszusammenhänge, in denen sowohl ein solidarischer Zusammenhalt als auch die Möglichkeit eines fruchtbaren Streites gegeben sein muss, und in denen Widersprüche vor dem Hintergrund einer gemeinsamen inhaltlichen Basis ausgehalten werden, man/frau sich also in der Gruppe nicht am anderen polemisch und konkurrent abarbeiten muss, um ein (männliches) Selbstgefühl entwickeln zu können. Wenn die Krisis-Männer scheinbar gerade dies einklagen, dabei aber die androzentrische, männerbündische Struktur ihres Zusammenhangs verleugnen, sind sie völlig unglaubwürdig. Ihre "Emanzipation" vom Übervater, die sich schon durch die Form der versuchten "Hinrichtung" und die Mit-Entsorgung der unbotmäßigen Frauen dementiert, ist selber nur die Exekution von Konkurrenz.

 

Hinsichtlich des "theoretischen Zugangs" heißt das, dass der androzentrische Universalismus und die verschämte Geschichtsmetaphysik, wie sie etwa "wertkritisch" ein Peter Klein repräsentiert, das Aushalten von Widersprüchen und den fruchtbaren Streit geradezu verunmöglicht, denn darin ist immer schon implizit der Souveränitätsanspruch des Philosphenkönigs mit seiner "Begriffshoheit" enthalten. Die Wiedereingemeindung dieses "Zugangs", den man(n) nicht direkt auf die eigenen Fahnen schreiben darf, ausgerechnet unter dem Anspruch der "Pluralität" und "Zulassung verschiedener Akzentsetzungen" dementiert diese geradezu auf paradoxe Weise. In den Grundstein dieser Art von "Zulassen der Widersprüche" ist immer schon das Opfer eingemauert. Eine opferfreie Austragung von Widersprüchen ist nur jenseits einer absoluten Behauptung androzentrischer Universalität und Begriffshoheit möglich.

 

Das bedeutet auch die Aufgabe der falschen Bruderhorden-Egalität. Theoretische und publizistische Extra- und Sondertouren müssen dabei nicht nur erlaubt sein, sondern sind ausdrücklich erwünscht, sofern sie nicht auf Konkurrenzmotiven beruhen; nur so sind wirkliche Innovationen und ein Weiterbringen der Wert-Abspaltungskritik sowie ihrer breiteren Rezeption möglich. Dabei werden immer auch Kompromisse nötig sein und eine Deckung von exponiert Angegriffenen auch nach außen. Aufgekündigt werden muss jedoch ein (männliches) Theoriesoldatentum sowohl in Form einer hierarchischen Führerstruktur als auch in einem Männerbund von schon immer untereinander konkurrierenden Gleichen, also im Kontext eines falschen Zusammenhalts. Die einsame Theorie-Arbeit am Schreibtisch mit ihren Momenten von Überdruss, aber auch Forscher- und Entdeckungslust ist dabei genauso entscheidend wie die Diskussion in der Gruppe, während die Bruderhorden-Egalität stets die Theoriebildung als einzuklagende falsche Kollektivität suggeriert. Der männerbündische Putsch hat Krisis nicht vorangebracht, sondern zurückgeworfen.

 

Petra Haarmann, Roswitha Scholz am 5.3.2004

 

"Dieser Bruch ist für viele auch im engeren Umfeld überraschend gekommen. Selbstkritisch muss gesagt werden, dass der schon lange schwelende Konflikt nicht rechtzeitig offen gelegt worden ist. Der Dissens wurde immer wieder unter den Teppich gekehrt, um den Zusammenhang zu erhalten. Dabei ist auch das Verhältnis von inhaltlichen Differenzen und gruppendynamischen Beziehungskonflikten ungeklärt geblieben"

heißt es u.a. in der auszugsweise abgedruckten Analyse und Einschätzung des Konflikts - "Die Revolution der Nettigkeit" - die der hinausgeworfene Gründer und sicher auch bekannteste Protagonist des ehemaligen Krisis-Projekts, Robert Kurz, zugleich in der aus seiner Sicht "einzig angemessenen und legitimen ... sprachlichen Form des rücksichtslosen Pamphlets ..." und eines "...Abrechnungstextes" verfasst hat. Und weiter:

"... Es gibt aufgrund der Ungeklärtheit des Konflikts eine ganze Reihe von (wirklich oder angeblich) "Dazwischenstehenden", die sich dem wert-abspaltungskritischen Projekt verbunden fühlen, eigentlich über den Dissens gar nichts Genaues wissen wollen und am liebsten wieder "Frieden" und sachliche Zusammenarbeit herstellen würden auf Basis der nunmehrigen Getrenntheit."

 

Es gab auch Stellungnahmen von "Dazwischenstehenden", wie die folgende aus Köln:

 

Köln, den 29.April 2004
Institut für Neue Arbeit - Vorstand


Liebe Menschen von Exit! und Krisis,

die Kunde von eurer Spaltung ist auch zu uns gedrungen.

Uns hatte die Zusammenarbeit mit euch großen Spaß gemacht. Trotzdem
trennten sich unsere Wege, weil ihr Euren Ansatz von Entkoppelungstheorie wieder verworfen habt und ein Stufenmodell von Revolte und Aneignung aufgestellt habt.

Wir selbst waren (und sind) in den letzten Jahren überwiegend damit beschäftigt, den SSM gegen ein rollback zu verteidigen, dass im Wesentlichen auf veränderte neoliberale Neuregelungen im staatlichen Bereich zurückzuführen ist. Unsere Erwartung, dass viele Betroffene in der Krise der Arbeitsgesellschaft unsere Erfahrungen mit selbstorganisiertem Leben und Arbeiten mit Interesse aufnehmen würden, hat sich bisher noch nicht erfüllt.

Trotz unserer Bindung an die Niederungen der Praxis haben wir die "Krisis" meist weiter aufmerksam gelesen, und einige Artikel untereinander diskutiert. Wir hatten aber im wesentlichen den Eindruck, dass bei euch ein Stillstand eingetreten ist, den wir auch darauf zurückführen, dass Ihr eure Theorie soweit entwickelt habt, dass sich das Verhältnis zur Praxis aus der Theorie heraus stellt, ihr aber an diesem Punkt den Ansatz der Aneignung zurückgenommen habt. Auch mit dieser Einschränkung haben wir immer noch Anregendes bei Euch gefunden. Dass ihr den Kriegsbefürworten der "Antideutschen" die Stirn geboten habt, fanden wir richtig und wichtig.

Zu Eurer Spaltung wollen wir als INA nicht Stellung beziehen. Wir fragen uns allerdings, ob die Form eurer Auseinandersetzung euren eigenen Ansprüchen an Antipolitik entspricht.

Da eure Spaltung vollendete Tatsache ist, haben wir uns gefragt, wie wir damit umgehen. Für uns ist euer Ansatz der Wertkritik wichtig, und wir sind an seinem Fortbestand interessiert. Daher wollen wir euch wie bisher auch durch Empfehlung, Bezug oder Weiterverkauf der Publikationen unterstützen. "Krisis" als die eine Seite in Eurem Konflikt hat nun alle Ressourcen (Verein, Spendengelder und Zeitung). Da "Exit!" als der anderen Seite diese Ressourcen fehlen, haben wir beschlossen ihr die Tagungsräume, die wir in den letzten Jahren aufgebaut haben, eine Zeit lang unentgeltlich zur Verfügung zu stellen.

Wir meinen: eure Spaltung lässt sich überhaupt nur rechtfertigen, wenn ihr zeigt, dass sie Blockaden aufgehoben hat. Unser Appell: Entsprecht dem höchsten Gebot der spinozistischen Ethik: "Produziert!"


Mit besten Wünschen für euch alle

Martin Rausch, Rainer Kippe, Martin Massip, Heinz Weinhausen (Geschäftsführer)

 

 

Und es gab Freunde und Mitglieder des Krisis-Projekts, die zunächst im wahrsten Sinne des Wortes "dazwischen standen", die über den Dissens Genaueres wissen wollten, nachfragten, hinterfragten. Aus Spanien meldete sich Reinhart Esch alias Pablo zu Wort. Im Folgenden einige Auszüge aus einem Mail-Wechsel in der zweiten Jahreshälfte 2004 mit Robert Kurz.

 

 

1. 8. 2004

 

lieber robert,

 

(...)

es war ein herbes aus-allen-wolken-fallen für mich, kann ich dir nur sagen, als ich erfuhr, daß da die heutigen krisis-leute den formal-juristischen grundstein für die ja dann auch erfolgte faktische spaltung gelegt hatten - zu meiner bewertung dieses tuns gleich noch mehr - und als ich bei dieser gelegenheit auch mitkriegte, wie viel feindseligkeit und eben vermutlich auch halbverdeckte inhaltliche differenzen sich da angesammelt hatten. meine enttäuschung, das urplötzlich feststellen zu müssen und die verärgerung, davon die ganze zeit vorher nichts mitgekriegt zu haben, waren sehr groß. da hilft es mir auch nicht, wenn du auf seite1 deiner abrechnung schreibst, "selbstkritisch" müsse "gesagt werden, daß der schon lange schwelende Konflikt nicht rechtzeitig (also noch schnell kurz vor der am ende ja von allen/beiden seiten offenbar für unvermeidbar gehaltenen spaltung, oder wie?) offen gelegt worden ist" und dann quasi begründend fortfährst: "Der Dissens wurde immer wieder unter den Teppich gekehrt, um den Zusammenhang zu erhalten." mehr schreibst du dazu nicht. das "man" kann man ja sicher auch und nicht zuletzt auf deine person ausdehnen.

 

(...)

bevor ich mich jetzt weiter zu einzelnen punkten deiner abrechnung ["Die Revolution der Nettigkeit”] auslasse, kurze bemerkungen zu den ereignissen seit dem 5.3., dem tag, als ich die erste information zu dem da schon länger nicht mehr nur schwelenden konflikt bekam: schon in meiner ersten (und letzten) an beide seiten gerichteten mail vom 7.3. schrieb ich von dem "schon mal in jedem falle unakzeptablen, vorher gegenüber den nicht-nürnberger redaktionsmitgliedern geheimgehaltenen, formal-ultimativen faktenschaffen", und diese übelste vorgehensweise, um es deutlicher auszudrücken, ist und bleibt bei allen anderen relativierenden kommentaren für mich ein, wenn nicht der schlüsselpunkt in der ganzen angelegenheit. und die deine person mehr oder weniger pathologisierenden bemerkungen sind auch unerträglich, keine frage. du siehst, da läuft der etwas beleidigt klingende kommentar deiner letzten mail, ohne daß du das vielleicht so klar wissen konntest, ins leere: ich kann dir versichern, ich gehöre nicht zu denen, die "[...] diese Indifferenz auch auf die mit Verlaub gesagt nicht nur nach linken Maßstäben schweinische Vorgehensweise unserer Gegner ausdehnen und ihnen dies durchgehen lassen. Welchen Bonus haben die denn, den wir nicht bekommen?" keinen, kann ich auf diese letzte frage nur antworten, ganz im gegenteil. aber das ist eben ein dicker malus für die, der ja damit nur im umkehrschluß wieder als bonus für euch erscheinen kann, also nur indirekt. andererseits: kolportierte und meines wissens nicht dementierte bemerkungen von dir à la " ich will die draußen haben", "wir werden entschlossen schluß machen" (in welcher form wäre das wohl verlaufen, wie hättet ihr - wer wäre da "wir", auch claus peter oder petra z.b.? - das umsetzen wollen und können?), volkssturm- oder kz-lagerverwalter-vergleiche u.ä. machen die angelegenheit eben doch ein bißchen komplexer. aber das hatte ich dir ja damals im märz schon geschrieben, ich wiederhole mich da. ich neige jedenfalls, um es zusammenzufassen, der exit und dir ein ganzes stück mehr zu, nicht zuletzt -  aber auch nicht nur - aus den oben genannten gründen. aber das ist, wie gesagt, noch überhaupt kein grund, darüber in eile zu verfallen. wenn man als theaterzuschauer nur den letzten akt des stückes zu sehen bekommt, und die vorangegangenen akte in zwei sich widersprechenden versionen per lautsprecher nachgeliefert kriegt, um dann nur noch ratlos dem epilog auf der bühne lauschen zu dürfen, dann hat man es halt nicht mehr so eilig, in die nächste vorstellung zu stürmen. so ist auch mein vorläufiger, von dir nicht ganz zutreffend als "fifty-fifty"- position gedeuteter satz von meiner vorerst beibehaltenen abwartenden haltung zu verstehen.

 

(...) 

daß der ganze konflikt eine ödipale grundkonstellation (vatermord usw.) von entscheidender bedeutung als ausgangspunkt hat, scheint mir auch das wahrscheinlichste, und die ist von denen, vermutlich von ernst lohoff an erster stelle, nur verdeckt-verdruckst und kein bißchen offen und in emanzipatorischer weise angegangen worden. (daß diese konstellation aber vermutlich spätestens bei achim bellgart, dem redaktionsmitglied, das ja das ultimative vorgehen damals auch mitgetragen hat, nicht mehr zwangsläufig greift, steht auf einem anderen blatt; du verallgemeinerst eben in deinen rundumschlägen oft in problematischer weise, habe ich den verdacht, und damit habe ich generell ein problem.) aber hier wäre man auch schon an einem knackpunkt angekommen: zu einem autoritätsverhältnis gehören bekanntlich zwei. und da taucht dann bei dir auch zum zweiten - und letzten - mal das wort "selbstkritisch" auf: "[...] es wäre sicherlich albern, hier die eigene Rolle ausblenden zu wollen." genau, das sehe ich auch so. aber du fährst dann fort: "Das ginge jedoch nur durch eine reflexive Anstrengung, die einen solidarischen Zusammenhang voraussetzt, der nicht bereits durch Konkurrenzmotive und Sebstwertprobleme vergiftet ist." also dieser letzte satz hätte mir wesentlich besser in der vergangenheitsform gefallen, da machst du es dir doch arg einfach und blockst im grunde ab, die begründung ist in meinen augen weder stichhaltig noch ausreichend. du schreibst in dem begleitschreiben zum per mail versandten abrechnungstext: "Aber eine Aufarbeitung der Spaltung und damit von mehr als 15 Jahren wertkritischer Theoriebildung muß sein; auch für diejenigen, die sich später einmal darüber informieren wollen." eine aufarbeitung des konflikts, will sie anspruch auf leidliche vollständigkeit haben, muß alle aspekte berücksichtigen, und das erfordert eben auch, und sei es im nachhinein, eine "reflexive anstrengung", eine selbstkritische betrachtung der eigenen rolle bei dem ganzen. das ist, gerade hier, aus meiner sicht das hauptproblem: du schreibst, weiterhin ohne die nötige mindestdistanz, mit der nur bedingt reflexiv angereicherten wut im bauch, wählst - nicht zufällig - eine textsorte wie die des pamphlets (und lobst frankreich dafür, daß dort diese form eine anerkannte literaturgattung sei; der ganzen wahrheit die ehre: dort ist es gern gesehen, mit dem florett zu fechten, nicht mit schwerem säbel, "stil" ist das stichwort dort). diese vorgehensweise macht es eben schon aus formalen (gattungspoetischen") gründen unmöglich, die eigene rolle angemessen mit einzubeziehen.

 

ich habe jetzt nur einige sachen rausgegriffen. das von dir benannte vermittlungsproblem (einzelnes, besonderes und allgemeines; person, gruppe und gesellschaft) wäre auch noch so ein wichtiger punkt, wo ich dir zwar völlig zustimme, wenn du sagst, die anderen würden ja die simpelste (nicht-)lösung wählen und einfach das problem durchstreichen und fertig; das postulat der selbstreflexion bleibt "dort" in der tat völlig unverbindlich und funktioniert wie eine hohle rhetorische floskel, nirgends eingelöst. aber auch wenn du das vermittlungsproblem in dieser konstellation zurecht benennst, löst du selbst es ja noch nicht adäquat. (den versuch, hier den nachweis zu führen, spare ich mir frecherweise, das ist jetzt doch ein allzu weites feld für eine mail; der punkt oben am beispiel achim bellgart deutet ihn zumindest an.). und wenn du also m.e. bei den anderen zurecht von "instrumentellem gerede" hinsichtlich der selbstreflexion sprichst, bleibt es doch dabei, daß sie bei dir auch ziemlich mager ausfällt. es ist wahrscheinlich, obwohl das bekannte irreführende wort der sachlichkeit so verführerisch naheliegt, in allererster linie das problem der (fehlenden) angemessenheit, das ich manchmal bei dir habe. als marginales beispiel am rande seien in deinem text die stellen benannt wo du dich über ernst lohoffs und karl heinz wedels probleme mit den tücken der zeichensetzung amüsierst. 

 

Pablo

 

 

 

8. 10. 2004

"... einiges ist passiert zwischen deiner ersten mail, dem - auch noch kurz zu kommentierenden - nachtrag zu unserem unverhofften telefongespräch, und der letzten, wo du mir genaueres zu dem seminar in elmstein schickst (dank dafür). wo fange ich an?

... kurz nach unserem telefongespräch beschloß ich auch, die noch ausstehende auseinandersetzung mit krisis, die ich ursprünglich nach lektüre der "krisis 28" angehen wollte, vorzuziehen, und schrieb norbert eine längere mail mit einem haufen meiner lästigen fragen. es entspann sich ein kurzer und intensiver mailwechsel in rascher abfolge mit (für mich) einigermaßen überraschendem verlauf, den ich dir nicht vorenthalten will.

meine mail bestand in der hauptsache aus zwei blöcken. im ersten stellte ich eine reihe von fragen, weitgehend schnörkellos, auf den punkt gebracht wie z.b.: wie das mit den vollmachtsstimmen ungeklärter herkunft am 3.4. sei, was es mit informationen auf sich habe, nach denen norbert in osnabrück und gegenüber dem horlemann-verlag die besagten überraschenden auftritte gehabt habe, auch eine tendenziell rhetorische frage, nämlich warum man sich bei ihnen denn so wundere, wenn exit im gefolge des berühmten vorstandsbeschlusses jetzt so knallhart formaljuristisch vorgehe, und schließlich auch etwa die wiederholung einer alten, nie beantworteten frage, warum man sich nie die mühe gemacht habe, den ausschluß roswithas separat zu begründen. der zweite block war eine mischung aus kommentierung und fragen hinsichtlich ihres letzten mir bekannten textes zum thema "Deeskalation und Abspaltung in der Krisis". dabei war der tenor, sie müßten doch zur offenlegung des konfliktursprungs und -verlaufes noch viel mehr tun, als sie hier bisher vorlegen; aussitzen reiche meiner meinung nach einfach nicht. mit der bitte, doch dieses mal möglichst detailliert, wenn's ginge, punkt für punkt, mir all diese fragen zu beantworten, schloß ich den brief.

 

norberts antwort ließ nur einen halben tag auf sich warten: das sei jetzt schon die dritte oder vierte mail, die ich ihm im ton eines untersuchungsrichters schriebe, der dem angeklagten von seiner erhöhten warte aus antworten abnötigen wolle; er sehe überhaupt nicht ein, mir in dieser form rechenschaft abzulegen. Im märz sei er ja noch  über diese präpotente form der befragung hinweggegangen, weil er sie auf die allgemeine "aufregung" zurückgeführt habe, und habe einfach inhaltlich auf meine fragen geantwortet. aber offenbar hielte ich das für einen normalen umgangston: "So kannst du meinetwegen mit deinen Schülern reden."

 

da hatte ich also schon mal die erste packung weg. im weiteren schrieb er mir, er habe mir andererseits doch eigentlich zu den meisten meiner fragen schon etwas geantwortet, um sich dann doch in einen konkreten punkt, der (allerdings nur am rande) mit meiner mail zu tun hatte, zu verbeißen: ich hatte ja geschrieben, sie müßten aber meiner meinung nach doch noch erheblich mehr zu gründen, wurzeln und verlauf des konflikts sagen als bisher, und erwähnte dabei auch eure texte "rechtsruck" und "r.der nettigkeit", die ausschließlich auf pikiertes schweigen bei ihnen träfen. sein kommentar nun: daß sie dazu dezent schwiegen, dafür könnten r.k und r.s. wirklich dankbar sein, da es doch dokumente des überschnappens und abstürzens von personen seien usw. usf. nun ja, ich hatte diese texte zwar auch schon massiver kritisiert, aber von da bis zur meinung, da seien leute am überschnappen, ist es doch noch ein beträchtlicher weg. sie hätten deinen text sowieso aus beklemmung nur angelesen und dann wieder weggelegt, und so hätten das vernünftigerweise auch die leute in ihrem umfeld gehalten. er müsse übrigens auch zugeben, er sei überrascht gewesen, als wie klein die robert-kurz-gemeinde, die krisis verlassen habe, sich erwiesen habe, und er könne nicht behaupten, daß ihn das besonders schmerze. und mit einem dürren "so long, / Norbert" verabschiedete er sich.

 

also da war einiges zusammengekommen, was mir den schluß nahelegte, ich sei doch ziemlich klar abgewiesen, quasi endgültig aus "krisis" "gegangen worden". aber ich wollte nicht so schnell locker lassen, schrieb ihm kurz darauf zurück und stellte ihm meine position dar, erklärte, rechtfertigte quasi die durchaus scharfe kritik, die aber doch ohne schrille töne dahergekommen sei; in die rolle des untersuchungsrichters, wenn man das bild denn benutzen wolle, hätte ich mich aus den umständen des mich überrumpelnden crashs heraus geradezu gedrängt gesehen, und meine fragen hätten sicher etwas bohrendes, da ich eben vor der frage stünde, ob bzw. bei welchem der beiden spaltprodukte ich nochmal in irgendeiner form mitmachen (bzw. in ihrem falle formaljuristisch gesehen: bleiben) wolle. meine methode sei es gewesen und bleibe es, beide seiten mit dingen zu konfrontieren, die ihnen unter umständen unangenehm und möglicherweise vorzuwerfen sind, und ihre reaktion, ihre antwort darauf zu provozieren. wenn ihm das ein allzu provokantes vorgehen sei, könne ich das natürlich nicht ändern. und nach all meinen erklärungen bat ich ihn, den ersten, erneut in die mail kopierten block von puren fragen mir doch noch einmal zu beantworten, falls es mir nun gelungen sei, seine anfängliche gereiztheit zu reduzieren. auf die fragen dieses blocks habe er mir eben mit sicherheit noch nicht geantwortet, und zwar aus dem einfachen grunde, daß ich sie ihm (bis auf die zu roswitha) noch nie gestellt habe.

 

drei stunden später bekomme ich eine mail, nicht von meinem ewigen ansprechspartner norbert, sondern von ernst. die sollte gewissermaßen der gnadenstoß sein. und die kopiere ich dir der kuriosität halber hier mal rein:

 

Lieber Reinhardt,

welchen Erkenntnisgewinn erhoffst Du Dir, wenn in wir in die Kurzsche Senkgruppe steigen und dort herumschnorcheln? Wenn Du beschuldigt würdest den Kölner Dom gestohlen und in Deinem heimischen Gefriertruhe versteckt zu haben, was würdest Du tun? Bei jeder Gelegenheit gefragt und ungefragt das Gegenteil beteuern? Dein Kühlgerät als Gegenbeweis stets offen hinter Dir herschleifen? Mir scheint das ist kein sonderlich guter Rat. Erstens macht das Umstände und nervt beim Laufen ziemlich. Man hat ja auch was vernünftiges zu tun. Zweitens weckt ein solches Verhalten beim neutralen Beobachter nur Zweifel an der eigenen Zurechnungsfähigkeit. Drittens verkünden die Exit-Irren sofort aller Welt, dass Du sowieso nur Dein Zweitgerät spazierenträgst. Und viertens mußt Du zu allem Überfluss dann Chefiniquisitor Reinhardt Esch beweisen, dass Du gar keine zwei Kühlschränke besitzt. Spaß beiseite: Wer sich angesichts der Verleumdung, mit denen Kurz und seine Fankurve sich hauptsächlich zu beschäftigen scheinen, rechtfertigt, gibt diesem Treiben erst Dignität und Relevanz. Wer bei der Lektüre von "die Revolution der Nettigkeit" nicht ganz von alleine mitkriegt, dass der Autor am delirieren ist und Amok schreibt, ist ein Idiot. Vielleicht ist ihm noch zu helfen aber leider ist die Krisis ein Theorie-Projekt und keine Betreuungsstelle für emotionale Analphabeten. Wer sich bei der Lektüre von Roswithas Denunitationspapier nicht an den Kopf gegriffen hat, der muss doch was an der Waffel haben.
Deinen Abschied in die für Exit? konstitutive Projektions-und Behauptungswelt bedauere ich natürlich. Aber Reisende soll man bekanntlich nicht aufhalten.
Viel Spass als Jungrichter am großen Exit?-Gerüchte-Hof:

Ernst

 

also da kommt's dann nochmal ganz dicke. ich war doch überrascht bis perplex, wie schnell man dort aus der fassung gerät, wohlgemerkt: im kontext von und als reaktion auf meine nachfragen, nicht so sehr als reine, voraussetzungslose beschreibung, wie ergrimmt man das "feindprojekt" und die feindliche hauptperson dort wahrnimmt (stichwort pathologisierung). da schreibe ich dies und das, frage dies und jenes; doch der einzige, geradezu zwanghaft hervorgezerrte punkt (den ich auch gestreift hatte, aber nicht mehr), nämlich "rechtsruck" und "revolution" wird obsessiv ins zentrum gerückt, es werden überlegungen über den geisteszustand dessen, der diese texte nicht gleich wieder weglegt, angestellt und und und. das stinkt förmlich nach schlechtem gewissen. ich war also endgültig vor die tür gesetzt und schrieb nach einigen tagen, während derer ich noch abwartete, ob nicht doch noch eine antwortmail vom eigentlichen adressaten norbert nachgeschoben werden würde, einen freundlich-ironischen abschiedsbrief, dessen inhalt jetzt egal ist und der jedenfalls mit dem urteil des "untersuchungsrichters" endete: gewogen und zu leicht befunden. da stehe ich also nun bei dem ganzen, überrascht davon, wie nachdrücklich mir bei meiner entscheidungsfindung von jener seite nachgeholfen wurde. damit steht nun endgültig nur noch exit zur wahl. ich denke, das seminar im november wird für mich eine gute gelegenheit sein, mich so oder so (mitglied oder "freier mitarbeiter") zu orientieren.

 ...

 was du über das reagieren aus affekten heraus, das "überreagieren" sagst, kann ich mir schon vorstellen; das wird wohl nicht gleich beim ersten leisen dissens stattfinden/stattgefunden haben. ich habe dich ja auch mit unangenehmen fragen und statements überhäuft, da hättest du mich ja dann gleich mal als erstes schön zusammenscheißen müssen, wenn dem so wäre. genau das hast du eben nicht getan, sondern hast ruhig punkt für punkt meine fragen und einwürfe beantwortet. das hob sich für mich sehr früh wohltuend von der auch schon damals (märz) ansatzweise gereizten art norberts ab, der mir auch nur sehr pauschal antwortete, dabei manche fragen berücksichtigte, andere wiederum gar nicht - auch einer der punkte, der mich mehr in deine, sprich: exit-richtung tendieren ließ.

 

(...)

bei einem ersten überfliegen deines textes "Dead Men Writing" habe ich doch geradezu (allerdings weiterhin mißbilligend) schmunzeln müssen, als ich neben verbalradikalismen wie lumpenintelligentsia u.ä. auch von den "mafiotischen rotten" las. nach den bruderhorden nun die mafiotischen rotten. die meßlatte von kraftausdrücken hast du ganz schön hochgelegt, da paßt nicht mehr viel, was das noch überbieten oder wenigstens auf gleicher höhe angesiedelt werden kann. "rudel" wäre schon fast zu brav, aber "meute" fällt mir noch ein; das ginge noch, fehlt nur noch das passende adjektiv. also du siehst, ich spotte, weil ich sehe, daß niemand, geschweige denn ich, dich bei deinen sich zeitlich jetzt doch ganz schön dehnenden verbalen kraftmeiereien stoppen kann. ist dieser text eigentlich der angekündigte zweite teil zur "Revolution der Nettigkeit"? nee, oder? hätte ich mir jedenfalls ganz anders vorgestellt, falls das doch der fall sein sollte. meine bescheidene frage ist, wen du mit dieser art von texten eigentlich zu erreichen und wohingehend zu beeinflussen suchst, glaubst. die landen (ausschließlich) auf der homepage, die wenigen eingeweihten lesen sie - was immer sie ihnen bringen mögen - , der widerpart krisis kümmert sich (wenigstens offiziell nach außen) nicht um sie bzw. stempelt sie als produkte eines wahnsinnig gewordenen, eines übergeschnappten ab (s.o.). also reine autotherapie, eine art katharsis? du siehst, ich komme da weiterhin nicht auf den geschmack. das soll keineswegs heißen, daß teile deiner argumentation nicht sehr erwägenswert sind, auch wenn etwa die interpretation des vorworts von "Dead Men Working" z.b. - des einzigen textes übrigens, den ich von dem buch komplett gelesen habe; bei mir reichte es vor lauter hektik in letzter zeit, wenn's hoch kam, zu lektüre der tageszeitung - mir nicht immer ganz schlüssig vorkommt und dir manchmal ein wenig der wille anzumerken ist, die flöhe husten zu hören - internationale solidarität versus soziale lage im eigenen land als ausgangspunkt mag in seiner fragwürdigkeit zutreffend beobachtet sein, aber auch der rest in diesem zusammenhang?

 

(...)

pablo

 

 

 

 

und zu guter letzt am

 

 

29.10. 2004

 

(...)

noch ein paar anmerkungen in sachen tonlage, wortwahl usw. bei manchen deiner letzten texte. zu einem gewissen teil mag das ja wirklich reine geschmackssache sein, aber eben nur zum teil, denke ich. ich goutiere durchaus so manche deiner sehr schönen wortprägungen à la "verhausschweinte arbeiterbewegung" oder auch "fußnägelliteratur" jetzt. man merkt dir, finde ich, den spaß an, den du bei solchen wortfindungen hast. ob das nun unbedingt so oft in richtung beleidigungen gehen muß, wo du entsprechend kreativ sein willst, ist dann vielleicht schon wieder eine geschmackssache. mein anliegen ist auch nicht, daß über euren konflikt möglichst bald gras wachsen sollte. doch dein drastischer ton scheint mir eben gerade hier ein bißchen fragwürdig. die "bruderhorde" und die "mafiotischen rotten" der "lumpenintelligentsia"  waren ja bis vor kurzem noch seit' an seit' mit dir und euch geschritten, bei aller - vorsichtig ausgedrückt -(persönlichen) distanz, die sich in einigen fällen schon wesentlich früher aufgetan hatte. und damit sind wir wieder bei dem punkt, den ich in der tat schon oft angesprochen habe, nämlich daß die inhaltlichen differenzen vorher nie nach außen hin offengelegt wurden (und offenbar auch ohne jede grundsätzlichkeit nach innen). gut, du schiebst jetzt den schwarzen peter paritätisch euch als damaliger kerntruppe und den ungenauen lesern zu. das scheint mir aber kein ganz waschechtes argument zu sein; ihr steht bzw. standet ungleich intensiver in der auseinandersetzung, wart in jeder hinsicht "näher dran", und wenn ihr nun, was frühere zeiten angeht, überall geradezu inhaltliche abgründe seht, müßtet ihr m.e. schon erklären können, wieso ihr die vorher (nicht so krass) gesehen bzw. nicht nach außen erkennbar benannt habt, und ggf. auch den nachweis führen, an welcher stelle diese meilenweit voneinander entfernten positionen schon damals - nachlesbar - sich manifestierten.

 

(...)

 

 

 

 

 

 

Auszug aus:

Robert Kurz, Die Revolution der Nettigkeit

Etikettenschwindel und Tonfallschwindel beim neuen Betroffenheitskitsch und Kult des Ressentiments von "Krisis" und "Streifzügen" - Zur Genesis eines exemplarischen Beziehungskonflikts

Inhalts-Übersicht:

Vorbemerkung - Inhaltskonflikt und Beziehungskonflikt. Ein Fall für bürgerliche Begriffslosigkeit - Wir armen Pathogenen! Das Aufkeimen des antitheoretischen Ressentiments im sozialen Zusammenhang der Theoriebildung selbst - Der Zwangs-Egalitarismus der Bruderhorde und die Illusion vom kollektiven Theoretiker - Kleine Kampfhundkunde - Opfermänner und Flintenweiber - Ich ist ein anderer: Instrumentelle "Selbstreflexion" - Ödipussi nach Softie-Art - Betroffenheitskitsch und falsche Unmittelbarkeit - Biedermeier der Prekarisierung - Intellektueller Kannibalismus

 

Vorbemerkung

"Es hat sich in den linken Szenen herumgesprochen, dass die "Krisis"-Gruppe gespalten wurde. Eine bestimmte Clique hat unter Ausnutzung formaljuristischer Strukturen den Gründer des Projekts und einige bisherige HauptautorInnen hinausgeworfen, sich über den Willen der Redaktionsmehrheit hinweggesetzt, damit einen ordinären Machtanspruch erhoben und das "Krisis"-Label usurpiert. Diese Clique ist dreist genug, den Anschein erwecken zu wollen, dass sie das "Krisis"-Projekt ungebrochen fortführen würde. In Wahrheit gibt es den Zusammenhang nicht mehr, der unter diesem Label firmierte. Es handelt sich um reinen Etikettenschwindel. Das, was die theoretische Substanz von "Krisis" ausmachte, wird inhaltlich von der neuen Theoriezeitschrift EXIT vertreten und über die alten, bei einigen Autoren in mancher Hinsicht noch einem objektivistisch-androzentrischen Universalismus verhafteten "Krisis"-Positionen hinausgetrieben. Die Rest-"Krisis" dagegen hat die Dynamik der wert-abspaltungskritischen Theoriebildung an der Schwelle einer radikalen Kritik der so genannten Aufklärung und des männlich-weißen westlichen Subjekts (MWW) zum Stillstand gebracht, um sich auf den Weg eines seichten Bewegungspopulismus mit Zügen falscher Unmittelbarkeit zu machen. Die beiden Projekte werden sich rasch auseinander entwickeln.

Dieser Bruch ist für viele auch im engeren Umfeld überraschend gekommen. Selbstkritisch muss gesagt werden, dass der schon lange schwelende Konflikt nicht rechtzeitig offen gelegt worden ist. Der Dissens wurde immer wieder unter den Teppich gekehrt, um den Zusammenhang zu erhalten. Dabei ist auch das Verhältnis von inhaltlichen Differenzen und gruppendynamischen Beziehungskonflikten ungeklärt geblieben. Dieselbe Clique, die mit schmutzigen Mitteln als Minderheit das "Krisis"-Label usurpiert hat (was ihr nichts nützen wird), versucht nun diese Unklarheit auszunutzen, um ihr Vorgehen zu vernebeln, den Dissens zu verstecken und ihre selbst geschaffene "Macht des Faktischen" für sich wirken zu lassen.

Es gibt aufgrund der Ungeklärtheit des Konflikts eine ganze Reihe von (wirklich oder angeblich) "Dazwischenstehenden", die sich dem wert-abspaltungskritischen Projekt verbunden fühlen, eigentlich über den Dissens gar nichts Genaues wissen wollen und am liebsten wieder "Frieden" und sachliche Zusammenarbeit herstellen würden auf Basis der nunmehrigen Getrenntheit. Das ist jedoch eine Illusion. Durch ihr Vorgehen hat jene Clique nicht nur einen irreversiblen Bruch vollzogen, sondern damit auch jede Art von sachlichem Verhältnis oder gar Zusammenarbeit absolut unmöglich gemacht. Nach einem solchen Akt wird niemand zur sachlichen Tagesordnung übergehen, in keinem Zusammenhang, nirgends. Die falschen Friedensengel neigen dazu, den real vollzogenen Bruch, den Hinauswurf und die darin objektiv angelegte Logik der Vergeltung zu bagatellisieren, um vermeintlich die "wertkritische Sache" auf Kosten einer (unserer) Seite zu retten.

Es soll darauf verzichtet werden, die verletzte Legitimität wiederherzustellen, was eben nur durch eine völlige Delegitimierung der usurpatorischen Clique möglich ist. Anders wäre es gewesen, wenn sich diese Leute aufgrund ausgewiesener inhaltlicher Differenzen von der Redaktionsmehrheit und von "Krisis" als Label zurückgezogen hätten, um ein eigenes Projekt aufzumachen. Dann könnte man von "friedlicher Koexistenz" etc. reden. Aber sie haben mit übelsten sowohl illegitimen als auch formal illegalen Mitteln einen nackten Machtanspruch gegen die Mehrheit von Redaktion und Koordinationskreis durchgesetzt; sie sind nicht gegangen, sondern haben die anderen überrumpelt und gewissermaßen hinausgeknüppelt. Wer auf dieser "Basis" von Sachlichkeit, Zusammenarbeit etc. fabuliert, weiß nicht, wovon er redet.

(...) Darzustellen ist also die Verschränkung von Beziehungs- und Inhaltskonflikten. Die Schwierigkeit, damit umzugehen, erfordert eine Darstellung in zwei verschiedenen Texten. Der folgende Text konzentriert sich auf die Beziehungsebene, auf Verkehrsformen und Konstellationen bürgerlicher Subjektivität. In einem zweiten Text wird es um den inhaltlichen theoretischen Dissens auf der begrifflich-kognitiven Ebene gehen (mit den Stichworten androzentrischer Universalismus und Reduktion der Abspaltungstheorie, Objektivismus, Reduktion der Aufklärungs- und Subjektkritik, objektivistische Verharmlosung des Antisemitismus, Apologie des Zirkulationssubjekts und seiner falschen "Sachlichkeit" etc.).

Die Entwicklung des wert-abspaltungskritischen Projekts über einen Zeitraum von nahezu eineinhalb Jahrzehnten bis zum Bruch aufzuarbeiten, ist notwendig und erfordert einen gewissen Umfang. Danach kann Schluss sein, aber kein versöhnlicher. Das neue EXIT-Projekt wird sich natürlich nicht vorrangig mit Rest-"Krisis" abgeben, sondern die wert-abspaltungskritische Theorie über die Grenze hinaustreiben, an der diese Leute stehen geblieben sind. Deshalb werden die Texte zur Aufarbeitung des Konflikts auch nicht in der Theoriezeitschrift erscheinen, sondern auf der Homepage veröffentlicht. Sie sollen für alle Interessierten zugänglich sein, aber nicht das Periodikum für ein breiteres Publikum belasten. (...)

Inhaltskonflikt und Beziehungskonflikt. Ein Fall für bürgerliche Begriffslosigkeit

(...) Inhaltliche Auseinandersetzungen und Brüche finden nie ohne Auseinandersetzungen und Brüche auf der persönlichen, sozialen und institutionellen Beziehungsebene statt. Beides geht auseinander hervor; inhaltliche Differenzen führen zu persönlichen Brüchen, aber auch umgekehrt können persönliche Aversionen und Idiosynkrasien sich in inhaltliche Differenzen verwandeln und dennoch mehr sein als bloße Maskierung einer Psychodynamik, also durchaus einen "objektiven", "sachlichen" Gegensatz zum Vorschein und zum Ausdruck bringen. Dabei ist gleichzeitig festzuhalten, dass auch die Aversionen usw. niemals "rein" persönlicher Natur, sondern stets vermittelt sind mit Momenten gesellschaftlicher Form-Allgemeinheit; in der Wertvergesellschaftung natürlich vor allem mit Konkurrenzverhältnissen.

Wäre es an sich schon schwierig, die in diesem Zusammenhang angelegten komplexen Vermittlungsverhältnisse auf eine einzige Darstellungsebene zu bringen, so wird dies selbst als Postulat oder Versuch nahezu verunmöglicht durch die strikte Subjekt-Objekt-Dichotomie des modernen, wertförmig konstituierten Bewußtseins. Damit ist unter anderem auch eine strenge Trennung von Inhalts- und Beziehungsebene impliziert. Die allgemeine gesellschaftliche Form aller Inhalte und Beziehungen bildet die stumme Voraussetzung, in gewisser Weise das "implizite Wissen", während es ansonsten entweder "zur Sache" oder "ad personam" geht. Dem entspricht eine Trennung von Sachliteratur und "Beziehungsliteratur". Bei der Darstellung sachlicher, inhaltlicher Gegensätze und Auseinandersetzungen wird die (persönliche) Beziehungsebene normalerweise systematisch ausgeblendet. Beziehungsverhältnisse und Beziehungskonflikte könnten nur etwa als Roman oder als psychologische Fallstudie dargestellt werden. Erst auf einer hohen Abstraktionsebene, auf der keine realen Individuen mehr vorkommen, kann das Beziehungsproblem selber wieder Inhalt und "sachlich" bzw. "unpersönlich" werden.

Deshalb hat es den Geruch des Unanständigen und Peinlichen, in ein- und derselben Darstellung Inhalts- und Beziehungsebene bis hinab auf die real handelnden Individuen und deren persönliche Konflikte zu thematisieren. Das gilt besonders für Zusammenhänge kritischer Theoriebildung. Sicherlich ist es auch berechtigt, dass man, um mit einer theoretischen Auseinandersetzung etwas anfangen zu können, nicht gerade mit Informationen über die grauenhaften Sexual- oder Eßgewohnheiten der Beteiligten belästigt werden möchte. Aber bei der ausgeblendeten Beziehungsebene geht es ja auch nicht so sehr um das Plaudern über Küchen- und Schlafzimmergeheimnisse, sondern um die Ebene, auf der sich Allgemeines und Besonderes/Einzelnes, Gesellschaftliches und darin nicht aufgehendes Persönliches berühren und verschränken. Genau für diese Ebene ist jedoch im Kontext bürgerlicher Dichotomie keine Darstellungsmöglichkeit vorgesehen.

Es gehört vielleicht grundsätzlich zur Überwindung des wertförmig konstituierten Bewusstseins, auch die Trennung von Inhalts- und Beziehungsebene, von Sachdarstellung und Beziehungsanalyse zu durchbrechen, ohne deshalb bloß in Klatsch und Tratsch zu verfallen. Jedenfalls zeigt es sich, dass die inhaltliche, theoretische Kritik der Wertform nicht ohne Reflexion auf die (auch persönlichen) Beziehungsverhältnisse auskommt, in denen sich diese Kritik abspielt. Das betrifft die institutionellen Formen ebenso wie das Problem der Warenförmigkeit kritischer Theorie in ihrer gesellschaftlichen Vermittlungsweise, die damit verbundenen Konkurrenz- und Geschlechterverhältnisse sowie die klammheimlichen Ideologiebildungen auf dem Boden der Ideologiekritik selbst in Vermittlung mit den persönlich Beteiligten. Genau die subtilen Prozesse, die sich dabei abspielen und die Inhaltskritik wieder an die Kandare der universellen stummen Formbestimmung nehmen, schließen eben auch die handelnden Personen als individuelle ein, die in ganz bestimmter Weise die Verschränkung von Inhalts- und Beziehungsebene verarbeiten.

Das Auseinanderbrechen des "Krisis"-Zusammenhangs ist in dieser Hinsicht exemplarisch, gerade weil die wertkritische Initiative an den Subjektkern der Moderne herangeführt und damit auch auf der persönlichen Beziehungsebene explosives Potential freigesetzt hat. Sobald es aber um die Thematisierung dieses Zusammenhangs geht, kann es auch keine bürgerliche "Sachlichkeit" und "Objektivität" mehr geben. Die "Krisis"-Revolution der Nettigkeit, die in bestimmter, zutiefst ideologischer und selbstapologetischer Weise ihrerseits das Verhältnis von Inhalts- und Beziehungsebene thematisiert hat, kann nur mit einer Polemik beantwortet werden, die zusammen mit der Verlogenheit dieser Art von affirmativer Verarbeitung der Widersprüche auch die Personage nicht ausspart, die sich dafür nicht zu schade war.

Die Pointe dieser Revolution der Nettigkeit besteht gerade darin, dass ein falscher, unreflektierter Begriff von "Sachlichkeit" herangezogen wird, um in Wahrheit sehr persönliche Konkurrenz- und Abgrenzungsbedürfnisse in eine Invektive gegen die theoretische Allgemeinheit selbst umzumünzen. Wenn also im Folgenden (allerdings keineswegs ausschließlich) immer wieder "ad hominem" polemisiert wird, so liegt das in der auf dieser Ebene nicht objektivierbaren "Sache" selbst. So wenig der Kampf um "Wahrheitsproduktion" (Foucault) von den objektiven Bedingungen und Formbestimmungen der Wertvergesellschaftung abgelöst werden kann, ebenso wenig handelt es sich um eine in der Manier bürgerlicher Pseudo-Objektivität "sachlich" auflösbare Angelegenheit.

 

Wir armen Pathogenen! Das Aufkeimen des antitheoretischen Ressentiments im sozialen Zusammenhang der Theoriebildung selbst

(...) Es mag auf den ersten Blick überraschen, wenn der antitheoretische und intellektuellenfeindliche Affekt sich gar nicht einmal so klammheimlich ausgerechnet in einem Zusammenhang kritischer Theoriebildung geltend macht. Aber dieser Einbruch der Theoretikerfeindschaft in den Theoriebildungszusammenhang selbst, hier unter dem Vorwand einer Thematisierung der in Wahrheit völlig dekontextualisierten "Selbstreflexion" (der reale Konflikt-Kontext des ganzen Räsonnements wird völlig ausgeblendet), ist durchaus nichts Neues; und zwar sowohl auf der sozialen Beziehungs- als auch auf der Inhaltsebene.

Theoretische Praxis kann nicht als reiner Inhalt für sich stehen, als Praxis sui generis bedarf sie der Darstellung, der Organisierung, der Vermittlung usw. Ein theoretischer Zusammenhang braucht also auch Leute, die zwar die Notwendigkeit und den Stellenwert der Theorie einsehen, aber selber nicht in erster Linie Theoretiker im engeren Sinne sind oder sein wollen, sondern bestimmte Aufgaben übernehmen; von der redaktionellen Bearbeitung, der Finanzverwaltung, der Verlagstätigkeit, der Technik usw. bis zum Vertrieb und zur Organisation von Veranstaltungen. Außerdem ist auch die eigentliche theoretische Praxis nicht hermetisch eingegrenzt. Man muss kein berufsmäßiger Theoretiker sein, um auch einmal einen theoretischen Artikel schreiben zu können. Wie in vielen anderen Bereichen gibt es eine größere oder geringere Intensität der theoretischen Betätigung bei verschiedenen Leuten; es gibt eine mehr innovative und eine mehr sekundäre, nachbereitende Literatur, es gibt fließende Übergänge zum Journalismus usw.

Das alles ist so lange unproblematisch, wie die Beteiligten sich solidarisch zueinander verhalten im Sinne einer gemeinsamen Sache, wie sie ihre individuellen Grenzen kennen und ihren jeweiligen Anteil ohne Selbstwertprobleme und Konkurrenzgefühle einbringen können. Nur in einem solchen Klima kann es auch individuelle Entwicklungen geben; niemand weiß ja a priori, dass er oder sie

nun "TheoretikerIn wird" oder sonst wie berufsmäßig Texte produziert, sondern es handelt sich um langfristige lebensgeschichtliche Prozesse.

Kontraproduktiv und geradezu destruktiv wird das Verhältnis jedoch, wenn sich das Ressentiment einzunisten beginnt, also eine gehässige Abwertung der TheoretikerInnen, die aus einer negativ verarbeiteten Selbstwertproblematik anderer Beteiligter resultiert. Da in einem Zusammenhang kritischer Theoriebildung die "theoretische Produktion" der Sache nach im Mittelpunkt steht, kann den aktivsten ProduzentInnen gegenüber ein Minderwertigkeitskomplex entstehen, der ins Ressentiment umschlägt. Das ist gerade die Art und Weise, wie die bürgerliche Subjektivität in einem solchen Zusammenhang negativ durchzuschlagen beginnt und sich in den Individuen paradox gegen deren eigene Sache wendet.

Im "Krisis"-Zusammenhang gab es Anzeichen für diesen Umschlag schon länger, die auch ihre schriftlichen Spuren hinterlassen haben. So hieß es in einem Papier des Konflikts mit dem postmodern eingefärbten "Karoshi"-Projekt (einem längst wieder von der Bildfläche verschwundenen, von ehemaligen "Krisis"-Leuten kreierten Magazin) seitens eines Protagonisten mit ungeschminkter Deutlichkeit: "Es gibt und hat aber auch einige gegeben, darunter meine Person, die...immer auch darunter gelitten haben, dass sie selbst keine AutorInnen waren. Dies hat ein gewisses Minderwertigkeitsgefühl perpetuiert und erhebliche Ohnmachtsgefühle hervorgebracht...Ständig begleitete einen das Gefühl, Wissen und Erfahrungen nicht in die Waagschale werfen zu können, da man es nicht umfangreich und schriftlich einzubringen verstand" (Andreas Baumgart, Vorwärts damit alles beim alten bleibt?, Internes "Krisis"-Papier, 1997).

Hier haben wir es schon nicht mehr mit der Unbefangenheit und Neugier theoretischer Rezeption zu tun, nicht mehr mit einem Ausprobieren der eigenen Möglichkeiten in einem solchen Zusammenhang ohne Schielen auf "Charts" und ohne Gier nach Reputation, um zu sehen, wohin man gelangt und was man vielleicht selber als Individuum einbringen kann; hier spricht vielmehr schon die dumpfe Stimme des Ressentiments, dem es nicht um die eigene Entwicklung geht, sondern das die Autorschaft anderer in den verbiesterten Blick der Selbstwertmonade nimmt. Dieses Ressentiment ist es, das, einmal entstanden, den Theoriebildungs-Zusammenhang vergiften muss, auch wenn es zunächst als marginal erscheinen mag. Sobald dieser Ungeist des Ressentiments aber in den Theoriebildungsprozess selbst eindringt, also auch bestimmte Theorieproduzenten erfasst, schlägt der emanzipatorische theoretische Inhalt auf der Ebene des "Allgemeinen" selbst in den Reflex gegen die Allgemeinheitszumutung um: Auf paradoxe Weise wird die Theorie selber theoriefeindlich und intellektuellenfeindlich. Das geht durchaus, denn wie das persönliche Ressentiment ideologisiert werden kann, so kann der antitheoretische Affekt des Normalo-Bewußtseins selber theoretisiert werden. Schon immer waren es in der modernen Ideologiegeschichte Intellektuelle, die der Theorie- und Intellektuellenfeindlichkeit einen Ausdruck gaben.

(...) Dass die radikale Kritik, die heute nur noch Wertkritik bzw. Abspaltungskritik sein kann, in ihrer Darstellung selber die Warenform annehmen und in die bürgerliche Zirkulation hineinkommen muss, ist ein Paradox und ein Problem, dass einer kritischen Durchdringung bedarf. Es ist aber kein Problem, das durch seichten, populistischen Moralismus gegen den "Markterfolg" aufgelöst werden könnte. Nicht der (vermeintliche) Erfolg oder Misserfolg kann Gegenstand der Kritik sein, sondern die Form selber, in der sich beides abspielt, und aus der man nicht qua subjektiver Willensentscheidung herausspringen kann. Auch Eigendruck im Selbstverlag nimmt zwangsläufig im Prinzip die bürgerliche Form an; und nur auf Amateurniveau mit geringstmöglicher Reichweite publizieren zu können, ist nicht per se "emanzipatorisch". Ohnehin geht es bei der Invektive im "Krisis"-Zusammenhang gegen die Unperson Robert Kurz gar nicht um die Reflexion der Warenförmigkeit kritischer Theorie und die damit verbundenen Zwänge, Paradoxien, Gefahren etc., sondern um nichts als die Mobilisierung des bloßen Ressentiments gegen "den im Rampenlicht" (selbst wenn das nur für eine sehr begrenzte Öffentlichkeit leuchtet).

(...)Diese schräge Motivlage machte sich im "Krisis"-Zusammenhang während der 90er Jahre nicht bloß bei einigen von Minderwertigkeitsgefühlen gebeutelten Nicht- oder Gelegenheits-Autoren bemerkbar, sondern auch bei denjenigen regelmäßigen Autoren, die sich durch den theoretischen Vorsprung und das publizistische "Abheben" der herausgehobenen Figur Robert Kurz nicht etwa ermuntert, sondern in die "zweite Reihe" degradiert fühlten. Zusammen mit dem ersten Erscheinen eines wertkritischen Buches in einer größeren Öffentlichkeit (Robert Kurz, Der Kollaps der Modernisierung, 1991) begannen bei denen, die von bürgerlichen Medien gelegentlich als "Mitarbeiter" der "Leitfigur" tituliert wurden, auch erste Züge eines Wolfsrudels von Ehrgeiz- und Konkurrenzmännern aufzuscheinen; eine Tendenz, die sich immer mehr verstärken sollte, um schließlich den solidarischen Zusammenhang zu zerstören und den emanzipatorischen Inhalt der Wertkritik zu verbiegen.

Der Zwangs-Egalitarismus der Bruderhorde und die Illusion vom kollektiven Theoretiker

Im Lauf der 90er Jahre machte sich die nörgelnde und lauernde Unzufriedenheit derer im "Krisis"-Zusamenhang, die den Inhalt der Wertkritik durchaus selber mit Macht zu ihrem Humankapital auf dem Markt der Meinungen machen wollten, sich dabei jedoch zurückgesetzt und "unterbewertet" fühlten, in zahlreichen internen Motz-, Hetz- und Kotzpapieren geltend, von denen die wenigsten erhalten sind (wer hebt so etwas schon auf; wer denkt schon daran, dass man derartige Peinlichkeiten noch einmal dokumentarisch zur Selbstrechtfertigung benötigen könnte). (...)

Der falsche Egalitarismus, der zu dieser Konstellation gehört, ist keiner eines selbst-bewussten "Vereins freier Individuen", sondern nichts als Ausdruck der abstrakten Individualität, deren Kehrseite die zwanghafte Allgemeinheit der bürgerlichen Willensform bildet. Es ist die Egalität, die aus der gemeinsamen Unterwerfung entspringt, in der alle gleichermaßen nur Funktionäre ihrer eigenen veräußerlichten und verdinglichten Gesellschaftlichkeit sind, die ihnen in der politischen Form auferlegt ist. Dieser falsche Egalitarismus der "Parteisoldaten", wie er aller aktiven Politik als einer Funktionssphäre der Wertvergesellschaftung inhärent sein muss, reproduziert sich in einem zunächst naturwüchsig nach der Matrix der politischen Organisationsform entstandenen Theoriebildungs-Zusammenhang ebenso naturwüchsig gewissermaßen als falscher Egalitarismus von "Theoriesoldaten". In diesem Sinne bezeichnete sich etwa der "Krisis"-Autor Ernst Lohoff in Abgrenzung von Robert Kurz gern als "Mannschaftsspieler"; ein unverblümter Hinweis auf die männliche Zwangs-Kollektivität in der quasi-politischen Form. Das ist natürlich eine polemische Zuspitzung, die aber den Kern der Sache trifft.

Es tut dieser Einschätzung auch keinen Abbruch, dass im "Krisis"-Zusammenhang auf der kognitiven Inhaltsebene der Begriff des Politischen bereits einer fundamentalen Kritik unterzogen und die Form der politischen Partei verworfen, ja sogar das Nachwirken der politischen Form als eine Art Schattenriss problematisiert worden war. Subkutan blieb trotzdem der negative Egalitarismus der Politgruppe wirksam, in den Identifikationsmustern, emotionalen Bezügen und gruppen- bzw. psychodynamischen Verhältnissen. Es ist ja auch wirklich so, dass ein autonomer Zusammenhang radikal kritischer Theoriebildung sich in mancher Hinsicht noch quasi-politisch verhalten muss, etwa im Sinne einer "Theoriepolitik" oder eines strategischen Verhaltens in Bezug auf die linken Szenen, die gesellschaftlichen Oppositionsströmungen etc. Dieser Bezug darf jedoch nicht verwechselt werden mit der Theoriebildung selbst, die ganz anderen Gesetzen folgt und in einem anderen Modus stattfindet. Genau diese Verwechslung geschieht jedoch, wenn die theoretische Praxis als solche an den falschen Egalitarismus einer Gruppen-Kollektivität gebunden werden soll.

Auch wenn es nicht eingestanden wurde: In der ursprünglichen Nürnberger "Krisis"-Gruppe schien in der schwelenden Unzufriedenheit derer, die sich zurückgesetzt fühlten, zunehmend das Muster auf, gegen den "abgehobenen" Theorieproduzenten und Publizisten im Grunde den negativen Egalitarismus des Gruppenkollektivs geltend zu machen, auch wenn damit nur ordinäre Konkurrenzgefühle maskiert wurden. Negativ ist dieser Egalitarismus auch in dem Sinne, dass er darauf hinausläuft, die "allzu große" Produktivität des eben deshalb über den engen Gruppenrahmen hinausgewachsenen Schriftstellers zu beschneiden und einzudämmen, ihn zurückzuzwingen auf den kleinen Maßstab der beschränkten, schwerfälligen Kollektiv-Diskussion und in den Gleichschritt der "Truppe", die jedem ihrer Mitglieder das Tempo vorgeben will.

Theoriepolitisch könnte man hier die Illusion vom "kollektiven Theoretiker" festmachen; eine Illusion deswegen, weil so die Theoriebildung als solche in den politischen Modus gepresst und damit ihr eigener Modus negiert wird. Das Ergebnis kann nur kontraproduktiv sein. Sozialpsychologisch oder gruppen- und psychodynamisch könnte man von einer Art "Bruderhorde" sprechen, die sich zwangsegalitär gegen den "abgehobenen", dem Bonsai-Kollektiv entwachsenen, unanständig produktiven, in einer anderen Öffentlichkeitsliga spielenden "Vater" oder "älteren Bruder" formiert, um ihn gewaltsam in den Schoß des Zwangskollektivs zurückzuholen oder ihn zu eliminieren.

Die Bruderhorde des falschen Egalitarismus im "Krisis"-Zusammenhang sprach ihre einschlägigen Motive gelegentlich auch ziemlich unverblümt aus: "Anfang der 90er Jahre hatte sich die alltägliche wertkritische Praxis zunächst einmal wesentlich nur für (Robert Kurz) verändert. Er hatte sich quasi verdoppelt, betrieb gleichzeitig Publizistik und Auftritte nach dem Abfrageprinzip, die den Höflichkeitsbegriffen des Morbus Noricus entsprechend als eins-zu-eins-Vermittlung >der wertkritischen Position< missverstanden wurden und schrieb nebenher seine Krisis-Beiträge...Dass es sich bei der >Krisis< um einen Familienbetrieb handelt, stand...der Metamorphose der wertkritischen Tätigkeit zum Geschäftsbetrieb und der Auflösung des Kernzusammenhangs in vor sich hinwurstelnde Autoren nicht im Wege...Der Familienbetrieb mit seinen gewachsenen Tabusystemen und bis zur Indolenz gehenden Rücksichtnahme auf individuellen Irrsinn (!) bietet den Raum, in dem jeder ungestört sein Tagesgeschäftchen verrichten kann und doch einer gewissen Nestwärme teilhaftig wird" (Ernst Lohoff, Kairos, internes "Krisis"-Papier, Mai 2000).

Text und Subtext dieser Attacke müssen kaum dechiffriert werden; jeder weiß, dass "jeder" niemand anders als der "abgehobene" Robert Kurz sein soll, dessen Publizistik sich unverzeihlicherweise nicht mehr auf den eigenen Klitschenbetrieb beschränkt, was nicht als Vermittlung nach außen, sondern als "Bruch der Bruderschaftsvereinigung" (Petra Haarmann) erlebt wird, als "Geschäftsbetrieb" im pejorativen Sinne des Ressentiments von Zurückgebliebenen. Die über den eigenen Laden hinausgehende Publizistik und Theorieproduktion des Entlaufenen erscheint sogar geradezu als "individueller Irrsinn", weil sie die Illusion vom kollektiven Theoretiker zunichte macht.

Die positive Imagination des Bruderhorden-Zwangsegalitarismus zieht zwangsläufig eine pejorative Bestimmung der publizistischen Existenz nach sich; es wird Gift gespuckt gegen den, der anscheinend tatsächlich von der Textproduktion "leben kann", wenn auch mehr schlecht als recht. Was in Wahrheit der eigene, allerdings nicht in Erfüllung gehende Wunschtraum ist, daraus wird der Strick für den "Abgehobenen" gedreht, dem man nun vorwerfen kann, dass er den Schrebergarten der kleinen Gruppenexistenz verlassen und sich "...eine gewisse Marktposition erworben hat" (Peter Klein, i.e. Bernd Suffert, Brief an die Nürnberger "Krisis"-Gruppe, Juli 2000). Unanständigerweise würde da einer "Geldverdienen mit der Kritik des Geldes" (Peter Klein, Internes Papier für die Nürnberger "Krisis"-Gruppe, 2000). Der Widerspruch der kapitalistisch bestimmten Existenz, der gerade auch für kritische TheoretikerInnen nicht unmittelbar aufgelöst werden kann, wird zur Apologie des Freizeit-Intellektuellen, der aus seiner Not eine Tugend machen muss. Wer mit der angeblichen "Anmaßung der Theorie" auch noch sein Brot verdienen will, soll am besten verhungern, damit kein Anspruch das Amateurniveau übersteigen kann.

Weil man selber die Theorie und Publizistik nicht zur hauptsächlichen Lebenspraxis machen kann oder will, soll dies auch bei anderen nicht anerkannt und der Theorie als solcher die "Lebenspraxis" von "oppositioneller Betätigung" entgegengestellt werden: "Die Begegnung mit der Wertkritik hat...zwar entscheidend zur Desavouierung der gängigen linken Wald- und Wiesen-Praxis beigetragen, konnte aber bisher keine andere lebenspraktische Perspektive oppositioneller Betätigung eröffnen - sieht man einmal von der seltsamen Zumutung ab, zum Vollzeit-Theoretiker zu mutieren" (Norbert Trenkle/Ernst Lohoff, Was heißt da Krisis-Zusammenhang?, in: Krisis 24, Bad Honnef 2001, S. 152). Dass nicht alle Rezipienten von Theorie selber Theoretiker werden müssen, dass es einen komplexen Vermittlungszusammenhang von autonomer Theoriebildung und sozialen Bewegungen gibt, und dass die Existenz als "Vollzeit-Theoretiker" wie jede berufliche "Vollzeit"-Existenz nach Maßgabe wertförmiger Reproduktion bornierende und zwanghafte Momente hat, - diese Tatsachen werden nicht reflexiv problematisiert, sondern instrumentalisiert für das Ausleben des Ressentiments: Weil man sich selber bloß zwanghaft, ehrgeizig und in höchstem Grade konkurrent in die Rolle des Cheftheoretikers hineinimaginiert hat, es aber nicht zum "Vollzeit-Theoretiker" reicht, muss dessen Dasein als "seltsame Zumutung" nicht in seiner wirklichen Problematik reflektiert, sondern madig gemacht werden als eine Art Verbrechen an der "Lebenspraxis".

Die Schandbarkeit eines solchen Daseins ist also diejenige des Robert Kurz in seiner "Existenz als >Berufsschriftsteller< und >Berufsrevolutionär<..." (Peter Klein, Offener Brief an den "Krisis"-Koordinationskreis, 9.3.2004), von dessen "inflationärer Publizistik" (a.a.O.) die "Krisis"-Gruppe geradezu erdrückt werde. Die Illusion vom kollektiven Theoretiker wird krampfhaft festgehalten in der wütenden Abwertung des "Berufsintellektuellen", dessen die Enge der wöchentlichen behäbigen Diskussionsgemeinschaft sprengende theoretische Praxis denunziert wird mit der Behauptung, dass hier "einzelne Medienarbeiter und Privatgelehrte ihre Geschichten durchziehen, auch wenn die natürlich ihrerseits die allgemeine Diskussion zum Hintergrund haben" (Ernst Lohoff, Kairos, a.a.O.).

Da spricht der Fuchs, dem die Trauben zu hoch hängen, und der sie deshalb als sauer befindet. Aber diese wandelnde Essiggurke der Frustration kann sich nicht enthalten, ebenso gehässig wie besitzergreifend darauf hinzuweisen, dass die übergroße Textproduktion des "individuellen Irrsinns" nichts anderes als "die allgemeine Diskussion" der Bruderhorde "zum Hintergrund" habe; sprich: eigentlich gehört das alles uns, eigentlich sind wir qua Hordengemeinschaft die "wahren" Theoretiker, und der abgehobene Berufsschriftsteller hat daraus nur sein "Geschäft" als "Privatgelehrter" gemacht. Abgesehen davon, dass hier das selber ehrgeizverwüstete Konkurrenzgefühl spricht, ist es auch eine völlige Verkennung der Quellen von theoretischer Innovation und Produktion, die in aller Regel eher beharrlicher Recherche und dem Durchwühlen von Bergen an Material entspringt als gemütlichen Diskussionsrunden und Gruppensitzungen. Die Diskussion ist normalerweise nachgeordnet und bezieht sich meist auf Resultate, die ihrerseits nicht unmittelbar aus einer Diskussion hervorgehen können.

Aber auch in dieser Hinsicht muss das Räsonnement der Teilzeit-Denker den Sachverhalt auf den Kopf stellen und die eigene Beschränktheit zur "Eigentlichkeit" erklären. Der bleiche "Berufsintellektuelle" versündigt sich nicht nur gegen die pralle "Lebenspraxis", indem er die Theorie selber zu einer den Lebenshorizont ausfüllenden Praxis macht; er kann ja, so die selbst-apologetische Rabulistik der Bruderhorde, als berufsmäßiger Schreiber, der angeblich "auf allen Hochzeiten tanzen zu müssen glaubt" (Peter Klein, Brief vom 11./12.2. 2004, publiziert im "Krisis"-Koordinationskreis), es gar nicht "aushalten..., dass zur Klärung Zeit erforderlich ist" und dass man "um das Studieren und Debattieren nicht (herumkommt)" (Peter Klein, a.a.O.). Der "Berufsschriftsteller", der in gesellschaftlichen Auseinandersetzungen steht, sei eigentlich bloß "politisch", während man selber wahren Tiefgang habe: "Dabei könnte mein etwas grundsätzlicheres Ausholen für unsere >Politiker<, die sich im Eifer des Gefechts zu so mancher voreiligen Festlegung und Formulierung hinreißen lassen, durchaus ein nützliches Korrektiv sein" (Peter Klein, Brief an Petra Haarmann vom 25./26.1.2003). Es kommt also darauf hinaus, dass der Berufsschriftsteller eigentlich nur ein ganz windiger Theoretiker sein könne, weil den Märkten und den Tageskämpfen ausgeliefert, während die unfreiwilligen Amateure sich als die wahren Grundsatztheoretiker sehen allein schon deshalb, weil sie sich ihre "Lebenspraxis" nicht durch Vollzeit-Theorie vermiesen lassen und sie mit ihren geistigen Höhenflügen kein "Geld verdienen". So erscheint es geradezu als besonders "edel", zur theoretischen Begriffsbildung ein Verhältnis zu haben wie vielleicht ein Dorfapotheker zur Paläontologie als Liebhaberei, während man über den Berufsintellektuellen als ganz unedlen Handwerker die Nase rümpfen darf. Die Philosophenkönige sitzen heute eben nur noch im geistigen Hobbykeller.

Es ist eine Mischung aus antitheoretischem Affekt und intellektuellenfeindlicher Lebensphilosophie für den Hausgebrauch einerseits und einem selber gockelhaft-wichtigtuerischen, aber nicht einlösbaren theoretischen Überanspruch andererseits, die sich da aus den Konkurrenzgefühlen, Selbstwertkomplexen und Ehrgeizfrustrationen der "Krisis"-Bruderhorde heraus zusammengebraut hat. Die Verbeugung vor dem Alltagsverstand bornierter "Lebenspraxis", während man sich gleichzeitig gegenseitig eines edeltheoretischen imaginären Besitzstandes versichert, muss anziehend wirken für ein Milieu von linken Schwadroneuren und Kneipenhengsten, die sich am liebsten zu Höherem berufen fühlen und dem intellektuellen "Promi" Robert Kurz schon immer mal in die Suppe spucken wollten. Was für eine Freude, wenn dem nun die "eigenen Leute" an die Gurgel gehen und genau die Ressentiments an den Tag legen, die man selber schon längst im Busen trägt. (...)

Kleine Kampfhundkunde

Die niedersten Instinkte der bürgerlichen Subjektivität, wie sie von den Frustrationen der "Krisis"-Bruderhorde geweckt worden waren, mussten auf eine soziale und schließlich auch organisatorische Abstoßungsreaktion gegen den immer stärker als Fremdkörper erlebten Veranstalter von publizistischen "Extratouren" hinauslaufen. Und ohne dass das Ziel des organisierten Ressentiments ausdrücklich benannt worden wäre, war es implizit schon längst klar: Dem Privatgelehrten und Berufsschriftsteller ist die "Nestwärme" der Gruppengemeinschaft zu entziehen, der er bislang noch unberechtigterweise "teilhaftig" geworden sei. Der Aufstand der Bruderhorde gegen die "Leitfigur", die unverzeihlicherweise über das reduzierte Beziehungsverhältnis hinausgewachsen war, kündigte sich frühzeitig an. Das Ziel konnte nur die soziale Ächtung des Abtrünnigen, Abgehobenen, der Hordengemeinschaft Entzogenen sein; das "Hinaussäubern" dessen, der den falschen Egalitarismus der Brüder verletzt hat.

Es dauerte allerdings einige Jahre, bis es so weit war. "Kairos" (günstige Gelegenheit), das lief zunächst im Frühjahr 2002 darauf hinaus, dem Berufsintellektuellen zuerst einmal die muffig gewordene Gemeinsamkeit der Nürnberger "Krisis"-Gruppe aufzukündigen. Dass dabei auch andere Gruppenmitglieder aufgegeben werden mussten, nahm man ohne weiteres in Kauf: ein Zeichen, dass der Egalitarismus und die scheinbare Gemeinschaftlichkeit sich in Wahrheit exkludent auf eine begrenzte, ambitionierte Brudergruppe bezog, die sich bis heute als den "eigentlichen Kern" des Ganzen imaginiert und alle anderen als Spielfiguren oder als Konkurrenten behandelt; eine völlige Preisgabe des emanzipatorischen Anspruchs auf der Beziehungsebene, womit auch der wertkritische Inhalt dementiert wird.

Die Aufkündigung des lokalen Nürnberger Gruppenzusammenhangs durch diese zunehmend mafiotisch agierende Kleinbande (allerdings hat die wirkliche Mafia einen anspruchsvolleren Ehrenkodex) war nur der Probelauf für den eigentlichen Coup. Zwei Jahre später konnte dann die "große Gelegenheit" ergriffen werden, den Ab- und Ausstoßungsprozess zu vollenden, um die bestgehasste ehemalige "Leitfigur" (ein an sich unkoscherer Begriff, der noch zu thematisieren sein wird) endgültig loszuwerden. Wiederum wurde es bewusst in Kauf genommen, damit auch die Mehrheit der bisherigen überregional aktiven Trägerschaft von Redaktion und Koordinationskreis gleich mit abzustoßen. "Wir sind die Krisis", diese anmaßende Parole beim Hinausputschen der Redaktionsmehrheit enthüllt den ganzen Zynismus der usurpatorischen falschen Brüdergemeinschaft, der allerdings einen weitgehenden Realitätsverlust zur Grundlage hat.

Die Reaktionen der organisierten Abstoßung und Abspaltung konnten freilich nicht offen und ehrlich mit jenen schäbigen Motiven begründet werden, wie sie aus allen Knopflöchern der internen Papiere, Mails usw. hervorblitzen. Das bürgerliche Konkurrenzsubjekt muss sich stets hinter der Maske einer falschen Sachlichkeit verstecken. So sahen sich die intriganten, ihren absurden Coup vorbereitenden Brüder genötigt, ihre Motive zu verobjektivieren und einen pseudo-sachlichen Begründungszusammenhang zu erfinden, mit dem die Hinaussäuberung des Berufsintellektuellen offiziell gerechtfertigt werden sollte.

Zur Maske dieser Versachlichung wurde das Postulat der so genannten Sachlichkeit selbst; und zu diesem Zweck musste die Geschichte der "Krisis"-Theoriebildung und der dabei in der Vergangenheit vollzogenen Brüche neu interpretiert werden: "Wahrscheinlich war...das Angebot einer verbindlich-unverbindlichen Identifikationsgemeinschaft mit welthistorischem Auftrag die einzige Methode, mit der sich der Laden unter den gegebenen Bedingungen zusammenhalten ließ. Allerdings war diese Verfahrensweise auch mit ziemlichen Reibungsverlusten verbunden. Das gilt zunächst natürlich für die seltsame Art, in der Konflikte ausgetragen wurden. Im selben Maß wie die Ingroup in ihrer Herausarbeitung aus dem klassischen Marxismus vorankam, entfernte sie sich vom Ausgangsbezugssystem, in dem sich Umfeld und Theoriegruppe bewegt hatten. Im Zeichen des Inhaltsreduktionismus wurden die sich daraus ergebenden Spannungen aber nicht als das wahrgenommen, was sie waren, Gegensätze zwischen einer dynamischen Theoretikergruppe und einem Rezipientenfeld, das einem anderen Takt folgt; die Tatsache, dass harmlose Menschen noch immer die harmlosen Ansichten vertraten, die sie vor ein, zwei Jahren in unserem Rahmen auch immer vertreten hatten, wurde zum Anlass, sie in den Stand feindlicher Ideologen zu erheben und einer entsprechenden Sonderbehandlung zuzuführen. An den armen Geschöpfen, die sich nicht mit uns vom Arbeiterbewegungsmarxismus frei schwimmen wollten, wurde der weltgeschichtliche Ablösekampf mit einer ganzen Epoche exekutiert, und alle Beteiligten fanden sich mitten in klassischen K2L-Kämpfen wieder" (Ernst Lohoff, Kairos, a.a.O.).

Der Verweis auf einen "Inhaltsreduktionismus", der die Beziehungsverhältnisse unbeachtet gelassen habe, geht hier völlig daneben und dient einzig der Instrumentalisierung für einen Beziehungskampf auf einer ganz anderen Ebene, nämlich gegen den Berufsintellektuellen, dem man unbedingt etwas Verbrecherisches anhängen musste. Dafür sollten nun die früheren Abnabelungs-Konflikte herhalten. Faktum ist selbstverständlich, dass der Weg der wertkritischen Theoriebildung gewissermaßen mit ideologischen Leichen gepflastert ist; denn um diesen Ansatz überhaupt gegen die vorherrschenden Strömungen der Linken durchhalten zu können, bedurfte es einige Male einer ziemlich harten Gangart. Bis Mitte der 90er Jahre gab es innerhalb des sich herausbildenden "Krisis"-Zusammenhangs in mehreren Wellen heftige Konflikte mit diversen Vertretern von Positionen des Traditions- oder Arbeiterbewegungsmarxismus (nicht zuletzt im Kontext der radikalen Arbeitskritik), 1996/97 nabelte sich das postmodern eingefärbte "Karoshi"-Projekt ab, und nach dem 11. September kam es kaum überraschend zu einem ebenfalls heftigen Zusammenstoß mit den (wenigen) Sympathisanten des antideutschen Bellizismus im "Krisis"-Koordinationskreis.

Es ist nun ein ziemlich an den Haaren herbeigezogener Gedanke, dass Konflikte mit theoretischen Positionen, vor allem "der weltgeschichtliche Ablösekampf mit einer ganzen Epoche" (des Arbeiterbewegungsmarxismus) sozusagen allein mit der Epoche als solcher oder mit ihren abgestorbenen Theoriebildungen geführt werden sollten und nicht auch mit bestimmten Personen, die sich noch immer identitär daran festkrallen. Diese Konflikte mussten im Gegenteil auch als persönliche geführt werden, und zwar zwangsläufig mit Leidenschaft und Zorn; auf der einen Seite, um die Selbstbehauptung des Neuen zu gewinnen, auf der anderen, um das verinnerlichte Alte zu verteidigen. Gerade bei den Ablösekämpfen vom Arbeiterbewegungsmarxismus, die mit leibhaftigen Vertretern dieser Spezies ausgetragen wurden, hatte die spätere "Krisis"-Bruderhorde (ebenso wie beim "Karoshi"-Konflikt) selber heftig ausgeteilt. Jahre später wollte man nun plötzlich entdecken, daß es sich bei den früheren Kontrahenten in Wirklichkeit um "harmlose Menschen mit harmlosen Ansichten" gehandelt habe, die ganz falsch "behandelt" worden seien.

Diese seltsame späte Einsicht ist freilich nicht etwa als Selbstkritik gemeint, sondern sie ist die schiere Heuchelei, um "eine Geschichte zu erzählen", das heißt im Foucaultschen Sinne "Wahrheitsproduktion" zu betreiben und dem Ressentiment gegen den "Abgehobenen" die Weihe eines sachlichen Konflikts zu verleihen, wobei man sich selbst den Part der "Guten" zugeschrieben hat.

In diesem Sinne legte sich also die "Krisis"-Bruderhorde auf eine Geschichte fest, verbog dann die Fakten der früheren Konflikte so, dass sie dazu passten, und präsentierte das Ganze schließlich einem Gericht, dessen Vorsitz sie auch gleich selbst übernahm. Und diese Geschichte geht in etwa so: Sämtliche Konflikte der letzten 15 Jahre im "Krisis"-Zusammenhang und dessen Vorgeschichte, mit den Traditionsmarxisten ebenso wie mit den Postmodernen und den Sympathisanten des antideutschen Bellizismus, nahmen einen unguten Verlauf und verprellten "harmlose Menschen mit harmlosen Ansichten", und zwar stets aus einem einzigen Grund, nämlich weil es jemand gab, der alle diese Konflikte "unnötig" hochkochte und polemisch zuspitzte. Dieser Jemand soll natürlich niemand anders als Robert Kurz gewesen sein. Die Invektive gegen den abgehobenen Berufsintellektuellen versachlicht sich also ganz im Sinne des bürgerlichen Sachlichkeitsbegriffs zur Invektive gegen den bösen Berufspolemiker, der einfach nicht nett ist. Damit befinden wir uns schon auf dem Weg zur "Krisis"-Revolution der Nettigkeit, deren Generalparole lautet: Nette Menschen haben keine bösen Lieder.

Die Revolution der Nettigkeit ist also eine Revolution der militant netten Softies, als die sich die Konkurrenzmänner der "Krisis"-Bruderhorde verkleidet haben, um im höchsten Grade wertkritisch nett zueinander und zum Rest der Welt zu sein. Das geht nur durch die gemeinsame Abgrenzungsaktion gegen die Inkarnation von allem, was nicht nett ist, nämlich die Person Robert Kurz, die zur Beziehungs-Sau auf allen Ebenen gemacht werden muss, um endlich einen pseudo-sachlichen Grund für die längst zum Wunsch und schließlich zum Willen gereifte Hinaussäuberung und die Rekonstitution der falschen Gruppen-Egalität zu haben.

Die Reinterpretation der früheren Konflikte war nur der Auftakt, um die Unperson des Berufsintellektuellen zu einer Art universellem Monster auszustaffieren, das "Krisis" mit harter Hand regiere und keinerlei Widerspruch dulde. Diese über Jahre wohlgepflegten und immer wieder kolportierten Anwürfe aus dem "Krisis"-Zusammenhang selbst seitens der Bruderhorde begannen mit den öffentlichen Attacken von außen seitens der Traditionsmarxisten, Antideutschen usw. zu konvergieren, die Robert Kurz als "Stalinisten" und Halbnazi beschimpften, der sich schon immer "im Ton vergriffen" habe usw. (welchen "Ton" soll man gegen "linke" Befürworter der imperialen Weltordnungskriege anschlagen?). Die Pseudo-Versachlichung der inneren und die Steigerung der äußeren Attacken verschmolzen zu einer einzigen politischen Denunziation, deren Verdichtung schließlich den realen Coup der Hinaussäuberung ermöglichen sollte. Dabei wurde der Versuch des Betroffenen, die Konvergenz der inneren und äußeren Anwürfe auf die Tagesordnung der "Krisis"-Redaktion zu bringen, als Beweis für die Richtigkeit dieser Anwürfe genommen, um schließlich die Mehrheit der Redaktion gleich mit hinauszuputschen.

Die Bruderhorde musste selber unbedingt an die erzählte Geschichte ihrer "Wahrheitsproduktion" glauben, so dass sie auch keinem gegenläufigen Argument von Dritten mehr zugänglich sein durfte. Damit geriet sie allerdings in die Gefangenschaft ihres Legitimationsmusters und musste fortan bis zum Erbrechen eine Liebenswürdigkeitsinflation entfesseln wie ein Verkaufspropagandist, der auch zu Hause seine Rolle nicht mehr abzulegen vermag. Die Eskalation der Anschwärzung von Robert Kurz wurde zur Eskalation der Sanftheitsmasche, um die Wertkritik in eine Art Schmachtfetzen der Betulichkeit und des gegenseitigen Wohlwollens zu verwandeln. Allgemein verpönt werden musste der "scharfe Ton", allgemein identifizieren musste man sich mit der alten Parole der Springer-Presse: "Seid nett zueinander".

Dieses Identifikationsmuster ist so inhaltslos wie das in Wahrheit zu Grunde liegende Ressentiment gegen den "Markterfolg" des "Abgehobenen". Indem die Anwürfe hinsichtlich der Umgangsform in bestimmten Auseinandersetzungen dekontextualisiert wurden, abgelöst von ihrem konkreten Bedingungszusammenhang und von der wirklichen Konfliktkonstellation, trat an die Stelle der (durchaus akzeptablen) bestimmten Kritik des Verhaltens in bestimmten Situationen eine abstrakt-allgemeine Anforderung von Moderatheit überhaupt, um Schärfe überhaupt zum Übel zu erklären, unabhängig vom Kontext, und die einschlägige "Kritik" an der anvisierten Unperson ebenso zu versämtlichen.

(...) Die "Krisis"-Revolution der Nettigkeit fand denn auch wirklich nicht in der Art einer offenen Kampfhundattacke statt, sondern in der Form einer ausgeklügelten Biertisch-Kabale - wie sie übrigens auch nicht durch offene Auseinandersetzungen vorbereitet worden war, sondern durch Mauscheleien und Fädenzieherei im Hintergrund, wobei sich die Täter als Opfer aufzubauen begannen; das größte Talent des Autors Ernst Lohoff etwa bestand schon seit Jahren darin, dass er sich am Biertisch als armes Opfer von Robert Kurz selbstdarstellen konnte. Ein wahrer Opfermann. So funktioniert die nette Intrige, in der sich die "Wahrheitsproduktion" verobjektiviert. Und genau so lief auch der eigentliche Akt des Hinaussäuberns ab, nämlich durch eine Instrumentalisierung der formaljuristischen Ebene. Weil die zum entscheidenden Schlag entschlossene Bruderhorde wusste, dass sie in der aktiven Trägerschaft von Redaktion und Koordinationskreis bei "Krisis" kein Gehör und keine Mehrheit finden würde, nutzte sie das ungeklärte Verhältnis der rein informellen tatsächlichen Gremien zur formalen Fassade des "Krisis"-Fördervereins aus, um plötzlich mit Hilfe von zweien der drei Vorstände des Vereins (bloße Ehrenämter ohne Bezug zur Theoriebildung und Publikationstätigkeit) als formale Machthaber gegen die Redaktionsmehrheit auftreten zu können.

Das ging nur über die lokale Biertischbeziehung zu diesen "Amtsinhabern", die beide längst in die persönliche Aversion gegen den Berufsintellektuellen eingebunden waren und über mangelnde "Sachlichkeit" des Berufsschriftstellers zu klagen wussten: "Ich will ja nicht abstreiten, dass ich seit langer Zeit Distanz zu deinem Ton gefunden habe (in Deinen Artikeln und Büchern), den ich für genauso überzogen und abschätzig halte, wie die Verhältnisse, die er beklagt" (Peter Millian, Vorstand des "Krisis"-Fördervereins, Mail an Robert Kurz vom 19.2.2004). Da spricht die Ausgewogenheit selbst, ein wenig auch das gesunde Volksempfinden, und da musste eben irgendwann eingeschritten werden. Was konnte näher liegen, als der Hinaussäuberungs-Initiative der Bruderhorde den milden Segen und das unerwartete Vorstands-Machtwort zu geben? Sekundiert natürlich durch den Wiener Hofprediger der Softie-Nettigkeit, der ebenfalls die Zeit für reif zur Tat hielt, nachdem der eine oder andere der Brüder sich ihm als Blutopfer des Kampfhunds Robert Kurz präsentiert hatte: "Auch wer all das bloß im Einzelfall beklatscht oder nur leidet, wegschaut, bagatellisiert, ein wenig doch versteht, Appeasement übt oder auf eine der tausend anderen Arten die Augen zumacht..., tut bei dem Treiben mit..." (Glatz, a.a.O., S. 28). Und dem von der Bruderhorde ausgemalten "Treiben" des Berufspolemikers musste eben mal ein Ende gesetzt werden; kein "Appeasement" mehr, kein "Bagatellisieren", sondern die "Entschlossenheit" (Franz Schandl) zur Hinaussäuberung der Unperson und zur Machtübernahme durch den Brüderchor mit den öligen Stimmen.

Die Bestätigung dieses Vorgehens durch eine Mitgliederversammlung des "Krisis"-Fördervereins konnte nur eine Farce sein; nicht nur deshalb, weil ein nach Kriterien der Kumpanei und lokalen Cliquen-Loyalität zusammengekarrter Bruchteil der Mitgliedschaft zur "Entscheidung" gerufen wurde, sondern auch wegen des illegitimen Charakters eines solchen Verfahrens überhaupt, bei dem bloß passive Rezipienten (praktisch nichts anderes als Förder-Abonnenten der Theoriezeitschrift) ein "Volksgericht" über den Hinauswurf bestimmter Theorieproduzenten und den Entzug ihrer Publikationsbasis abhalten sollten; und einige fühlten sich offensichtlich gebauchpinselt, bei diesem Machtspiel dabei sein zu dürfen und besonders den "Abgehobenen" ihrer Ungnade ausgeliefert zu sehen. Selbst dann noch wäre die Aktion sogar an der Mehrheit der anwesenden Mitglieder gescheitert, hätte die ihre Karfreitagspredigt-Show abziehende Bruderhorde nicht plötzliche etliche "Vollmachten" von nicht Anwesenden geltend gemacht; ein vereinsrechtlich völlig unzulässiges Verfahren, das wohlweislich vorher nicht offen gelegt wurde - aber wenn man sich im Namen der Nettigkeitsrevolution schon auf die formaljuristische Ebene begeben muss, kann man dennoch nicht dauernd mit dem Gesetzbuch unterm Arm herumlaufen.

Mit den ganz und gar nicht-theoretischen Mitteln der Intrige und der sogar noch getürkten "demokratischen Abstimmung" konstituierte sich die Bruderhorde so als rein formale, äußerliche Machthaberschaft über den Zusammenhang der wertkritischen Theoriebildung, um das "Krisis"-Label für sich zu usurpieren und den Berufstheoretiker davon zu enteignen; samt allen anderen (der Mehrheit der aktiven Trägerschaft), die sich diesem Machtanspruch nicht beugen wollten. Und das alles ganz ohne Kampfhundmentalität, immer hübsch leisetreterisch und stets nur das Beste für alle wollend, aber leider nicht anders könnend.

 

Lediglich im Augenblick des Putsches selber musste die Maske kurz abgenommen werden, als zum Auftakt der ganzen Aktion der erstarrten Redaktionsmehrheit, die eine Auseinandersetzung erwartet hatte, aber keine Machtaktion im Stil eines Volksgerichtshofs, von den Herren Schandl und Trenkle unter ausdrücklicher Berufung auf den Nazi-Rechtstheoretiker Carl Schmitt dekretiert wurde, es herrsche im "Krisis"-Zusammenhang ein "Ausnahmezustand", der entschieden werden müsse; deshalb hätten Robert Kurz und Roswitha Scholz augenblicklich Redaktion und Koordinationskreis zu verlassen, und darüber könne es keine Abstimmung geben, weil die Redaktion sowieso soeben qua Vorstandsbeschluss entmündigt worden sei. Kommentar eines Außenstehenden Beobachters: "Die Pointe bei der Berufung auf den Dezisionismus von Carl Schmitt scheint mir darin zu liegen, dass die Schmittsche >Entscheidung< eine ist, die man sich selbst und anderen nicht vermitteln kann. Soweit ist die Referenz richtig" (Martin Massip, Mail an Robert Kurz, 30.4.2004).

Diesem leider, leider unumgänglichen Stiefel-Auftritt folgte jedoch sogleich wieder die freundlich grinsende bürgerliche Nettigkeit. Die grob hintergangenen übrigen Redaktionsmitglieder wurden aufgefordert, doch weiter "sachlich" mitzuarbeiten, als wäre nichts gewesen; und um das Nettsein auf die Spitze zu treiben, ließ man auch gleich durchblicken, dass nach dem Hinauswurf die Gemeinsamkeit der Wertkritiker erst so richtig beginnen könne und, die Krokodilsträne im Knopfloch, schwerste Inhaltlichkeit angesagt sei: "Dass wir das Zerwürfnis nun auf dem formal-demokratischen Weg einer Mitgliederversammlung entscheiden mussten, ist bitter für einen Zusammenhang wie den unseren und hat niemanden von uns gefreut...Wir werden aber versuchen mit der neuen Zeitschrift, die Robert Kurz herausgeben wird, in Zukunft inhaltlich weiter zusammenzuarbeiten" (Deeskalation und Abspaltung in der Krisis, Erklärung der neuen Krisis-Redaktion, 7.4.2004). Das ist ja richtig niedlich und die süßeste "Deeskalation" seit den Nibelungen. Wir haben euch doch bloß ein wenig hintergangen und, nun ja, ein ganz kleines bisschen hinausgeworfen, aber das ist doch die beste Basis, um verantwortungstriefend die "Zusammenarbeit" zu beschwören. Als Mastif kann man bedauerlicherweise keine Händchen zum Sachlichkeits-Gebet falten, sondern sich nur das Nettigkeits-Genick als ein zu durchbeißendes vorstellen. Es gibt eben Tiere verschiedener Arten.

Nachdem die "Krisis"-Bruderhorde ihre Motive in "Wahrheitsproduktion" hatte verschwinden lassen, konnte auch der Grund für das ominöse "Zerwürfnis" im Stil einer geistlichen Rüst- und Begegnungsstätte formuliert werden. Es sei eben leider so gewesen, "dass immer wieder schwer vereinbare Vorstellungen, hinsichtlich der Diskussionskultur nach innen und außen aufeinander stießen" (Deeskalation und Abspaltung in der Krisis, a.a.O., Amateur-Zeichensetzung im Original). "Diskussionskultur" ist das, was man hat, wenn man nichts mehr zu sagen hat, dies aber nett und in Absage an jede Kampfhundmentalität. Geradezu aufopferungsvoll hatte man an der universellen Deeskalation gearbeitet: "Vor allem kritisierten Ernst Lohoff und Norbert Trenkle den oft übermäßig zuspitzenden Stil von Robert Kurz..." (Deeskalation usw., a.a.O.). Das Blaue Kreuz der Diskussionskultur in voller Aktion. Mäßigkeit ist schließlich die bürgerliche Kardinaltugend. Nichts sollte man "übermäßig zuspitzen", vor allem nicht die Kritik der bürgerlichen Aufklärungsphilosophie und der männlich-weißen westlichen Subjektform. Sind doch alles harmlose Ansichten harmloser Menschen hier. Dem "übermäßig zuspitzenden Stil von Robert Kurz" kann nur noch die nette Abstumpfung gegenüber gestellt werden. Diese Strategie der Abstumpfung ist es, die als Alternative zur Strategie der Zuspitzung ausgegeben und zum "Kulturkampf" der Netten gegen die Nicht-Netten bei "Krisis" erklärt wird: "Der Konflikt in der >Krisis< hat vor allem den Charakter eines Clash of Cultures...Der Clash of Cultures wird...zu einer Trennung und zu einer Entmischung der Kulturen führen" (Ernst Lohoff, Clash of Cultures, Papier zur Mitgliederversammlung des "Krisis"-Fördervereins, 28.3.2004).

Wie man es richtig macht, verrät uns Franz Schandl in den nicht übermäßig zuspitzenden Wiener "Streifzügen": "Wir wollen beides sein, umgänglich in der Form und unumgänglich im Inhalt. Eins soll um uns nicht herumkommen, aber eins soll uns auch bekömmlich finden" (Franz Schandl, Unumgänglich, In: Streifzüge 30/April 2004). Die allgemeine Bekömmlichkeit ist das Kriterium der DiätassistentInnen und der Apothekerzeitung, nicht der radikalen Kritik. Aus der Subjektform gibt es kein bequemes und schmerzloses Herauskommen mit Wohlfühl-Qualität zu Billigpreisen für alle, die ein bisschen guten Willens sind. Wenn Wert- und Abspaltungskritik nicht verstörend und provokativ wirkt, ist sie keine. Die Idee, dass der ontologische Bruch ein kampfloser und bekömmlicher sein soll, ist so fade wie die seichten Wortspiele eines Franz Schandl, der sein Auskommen als mittelmäßig-gemäßigter Werbetexter für den österreichischen Provinz-Mittelstand verfehlt hat.

Der Nivellierung der theoretischen Produktion auf den zwangsegalitären Maßstab der Bruderhorde entspricht die Nivellierung des "Duktus", der sprachlichen Form und der Vorgehensweise auf die bürgerlichen Benehmensregeln von falscher Moderation und Contenance, das heißt auf den Nettigkeits-Codex des Rechts- und Zirkulationssubjekts. Hauptanforderung: "Gelassenheit"; nämlich die Pseudo-Gelassenheit derer, die so tun müssen als ob. Aus diesem gegen den "Kampfhund" und Berufspolemiker adaptierten Anforderungsprofil der kapitalistischen Zirkulationssphäre ergibt sich zwanglos die Tendenz zu einem Heruntertransformieren der Wert- und Abspaltungskritik auf das, was das Normalo-Bewußtsein vielleicht gerade noch erträgt, ohne seinen Normalo-Aggregatzustand verlassen zu müssen. Form-Moderation ist immer auch Inhalts-Moderation. Die aus Ressentiments und Konkurrenzgefühlen heraus mobilisierte Formdebatte gegen den Berufspolemiker enthält in nuce bereits die Apologie der Subjektform, deren Kritik bloß vordergründig noch aufrecht erhalten wird. Das kleine Problem des Bruchs mit aller bisherigen Geschichte soll in Nettigkeit aufgelöst werden, die radikalste Kritik mit dem Verkäuferlächeln von Bauchladen-UnternehmerInnen einschweben.

 

Es gilt für dieses Bewußtsein bürgerlich-zirkulativer "Diskussionskultur" das erste Gebot der universellen Harmlosigkeit. Nach innen: Widersprüche im wert-abspaltungskritischen Zusammenhang selbst, Konkurrenzbeziehungen und identitäre Blockaden des strukturell männlichen Subjekts, das Festklammern an Momenten bürgerlicher Ontologie und Metaphysik etc. sind grundsätzlich zu "behandeln" als "harmlose Ansichten harmloser Menschen". Und nach außen: Die zerfallende kapitalistische Weltgesellschaft ist ebenso erst einmal grundsätzlich zu nehmen als eine einzige Ansammlung "harmloser Menschen mit harmlosen Ansichten". Bürgerliche Subjektivität kann doch nicht völlig schlecht sein. Deshalb bleibt auch der formal heruntertransformierten Wert-Abspaltungskritik gar nichts anderes mehr übrig, als sich selbst in eine "harmlose Ansicht harmloser Menschen" zu verwandeln. Die Mitglieder der von Berufsschriftstellern und Berufspolemikern gesäuberten "Krisis"-Bruderhorde einer "Wertkritik light" können ja auch wirklich nicht nur vor lauter Wichtigkeit, sondern auch vor lauter Harmlosigkeit und Gemäßigtheit kaum laufen. Jedenfalls was den Gehalt der Kritik betrifft; in den Binnenbeziehungen darf die menschelnde subtile Gemeinheit sich sachlich austoben. Der Bruderhorden-Restbestand des "Krisis"-Zusammenhangs muß nun als eine Art "Organisation Seelenfrieden" firmieren. Angesichts von so viel bürgerlicher Benimm- und Nettigkeitsscheiße auf einem Haufen kann man sich nur zu seiner Unmenschlichkeit bekennen.

Opfermänner und Flintenweiber

Die Bruderhorde ist natürlich immer schon auch eine Männerhorde. Wie sich die falsche Egalität auch den anderen, nicht dem verschworenen Bruderkreis angehörenden männlichen Gruppenmitgliedern gegenüber in Wahrheit auf Exklusivität reimte, so erst recht den wenigen Frauen gegenüber, die es gewagt hatten, bis ins redaktionelle Zentrum des "Krisis"-Zusammenhangs vorzudringen.

Damit ist eine Ebene angesprochen, die sich zunächst nicht aus den spezifischen Verhältnissen einer bestimmten Gruppe mit bestimmten Personen erklärt, sondern auf einen allgemeinen Zustand in der Wertvergesellschaftung verweist. Männerbündische Strukturen in allen Bereichen bürgerlicher Öffentlichkeit sind nichts besonders Auffälliges und Ungewöhnliches; sie gehören zum stummen Zwang der Verhältnisse wie die universelle Konkurrenz. Genauer gesagt: Die Konkurrenz erfährt hier eine bestimmte geschlechtsspezifische Grenze; es existiert gewissermaßen eine universelle Männergewerkschaft, die gar keine Organisationsform braucht und nicht einmal bewusst in Erscheinung treten muss, um wirksam zu sein. In den Medien, im Management, in der Politik und in der akademischen Wissenschaft müssen bekanntlich Frauen in aller Regel doppelt so viel "leisten" wie Männer, um auch nur halb so viel anerkannt zu werden. Und das gilt auch für linke Theoriebildungs-Zusammenhänge. Von Feministinnen der 70er Jahre ist der Ausspruch überliefert, dass es für Frauen leichter sei, ins Militär hineinzukommen als in eine Theoriegruppe. Es ist eben nicht so, dass sich Frauen "von Natur aus" oder aus rein persönlichen Gründen weniger für das begriffliche "Jenseits des Denkens" interessieren würden, sondern sie stoßen dabei auf Barrieren, sichtbare und unsichtbare.

(...) Die längste Erfahrung mit den jetzigen Pseudo-Softies musste Roswitha Scholz machen, die Autorin der Abspaltungstheorie, die sich schon seit den 80er Jahren an der männerbündischen Struktur der damaligen ersten Ansätze des wertkritischen Theoriebildungs-Zusammenhangs abgearbeitet hatte. Im theoretischen Milieu eines geschlossenen Objektivismus wurde es weitgehend als "weiblicher Schwachsinn" abqualifiziert, dass sie die Subjekt- und Psycho-Ebene geltend zu machen versuchte; sie wurde angesichts der Tatsache, dass sie ganz und gar nicht als bloßes Anhängsel eines Mannes auftrat, scheel angesehen und als eine Art Querulantin empfunden, ja sogar von einem der späteren Putsch-Vorstände gelegentlich angemacht, dass sie irgendwie keine richtige Frau sei, weil sie sich Mutterfreuden verweigern wollte und man(n) ihr diesbezüglich baldige biologische Torschlusspanik prognostizierte usw. Selbstverständlich wurden auch ihre Texte oberlehrerhaft auf Fehler und Kritikwürdigkeit besonders akribisch durchgecheckt, während etwa von Zeichensetzungsfehlern wimmelnde bessere Klozettel des ewigen männerbündischen Talents und verkannten Genies Ernst Lohoff als "Fragment" durchgingen, fast schon als literarische Form. Tausende von offenen und verdeckten Spitzen, von subtiler Anmache und grober Verletzung sind es eben über die Jahre hinweg, in denen sich die stumme männerbündische Struktur manifestiert, die dann von den adretten Netten als "Halluzination" identifiziert werden kann.

Diese Struktur wurde allerdings in ihren Grundfesten erschüttert durch die Kreation des Abspaltungstheorems und dessen konfliktreiche Implementierung in den "Krisis"-Theoriebildungsprozeß seit 1991/92. Inhaltlich wurde damit nicht nur die Theorie des modernen Geschlechterverhältnisses auf die Abstraktionshöhe der Wertkritik gehoben und einer bloßen subsumptions- und ableitungslogischen Thematisierung der geschlechtlichen Asymmetrie die Grundlage entzogen. Vielmehr wurde auch deutlich, dass der geläufige theoretische Begriffsapparat überhaupt, auch noch in seiner wertkritischen Wendung, einem androzentrischen Universalismus entspringt und systematische Ausblendungsmechanismen impliziert. Dieses erkenntnis- und begriffskritische Moment der Abspaltungstheorie ist noch gar nicht völlig ausgeleuchtet; aber es reichte schon, um den "Zugang" androzentrischer Begriffsbildung restlos obsolet zu machen und die scheinbar wohlgeordnete Systematik der Theorie vom punktförmigen abstrakten Individuum durcheinander zu wirbeln. Derartige Verunsicherungen mochte das ordnungsliebende kollektive Identitätsbewusstsein der Möchtegern-Philosophenkönige gar nicht leiden, auch wenn man(n) das schon bald nicht mehr offen zugeben "durfte".

Es konnte nicht ausbleiben, dass dieser Bruch auf der Inhaltsebene auch den Geschlechterkonflikt auf der Beziehungsebene verschärfte. Tatsächlich löste die Abspaltungstheorie von Roswitha Scholz zunächst einmal die heftigsten Abwehrreflexe aus und wäre mit Sicherheit von der Männerhorde niedergebügelt worden, wenn nicht ausgerechnet der männerbündische Obermacker Robert Kurz sich auf die Seite des neuen theoretischen Ansatzes geschlagen hätte; sicherlich nicht aus einer plötzlichen und unglaubwürdigen Selbsteinsicht in die eigene männliche Psychostruktur und als deren bruchlose Überwindung, sondern im Sinne einer kognitiven Anerkennung auf der theoretisch-begrifflichen Ebene, obwohl dadurch auch der androzentrische "Begriff des Begriffs" in Frage gestellt wurde. Es lässt sich sogar sagen, dass die offizielle Akzeptanz und Hereinnahme der Abspaltungstheorie in den "Krisis"-Zusammenhang letzten Endes durch eine Art "Machtwort" und Geltendmachen von männlicher Autorität der "Leitfigur" entschieden wurde, wobei ziemlich harte Worte fielen. Vielleicht wurde es klammheimlich von der späteren Bruderhorde als Demütigung empfunden, dass die graue Maus und Psycho-Frau nun zur satisfaktionsfähigen Theoretikerin mutiert war, die man(n) zu allem Überfluss gewissermaßen vor die Nase gesetzt bekam.

Es war angesichts dieser Reaktionen zweifellos ein sonderbares Gefühl und eine paradoxe Situation, als durchaus psychostrukturell selber männlich-patriarchales Wesen durch die Besonderheit der Konstellation in die Lage versetzt zu werden, einmal nicht aus der Betriebsblindheit männerbündischer Strukturen heraus spontan mitzuagieren, sondern als "Dritter" (das heißt die in Frage stehende Abspaltungstheorie kognitiv-theoretisch Unterstützender) bewusst mit eigenen Augen sehen und mit eigenen Ohren hören zu müssen, mit welch unglaublicher Rabulistik, dreister Dummstellerei und kaum verhüllter sexistischer Gemeinheit bei der "Diskussion" um die Abspaltungstheorie die kollektive männliche Identität sich inszenierte, welches Mienenspiel und welche Körpersprache sich äußerten, welche stummen Mechanismen der Kanalisierung abliefen. Diese plötzlich durch die eigene Situierung in der Konstellation erzwungene Aufmerksamkeit musste natürlich die Frage aufkeimen lassen, wie man(n) eigentlich selber die ganze Zeit agiert hatte, ohne es überhaupt sonderlich wahrzunehmen als ein bestimmtes, keineswegs selbstverständliches Verhalten.

Aus dieser Konstellation heraus entwickelte sich, verschränkt mit dem Geschlechterkampf zwischen Roswitha Scholz und der männerbündischen Gruppe sowie vermittelt durch die kognitive Auseinandersetzung um den Inhalt der Abspaltungstheorie, eine sekundäre "innermännliche" Polemik zwischen dem soeben in die Öffentlichkeit eingetretenen Berufsintellektuellen und der Bruderhorde in spe. Die Wahrnehmung der männerbündischen Abwehrreflexe verschriftlichte sich in einem sekundierenden "Krisis"-Artikel (Robert Kurz, Geschlechtsfetischismus, in: "Krisis" 12, Bad Honnef 1992) sowie in diversen internen Papieren mit dem Versuch, bestimmte Muster dieser geschlechtsspezifischen Abwehrreflexe sichtbar zu machen: "Es wird pflichtschuldigst bedauert, dass sich so wenig Frauen für die theoretische Praxis finden, für die radikale Kritik des warenproduzierenden Systems zumal; nämlich gar keine. Mit hochgezogenen Schultern und nach außen gedrehten Handflächen steht der theoretische Mann da, immer ein wenig kleiner Pontius Pilatus, der gerade seine Christa ans Kreuz genagelt hat, aber alles "überhaupt nicht versteht". Er, der so vieles, wenn nicht alles begreift, hat für gewisse Erscheinungen an ihm selbst, die im Begriff nicht reibungslos aufzugehen scheinen, auffallend häufig die mit einem zarten Hauch von Enerviertheit vorgetragene Standardformel parat: >Das verstehe ich nicht<. Er begreift, aber versteht nicht. Es geht ihm mit der theoretischen Frau ungefähr so wie Oskar Negt mit der RAF: noch kurz "zuvor" hat er mit Ulrike Meinhof gesprochen, über ein sozialkritisches Buchprojekt bei Suhrkamp, "und dann das". Das verstehe ich nicht...Ganz von selbst scheint sich im Theoriebildungsprozeß eine männerbündische Struktur herzustellen, im akademischen Konkurrenzbetrieb (>publish or perish<) sowieso, aber auch in jenen informellen und teilweise sogar bewußt anti-akademischen Zirkeln, die sich vielleicht nicht zu Unrecht als die eigentlichen Zentren theoretischer Innovation begreifen. Die männerbündische Struktur kann aber nicht zum Thema werden, außer in gewissen Witzeleien beim gemütlichen Teil, weil sie ihrem Wesen nach ebenso die unreflektierte Selbstverständlichkeit von Atemluft besitzt wie die Existenz des Geldes für den Alltagsverstand. >Männerbündische Struktur< heißt zum Beispiel ganz empirisch, dass man sich im dahinfliegenden Gespräch >Ausdrücke< und Anzüglichkeiten, um nicht zu sagen: Schlüpfrigkeiten, leisten kann, die nirgendwo dokumentiert sind außer im hintersten Winkel des eigenen Bewußtseins, und in denen die Frau jedenfalls nicht gerade als potentielle Theoretikerin erscheint. Männerbündisch ist also vielleicht vor allem die Tatsache, dass durch die schlichte Nichtanwesenheit oder zumindest hoffnungslose Minorität von Frauen eine Art geschlechtlicher Ruheraum entsteht, ein Ort, an dem das WIR nicht aufgewühlt und getrübt ist durch den Geschlechterkampf. Der Theoriebildungsprozess als psychische Männerkneipe? Die schlagende Verbindung wird sich zu wehren wissen...Denn natürlich (natürlich!) gibt es die Frauen, aber sie sind, vom männerbündischen Theoriezirkel aus gesehen, Wesen im Hintergrund. Gewiss kennt man die eine oder andere, die ist doch ganz nett, die - wie heißt sie doch gleich? Die nette Wieheißtsiedochgleich, so könnten sie alle heißen. Nimmt man die psychosoziale Binnenwelt der Theoriebildungsverhältnisse als Maßstab, dann handelt es sich um Verhandlungen von Planeten, die fast alle von unsichtbaren Trabanten umkreist werden. Von einigen Männern, die bei Konferenzen und Seminaren sich des Öfteren zu Wort gemeldet haben, weiß man zwar, dass sie beweibt und in etlichen Fällen sogar fortschreitend mit Kindern gesegnet sind; aber die Frau selbst ward nie gesichtet, bleibt ein namenloses Wesen, als hätte Herr Platon aus Athen erst gestern sein Symposion veranstaltet. Um derartige Symposien handelt es sich geschlechtssoziologisch und psychostrukturell, auch wenn gelegentlich blasse Begleitwesen gesichtet werden oder auch schon mal eine mehr oder weniger eloquente Exotin auftritt. Bis ins Allerheiligste der männerbündischen Theoriebildung aber ist jedenfalls noch keine vorgedrungen. Die Frauen interessieren sich eben nicht dafür, so das offizielle Bedauern der theorieschwangeren Männer. Jedenfalls ihre eigenen Frauen nicht (oder nicht sonderlich, oder nicht vorwiegend, oder nicht so, dass sie mehr als den Kaffee reichen könnten)..." (Robert Kurz, Not am Mann - Not an der Frau, unpubliziertes Schubladenpapier, Mai 1992).

Diese Passagen verweisen auf ein gewisses, manchmal sozusagen etwas streng riechendes Milieu strukturell androzentrischer Theoriebildung, das angesichts der Abspaltungstheorie fast automatisch in weniger kognitive als vielmehr habituelle Selbstapologetik verfiel. Natürlich wurde auch der Inhalt dieses theoretischen Ansatzes abgewehrt, vor allem von dem damals noch die "Krisis"-Theoriebildung wesentlich mittragenden Autor Peter Klein (Bernd S.), der sich besonders hervortat mit einem affektierten "Das verstehe ich nicht", weil er am allerwenigsten Lust hatte, über den glatten Begriff des abstrakten Individuums hinauszugehen. Aber nicht die Antikritik auf der kognitiven Ebene war wesentlich bei der Abwehr, sondern eher das Ausweichen, Herunterspielen, Wegducken, die eingenommene Haltung usw. Die Männerhorde verhielt sich also in dieser Hinsicht mit einer geradezu "weiblichen Schläue". Sicherlich auch deswegen, weil (ähnlich übrigens wie in Bezug auf antisemitische Motive) offen sexistische und männerbündische Positionen unter dem in dieser Hinsicht durchaus heilsamen Druck der "Political Correctness" längst nicht mehr durchhaltbar sind.

Aber die unter dem Deckel gehaltene Wut köchelte gerade deswegen mehr oder weniger geräuschvoll vor sich hin. Jeder Verweis auf diese Wut und auf die sich äußernde Abwehrhaltung wurde damit gekontert, es handle sich um eine bloß "zugerechnete Position" (Ernst Lohoff, Einige Stichpunkte zum Weiblichkeitswahn, internes Papier für die Nürnberger "Krisis"-Gruppe in Form eines Briefes an Robert Kurz, 7.6.1992), die mit dem tatsächlich Geäußerten nichts zu tun habe: "Du unterstellst >eine Abwehrstrategie männlicher Theoriebildung im Kontext radikaler Wertkritik<, die koste es was es wolle, darauf erpicht ist >eine geschlechtsneutrale allgemeine Theorie abstrakter Individualität und Subjektivität der Warenform< festzuhalten" (Ernst Lohoff, Einige Stichpunkte zum Weiblichkeitswahn, a.a.O.). Eine reine Unterstellung natürlich, weil sich in den schriftlichen Dokumenten zur Auseinandersetzung um die Abspaltungstheorie davon explizit (aber immerhin) nur Spurenelemente finden ließen: "Die Träger dieser Abwehrstrategie sind mehr oder minder alle >Krisis-Autoren<, mit einer Ausnahme: Du selber. Der ausgebuffteste theoretische Kampfhund (!) dokumentiert seine Kritik am Kampfhundwesen, indem er seine Kumpanen anfällt. Du beweist, dass Du über den auf Zwangsheterosexualität beruhenden abstrakt männlichen Universalismus erhaben bist, indem Du noch in jeder ungeschickten, halbausgegorenen Äußerung jedes Mal eine im Grunde in sich konsistente perfide Abwehrstrategie auszumachen verstehst. Die Methode ist aus dem industriellen Goldbergbau unserer Tage wohl bekannt. Wer nur genug Gesteinsmaterial zermalmt und durchs Blausäurebad wandern läßt, der wird allemal fündig. Wer einen Kontinent verarbeitet, der wird etliche Tonnen zusammenbringen" (Ernst Lohoff, Einige Stichpunkte..., a.a.O.).

Nichts Neues unter der Sonne, jedenfalls was die "Krisis"-Männerhorde angeht: Die Urfassung der Kampfhundmetapher ist schon 12 Jahre alt, allerdings stand sie damals noch nicht im Kontext einer Invektive der Pseudo-Softies gegen den Berufspolemiker, sondern im Kontext der tiefer liegenden Auseinandersetzung um Abspaltungstheorie und männerbündische Struktur. An den Lohoffschen Gedankengängen lässt sich unschwer erkennen, dass die spätere Softie-Masche ihren eigentlichen Ursprung in einer Defensive gegen die abspaltungskritische Zumutung hat, in einem Gefühl, identitätsverletzend angegriffen zu werden, wobei der "Kampfhund" in Wirklichkeit von der bösen Frau, dem theoretischen Flintenweib, spazieren geführt und auf die armen Opfermänner gehetzt wird.

Die Argumentationsstrategie der Opfermänner-Softies ist dabei in mehrfacher Hinsicht ziemlich durchsichtig. Zum einen wird ganz auf die rein textuell-kognitive Ebene abgehoben, auf der man nichts "beweisen", sondern nur böse "Zuordnungen" vornehmen könne. Das ist ausgesprochen nett gesagt; man(n) glaubt sich selber nahezu die Unschuld, solange man(n) nicht in flagranti erwischt wird. Das Problem besteht aber ja gerade darin, dass der androzentrische Universalismus schon in der modernen Begriffssprache an sich implizit herrscht und deshalb nicht unbedingt und nicht immer explizit aufzutreten genötigt ist, wie ja auch die männerbündische Struktur nicht erst in einem expliziten Herrenclub mit eingeschriebener Mitgliedschaft und codierter Eintrittsberechtigung sich äußert. Aber eben weil der strukturelle Androzentrismus eine implizite Allgegenwärtigkeit hat, steht er gewissermaßen gerade auch "zwischen den Zeilen", äußert sich in undokumentierbaren und gleichwohl real erfahrenen mündlichen Aggressionen und Zynismen, Verhaltensweisen usw.

Der scheinbare offizielle Konsens etwa, dass der wertkritische Theoriebildungszusammenhang "selbstverständlich" und "im Prinzip" offen sein sollte für Frauen, hindert nicht im geringsten, dass dennoch stumme männerbündische Strukturen diese Oberflächen-Beteuerung dementieren, solange sie nicht als solche thematisiert werden - und gerade dagegen verwahrt sich die Bruderhorde vehement, vor 12 Jahren ebenso wie heute. Das scheinheilige Bedauern darüber, dass so wenig Frauen sich an der Theoriebildung beteiligen, wird nicht allein faktisch dadurch dementiert, dass die jeweils eigenen Frauen hinsichtlich der doch auch ihr eigenes Leben thematisierenden Wert-Abspaltungskritik bestenfalls passives Anhängsel oder sogar völlig desinteressiertes Hintergrundwesen bleiben. Es geht nicht so sehr um diese Tatsache schlechthin, als könnte das wünschenswerte Gegenteil gewissermaßen abstrakt eingeklagt werden. Liebes- und Partnerbeziehungen, persönliche Reproduktionsverhältnisse und Familienstrukturen im Kontext lebensgeschichtlicher Entwicklung kann man nicht nach Kriterien des theoretischen Anspruchs sortieren. Worum es geht, ist aber die Haltung, die man dazu einnimmt. Es ist ein Unterschied, ob man die offiziell bedauerte Faktizität der geringen Frauenbeteiligung sowohl durch die inhaltliche Thematisierung des Problems als auch durch die eigene Haltung tatsächlich zu konterkarieren sucht, oder ob man eine Haltung an den Tag legt, die diese offiziell als schlecht befundene Faktizität im Grunde klammheimlich als Normalität affirmiert - gerade gegenüber den wenigen Frauen, die den offiziellen Wunsch beim Wort nehmen und eben dadurch plötzlich als "fürchterliche Weiber" empfunden werden.

Es ist klar, dass sich derart männerbündische und misogyne Haltungen in einem wertkritischen Zusammenhang zu Beginn des 21. Jahrhunderts nicht mehr so offen äußern wie in der Vergangenheit, und schon gar nicht in der Textproduktion. Umso weniger ist es angebracht, wenn unvermeidlicherweise doch immer wieder etwas "herausrutscht", dies als Problem einer bloß "ungeschickten, halbausgegorenen Äußerung" herunterzuspielen. Um dem Androzentrismus auf die Spur zu kommen, ist hier in der Tat eine Art negativer "Goldbergbau" nötig, der den androzentrischen Begriffskontinent verarbeitet, dessen "Gesteinsmaterial zermalmt und durchs Blausäurebad wandern lässt", um dann das auf den ersten Blick verborgene Implizite ans Licht zu bringen und explizit werden zu lassen. Dieses Vorgehen ist keinesfalls eine bloß äußere und willkürliche "Zuordnung" (so erscheint es nur, wenn allein der bereits seiner Axiomatik nach androzentrische Begriffsapparat auf der kognitiven Ebene in Betracht gezogen wird), sondern es handelt sich um den Versuch, das die kognitiven Inhalte selber strukturierende implizite Deutungsmuster aufzudecken und zu dechiffrieren, das nicht im begrifflichen Text aufgeht, sich allerdings auch dort durchaus aufspüren lässt.

Zum andern bemüht sich die Argumentationsstrategie der Opfermänner-Softies, die Aufmerksamkeit von der eigenen männerbündischen Struktur und dem eigenen androzentrischen "theoretischen Zugang" abzulenken, indem der Spieß umgedreht und behauptet wird, der ganze Konflikt sei nur darin begründet, dass der selber männlich-patriarchale "Kampfhund" wieder mal sich selber herausnehme (Theoretiker-Selbstüberhebung), so tue, als wäre er nicht betroffen und sei "erhaben" über die männerbündisch-zwangsheterosexuelle Struktur, und überhaupt das Problem nur für sich instrumentalisiere, also die Frauen nicht für sich selber sprechen lasse, sondern sie benutze, um unbegreiflicherweise über die eigenen Kumpanen herzufallen: "Der >Feminist< Robert Kurz als Heiliger Georg im Kampf mit dem männlichen abstrakten Universalismus..." (Ernst Lohoff, Einige Stichpunkte zum >Weiblichkeitswahn<, internes Papier, 7.6.1992).

Dieser Vorwurf der Instrumentalisierung ist selber eine Instrumentalisierung. Denn damit soll verdeckt werden, dass es ja eigentlich um eine Auseinandersetzung zwischen der als Abspaltungstheoretikerin auf den Plan getretenen Roswitha Scholz und dem "Krisis"-Männerbund geht. Die eigene Position der Theoretikerin wird als bloße Spielmarke des männlichen "Kampfhunds" definiert; es wird gar nicht mehr ernst genommen, dass sie ja ihre eigene Kritik an Inhalt und Struktur der bisherigen androzentrischen Theoriebildung explizit formuliert hat. Um sich dieser Kritik nicht stellen zu müssen, wird die sekundäre Auseinandersetzungsebene innerhalb der androzentrischen Struktur mit dem "Männerbund-Verräter" als die allein gültige bestimmt - und damit die radikale Kritik der Theoretikerin (auch an den praktischen männerbündischen Verhaltensweisen!) als bloßes Anhängsel einer männlichen Strategie, das man gar nicht als eigenständige Position wahrnehmen muss.

Sicherlich ist es eine paradoxe Situation, als selber männlich und androzentrisch sozialisiertes Wesen, ja geradezu als (in diesem Augenblick allerdings gewesenes) "Oberhaupt" eines männerbündisch strukturierten Theoriebildungs-Zusammenhangs, einen "Heiligen Georg" als gewissermaßen männlich gepanzerten Sekundanten gerade der Kritik an dieser Struktur spielen zu müssen; zunächst allein qua versuchter Einsicht oder wenigstens Aufgeschlossenheit auf der kognitiv-inhaltlichen Begriffsebene der abspaltungstheoretischen Begriffskritik am abstrakten Universalismus. Die lamentierende Bruder-Männerhorde vergisst dabei nur, dass sie selber ja diese paradoxe Konstellation durch ihre eigenen Verhaltensweisen erst hergestellt hat. Genau von dieser realen Konstellation wird abstrahiert, um gegen den selbsternannten "Heiligen Georg" giften zu können, der bloß von seiner eigenen Verfasstheit ablenken wolle. Der Stellenwert dieser Dekontextualisierung ist wiederum ziemlich durchsichtig, wenn es weiter heißt: "Roswithas Heiliger Geist sprach zu uns erst einmal nur durch Deinen Mund, die leibhaftige Roswitha, mit ihren leibhaftigen eigenen Gedanken trat erst spät und bis heute zögerlich auf den Plan" (Ernst Lohoff, Einige Stichpunkte..., a.a.O.). Die "leibhaftige Roswitha" wusste natürlich nur zu gut, warum sie mit ihrer radikalen Kritik am Androzentrismus auf der theoretischen Abstraktionshöhe der Wertkritik sich nur "zögerlich" in die traute Männerrunde wagte. In diesem Zustand der ungeschützten Zögerlichkeit hätte man(n) sie gern vor die Flinte bekommen, und deshalb musste das Auftreten des männlichen "Sekundanten" besonders unangenehm berühren und als "Verrat" nicht nur auf der kognitiven, sondern vor allem auch auf der psychosexuellen Ebene empfunden werden. Dieser wirkliche Kontext enthüllt den bloß abstrakt richtigen Verweis auf den inneren Widerspruch der männlichen sekundierenden Rolle als ein selber männerbündisches Kampfmittel, das auf alles andere als eine weitergehende Reflexion zielt.

Im Grunde genommen war mit dieser paradoxen und in sich widersprüchlichen Art und Weise, wie die Abspaltungstheorie eher zwanghaft und äußerlich in die "Krisis"-Theoriebildung implementiert wurde, bereits der stumme männerbündische Frieden gebrochen. Seitdem hatte der Gruppenzusammenhang einen "Sprung in der Schüssel". Die erst sechs bis sieben Jahre später aufkeimende Invektive gegen den Berufsintellektuellen und Berufspolemiker etc. aus Motiven der Konkurrenz und des Ressentiments hatte ihre tiefere Wurzel im ursprünglichen Konflikt um die männerbündische Struktur und den Status der Abspaltungstheorie. Schon 1992 schied Peter Klein (Bernd S.), bis dahin ein Hauptautor der Vorläufer-Zeitschrift von "Krisis", aus dem Gruppen- und Theoriebildungszusammenhang aus; die unklaren "persönlichen Gründe" waren sehr deutlich vermittelt mit den Abwehrreflexen gegen die Abspaltungstheorie und deren Urheberin auf der Inhalts- wie auf der Beziehungsebene. Peter Klein hing und hängt besonders zäh an der Begriffsbildung eines androzentrischen Universalismus; er schied freilich nur aus, um in der unbeachteten Ehrenamts-Funktion eines Vorstands des "Krisis"-Fördervereins gewissermaßen als "Schläfer" zu überwintern und nach langer Durststrecke im Februar 2004 endlich das "theoretische Flintenweib" und ihren "Beschützer" lustvoll hinauswerfen und eine späte Rache genießen zu können.

Allerdings nahm man(n), was die Aversion gegen die unangenehm aufgefallene Theoretikerin angeht, von Anfang an kaum ein Blatt vor den Mund; in dieser Hinsicht bedarf es keines mühsamen Schürfens und Auswaschens im männerbündisch-androzentrischen Gestein, sondern es ist Tagebau möglich: "In den letzten Jahren habe ich persönliche Vorbehalte gegen Roswitha entwickelt, meinetwegen kannst Du auch von Ressentiments (!) reden. Es ist aber natürlich ein Passepartout und eine faule Ausrede, wenn Du meine Vorbehalte gegen ein Papier von ihr, damit per se desavouiert siehst" (Ernst Lohoff, Einige Stichpunkte..., aa.O., Zeichensetzung im Original). Da sieht man, warum die Kreatorin des Abspaltungstheorems einen "Sekundanten" brauchte; aber selbstverständlich soll es angeblich nur um Einzelnes, nicht um Allgemeines gehen, nur um einen zufälligen, rein persönlichen "Vorbehalt", nicht um männerbündische Strukturen und nicht um androzentrische Begriffslogik. Mit diesen "Vorbehalten" und sogar offen zugegebenen "Ressentiments", die sich dann zunehmend auch gegen den "Beschützer" richteten, waren gleichzeitig ausgesprochen nette Gewaltphantasien verbunden: "Mein erster Impuls bei der Lektüre war der mit Fußtritten (!) zu reagieren, meine zweite Regung war die, dass diese Form der Antwort (!) natürlich nur bestens dazu geeignet wäre bei Dir ein Gefühl der Bestätigung über Dein Verdikt gegen die >zwangsheterosexuellen Verdrängungskünstler< und Abwehrspezialisten in der Krisis-Gruppe hervorzurufen" (Ernst Lohoff, Einige Stichpunkte..., a.a.O.). Ein kleiner Vorschein der künftigen Softie-"Diskussionskultur", wie man annehmen darf.

Bei den Phantasien blieb es nicht. Einige Jahre später beging der Softie in spe Ernst Lohoff auf offener Straße eine Tätlichkeit gegen Roswitha Scholz; immerhin nur mit der Hand und nicht mit den Füßen. Diese relative Zurückhaltung kann vielleicht jene "Absage an die Kampfhundmentalität" illustrieren, der man(n) sich später zu befleißigen vorgab. Dass derselbe Mensch, der sich derartiges geleistet hat, inzwischen als Sachlichkeits- und Nettigkeitsapostel einen "Clash of Cultures" gegen Berufspolemikertum und Kampfhundmentalität ausgerufen hat, in dessen Kontext auch Roswitha Scholz endgültig hinausgeworfen wurde, diese Dreistigkeit schlägt wirklich alle Rekorde.

Wenn die dokumentierbare Gewaltphantasie und die faktische, vor Zeugen begangene Gewalttat in Erinnerung gerufen werden müssen, so nicht allein dieser Faktizität wegen. Es handelt sich dabei ja nur um die Spitze eines Eisbergs von Gefühlslagen und Haltungen, theoretischen Vorbehalten und Beziehungshass. Das Bemerkenswerte ist gerade, dass die einzelnen schriftlichen Äußerungen und "Vorfälle", die eindeutig die männerbündische Struktur belegen, um Jahre auseinander liegen. Das zeigt, mit welcher Konsistenz und Hartnäckigkeit sich dieses Muster gehalten hat und in einen Schwelbrand von Aversionen, sozialer Ab- und Ausgrenzung und dumpfer Ressentiments übergegangen ist, der irgendwann offen auflodern musste. Das aufkeimende Ressentiment gegen den Berufsintellektuellen konnte nur zusätzliches Brennmaterial liefern für dieses tiefer liegende Ressentiment gegen das "schreckliche Weib" der Abspaltungstheorie und ihren "Kampfhund-Beschützer". Hinter der Softie-Maske kommt nicht nur das Bruderhorden-Konkurrenzsubjekt, sondern auch das Männerhorden-Bewußtsein androzentrischer Theoriebildung und sexistischer Ausgrenzung von unliebsamen Frauen mit eigenem theoretischen Anspruch zum Vorschein.

In dem Maße, wie sich gegen Ende der 90er Jahre die Auseinandersetzung um den "abgehobenen" Robert Kurz mit seinen publizistischen "Extratouren" aufbaute und das Bruderhorden-Syndrom in den Vordergrund trat, wurde die theoretische Suffragette zwar umgekehrt nur noch als lästige "Beschützerin" des abzutreibenden Berufsintellektuellen pejorativ bestimmt, aber unter dieser Oberfläche in Wahrheit weiterhin vom Männerhorden-Standpunkt aus als das eigentliche Übel wahrgenommen; und zwar unwillkürlich bis in die Semantik hinein. So klagte der in Bezug auf seine eigenen Äußerungen und Handlungen von Amnesie heimgesuchte Obersoftie in statu nascendi, seine Thematisierung der "Krisis"-Gruppenprobleme (u.a. in jenem zitierten Kairos-Papier) seien von Robert Kurz und "seiner Zerbera...sofort abgewürgt (worden)" (Ernst Lohoff, Mehr persönliche Erklärung als Diskussionsbeitrag, internes "Krisis"-Papier, Herbst 2000). Der Höllenhund Zerberus hat sich hier in eine "Zerbera" verwandelt; eine Metapher, die weit über den "Kampfhund" hinausgeht und unfreiwillig den wahren Beziehungshintergrund offen legt: die "Höllenhündin" Roswitha Scholz steckt hinter allem, sie hat den einstigen Männerbundbruder verdorben und muss zusammen mit ihm unschädlich gemacht werden.

Um auch gegen die "Zerbera" ein Legitimationsmuster für die Hinaussäuberung zu erfinden und Elemente von "Wahrheitsproduktion" zu konstruieren, wurde Roswitha Scholz von der Bruderhorde zu einer Art "Krisis"-Megäre aufgebaut. Die über mehr als ein Jahrzehnt sich erstreckende männerbündische Abstoßungsreaktion und Verletzungsgeschichte bis hin zur Tätlichkeit wurde auf den Kopf gestellt und eine "Geschichte" erzählt, in der genau umgekehrt die Megäre die Opfermänner bis aufs Blut gequält und nahezu entmannt haben soll. An Biertischen wurden über Jahre hinweg die unsäglichen Leiden der Opfermänner kolportiert, die von der männermordenden Roswitha Scholz, einer Art Lynndie England des "Krisis"-Zusammenhangs, heimgesucht worden seien; insbesondere das männliche Unschuldslamm Ernst Lohoff.

Als sich die Konfliktfronten endgültig klärten und die Bruderhorde zum entscheidenden Schlag ausholte, musste auch diese männerbündische "Wahrheitsproduktion" noch einmal mobilisiert werden. Roswitha Scholz, so hieß es, betreibe eine "persönliche >Nichtung< von Personen und Beziehungen" (Karl-Heinz Wedel, Autorenname Karl-Heinz Lewed, Jetzt ist schon wieder was passiert, Mail an die "Krisis"-Redaktion vom 11.2.2004), nämlich eben der Opfermänner im "Krisis"-Zusammenhang. Daß sie unbegreiflicherweise auf diese Männer nicht gut zu sprechen war, konnte das jüngste Bruderhorden-Mitglied nur als drohende allgemeine "Nichtung" der "Krisis"-Männerwelt und damit als Angriff auf die eigene Person empfinden: "Jedenfalls hinterließ diese permanente >Nichtung< von Norbert (Trenkle) und Fritz (Ernst Lohoff)...eine Unsicherheit bei mir, in welche Apothekerinnen-Schublade denn wohl der sonstige Zusammenhang und natürlich auch ich gesteckt würde" (Karl-Heinz Wedel, a.a.O.).

In Verbindung mit der unangenehmen Anwesenheit weiterer wenig pflegeleichter Frauen in der Nürnberger Diskussionsgruppe, im "Krisis"-Koordinationskreis und in der Redaktion baute sich in der Bruderhorden-"Wahrheitsproduktion" somit ein Bedrohungsszenario von Megären und Höllenhündinnen auf, deren wilden Gesang man schon zu hören glaubte: "Geh’n wir Männer nichten im Park" (Wiener Schmäh). Und dagegen musste natürlich erst recht eingeschritten werden; allerdings möglichst soft und geräuschlos, um keine neuen Furien zu wecken. Also wurde der Hinauswurf der Männernichterin (und in der Folge der unbotmäßigen Frauen überhaupt) als bloße Nebenwirkung beim Hinauswurf des Berufsintellektuellen Robert Kurz inszeniert, um die tiefer liegenden misogynen und männerbündischen Motive im Dunkeln zu lassen und gar keine extra Begründung mehr liefern zu müssen, warum der angebliche Softie-Aufstand gegen die "bürgerliche Kampfhund-Subjektivität" ausgerechnet die Frauen aus der "Krisis"-Redaktion hinaussäubern musste.

Als es endlich so weit war, konnte die Mit-Abservierung von Roswitha Scholz in den Modus der Beiläufigkeit gesetzt werden, um sie als bloße Spielfigur im "feministischen Gehabe des Robert Kurz" (Franz Schandl, Mail an die "Krisis"-Redaktion vom 19.2.2004) zwangszudefinieren: "Dieses arbeitet mit einem banalen Trick: Werden die Frauen von der >Gegenseite< mitgenannt, dann wird dieser vorgeworfen, jene werden unter einem Mann subsumiert, als sein Anhängsel betrachtet, dem keine Eigenständigkeit zugestanden wird; werden sie nicht mitgenannt, dann werden sie offensichtlich in sexistischer Manier ausgeblendet. Ganz beliebig ist dann die >Frauenkarte< spielbar, indes sie hier doch nur eines ist, ein männlicher Trumpf" (Franz Schandl, a.a.O.). Schandl merkt nicht einmal, wie er sich hier selbst desavouiert: Frauen kommen bei ihm nur in der Scheinalternative vor, entweder "mitgenannt" oder "nicht mitgenannt" zu werden, das heißt überhaupt nur als explizites oder bloß implizites Anhängsel zu erscheinen. Genauer gesagt: die Alternative zum bloßen "Mitgenannt"-Werden als Anhängsel besteht für ihn allein in der völligen Ausblendung. Nun wählt mal schön, was euch lieber ist. Nach dieser Definition können Frauen überhaupt nur eine "Karte" sein, entweder als "männlicher Trumpf" oder als Nullmarke. Die Inhalte der eigenständigen Attacke von Roswitha Scholz auf die männerbündische Struktur verschwinden völlig; dazu heißt es nur lapidar: "Ihr Papier spricht nicht für sie" (Franz Schandl, a.a.O.). Begründet werden muss das nicht mehr; für Schandl ist jegliches Frauen-Geschreibsel per se schon indiskutabel, wenn es seine lächerlich mickrige Selbstherrlichkeit bloßstellt. Es kann dann nur als "Trumpf" in anderer männlicher Hand abqualifiziert werden. Deshalb bedarf es für die Hinaussäuberung der "Höllenhündin" auch keiner besonderen Schein-Versachlichung mehr: "Über Roswithas Anteil will ich nicht spekulieren" (Franz Schandl, a.a.O.). Dein "Anteil" ist egal, hinausgeworfen wirst Du sowieso. Netter geht es wohl kaum.

Dieselbe Erleichterung verspürt der als "Schläfer" erwachte Vorstand des "Krisis"-Fördervereins Peter Klein, wenn er mit tiefer Befriedigung anläßlich des Hinauswurfs bemerkt: "Da Roswitha für sich alleine diese giftige, haßerfüllte Atmosphäre mit Sicherheit nicht zu erzeugen in der Lage wäre, muß ich sie nicht ausdrücklich miterwähnen" (Peter Klein, Offener Brief an den "Krisis"-Koordinationskreis, 9.3.2004). Nachdem die selbsterzeugte "giftige Atmosphäre" gegen den Berufsintellektuellen gewendet werden konnte, muss das "schreckliche" theoretische Flintenweib endlich nicht mehr "ausdrücklich miterwähnt" werden, obwohl es den eigentlichen Hassgegenstand bildet. Was für eine Genugtuung, die alte Feindin nunmehr vermeintlich endgültig ihrer theoretischen Kompetenz entkleidet und sie reduziert zu haben auf ein vernachlässigenswertes Anhängsel des verrückten, "psychologisch immer auffälliger werdenden" (Peter Klein, a.a.O.) Robert Kurz. Es bedurfte nur noch der "Volksgerichts"-Männermeute von Cliquen-Kumpels im "Krisis"-Förderverein, um dieses Urteil zu vollstrecken und die "Hündin" nebenbei mit hinauszuwerfen, ohne sie noch "ausdrücklich miterwähnen" zu müssen.

Ich ist ein anderer: Instrumentelle "Selbstreflexion"

Der Beziehungskonflikt, wie er sich in der Geschichte des "Krisis"-Zusammenhangs über einen Zeitraum von inzwischen mehr als 12 Jahren darstellt, kann für ein an der wertkritischen Theoriebildung interessiertes Publikum natürlich nicht auf der rein individuell-persönlichen Ebene zur Debatte stehen. Es ist in dieser Hinsicht irrelevant, wer wen im Lauf der Zeit nicht mehr leiden und nicht mehr sehen konnte. Dennoch können der Konflikt und seine Darstellung nicht darauf reduziert werden, dass hier schmutzige Wäsche gewaschen wird; ebenso wenig ist die Häme von schaulustigen Unfalltouristen angebracht, die sich daran aufgeilen, dass es nun auch die "Krisis"-Gruppe erwischt hat. Es handelt sich ja um ganz gewöhnliche Auseinandersetzungen und Brüche, wie sie in linken Polit- und Theoriegruppen ebenso wie in der bürgerlichen Welt der politischen Klasse und des Wissenschaftsbetriebs an der Tagesordnung sind und bloß normalerweise nicht dokumentiert und nicht reflektiert werden. Diese Reflexion ist aber dem wertkritischen Zusammenhang bei einem solchen Bruch abzuverlangen, weil die Kritik der bürgerlichen Subjekt-Konstitution die sonst ausgeblendete Ebene berührt. Was für die wertkritische Reflexion an diesem Konflikt relevant ist, das ist eben die Zone, in der sich Einzelnes und Allgemeines berühren. In gewisser Weise kann der "Krisis"-Konflikt fast schon unter Laborbedingungen zeigen, wie sich Persönliches und Gesellschaftliches vermitteln, wie aus den Poren individueller Aversionen, Idiosynkrasien und gruppendynamischer Gefühlslagen die Ideologiebildung aufsteigt wie ein Nebel und zu allgemeinen Deutungsmustern verdichtet wird.

In diesem Sinne ist auf das einleitend skizzierte Problem der Verschränkung von Inhalts- und Beziehungsebene zurückzukommen. Es dürfte inzwischen deutlich geworden sein, dass der oberflächlich betrachtet bloß persönliche Konflikt sich allmählich mit Allgemeinheitsmomenten angereichert hat. Die individuellen Charaktere sind dazu übergegangen, die Konfliktlagen auf der Beziehungsebene mit Attributen der männlich-bürgerlichen Charaktermaske auszustatten. Selbstwertprobleme, Eifersuchtsgefühle und Frustrationserlebnisse haben die Schwelle des individuellen Erfahrungsraums überschritten, um sich strukturell zu formieren und ideologisch aufzuladen. Die Matrix des Konkurrenzverhältnisses hat sich ebenso herausgebildet wie der Affekt gegen die intellektuelle Existenz, das Ressentiment gegen den Berufsschriftsteller, die tiefer liegende männerbündische Struktur und androzentrische Identität. Durch den (persönlichen) Beziehungskonflikt hindurch werden die Konturen eines (theoretischen) Inhaltskonflikts sichtbar.

Es ist im Grunde derselbe Vorgang, wie er sich auch schon in früheren Phasen der wert- und abspaltungskritischen Theoriebildung abgespielt hat: Einige bleiben stehen, machen die weitere Reise nicht mehr mit, graben sich identitär ein. Ein Novum ist es allerdings, dass diejenigen, die stehen bleiben oder zurückfallen, sich mittels eines Putsches des "Krisis"-Labels bemächtigt haben. Das ändert natürlich nichts an der Sache. Dann ist es eben das "Krisis"-Label selber, das stehen bleibt, zurückfällt und irrelevant wird, während die Reise unter dem neuen "EXIT"-Label weitergeht. Was die "Krisis"-Brudertruppe nicht mehr mitmacht, sind offensichtlich die mit der Abspaltungstheorie vermittelten Weiterungen der Subjekt- und Aufklärungskritik. Es ist das männlich-weiße westliche Subjekt (MWW) in den Brüdern selbst, das sich der Weiterreise sperrt. Das hat übrigens nichts mit dem Diskussionsbedarf zu tun, den es selbstverständlich noch gibt. Aber Diskussionsbedarf und tatsächliche (auch kontroverse) Diskussion sind etwas ganz anderes als eine identitäre Blockade, die vermittelt ist mit Ressentiments und Brüchen auf der Ebene von zerrütteten persönlichen Beziehungen, die ihrerseits wiederum vermittelt sind durch die Art und Weise, wie die Subjektform sich in den darin nicht aufgehenden Individuen konfliktreich geltend macht.

Es kann in einem Zusammenhang kritischer Theoriebildung nicht ausbleiben, dass diese Konflikte sich schließlich auf der theoretischen Inhaltsebene selbst darstellen. Und in diesem Sinne war es auch kein Zufall, dass der Beziehungskonflikt aufbrach und sich zum institutionellen Konflikt (Spaltung) ausweitete, als die Aufklärungskritik (in den letzten drei "Krisis"-Ausgaben Nr. 25, 26 und 27) und die Kritik der männlich-weißen westlichen Subjektform (in der Auseinandersetzung mit der antideutschen Ideologie) durch Robert Kurz "übermäßig zugespitzt" wurde, begleitet von zahlreichen Bremsversuchen und Unmutsäußerungen aus dem Kreis der Brudertruppe. Die Verschränkung von Inhalts- und Beziehungsebene wird an genau diesem Punkt neuralgisch, auch wenn der sich andeutende Inhaltskonflikt bis jetzt von den Bremsern und Stehengebliebenen immer wieder heruntergespielt wird; es gehe, so heißt es, nicht um eine Abwehr der Subjekt- und Aufklärungskritik als solcher, sondern um eine Kritik des "Wie", der Art und Weise, der Darstellungsform etc. Aber anders haben tief gehende Inhaltskonflikte noch nie angefangen. Stets wird zuerst die Form moniert, bevor der hinter dem Formkonflikt lauernde Inhaltskonflikt hervorbricht. Skrupulös hinsichtlich der Form und des "Wie" wird man immer nur dann, wenn man den Gegenstand der Kritik irgendwie in Schutz nehmen will. Dass das etwa bei der theoretischen Kritik der Arbeit und der Politik nicht der Fall war, aber jetzt bei der abspaltungstheoretisch fundierten Subjekt- und Aufklärungskritik aufscheint, ist eben das starke Indiz für den längst aufgekeimten inhaltlichen Dissens.

In gewisser Weise gilt das auch für die der Auseinandersetzung zu Grunde liegende Abspaltungstheorie. Schon die Art und Weise, wie dieser theoretische Umsturz in der "Krisis"-Theoriebildung konfliktreich und gegen die Beharrungstendenz der männerbündischen Hintergrundstruktur durchgesetzt worden war, hatte auf eine Bruchlinie verwiesen, auch wenn der tatsächliche Bruch erst jetzt vollzogen wurde. Wie der Konflikt auf der Beziehungsebene lange schwelte, so auch auf der Inhaltsebene. Das äußerte sich etwa darin, dass die Abspaltungstheorie von den "widerständigen" Konkurrenzmännern nie als der Umsturz gesehen wurde, der sie eigentlich war, sondern stets als bloße "Erweiterung" oder "Ergänzung" der androzentrisch-universalistischen Wertkritik. Man wollte den eigenen "theoretischen Zugang", der sich den Konsequenzen der Abspaltungskritik sperrte, unbedingt erhalten wissen. Natürlich wird man(n) auch jetzt nicht zum offenen Frontalangriff gegen die Abspaltungstheorie als solche vorgehen; falsche Softies müssen einen anderen Weg wählen. Es geht darum, den Abspaltungsbegriff zu entschärfen und in den eigenen, letztlich androzentrischen "Zugang" einzubringen, ihn möglichst unauffällig wieder ableitungslogisch zu subsumieren und irgendwie auf die historisch-empirische Ebene zu beschränken etc.

Der Entschärfung auf der inhaltlich-kognitiven Ebene entspricht die Instrumentalisierung auf der Beziehungsebene. Im Beziehungskonflikt nämlich versucht die Brudertruppe, den Spieß einfach umzudrehen und die Abspaltungskritik für sich zu vereinnahmen als Waffe gegen deren Urheberin und gegen den abzuservierenden Berufsintellektuellen. (...)

Auf der Seite der Lebensfremdheit angeblich "vermittlungsloser" Theorie erscheint nun nicht allein der Berufsintellektuelle, sondern auch die "höllenhündische" Abspaltungstheoretikerin.

Und was macht dieses schreckliche Paar mit den unschuldigen Opfermännern? Diese werden unter böse Abstraktionen "mechanisch subsumiert", wo sie doch die "sinnlichen Bezüge" geradezu sind: "Hier stellt sich eine Beziehung zur Bemächtigung der Theorie her. Die Delegierung von Welterklärung bemächtigt den Theoretiker dem Rezipienten die Welt erst transparent und zugänglich zu machen und trägt insofern ein Moment von geschlechtlich keinesfalls indifferenter Entmündigung bzw. von patriarchaler Herrschaft. Auf einer allgemeinen Ebene, d.h. die gesellschaftliche Struktur und den >Lauf der Dinge< betreffend, ist dieses Verhältnis von Theoretiker und Rezipient unter Umständen schon problematisch. Mehr als das wird es aber, wenn die Feststellung objektiver, gesellschaftlicher Zusammenhänge unvermittelt auf Personen bzw. das persönliche Beziehungsgeflecht (in der Krisis) angewandt wird. Meiner Beobachtung nach, ist dieses Vorgehen der Einkategorisierung in objektive Strukturen wichtiger Hintergrund für die gegenwärtige Situation in der Krisis und zumindest im Konfliktfall ein zentrales Aktionsmuster von Robert Kurz...Auch Roswitha Scholz´ Analyse des Konflikts...folgt leider diesem Muster...Im weiteren Verlauf wurde diese...Kategorisierung verfeinert und als quasi-theoretische Erkenntnis der Krisis-internen Scholz´schen Geschlechterforschung zur objektiven Linie erhoben, wobei die so konstruierte Objektivität nur als reines Denkkonstrukt existierte. Überhaupt sind Konstrukte wesentliches Kennzeichen dieser >Methode<. Es handelt sich um eine...unvermittelte Transformation von der Ebene gesellschaftlicher Kategorien auf die Ebene persönlicher Beziehungen" (Karl-Heinz Wedel, a.a.O., Zeichensetzung im Original).

Zunächst einmal wird hier die in der Tat männerbündisch geheckte, die Verhältnisse verkehrende Projektion, in der die Abspaltungstheoretikerin als "Männernichterin" erlebt wird, zur geradezu meta-theoretischen "kritischen Reflexion" geadelt. Qua Abspaltungstheorie wird Roswitha Scholz eine "Bemächtigung der Theorie" vorgeworfen, die den Rezipienten und vor allem den Gegenständen dieser Theorie gegenüber eine "geschlechtlich keinesfalls indifferente Entmündigung" enthalte, die ein Moment "patriarchaler Herrschaft" sei. Ausgerechnet die Abspaltungstheoretikerin selber wird somit zur Repräsentantin des Patriarchats umkostümiert und ihr zwecks Denunziation eine vollbärtige "Theoriebemächtigung" zugerechnet. Sie ist es also eigentlich, die abspaltet - und die Abgespaltenen sind die von "sinnlichen Bezügen" geradezu strotzenden Opfermänner. Mit einem Wort: Roswitha Scholz ist der Wert! Wir wissen nun also, mit welcher netten Interpretation der Abspaltungstheorie wir in Zukunft zu rechnen haben, wenn sie uns in ihrer "wahren" begrifflichen Gestalt aus den zuckersüßen Softie-Mündchen der Bruderhorde verkündet wird. Es ist eine Queer-Politik sui generis, mit der hier auf die sanfte Tour klar gemacht werden soll, wer eigentlich Herr im Haus ist gerade dadurch, dass man(n) sich des Abgespalten-Werdens "bemächtigt" und die reale bürgerliche Geschlechterlogik auf den Kopf stellt. Bemächtigung durch einfache Umkehrung des Bemächtigungsvorwurfs, wie "raffiniert".

Die nunmehr weiblich definierte Schläue der selbstapologetischen Softie-Argumentation entfaltet, nachdem sie die ideelle Geschlechtsumwandlung vollzogen hat, eine höchst originelle Interpretation des Verhältnisses von Einzelnem (Persönlichem) und Allgemeinem. Vom bösen Berufsintellektuellen und von der "höllenhündischen" Patriarchin werde "die Feststellung objektiver gesellschaftlicher Zusammenhänge unvermittelt auf Personen bzw. das persönliche Beziehungsgeflecht (in der Krisis) angewandt" und die sinnlichen Opfermänner würden in bloße Abstraktionen "einkategorisiert". Worum es tatsächlich geht, das ist das konkrete Verhältnis von Persönlichem und Gesellschaftlichem, die Vermittlung von Einzelnem und Allgemeinem. Im Beziehungsraum berühren und durchdringen sich die beiden Momente. Vermittlung besteht hier darin, zu zeigen, wie sich bestimmte psycho- und gruppendynamische Entwicklungen, Gefühlslagen, Verarbeitungsformen mit Strukturen gesellschaftlicher Allgemeinheit vermitteln; wobei sich übrigens die (gewöhnliche) männerbündische Struktur in Theoriegruppen der Sache nach auf einer ziemlich niedrigen Abstraktionsebene befindet, also sehr nahe an die gruppendynamische Besonderheit und die individuell-persönliche Einzelheit anschließt. Die darstellende Vermittlung kann nicht anders geschehen, als dass die tatsächlichen Verhaltensweisen, Äußerungen, Haltungen und Handlungen bestimmter Personen in einem bestimmten Beziehungsgeflecht zu den Strukturen gesellschaftlicher Allgemeinheit (auf verschiedenen Abstraktionsebenen) in Beziehung gesetzt werden. Eine solche Beziehung muss es geben, aber in Beziehungskonflikten fällt logischerweise ihre Deutung different und eben konfliktreich aus.

(...) Wir dürfen also feststellen, dass es die Ebene der gesellschaftlichen Allgemeinheit real gar nicht gibt, noch nicht einmal auf der niedrigen Abstraktionsebene männerbündischer Strukturen, oder jedenfalls nicht im "Krisis"-Zusammenhang und schon gar nicht bei den abgespaltenen und zwangskategorisierten Opfermännern. Was sollen wir daraus schließen? Dass die Reflexion, die über das Niveau der Einzelheit hinausgeht, ein "transzendentales" Glasperlenspiel und von Übel ist, weil sie nichts Wesentliches mit den handelnden Personen zu tun hat? Das gesellschaftliche Wesen befindet sich so bloß in einem "logischen Raum", der eigentlich nur "Fiktion", "Konstrukt" etc. ist. Dummerweise wäre dann allerdings die mit ihrem eigenen gesellschaftlichen Wesen unvermittelte Einzelheit auch bloß eine abstrakte, aber das geht die Opfermänner nichts mehr an. Sie haben alles Übel auf der Seite der Theorie versammelt, sobald diese überhaupt in Beziehung gesetzt wird zu "konkreten Verhältnissen" als angebliche bloße "Zuordnung". Die Theorie ist nur abstrakt, die Verhältnisse sind nur konkret, jedenfalls sobald es um ihre eigenen Verhältnisse geht.

Im übrigen enthalten diese Invektiven gegen die theoretische Allgemeinheitszumutung und die damit verbundenen Vorwürfe der "Einkategorisierung" und der angeblich äußerlichen "Zuordnung", wie sie die Brüder aus ihrem Beziehungskonflikt heraus entwickelt haben (und offenbar dabei sind, zum Inhaltskonflikt hochzuladen) auch ein völlig falsches, im Kern objektivistisches Verständnis von "Immanenz" (darauf wird im geplanten zweiten Text einer inhaltlich-theoretischen Abrechnung mit den Softie-Brüdern von Rest-"Krisis" genauer einzugehen sein; darüber hinaus ist das Verhältnis von Immanenz und Transzendenz überhaupt ein auszuleuchtender Gegenstand weitergehender theoretischer Reflexion, sowohl im Sinne einer erkenntniskritisch konsistenten Herleitung des immanenten und gleichzeitig transzendierenden "Standpunkts der Kritik" als auch im Sinne einer Ideologiekritik an falschen, affirmativen Immanenzbegriffen, wie sie in unterschiedlicher Weise bei Adorno/Horkheimer, krude heruntergebrochen bei den Antideutschen, in anderem Kontext bei Antonio Negri und eben auch bei den "Krisis"-Softie- und Freizeit-Theoretikern nachweisbar sind).

Die Mechanik der instrumentellen Entbegrifflichung funktioniert allerdings auch andersherum. Dass die Bruderhorden-Opfermänner in den "Kategorisierungen" und Struktur-Abstraktionen "nicht aufgehen", wird nicht nur zum Beweis genommen, dass sie damit eigentlich gar nichts zu tun haben, sondern dient gleichzeitig dazu, ihr eigenes sehr persönliches und unmittelbares Verhalten zu eskamotieren. Indem sie sich selber in den seinerseits bloß "logischen Raum" der abstrakten Einzelheit davongestohlen haben, erscheint ihr reales Verhalten als ganz konkrete, persönliche Einzelheit plötzlich ebenso unwirklich wie die "theoretischen Kategorisierungen".

Nehmen wir als extremes Beispiel den tätlichen Angriff des Herrn Lohoff gegen Roswitha Scholz. Man sollte meinen, dass ein Schlag ins Gesicht eine ziemlich sinnliche Angelegenheit ist. Aber, so heißt es dann, der Herr Lohoff geht ja auch in seiner Tätlichkeit "nicht auf". Deren unliebsame Erwähnung (eine unwichtige "alte Geschichte") "kategorisiert" ihn ja schon wieder ein. Das "Nicht-Aufgehen" wird so zum Generalschlüssel für das Unsichtbar-Machen sowohl auf der Ebene der Allgemeinheit als auch auf der Ebene der Einzelheit. In sowieso bloß "halluzinierten" männerbündischen Strukturen gehen die Herren "nicht auf"; klick, schon sind die männerbündischen Strukturen gelöscht. In seiner Tätlichkeit geht der Herr Lohoff "nicht auf"; klick, schon ist die Tätlichkeit gelöscht. Und zwischen gelöschten Aussagen/Informationen auf verschiedenen Ebenen darf dann auch keine Verknüpfung und schon gar keine Beziehung zu den Formen gesellschaftlicher Allgemeinheit mehr hergestellt werden.

Die Adornosche Kritik an der begrifflichen Identitätslogik wird so missbraucht und herabgewürdigt zum instrumentellen Verfahren, um das eigene Verhalten auszublenden. Per Mausklick geht’s ins Nirwana der abstrakten Konkretheit; der "logische Raum" der abstrakten Einzelheit wird zum sicheren Hafen. Und genauso wird dann verfahren mit den persönlichen Ressentiments, der Konkurrenzsubjektivität, den politischen und persönlichen Denunziationen und allem anderen, was sich in diesem Beziehungsraum abgespielt hat und eine Vermittlung von Psycho- und Gruppendynamik mit Momenten gesellschaftlicher Allgemeinheit darstellt. Die Brudertruppe ist es nie gewesen, sie ist so unschuldig wie eine ganze Säuglingsstation oder, besser noch, wie die privaten US-Söldnerbanden im Irak.

Man könnte die ganze Rabulistik in die Form einer Parabel bringen: Drei Männer schlagen einen Passanten krankenhausreif, bis er bewusstlos am Boden liegt. Anschließend räsonieren sie über die Tat und bescheinigen sich gegenseitig, dass sie in diese nicht "einkategorisiert" werden könnten. "Ich habe vorher noch nie jemand zusammengeschlagen", gibt der erste zu bedenken. "Und ich liebe meine Frau und meine Kinder", sagt der zweite. Der dritte schließlich meint: "Ich bin immer gut zu meinem Hund gewesen". Weiter stellen die drei fest, dass sie ja ganz verschiedene Menschen mit verschiedenen Ansichten seien, die unmöglich auf den einen abstrakten Nenner dieser Tat gebracht werden könnten. "Ich bin eigentlich im Prinzip gegen Gewaltanwendung", erklärt der erste. "Ich hatte eine Wut auf den Kerl, er hat nichts anderes verdient", proklamiert der zweite. "Mir war halt danach, aber das kommt bei mir selten vor", sinniert der dritte. Am Ende kommen sie überein, dass jede Anklage gegen sie eine "theoretische Fiktion" und ein "wahnhaftes Konstrukt" wäre, und gehen befriedigt nach Hause.

Die Herren haben etwas läuten hören von den "wirklichen sinnlichen Individuen", die in der Subjektform nicht aufgehen. Woher sie das wohl haben? Und sogleich meinen sie, das "nicht Aufgehende" herausfiltern und isolieren, womöglich ontologisieren zu können. Der "unverdinglichte Rest" wäre dann etwas wie ein Sack Kartoffeln, den man einkellern, oder wie die Gans, die man unter den Arm nehmen und damit davonlaufen kann. Und siehe da, die auf diesen "unverdinglichten Rest zum Anfassen" bezogene Sinnlichkeit sieht ganz aus wie Karl-Heinz Wedel und die übrige Brudertruppe; die fatalen Abstraktionen dagegen gleichen Roswitha Scholz und Robert Kurz aufs Haar. Auf der einen Seite des Beziehungskonflikts finden wir also die "vermittlungslosen TheoretikerInnen", die "Bemächtigung der Theorie", die "Mechanik der Subsumtion", "dünne Fäden theoretischer Kategorisierung" und "wahnhafte Konstruktionen". Auf der anderen Seite dagegen geht’s herzhaft zu; dort finden wir die "wirklich sinnlichen Individuen", den vollen "Beziehungsreichtum", eine "Vielfalt sozialer Beziehungen" und mitten in diesem prallen Leben den "adäquat selbstreflexiv sich verhaltenden Zusammenhang" der schunkelnden Brudertruppe. Die Herren können nicht nur vor lauter Wichtigkeit und vor lauter Harmlosigkeit, sondern auch vor lauter Sinnlichkeit kaum laufen. Da dürfte die Wahl für die "gute Seite" nicht schwer fallen.

"Ich ist ein anderer", dieser geniale Satz Rimbauds, der das Fetischverhältnis der Subjektform auf die kürzeste denkbare Formel bringt, wird so zu einer banalen Selbstentlastung verkehrt: Wenn es zwischen uns einen Konflikt im Beziehungsraum bürgerlicher Subjektivität gibt, dann bin ich darin nicht anwesend, sondern du musst beide Seiten übernehmen, sofern es dabei mies und fies zugeht. Die Formel für die Lösung aller Beziehungsrätsel darf dann lauten: Soweit wir schlimme bürgerliche Subjekte sind - seid das ihr, Robert Kurz und Roswitha Scholz! Soweit wir aber darin nicht aufgehen - sind wir es selber! Ist das nicht eine ausgesprochen nette Rollenverteilung?

Ödipussi nach Softie-Art

Nicht ganz unerheblich sollte es sein, wie eigentlich der übrige aktive "Krisis"-Zusammenhang den Konflikt erlebt hat. Die bloß passive Mitgliedschaft des "Krisis"-Fördervereins, die großenteils die Beteiligten persönlich oder zumindest den Binnenraum der "Krisis"-Verhältnisse überhaupt nicht kennt, kann hier kaum zählen. Soweit dabei Leute, die sich dafür hergaben, von der Brudertruppe mobilisiert wurden, geschah dies überwiegend aus lokalen Cliquen-Loyalitäten heraus ohne intime Kenntnis der Zusammenhänge. Entscheidend sind vielmehr die eigentlich betroffenen aktiven Gremien der Nürnberger Gruppe, der überregionalen Redaktion und des Koordinationskreises. Würde die Bruderhorden-Interpretation mit der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen, dann hätte sie in diesen Gremien auch auf allgemeine Zustimmung stoßen, also Robert Kurz und Roswitha Scholz isolieren müssen. Genau diese Vorstellung erscheint auch als geradezu selbstverständliche in der zur Meta-Reflexion geadelten anti-theoretischen Selbstdarstellung der Brudermänner: "Tatsächlich wird...nur, wie ich meine, das von den anderen isolierte und verunsicherte Theorie-Subjekt sichtbar" (Karl-Heinz Wedel, a.a.O.).

Wer ist nun eigentlich "isoliert", und wer sind die "anderen"? Was wird hier "sichtbar"? Unter Einschluss von Roswitha Scholz und Robert Kurz hat sich die Mehrheit der Nürnberger Gruppe, die Mehrheit der "Krisis"-Redaktion und die Mehrheit des "Krisis"-Koordinationskreises gegen die Interpretation der Brudertruppe gestellt. Streng genommen haben sich also diese Herren "isoliert". Das heißt nichts anderes, als dass deren Definition von Isolierung sich ausschließlich auf ihren eigenen mafiotischen "Zusammenhang" bezieht. Wer sich von ihnen "isoliert", der ist eben überhaupt isoliert. Sie sind die "Eigentlichkeit" des Zusammenhangs ("Wir sind die Krisis"), der Rest ist gar nichts, und sei es die Mehrheit. Wer sich von ihnen "isoliert", muss "verunsichert" sein, weil die anderen aktiven Mitglieder als Niemande zu gelten haben, vor allem die unbotmäßigen Frauen, die von ihnen so nett gemobbt worden sind.

Der kleine Widerspruch, dass sie sich selber isoliert haben, muss also von der Brudertruppe dahingehend aufgelöst werden, dass die Mehrheit des aktiven "Krisis"-Zusammenhangs, die sich inzwischen als EXIT!-Zusammenhang formiert hat, irgendwie "unzurechnungsfähig" sein muss. Es handle sich um Leute, die "den

Blick aus Demut und Treue tief gesenkt" (Karl-Heinz Wedel, a.a.O.) hätten vor dem Guru Robert Kurz und der "Höllenhündin" Roswitha Scholz. Es gehe um die "Reflexion einer Treue-Beziehung zu Kurz. Wobei sich eine falsch verstandene Treue in ein Verhältnis der Schuld verkehrt" (Karl-Heinz Wedel, a.a.O.). Wer den Interpretationen der Herren nicht folgt, befindet sich also per se in einem "Verhältnis der Schuld" und zählt nicht mehr. Die Definitionsmacht ist festgelegt, jedenfalls in der selbstlegitimatorischen Imagination.

Daß sie sich in eine Minderheitsposition manövriert hat, wird also von der Brudertruppe dahingehend interpretiert, dass die Mehrheit einem falschen Autoritätsverhältnis unterliege, einer "nicht hinnehmbaren Sonderstellung" (Karl-Heinz Wedel, a.a.O.), einem "bis zur Generalvollmacht gehenden Sonderstatus eines Robert Kurz" (a.a.O.), einer "Generalbemächtigung für Robert Kurz" (a.a.O.). Die Eigenständigkeit des übrigen "Krisis"-Zusammenhangs wird gelöscht, die definierten Niemande, auch die männlichen, erscheinen als bloße Anhängsel. Es erübrigt sich fast, zu sagen, dass dies ein Zerrbild der tatsächlichen Verhältnisse darstellt. Dass die übrigen Mitglieder des inner circle von "Krisis", durchwegs Leute mit eigenständigen Positionen, hier lange Zeit nichts anderes erkennen konnten als eine zunächst undurchschaubare Gruppendynamik, lag nicht an ihrem "verstellten Blick", wie die Brüder jetzt behaupten, sondern an ihrer Distanz. Jede und jeder von ihnen hat seine/ihre eigene Geschichte, eigene theoretische Interessen und Schwerpunkte, eigene Darstellungsformen und auch gelegentlich immer wieder Meinungsverschiedenheiten mit Robert Kurz oder Roswitha Scholz. Die gibt es im übrigen auch zwischen dem "Kampfhund" und der "Höllenhündin", etwa hinsichtlich einer wert-abspaltungskritischen Geschichtstheorie, ohne dass deswegen jemals eine wechselseitige Zerfleischung stattgefunden hätte. Wenn es eine "Sonderstellung" von Robert Kurz gibt, dann allein wegen der vorgelegten theoretischen Produktion, nicht aus Gründen einer autoritären "Generalbemächtigung" (wofür eigentlich?).

In Wahrheit nehmen die übrigen "Krisis"-Mitglieder des engeren Kreises, die sich vom "Coup" der Brudertruppe scharf distanziert haben, eine weitaus selbständigere und unbefangenere Position ein als letztere. Wer hier eigentlich ein Autoritätsproblem hat, ist niemand anders als die Bruderhorde selbst, die sich zuletzt nicht mehr anders als durch "Vatermord" zu helfen wusste, wobei die männernichtende, höllenhündische "Patriarchin" als böser Muttervater oder böse Vatermutter mit eingeschlossen wurde. Dieser ödipale Aspekt des Beziehungskonflikts ist völlig durchsichtig. Umso heftiger wird er von den Herren ebenso als angeblich "wahnhaft" abgestritten wie die männerbündische Struktur, die Ressentiments, Konkurrenzgefühle und alle daraus folgenden Handlungen. Die Brüder können ja auch vor lauter "Selbstreflektiertheit" kaum laufen; also kann nicht wahr sein, was nicht wahr sein darf.

Dabei muss man nicht besonders psychoanalytisch durchgebildet sein, um zu wissen, dass die ödipale Konstellation ebenso wie männerbündische Strukturen einen ganz gewöhnlichen Bestandteil bürgerlicher Beziehungsverhältnisse bildet. Es handelt sich nicht bloß um eine Familienkonstellation im engen Sinne, sondern um ein universelles Beziehungsmuster im historischen Kontext der männlich-weißen westlichen Subjektform. Dieses Muster für den "Krisis"-Beziehungskonflikt abzuleugnen, in dem es sogar besonders klar zutage liegt, zeugt von peinlicher Unreflektiertheit und Verdrängung aus Gründen einer ebenso unreflektierten männlichen Selbstwertproblematik.

Das ödipale Muster strukturiert einen geradezu vorprogrammierten Konfliktablauf. Die Ausgangskonstellation besteht darin, dass ein bürgerliches Autoritätsverhältnis eingegangen wird, so ziemlich das Gegenteil einer freien Vereinigung von Individuen. Eine vielleicht gegebene "sachliche" Autorität wird überformt von einem Verhältnis der persönlichen Selbstunterwerfung, in dem sich die strukturelle Unfreiheit des bürgerlichen Subjekts auf der individuellen Beziehungsebene reproduziert und den bürgerlichen Emanzipationsbegriff Lügen straft. Die Autoritätsperson (der "maximo leader") wird übermenschlich erhöht, angehimmelt, ikonisiert und eben diffus - "generalbevollmächtigt". Er soll das eigene ungelebte Leben lebendig machen, die Illusion vom "souveränen" Subjekt repräsentieren; wie ja auch die Konstitution der kapitalistischen "Souveränität" in der Modernisierungsgeschichte mit entsprechenden "Führerfiguren" im gesellschaftlichen Maßstab einherging.

In demselben Maße jedoch, wie sich die Widersprüche dieses Verhältnisses zuspitzen, das Ungelebte des eigenen Lebens schmerzhaft fühlbar und die Delegation der "Souveränität" unerträglich wird für das Selbstwertgefühl, läuft derselbe Projektionsmechanismus rückwärts ab: Die positive Fixierung schlägt in eine negative um, ohne dass die Fixierung als solche emanzipativ aufgelöst wird. Der einst angehimmelte "Übervater", die projizierte Autoritätsfigur, erscheint plötzlich als feindliche Über-Macht, Diktator und Monster. Es kommt zur Palastrevolution, zum (personalen) Ikonoklasmus, Denkmalsturz, Cäsarenmord und Vatermord. Der junge Mann "emanzipiert" sich vom Vater dadurch, dass er ein ebensolcher wird; das demokratische Konkurrenzindividuum "emanzipiert" sich historisch vom "großen Führer", indem es ihn verinnerlicht und sein eigener Diktator wird; der Junghirsch in der Führungsetage "emanzipiert" sich, indem er den alten Platzhirsch zu Tode forkelt und dessen Stelle hinter dem breiten Schreibtisch einnimmt.

Die "Krisis"-Brudertruppe, die in ihrem Beziehungskonflikt von einem ödipalen Muster nichts wissen will, reproduziert dieses bilderbuchartig bis zur Lächerlichkeit, und zwar in ihren eigenen nachprüfbaren Aussagen. Für die (inzwischen ziemlich graue) Vergangenheit des früheren "Beziehungsgefühls" zu Robert Kurz wird die "Rolle des Übervaters" (Peter Klein, i.e. Bernd Suffert, an die "Krisis"-Redaktion weitergeleiteter Brief an Franz Schandl vom 11./12.2.2004) festgestellt; und "es gab Zeiten, in denen ich mich ernstlich fragte, was aus mir werden würde, sollte (Robert Kurz) einmal etwas zustoßen, sollte es ihn einmal nicht mehr geben" (Peter Klein, a.a.O.). Robert Kurz sei "die Ikone im eigenen Kopf" (Peter Klein, Offener Brief an den "Krisis"-Koordinationskreis, 9.3.2004), eine Autoritätsfigur, "die wir verinnerlicht haben" (a.a.O.), ja geradezu ein "Jupiter" (a.a.O.). Dieses ödipale Verhältnis im Kontext der männerbündischen Struktur bekam seinen als Bruchlinie erkennbaren Sprung schon 1992 bei der Implementierung der Abspaltungstheorie, um sich als Autoritätskonflikt fortzusetzen und schließlich zum endgültigen Bruch zu führen, also sich gerade darin negativ zu bestätigen und zu erfüllen.

Wie nämlich wurde das ödipale Problem verarbeitet? Emanzipatorisch wäre es gewesen, sich dem autoritären Verhältnis "im eigenen Kopf" zu stellen und dessen Reproduktion durch eine Selbstauseinandersetzung zu unterbrechen, um die Projektion zu überwinden und zu einem anderen Verhältnis zu gelangen, das dann auch den "Krisis"-Zusammenhang weiter gebracht hätte. In diesem Sinne wäre es auch grundsätzlich angebracht, den bürgerlichen Begriff der "Leitfigur" kritisch zu reflektieren und die Perspektive eines Zusammenhangs radikaler Theoriebildung ohne ödipale Beziehungsstruktur zu gewinnen, also die inhaltliche Kompetenz und deren Anerkennung von "verinnerlichten" Autoritätsverhältnissen zu trennen. Natürlich auch selbstkritisch seitens dieser "Figur" selber, denn es wäre sicherlich albern, hier die eigene Rolle ausblenden zu wollen; das ginge jedoch nur durch eine reflexive Anstrengung, die einen solidarischen Zusammenhang voraussetzt, der nicht bereits durch Konkurrenzmotive und Selbstwertprobleme vergiftet ist.

Stattdessen wurde die ödipale Beziehung seitens der Brüder jedoch strikt geleugnet, was einzig dazu führen konnte, sie ihren klassischen Verlauf nehmen zu lassen. An die Stelle der Selbstauseinandersetzung, um die eigenen Projektionen zu durchschauen, trat also bloß die klassische Umkehrung der Projektion, die Verwandlung der positiven in eine negative Fixierung. Der innere Widerspruch musste veräußerlicht werden; statt der "verinnerlichten" Autoritätsbeziehung musste man die Person Robert Kurz äußerlich loswerden und sie deshalb zur Unperson machen. Die eigene Seite des Beziehungsverhältnisses wurde schlicht eskamotiert oder sogar (als die "gute", "selbstreflektierte", "sinnliche" usw.) positiviert, um die andere Seite durch pejorative Zuschreibungen als negativen Pol zu definieren. Aus der Ikone, dem Übervater, dem Jupiter etc. wurde also der böse "Berufsschriftsteller", der "übermäßig zuspitzende" Berufspolemiker, der unmögliche "Kampfhund"; und schließlich, auf das innere Beziehungsverhältnis bezogen, der angeblich diktatorische "Alleinherrscher" (Peter Klein, Brief vom 11./12.2004, a.a.O.) mit "Allmachtsphantasien" (a.a.O.), dessen üble diktatorische Rolle darin bestehe, "die Diskussion zu verhindern und zu unterdrücken" (Peter Klein, Offener Brief an den "Krisis"-Koordinationskreis, a.a.O.).

Daran ist nur so viel "wahr", dass das Aufnehmen der Abspaltungstheorie zumindest teilweise konfrontativ durchgesetzt wurde, was sich damit rechtfertigen lässt, dass dieser weitertreibende Ansatz sonst womöglich erstickt und Roswitha Scholz von der "Krisis"-Männerhorde an der Publikation sogar gehindert worden wäre. Es kann also nicht von einem (negativen) Autoritarismus schlechthin gesprochen werden, sondern der bestimmte (männerbündische, androzentrische) Kontext ist aufzumachen. Ähnliches gilt für die versuchte Rückkehr des Autors Peter Klein seit 2000 nach seinem Ausstieg 1992. Dass nicht allein Robert Kurz und Roswitha Scholz, sondern auch die Mehrheit des aktiven "Krisis"-Zusammenhangs keine Lust zeigten, sich noch einmal mit einem längst überwundenen Diskussionsstand auseinanderzusetzen, auf dem zum Beispiel immer noch behauptet wird, mit Kant sei kein Rassismus und kein Sexismus möglich, kann eben in gar keiner Weise zu der Behauptung verallgemeinert werden, es gebe eine allgemeine und grundsätzliche "Deckelung und Sistierung der Diskussion" (Peter Klein, a.a.O.) seitens eines durchgedrehten Diskurs-Diktators.

Die "Krisis"-Bruderhorde distanzierte sich zwar immer wieder von den allzu offensichtlich rückwärtsgewandt-androzentrischen Aussagen Kleins und wollte damit nicht in einen Topf geworfen werden; dennoch war diese Distanzierung keine offizielle und schon gar keine scharfe, sondern eine eher wohlwollend-eingemeindende, weil man(n) diese "Position" zumindest im Rahmen eines "wertkritischen Pluralismus" als zugelassene sehen wollte, um einen Brückenkopf des androzentrischen Universalismus im "Krisis"-Zusammenhang zu haben und die eigene Affinität dazu nach Gusto als Verhältnis von Distanz und Affirmation in der Schwebe halten zu können. Der inhaltlich diffuse Bezug auf diese Kleinsche "Position" wurde jedoch begleitet von einem rein positiven Bezug auf dessen Behauptungen hinsichtlich der Form der Diskussion, nämlich eben als Vorwurf der Diskurs-Diktatur gegen Robert Kurz. Das passte einfach zu gut zur eigenen Tendenz einer Negativ-Fixierung, die sich schon längst mit ganz gewöhnlichen Konkurrenz-Motiven, Ressentiments und Affekten gegen den Berufsintellektuellen aufgeladen hatte. Schließlich wurde Peter Klein mittels seiner Vorstands-Funktion im "Krisis"-Förderverein direkt in die Brudertruppe aufgenommen, um formal losschlagen zu können. Mit dem Aufgreifen der Kleinschen Formel vom jede "vernünftige" Diskussion abwürgenden angeblichen "Alleinherrscher" Robert Kurz nahm die Brudertruppe ihrerseits die "Mechanik der Subsumtion" in Anspruch, wie man(n) es eben gerade brauchte.

Ihrem Interpretationsmuster des Konflikts zufolge, das dessen ödipale Struktur ableugnete, wagten die Brüder "vor Kühnheit zitternd" einen grandiosen "antiautoritären Aufstand" gegen den durchgeknallten Diktator bzw. gegen das aus Robert Kurz und Roswitha Scholz bestehende ideelle Gesamtmonster. Hätte es sich jedoch tatsächlich um einen Akt der Emanzipation gehandelt, dann hätten die anderen aktiven "Krisis"-Mitglieder, zumindest die Mehrheit, überzeugt werden und mit ihnen gemeinsam eine Veränderung des Verhältnisses herbeigeführt werden müssen. Die Bruderhorde ging jedoch von vornherein davon aus, dass das nicht möglich wäre. Unfreiwillig ist dies das Geständnis, dass es in Wirklichkeit kein emanzipatorischer Akt sein konnte. Um den wahren Charakter auf eine allerdings sehr durchsichtige Weise zu kaschieren, mussten die übrigen Mitglieder des aktiven "Krisis"-Zusammenhangs eben für unzurechnungsfähig und "schuldbeladen" erklärt werden. Es konnte den Brüdern nicht mehr in den Sinn kommen, dass die anderen tatsächlich andere Erfahrungen gemacht hatten, dass sie die Behauptung vom jede kontroverse Diskussion "erstickenden" Diktator nicht nachvollziehen konnten. Schon gar nicht wollten sie wahrhaben, dass die anderen eben nicht in derselben ödipalen Autoritätsbeziehung standen und diese deshalb auch nicht in eine bloß negative Fixierung umschlagen konnte.

 

Der anti-emanzipatorische Charakter des Bruderhorden-Aufstands musste sich daher gerade darin zeigen, dass die Veränderung in der klassischen bürgerlichen Manier eines Machtanspruchs ablief: als putschistische Entmündigung von Redaktion und Koordinationskreis, in der Folge als Rückgriff auf formaljuristische Strukturen mit unsauberen Mitteln. Die Mehrheit wurde nicht überzeugt, sondern hintergangen, überrumpelt, ausgetrickst und einem selber diktatorischen Vorgehen unterworfen (ausdrücklich nach dem Muster des Schmittschen "Ausnahmezustands"). Oder, wie es einer der ihr formales Machtwort sprechenden Herren Vereinsvorstände ausdrückte: "..ein Platzhirsch läßt sich nur von dem Auftauchen eines anderen Platzhirschen imponieren" (Peter Klein, Brief vom 11./12.2.2004, a.a.O.). Das durch die eigenen Projektionen und das eigene Verhalten zustande gekommene Autoritätsverhältnis wurde nicht aufgelöst, sondern durch die Selbstkonstitution als kollektiver "Platzhirsch" (bei den einzelnen Brüdern reicht es nicht zu einem solchen) lediglich allen anderen gegenüber neu definiert als nunmehr tatsächlicher Unterwerfungsanspruch. Aus einem solchen Verhalten kann nie und nimmer eine freie, offene Vereinigung von Individuen ohne bürgerliche Autoritätsstruktur hervorgehen. Die Mittel dementieren den angeblichen Zweck. An die Stelle einer emanzipatorischen Auflösung des Autoritätsverhältnisses war nur die übliche Vollendung des ödipalen Kreislaufs getreten: in diesem Fall die "Machtergreifung" durch eine minoritäre Gruppe. Damit hatten die vermeintlich "Antiautoritären" sich nur praktisch bewiesen und selbst bestätigt als Ausgeburten der männlich-weißen westlichen Subjektform (MWW).

Es war ja auch nicht etwa eine Art neutraler Schiedsspruch, der hier vollstreckt wurde, sondern die Bruderhorde hatte sich ganz offen und aufreizend zum Richter in eigener Sache erklärt, was den usurpatorischen, unverschämten Machtanspruch doppelt unterstreicht. Selbst diese unverhüllte Dreistigkeit des "Willens zur Macht" musste aber noch geradezu zwanghaft mit süßlichem Softie-Lispeln vorgebracht werden: Man(n) habe ja niemanden gänzlich aus dem weiteren Zusammenhang hinausgeworfen, lediglich Roswitha Scholz und Robert Kurz aus Redaktion und Koordinationskreis (den einzigen Gremien der aktiven "Krisis"-Mitgliedschaft!) entfernt, nun ja, ein wenig gegen den Willen der aber ja leider unzurechnungsfähigen Mehrheit; und auch das nicht für immer, sondern nur so lange, bis die Betroffenen zur Besinnung gekommen wären, vielleicht ein paar Monate (oder Jahre?). "Der zeitweise Rückzug aus der Redaktion, mehr war nicht verlangt" (Karl-Heinz Wedel, Die Mechanik der Subsumtion, a.a.O.). Und Robert Kurz ebenso wie Roswitha Scholz dürften ja weiterhin ihre Artikel bei den Brudertruppen-Machthabern einreichen, die dann darüber in ihrer unendlichen Güte und Reflektiertheit befinden und den Grad der Gemäßigtheit prüfen würden. Wirklich reizend-aufreizend verpackt, dieser schmutzige Machtwille. Dass dies der endgültige Bruch und die Spaltung sein mussten, dass niemand von den anderen diesen Machtanspruch auch nur eine Sekunde lang hinnehmen konnte, war den Brüdern natürlich sehr bewusst. Aber dreiste Machtaktionen heißen ja heute bekanntlich stets "Friedensmissionen" im Namen der "Demokratisierung"; und in dieser Hinsicht befand sich die Brudertruppe ganz auf der Höhe der Zeit.

Betroffenheitskitsch und falsche Unmittelbarkeit

Dem Machtwillen der brüderlich-mafiotischen Gruppe nach innen als kollektiver "Platzhirsch" und MWW gegenüber dem "Krisis"-Zusammenhang entspricht umgekehrt proportional die "Mäßigung" der Wert-Abspaltungskritik nach außen, das Heruntertransformieren auf ein bewegungskompatibles Betroffenheitsniveau, wie es sich im Softie-Gebaren und im Affekt gegen den Berufsintellektualismus bereits angedeutet hat. Das Auftauchen des theoriefeindlichen Moments in der Theoriebildung selbst, die unvermittelte Berufung auf "das Leben" gegen die "Fiktionen" des abstrakten Denkens usw. signalisiert den Willen zur Entschärfung, um endlich Anschluss zu finden an die Bewegungs-Normalos, was man(n) sich als "Vermittlung" in die Tasche lügen möchte. Die Sachlichkeits- und Mäßigkeits-Maske ist mit dem Gesicht verschmolzen und vermittelt sich mit dem Wunsch zum "Dabeisein" um jeden Preis; die notwendige Distanz der kritischen Theorie wird preisgegeben zugunsten einer "Umgänglichkeit", die nichts anderes ist als Anbiederei.

Man(n) möchte "Gebrauchsanweisungen zur Arbeits- und Sozialkritik in Zeiten kapitalistischen Amoklaufs" (Untertitel des von Lohoff, Trenkle u.Co. herausgegebenen Sammelbands zur Arbeitskritik) geben. Wie alles an der Brudertruppe ist auch dieser Begriff der "Gebrauchsanweisung" ein Etikettenschwindel. Die Aufgabe der wert-abspaltungskritischen Theorie ist die begriffliche Zuspitzung, Analyse und Ideologiekritik, keine "Gebrauchsanweisung" für den Hausgebrauch einer Bewegungspraxis, deren klügere Protagonisten sich sowieso "Handlungsanweisungen" mit Recht verbitten werden. Da der Begriff des "Gebrauchs" hier grundsätzlich leer bleiben muss, weil Vermittlung nicht derart heruntergebrochen werden kann, läuft es auf ein allgemeines Mitschwafeln im Zeichen einer reduzierten, "umgänglich" gemachten Theoriebildung hinaus; eben einer "Wertkritik light".

Dazu passt, dass die theoretische Weiterentwicklung der Wert-Abspaltungskritik zur radikalen Kritik der Aufklärung und der männlich-weißen westlichen Subjektform nicht nur überhaupt moderiert und verwässert, sondern auch insofern in die "zweite Linie" zurückgenommen werden soll, als die "Arbeitskritik" auf heruntergebrochenem Pseudo-Vermittlungsniveau zum "Hauptschwerpunkt" erklärt wird. Die Dynamik der theoretischen Initiative und der "Begriffszertrümmerung" erlischt, die Zeit des Verharrens im vermeintlich bewährten und schon erreichten Begriffsraum einer Kritik der Arbeitskategorie und der politischen Form soll beginnen, weil die entscheidenden Konsequenzen einer radikalen Subjekt- und Aufklärungskritik an die Schmerzgrenze heranführen würden. In Wahrheit kann durch diese Bremsung der theoretischen Dynamik aber auch die Arbeitskritik nicht durchgehalten werden, weil das System der abstrakten Arbeit gerade mit dem androzentrischen Kern der Subjektform vermittelt ist. Man(n) möchte sich gewissermaßen theoretisch ausruhen, bevor es allzu ernst wird, und endlich ein warmes Plätzchen in der linken und Bewegungs-Öffentlichkeit finden.

Dieser Stillstand der theoretischen Dynamik, der zum Rückschritt werden muss, ist auch deswegen eingetreten, weil die "Krisis"-Brudermänner spüren, dass ihnen selber allmählich - wie uns allen - der kapitalistische Krisenprozess auf die Pelle rückt. Die drohende Prekarisierung der eigenen Lebensumstände verbindet sich in der Gruppen- und Psychodynamik mit der durch Konkurrenzgefühle und das ödipale Autoritätsproblem vermittelten Hetze gegen den Berufsintellektuellen und Berufspolemiker und mit der ideologischen Beschwörung des prallen "Lebens". Das geschieht in unterschiedlichen Graden und Ausdrucksformen einer Betroffenheits-Rhetorik, die auch ohne jeden Anspruch auf heruntergebrochene "Vermittlung" mit sozialen Bewegungsansätzen im Kontext einer rein hobbymäßig betriebenen "Edeltheorie" erscheinen kann: "Ich verkenne auch nicht, dass mein persönlicher Erfahrungshorizont als - wenn auch ausgestiegener - Arzt und Sohn einer Zahnärztin durchaus beschränkt ist. Ganz klar, daß ich den Kapitalismus vorzugsweise in jenen Aspekten darstelle und bekämpfe, in denen ICH ihn erfahren und erlitten habe. Stichwort: Isolierung und Vereinsamung des abstrakten Individuums" (Peter Klein, Brief an Robert Kurz und die Nürnberger "Krisis"-Gruppe vom 4.7.2000, Hervorheb. Klein). Diese Edel-Theoriebildung "in der ersten Person" stellt einen doppelten Reduktionismus dar, nämlich sowohl in den sozialen und gefühlsmäßigen Prämissen ("mein" Erfahrungshorizont und "mein" Erleiden, als wären Erfahrungen und Erleiden nicht von vornherein sozial und gesellschaftlich vermittelt, als müsste nicht diese Dimension schon im Ausgangspunkt mit eingehen) als auch in der theoretischen Reflexionsweise selber (als müsste diese, wenn sie denn die Höhe der vermittelten "Allgemeinheitszumutung" erreichen soll, nicht grundsätzlich die Beschränktheit der abstrakten Ego-Erfahrung sprengen, statt diese bloß in allgemeiner Form auszudrücken und damit unwahr zu bleiben).

Für die restliche Brudertruppe verlagert sich derselbe Impuls jedoch vom theoretischen Hobbykeller in eine nach außen getragene "Bewegungspolitik", die "das Leben" noch krasser zur ideologischen Spielmarke macht. Was dabei im Bewegungsbezug herauskommt, ist Anwamserei in Form von Betroffenheitskitsch, der die theoretische Kritik erst recht herunterzieht. Die Spannung zwischen begrifflicher Kritik bzw. Begriffskritik einerseits und Bewegungspraxis andererseits wird nicht mehr ausgehalten und scheinaufgelöst in klassische Muster von falscher Unmittelbarkeit. Immer mehr Textbeiträge (gut die Hälfte in den kotzgelb aufgemotzten "Streifzügen" 30/April 2004) könnten, ohne dass noch eine über seichte Phraseologie hinausgehende Vermittlung zu wert-abspaltungskritischen Positionen erkennbar wäre, in jeder beliebigen Linkspostille oder Gewerkschaftszeitung stehen. Dort mag so etwas akzeptabel sein, aber dafür bedarf es keines "wertkritischen Magazins".

(...) Das Muster von Anbiederung und falscher Unmittelbarkeit erscheint auch in der Art und Weise, wie sich "Streifzüge" und Rest-"Krisis" einen Praxisschritt als angebliche "Entkoppelung" von der Warenform in die Tasche lügen, nämlich in der Adaption des so genannten "Copyleft"-Prinzips, die keineswegs zufällig mit der putschistischen Hinaussäuberung des Berufsintellektuellen und der daraus folgenden Spaltung zeitlich in etwa zusammenfiel. Es handelt sich hier in gar keiner Weise um einen realen Eingriff in die Reproduktion, weder im Sinne einer immanenten Forderung noch im Sinne einer materiellen Entkoppelung irgendeines Lebensbereiches, sondern um eine rein juristische, auf der Ebene der Rechtsform und der Zirkulation verbleibende Angelegenheit, die dem Kapitalismus überhaupt nicht wehtut, sondern auf eine bloße Selbstenteignung von Textproduzenten hinausläuft.

Damit wird wieder einmal die eigene Not zur Tugend gemacht; und es passt ausgezeichnet zu den gehässigen Ressentiments gegen den Berufsintellektuellen, wenn die Amateur-Schreiber, die ihre Texte sowieso nicht in die größere Zirkulation hineinbringen oder nur in Medien zum Zuge kommen, für deren Honorare man sich gerade mal ein paar Dosen Katzenfutter kaufen kann, diese ihre eigene Prekarität zur "unbürgerlichen", "anti-wertförmigen" Großtat hochjubeln. Der antitheoretische Affekt, bei dem der erhabene Begriffskitsch stets unvermittelt in die falsche Unmittelbarkeit "des Lebens" abstürzt, und das billige Ressentiment können so qua bloßem Null-Wert zur Glorie der Transzendenz erhoben und der Berufsintellektuelle in den Geruch der "Bürgerlichkeit" gebracht werden, weil er sich nicht grundsätzlich zum Nulltarif anbietet und die Kontrolle über die eigenen Texte nicht verlieren will - Copyleft kann nämlich keinerlei Garantie geben, dass die rein formale "freie Nutzung" nicht auf eine völlig unkoschere Weise von dubiosen Medien und Figuren in Anspruch genommen wird (zur ausführlichen Auseinandersetzung mit dem Copyleft-Prinzip und dessen Begründungen vgl. den Text von Petra Haarmann in EXIT Nr. 1).

Noch bis vor nicht allzu langer Zeit wäre die Adaption einer Pseudo-Vermittlung wie des Copyleft-Prinzips im "Krisis"-Zusammenhang nicht ohne heftigen Widerspruch möglich gewesen. Nachdem nun aber durch den Hinauswurf der Mehrheit der bisherigen Redaktion und des bisherigen Koordinationskreises die weitertreibende theoretische Dynamik zum Stillstand gebracht worden ist und die Brudertruppe qua Machthaberschaft über den kläglichen "Krisis"-Restzusammenhang endlich mit vermeintlich gesicherten Resultaten im Gepäck ihren "Platz an der Sonne" im Bewegungs-Kontext suchen kann, gibt es kein Halten mehr, was eine ganz andere Dynamik angeht: nämlich eben das Herunterbrechen der theoretischen Kritik zur falschen Kompatibilität mit dem Bewegungsbewußtsein, zum verkürzten und verbilligten Verständnis des kategorialen Bruchs und zum seichten utopischen Populismus, um den Konsequenzen einer weitertreibenden theoretischen Kritik des MWW zu entgehen und es sich im Istzustand gemütlich zu machen. (...)

 

 

 

Es gab einen Ausweg - mit dem Projekt "Exit" ging’s weiter ...

 

 

Das Editorial der Exit! 1, 2004

 

Das vorliegende Heft ist das erste einer neuen Theoriezeitschrift. EXIT ist das Produkt einer der ganz gewöhnlichen Spaltungen, die schon lange zu den schlechten Gewohnheiten der Linken gehören. Jetzt ist auch die "Krisis" diesen Weg gegangen. Es gibt sie nicht mehr, jedenfalls nicht mit ihrem bisherigen Stamm von Autorinnen und Autoren und nicht als Zeitschrift im Horlemann-Verlag. Die ach so verschriene bürgerliche Rechtsform wurde in Stellung gebracht, um Robert Kurz und Roswitha Scholz auf administrativem Wege aus der Krisisredaktion zu entfernen, und in der Folge die Mehrheit derselben mit ihnen. Die Frage nach den ja keineswegs offenliegenden Gründen für einen solchen Bruch ist seitdem oft gestellt worden. Eine kurze Antwort darauf gibt es nicht, und für eine lange ist hier nicht der Platz. Die dazu notwendige Darlegung eines mindestens 12-jährigen Binnenkonflikts würde wohl das gesamte erste EXIT-Heft füllen, und dafür ist es uns zu schade. Schließlich haben wir wichtigere Themen zu behandeln, siehe unten. Die interessierten Leserinnen und Leser verweisen wir daher auf unsere im Internet unter http://www.exit-online.org/html/aktuelles.php veröffentlichten Erklärungsversuche, insbesondere auf die ausführliche Darstellung der Genese dieses Bruchs: "Die Revolution der Nettigkeit" von Robert Kurz.

Wir haben diese Spaltung weder gewollt noch herbeigeführt, doch wir leiden auch nicht (mehr) besonders an ihr. Anders, als von denen, die uns loswerden wollten, wohl vorhergesehen, und schneller, als auch von uns erwartet, ist das neue wertabspaltungskritische Projekt EXIT auf den Weg gebracht:

  • Ein inzwischen als gemeinnützig anerkannter Förderverein mit Sitz in Wuppertal, dessen Satzung für eine breitere Beteiligung aktiver Mitglieder sorgen soll,
  • die Internetpräsenz unter http://www.exit-online.org/html/aktuelles.php
  • die Theoriezeitschrift EXIT! in der bewährten Zusammenarbeit mit dem Horlemann Verlag.

Genauere Informationen zu den Möglichkeiten einer aktiven oder fördernden Beteiligung am Projekt sind den entsprechenden Infoseiten in diesem Heft zu entnehmen.

 

Personelle Veränderungen bringen beinahe zwangsläufig auch veränderte Akzentsetzungen mit sich. Hervorgegangen aus dem Theoriebildungsprozess der ehemaligen "Krisis", werden wir uns verstärkt darum bemühen, die Eierschalen des mit ihm verbundenen ableitungslogischen Objektivismus abzustreifen und die Kritik der männlich-weißen westlichen Subjektform voranzutreiben, gerade in diesen Zeiten einer "prowestlichen" Hurra-Ideologie bis in die Linke hinein. Über die weitere theoretische Fundierung einer Kritik der "abstrakten Arbeit" als Substanz des Kapitalverhältnisses wollen wir einen kritisch-solidarischen statt "linkspopulistischen", antisemitische Denkmuster bedienenden Bezug zu den aufkeimenden sozialen Bewegungen herstellen. Wir freuen uns über alle, die uns auf diesem Wege aktiv oder fördernd begleiten.

 

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EXIT!
229 Seiten, Broschur, € 11,00

• Abo-Lieferungen außerhalb Deutschlands zzgl. der Versandkosten.
• Das Abo ist jederzeit kündbar.

 

Neue Theoriezeitschrift
EXIT!
Krise und Kritik der Warengesellschaft
Nach dem Auseinanderfallen des bisherigen "Krisis"-Zusammenhangs erscheint im Horlemann-Verlag das Nachfolgeprojekt EXIT!, getragen von der Mehrheit der früheren "Krisis"-Redaktion mit bekannten Autoren wie Robert Kurz ("Weltordnungskrieg") und Roswitha Scholz ("Das Geschlecht des Kapitalismus").

Der Akzent soll bei EXIT! verstärkt auf die Auseinandersetzung mit den Grundlagen der Moderne im bürgerlichen Geschlechterverhältnis (Abspaltungstheorie), auf die emanzipatorische Kritik des westlichen Aufklärungsdenkens sowie auf eine Sozial- und Ideologiekritik im Kontext der neuen sozialen Bewegungen gelegt werden. Polemik und "gewagte Thesen" haben dabei weiterhin ihren Platz.

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Ist Robert Kurz ein Gesellianer? Ginge es nach Elmar Altvater, so müssten wir uns mit dieser Frage

ernsthaft auseinandersetzen (und die nächste Spaltung vorbereiten?). In seinem Beitrag Eine andere Welt mit welchem Geld? zum gerade erschienenen Attac-Reader Globalisierungskritik und Antisemitismus (2004) legt Altvater eine solche Seelenverwandtschaft nahe (S. 32): "Es scheint so, als ob Robert Kurz in der Frage der Abschaffung der Grundrente mit der Freilandbewegung einer Meinung sei." Die Freilandbewegung, von der hier die Rede ist, gehört zur kleinbürgerlichen, antisemitisch aufgeladenen Geldutopie des Silvio Gesell, die nicht das Kapital abschaffen will, weder Wert noch Mehrwert, sondern nur den Zins, auch den auf Grund und Boden. Nachzulesen und kritisch analysiert ist das alles bei Robert Kurz: "Politische Ökonomie des Antisemitismus", Krisis 16/17, 1995, 177 - 218. Nur hatte Kurz eben auch darauf hingewiesen, dass die Frage der Aneignung von Grund und Boden noch in einem ganz anderen Zusammenhang von Bedeutung sein könne als dem einer schlechten Geldutopie: nämlich dem einer sozialen Bewegung, die auf die Entkopplung von der Warenform zielt, von Luft, Liebe und Kritik allein aber nicht leben kann (auch nicht von freier Software). Folgte man der von Altvater vorgenommenen Gleichsetzung, so wäre damit allerdings nicht nur Kurz, sondern auch jede antikapitalistische, die Frage der materiellen Ressourcen einbeziehende Praxis per se gesellianisch. So hat er es aber nun auch wieder nicht gemeint, denn natürlich sei die Beschäftigung mit der Bodenfrage im Rahmen einer "solidarischen Ökonomie" von zentraler Bedeutung, wie es ein paar Zeilen später heißt. Was also soll das Ganze?

Altvaters Attacke erscheint völlig unvermittelt und fällt aus seiner sonstigen Darstellung auf eine Weise heraus, die einem als LeserIn selbst dann auffallen muss, wenn man den zitierten Text von Kurz nicht kennt. Dem scheint Altvater selber im Übrigen zu folgen, auch wenn er Analyse gern durch biographische Notizen ersetzt, so etwa über verschiedene Gesellianer, die bis 1945 Nazis waren und sich danach zum Ordo-Liberalismus eines Ludwig Erhard bekehrten. Für einen einführenden Text mag diese Darstellungsweise vielleicht angehen. Wer allerdings nicht nur biographische, sondern auch theoretische Zusammenhänge sucht, halte sich doch besser an das Kurz’sche Original.

Das hier konstatierte intellektuelle Foul Altvaters kommt nicht von ungefähr. Es gehört zu einem gegen die Wertkritik gerichteten Subtext von immerhin fünf der sieben Artikel im
Attac-Reader (eine Ausnahme bildet die lesenswerte Auseinandersetzung zwischen Heinz Düx und Klaus Meschkat zu antisemitischen Einstellungen in der deutschen Nachkriegslinken). Offenbar scheint Attac dem akademischen Traditionsmarxismus die Chance zu bieten, seine in den letzten Jahrzehnten verloren gegangene Bedeutung zurückzugewinnen, indem er sich an eine im Aufstieg begriffene soziale Bewegung hängt, wobei das auch dort inzwischen verbreitete "wertkritische Gedankengut" natürlich stört und daher zurückzudrängen ist. Das muss nun aber in einem Reader passieren, der eigentlich den Antisemitismus zum Gegenstand hat, was keine ganz leichte Aufgabe ist. Ganz so plump wie Altvater entledigen sich die anderen ihrer allerdings nicht. Die mehrheitlich angewandte Methode besteht vielmehr darin, die Wertkritik oder was einer dafür hält durch Hinweis auf einen anderen, nicht zum Reader gehörigen Text abzufertigen, der sie ein für allemal erledigt habe, jedenfalls mehr oder weniger.

Bei diesem Text handelt es sich um die Magisterarbeit des Haug-Schülers
Alexander Gallas mit dem Titel Marx als Monist? Versuch einer Kritik der Wertkritik (2003). Die von Gallas kritisierte "Wertkritik" ist allerdings eine aus bestimmten Versatzstücken  von ihm selbst konstruierte, wie bereits ein Blick auf seine Literaturliste zeigt: So bleibt etwa das Thema der Wertabspaltung dort wie in der Arbeit selbst ausgeblendet. Zur Erinnerung: "Der Grundwiderspruch der Wertvergesellschaftung von Stoff (Inhalt, Natur) und Form (abstrakter Wert) ist geschlechtsspezifisch bestimmt. Alles, was in der abstrakten Wertform an sinnlichem Gehalt nicht aufgeht, aber trotzdem Voraussetzung gesellschaftlicher Reproduktion bleibt, wird an die Frau delegiert." ('Abspaltungstheorem', Roswitha Scholz: "Der Wert ist der Mann", Krisis 12, 1992, S. 23). Bestandteil dieser Aussage ist ja immerhin auch, dass es da etwas geben muss, was im Wert nicht aufgeht, zur gesellschaftlichen Reproduktion aber gleichwohl gehört. Diese nach zwölf Jahren schließlich nicht mehr so neue Erkenntnis als wesentlichen Bestandteil der Wertkritik anzuerkennen, hätte allerdings bereits die Fragestellung der Gallas’schen Arbeit zum Einsturz gebracht, welche darauf basiert, der Wertkritik eine "monistische Konzeption kapitalistischer Gesellschaftlichkeit" zu unterstellen. Begründet wird das damit, die Wertkritik lanciere den Vorwurf, "der überhistorische Arbeitsbegriff der ‚Tradition‘ gehe auf die unbewusste Übernahme gesellschaftlich gesetzter Denkformen zurück, die insofern Historisches naturalisierten. So sei zu erklären, dass traditionelle Ansätze die Konstitution von Gesellschaft durch Arbeit zu anthropologischen Konstanten machten und damit der Kritik entzogen" (S. 13). Soweit richtig, wenn man von der Grammatik einmal absieht. Doch dann folgt der Kurzschluss: "Diese Überlegungen weisen uns auf die Problematik der Wertkritik hin. Ihr Diskurs ist um das Axiom einer monistischen Konzeption kapitalistischer Gesellschaftlichkeit zentriert; gesellschaftliche Prozesse werden als Bewegungsformen eines einzelnen Strukturprinzips - der Arbeit - gedeutet." Also: Wer Arbeit nicht für naturgegeben halte, sondern für historisch spezifisch, dem sei sie ein Strukturprinzip, aus dem alles andere zu erklären sei. Um es mit den von Gallas oft und gern gebrauchten Worten auszudrücken: Diese Ableitung vermag nicht zu überzeugen.

"Uns stellt sich die Frage, was für Folgen der Transfer hegelscher Denkfiguren in die Kritik der politischen Ökonomie hat. Klar ist, dass sich an dieser Frage entscheidet, ob die Ausarbeitung eines monistischen Gegenstandsverständnisses gelingt. Die Wertkritiker indes liefern nur dürre Andeutungen zu diesem Thema" (Gallas, S. 21), was eigentlich niemanden verwundern sollte, schließlich ist es nicht das unsere, sondern ausschließlich das von Gallas selbst. Wir freuen uns natürlich, dass wir jemandem zu akademischen Ehren verhelfen konnten. Und vielleicht ist es vom akademischen Traditionsmarxismus einfach nur zuviel verlangt, einen in Bewegung befindlichen Theoriebildungsprozess wie den der Wertabspaltungskritik anders als in den eigenen erstarrten, einer vergangenen kapitalistischen Epoche angehörenden Kategorien zu fassen, auch wenn ein solcher Versuch misslingen muss.

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Mit dem eigentlichen Thema des Attac-Readers, nämlich der inzwischen weitläufigen linken, aber auch bis in die bürgerlichen Medien reichenden Debatte um Rassismus, Antisemitismus, Geschlecht und Klasse im Kontext von Globalisierung und neuen sozialen Bewegungen, setzt sich
Roswitha Scholz in ihrem Artikel Neue Gesellschaftskritik und das Dilemma der Differenzen in Thesenform auseinander. Dabei geht es sowohl um die materiale Behandlung der ökonomischen Disparitäten durch Outsourcing, Subunternehmertum, informellen Sektor usw., als auch um die damit verbundenen postmodernen Individualisierungstendenzen. Gleichzeitig soll das spannungsreiche  Verhältnis von "Differenzen" (ethnischen, sozialen, geschlechtlichen etc.) und einer Gesellschaftskritik dargestellt werden, die weiterhin auf eine Totalitätsperspektive insistiert. In diesem Zusammenhang werden auch einige erkenntniskritische Konsequenzen der Abspaltungstheorie näher beleuchtet, nämlich das Verhältnis von Allgemeinheit der Wert-Abspaltung als übergreifendem Prinzip und Besonderheit der jeweiligen (u.a. auch länder- und kulturspezifischen) Situationen. Das Besondere soll nicht mehr aus dem Allgemeinen "abgeleitet" werden, sondern seine eigenständige Relevanz neben dem Allgemeinheitsverhältnis behalten. Dieses Vorgehen der kritischen Reflexion kann komplexen Verhältnissen eher gerecht werden als eine  klassisch-universalistische Ableitungslogik.

Der Themenschwerpunkt dieses Heftes:
Zur neuen Kritik der politischen Ökonomie beginnt mit dem ersten Teil der umfangreichen Studie Die Substanz des Kapitals von Robert Kurz, die den Begriff der "abstrakten Arbeit" in der Marxschen Kritik der politischen Ökonomie grundsätzlich aufarbeiten will. In einer kursorischen Einleitung zum Gehalt des Substanzbegriffs und - in Abgrenzung von einer Selbsteinschätzung der Moderne als "nachmetaphysisches Zeitalter" - durch eine Kennzeichnung des Kapitalverhältnisses als "Realmetaphysik" (Fetischismus) geht es zunächst um die philosophische Dimension des Problems. Im weiteren wird, in Konfrontation zur traditionsmarxistischen Arbeitsontologie, die (negative) Qualität der "abstrakten Arbeit" analysiert. Was ist eigentlich "abstrakt" in diesem Natur- und Gesellschaftsverhältnis, inwiefern handelt es sich um eine "Realabstraktion", um eine zerstörerische und selbstzerstörerische Praxis? Eng verbunden mit diesem Thema ist der moderne, abstrakte Zeitbegriff ebenso wie die kapitalistische Entwicklungsdynamik. Der Text setzt sich ausführlich mit dem jetzt in deutscher Übersetzung vorliegenden Werk von Moishe Postone: Zeit, Arbeit und gesellschaftliche Herrschaft auseinander. In dem für das nächste EXIT-Heft vorgesehenen zweiten Teil der Studie soll dann das Problem der Quantität der "abstrakten Arbeit" als Grundlage der Krisentheorie dargestellt werden.

Der Aufsatz
Die Realität des automatischen Subjekts von Christian Höner setzt sich mit einer bestimmten neueren Marx-Rezeption auseinander, die in Abgrenzung zur Wertkritik den Traditionsmarxismus durch eine philologische Neuinterpretation "retten" will. Exemplarisch dafür stehen im Rahmen der Marx-Gesellschaft (Frankfurt) die Texte von Nadja Rakowitz, die versucht, insbesondere den wertkritisch aufgenommenen Marxschen Begriff des Kapitals als eines "automatischen Subjekts" zu einem bei Marx angeblich in der Darstellung bloß provisorischen und wieder verschwindenden, auf die Zirkulationssphäre beschränkten Phänomen herabzusetzen. In der Widerlegung dieser Absicht wird der Begriff des "automatischen Subjekts" und in der Folge der des Fetischismus als gesellschaftliches Realverhältnis herausgearbeitet, während im Traditionsmarxismus wie bei Rakowitz die Vorstellung genährt wird, es handle sich bloß um ideologische, eigentlich "unwirkliche", dem vermeintlich handfesten "Klassenkampf" untergeordnete Phänomene.

In den USA wird vom Wall Street Journal bis zu linken Zeitschriften eine lebhafte Debatte zur Krisentheorie geführt, in überraschendem Gegensatz etwa zur Linken der BRD. Auslöser war eine Publikation des kalifornischen Theoretikers Robert Brenner, 1998 in der Left Review veröffentlicht. Der Kommentar
Im Westen nichts Neues von Petra Haarmann setzt sich mit Brenners Theorie auseinander und zeigt, dass dieser Ansatz sich zwar vom reduktionistischen Denken des traditionellen Marxismus zu lösen sucht, aber den Oberfächen-Kategorien der Volkswirtschaftslehre verhaftet bleibt und diese sogar ontologisiert, während er von den meisten linken Rezensenten bloß mit traditionellen Klassenkampf-Begriffen kritisiert wird. Die US-Debatte greift so zwar die Auseinandersetzung um die Marxsche Krisentheorie wieder auf, stößt aber nicht zu einer werttheoretischen bzw. wertkritischen Fundierung durch.

Dass der Kaiser nackt ist, gilt auch für die derzeit herrschende sogenannte neoklassische Volkswirtschaftslehre, die theoretische Grundlage der inzwischen parteiübergreifenden neoliberalen Wirtschafts- und Sozialpolitik. Der Beitrag
Markt-Märchen von Claus Peter Ortlieb zeigt, daß in den gängigen Lehrbüchern der neuen "Weltreligion" nicht nur absurde, idealisierende Annahmen und haarsträubende logische Fehler gemacht werden, sondern es auch mit der angeblich harten mathematisch-naturwissenschaftlichen Methodik hapert. Die Wirkmächtigkeit des neoklassischen Paradigmas, das keinen Krisenbegriff kennt, sondern nur ein auf Biegen und Brechen aufrecht erhaltenes Gleichgewichts-Dogma, während "Störungen" allein aus außerökonomisch bedingtem "Fehlverhalten" resultieren sollen, erweist sich so als eine rein ideologische.

Unter dem Titel "Copyleft" wird derzeit im Kontext des Ökonux-Ansatzes das "Prinzip" einer freien, unentgeltlichen Nutzung und Verbreitung von Texten propagiert, das "ein Türchen zu einer neuen Welt" aufstoßen soll, in der "die Regeln der Warengesellschaft nicht mehr gelten". Der Artikel Copyright und Copyleft von
Petra Haarmann stellt diese Behauptung auf den Prüfstand und kommt zu dem Ergebnis, daß es sich um einen Etikettenschwindel handelt. Erstens ist mit der abstrakten Prinzipienhaftigkeit von "Copyleft" die Möglichkeit gegeben, daß publizistische Produzenten, die sich einmal darauf eingelassen haben, von beliebigen Instanzen unentgeltlich "abgeschöpft" werden - unter den ansonsten völlig unveränderten Bedingungen der Warengesellschaft heißt das, dass praktisch niemand mehr seinen Lebensunterhalt durch Textproduktion bestreiten kann und eine intellektuelle oder künstlerische Existenz nur noch auf Freizeitniveau möglich wäre. Zweitens ist diese angebliche Subversion des Urheberrechts selber rechtsförmig und zeigt damit unfreiwillig, daß es sich um keine Transzendierung der Wertform handelt. Dieser Text von Petra Haarmann soll den Auftakt bilden für eine Auseinandersetzung mit Tendenzen eines neo-kleinbürgerlichen Utopismus, wie er sich neben den traditionsmarxistischen Restbeständen als weiteres regressives Produkt einer Verfallsgeschichte der Linken herauszuschälen beginnt. Der Begriff der "Aneignung" droht dabei den Denkmustern falscher Unmittelbarkeit zu verfallen und mit Elementen lebensphilosophisch-vitalistischer Ideologie angereichert zu werden. Besonders ärgerlich ist es, wenn solche Tendenzen sich ausgerechnet auf die Wert-Abspaltungskritik berufen. EXIT wird einer solchen romantisch-populistischen Instrumentalisierung und Vulgarisierung wertkritischer Ideen entschieden entgegentreten.

Die Rubrik Sozialkritik wird nach Möglichkeit auch in allen folgenden EXIT-Ausgaben mit einem Beitrag vertreten sein. Dabei soll es um eine kritische Auseinandersetzung mit Arbeitsverwaltung, Krisen-Verwaltung, "Ausländer"-Bürokratie etc. gehen, die auch ideologiekritische Kommentare zu populistisch-rassistisch-antisemitischer Pseudo-Sozialkritik nicht ausspart. In diesem Heft befasst sich der Beitrag
Der Zwang zur Selbstunterwerfung von Frank Rentschler mit den neuen Formen der Arbeitsverwaltung im Kontext von Hartz bzw. Agenda 2010 und deren ideologischen Hintergründen. Dabei wird u.a. die "Verfolgungsbetreuung" der Arbeitslosen und die teils vollzogene, teils erst noch geplante Umstrukturierung der Arbeitsämter (von der "Anstalt" zur "Agentur") kritisch analysiert.

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Hingewiesen sei noch auf eine weitere Publikation aus unserem Zusammenhang: Im Herbst erscheint im
Horlemann Verlag der Reader "Blutige Vernunft" von Robert Kurz. Darin sind die wichtigsten Texte zur Kritik der Aufklärung zusammengestellt, wie sie sich aus der Wert- und Wertabspaltungskritik entwickelt hat; sowohl die aktuelleren, im Ex-Krisis-Zusammenhang bereits umstrittenen aus den letzten drei Krisis-Nummern als auch der inzwischen vergriffene Text Subjektlose Herrschaft von 1993.

Claus Peter Ortlieb für die EXIT-Redaktion im Juli 2004

 

 

 

Die Spaltung der Krisis hinterließ auch in Wien Spuren ...

 

"Es war nicht unser Anliegen, diesen Schritt öffentlich zu machen; wir hatten uns aus der Redaktion verzogen wie ein Furz im Wald. Wir wollten keine Schmutzwäsche waschen. Das Erscheinen von "Streifzüge" 32 hat aber dazu beigetragen uns auf die Sprünge zu helfen. War unsere Absicht gewesen, nicht öffentlich unsere Wunden zu lecken oder neue zu schlagen, so zeigte uns die letzte Nummer der "Streifzüge", wie sehr dies vergebene Liebesmüh’ war".

Erklärung von Heinz Blaha und Gerold Wallner zu ihrem Ausscheiden aus der Redaktion der "Streifzüge"

Die Redaktion der Zeitschrift "Streifzüge" hat zwei Mitglieder verloren: Im Impressum der letzten Ausgabe scheinen wir, Heinz Blaha und Gerold Wallner, nicht mehr auf. Dies wäre in einem herkömmlichen Periodikum keiner Erwähnung wert und es erregt ja höchstens der Wechsel in der Chefetage bürgerlicher Blätter ein gewisses Aufsehen. So hat denn die Redaktion, die (zugleich) auch aus den Mitgliedern des Leitungsorgans des Medieninhabers besteht, kein Aufhebens um unser Ausscheiden gemacht, gerade so, als hätten wir es uns verbessern können oder schlicht die Lust verloren. Zwar ist beides der Fall, aber das ist eine längere Geschichte, wie so vieles in der Welt.

Tatsache ist, dass unser Ausscheiden einer mäßig bis gar nicht geführten inhaltlichen Diskussion geschuldet ist.

Es wird dem aufmerksamen Publikum nicht entgangen sein, dass seit April dieses Jahres die "Streifzüge" in neuem Gewand erschienen sind. Unserer Ansicht nach stammt diese Garderobe aus derselben Schneiderei, die für des Kaisers neue Kleider zuständig war, und nackt sehen dann alle gleich aus. Wir haben diese Gefahr, dass die Streifzüge zu einem verwechselbaren Produkt in den Markthallen werden, wohl im Voraus geahnt; was uns an den "Streifzügen" gefallen hat, war eben ihre äußere Kargheit, die auf eine inhaltliche Dichte hinzuweisen angetan war. Die Umstellung auf Gefälligkeit in Form und Inhalt, vom angepassten Layout bis hin zu Glossen, Kommentarformaten und Kolumnen über Popkultur, war aber gleichzeitig mit einer angebahnten vertieften Kooperation mit dem Periodikum "krisis" verbunden. Franz Schandl, der Redakteur beider Organe ist, argumentierte einerseits mit vermehrten Synergieeffekten, andrerseits mit dem Vollzug einer Arbeitsteilung, im Zuge dieser die "krisis" für die Theorie, "Streifzüge" dann für Glossen, kürzere Aufsätze und Ähnliches zuständig sei (s.: http://www.krisis.org/editorial_krisis28_2004.html). Wie weit dieses Vorhaben gediehen ist, kann nun gesehen werden, und ein jedes kann sich selbst ein Bild machen.

Im Diskussionsprozess um diese Umstellung wurde aber von unserer Seite zur Debatte gestellt, dass zu diesem Zeitpunkt das Projekt "krisis" von persönlichen Zerwürfnissen geprägt war, die ihre Auswirkung auf die Theoriebildung hatten. Ebenso hatten sie ihren Grund in der Theoriebildung; Roswitha Scholz’ Arbeiten zur Abspaltung wurden in ihrer Dynamik und Konsequenz nie wirklich begriffen; eine Weiterführung ihrer Arbeiten dazu ist aber höchst aktuell. Als Robert Kurz in Konsequenz aus der Wertabspaltungstheorie zu einer Kritik des bürgerlichen Subjekts schritt - auch dies in seinen Auswirkungen im "krisis"-Zusammenhang noch nicht vollständig begriffen -, kam es zu Versuchen, das Erscheinen eines Artikels, der in diesem Zusammenhang das Gesamtparadigma Aufklärung höchst kritisch, ja ikonoklastisch beleuchtete, zu hintertreiben. So weit aber diese Zerwürfnisse, die zu einer inhaltlichen Stagnation zu führen drohten, nicht ausgeräumt waren, war für uns eine vertiefte Zusammenarbeit mit "krisis" zwar nicht undenkbar, aber doch von inhaltlichen Klärungen abhängig. Mit einem zerstrittenen Haufen, der sich über die weitere Entwicklung des eigenen Projekts nicht klar war, würde doch ein Zusammengehen eher hemmend wirken.

Unberührt von diesen Einwürfen wurde das Projekt "Streifzüge - neu" durchgezogen. Etwa zeitgleich kam es in der "krisis" zur Klärung der Differenzen, indem die persönlichen Zerwürfnisse, die einer verschiedenen Orientierung über inhaltliches Weitertreiben der Theoriebildung und über gesellschaftliche Praxis geschuldet waren, zum Anlass genommen wurden; was in einer schon verweigerten Diskussion an gegenseitigen Vorwürfen gemacht worden war, wurde nun einseitig einem Einzigen in die Schuhe geschoben. Er wurde von jenen, die heute als "krisis" firmieren wollen, als "nicht gremienfähig" bezeichnet (wobei dies - bei Licht betrachtet - für linke Leute ebenso wenig ein Vorwurf sein sollte wie etwa "vaterlandsloser Geselle") und ein administratives Szenario wurde, gut vorbereitet, aber mit zweifelhaften Mitteln, abgerollt. Robert Kurz sollte gezwungen werden, sich aus der Redaktion zurückzuziehen, zwar weiter seine Artikel in der "krisis" publizieren, aber sich jeder inhaltlichen und organisatorischen Mitsprache enthalten. Als Ergebnis dieser Zumutung kam es zum crash, der ausführlich dokumentiert wurde (s. zum Beispiel: http://www.giga.or.at/others/krisis/erklaerung_krisisspaltung.html, aber auch: http://www.exit-online.org/html/aktuelles.php, Aktuelles - Zur Spaltung der Krisis).

Dies hatte seine Rückwirkungen auf die Situation in Wien. Durch die Verschränkung von "krisis" und "Streifzüge", einerseits durch die Person Franz Schandls, der in beiden Organen tätig und an der so genannten Klärung federführend beteiligt war, andrerseits durch das auf die Schiene gesetzte Projekt einer Engführung von "krisis" und "Streifzüge", war die Redaktion zu einer Stellungnahme gezwungen. Diese fiel so aus, dass unhinterfragt das Vorgehen Schandls, wenn nicht ohnehin gebilligt, so doch jeden Falls akzeptiert und abgesegnet und nicht zur Debatte gestellt wurde. Wir reagierten darauf mit einem zunächst informellen schleichenden Rückzug, während dessen wir unsere Position überprüften. Es war uns schnell klar, dass wir den Schritt der nunmehrigen "krisis"-Gruppe nicht akzeptieren und mittragen würden. Wir erklärten unseren Austritt aus der "Streifzüge"-Redaktion und schlossen uns dem Projekt "Exit!" an, das von der Mehrheit der ehemaligen "krisis"-Redaktion initiiert wurde.

So weit so schlecht.

Es war nicht unser Anliegen, diesen Schritt öffentlich zu machen; wir hatten uns aus der Redaktion verzogen wie ein Furz im Wald. Wir wollten keine Schmutzwäsche waschen. Das Erscheinen von "Streifzüge" 32 hat aber dazu beigetragen uns auf die Sprünge zu helfen. War unsere Absicht gewesen, nicht öffentlich unsere Wunden zu lecken oder neue zu schlagen, so zeigte uns die letzte Nummer der "Streifzüge", wie sehr dies vergebene Liebesmüh’ war. In seinem Beitrag "Denunziation!" geht Franz Schandl auf die Vorfälle, an denen er beteiligt war und die er mitgestaltet hat, ein, freilich ohne sie beim Namen zu nennen. Er bezichtigt der Denunziation, nein, er warnt vor Denunziation, nein, nicht einmal das, er beschreibt Denunziation in dem ihm recht eigentlichen Stil: "Denunziation meint Substantivierung" (was immer das in diesem Zusammenhang meinen mag) "hin zu einem Unterschied ums Ganze. Diese Differenz wird zum elementaren Ereignis aufgeblasen, meint Sein oder Nichtsein. Die Verwandtschaft zum Inklusions- und Exklusionsprinzip der Konkurrenz ist unverkennbar. Denunziation inszeniert Entwürdigung, die ja nichts anderes darstellt als eine ideelle Entwertung. Es geht um soziale Kontrolle eines gesellschaftlichen Feldes, auch wenn es sich nur um ein Szenesegment handelt: Hier bestimmen wir!"

Das schreibt er also und unsere erste Vermutung war die, dass es sich um eine etwas ausführlicher geratene Vorstellung des Autors selbst handeln dürfte, mit einer verklausulierten, abrisshaften Angabe seiner Motivlage im "krisis"-Konflikt, seiner Haltung gegenüber Robert Kurz und GenossInnen. Erst später wird klar, dass hier der Rufer in der Wüste zu uns spricht: "Die verkappte bürgerliche Form des Stalinismus steckt der Linken immer noch in den Knochen. Auch wenn er politisch tot ist, lebt er in den Psychen fort. Er tradiert sich, will nicht vergehen. Wer da meint, ganz frei davon zu sein, lügt. Aber doch ist es ein Unterschied, ob man sich dieser Disposition stellt oder sich ihr unterstellt, also hingibt, und den Kampf nach der Zahl der ausgeteilten Schläge und geführten Schlachten, nicht aber nach den ausgelösten Denk- und Handlungsprozessen beurteilt."

Schreibt er und ist außerdem noch persönlich betroffen: "Ob das nun die ungustiösen Vorgänge in der KPÖ sind, das antideutsche Syndrom in der deutschsprachigen Linken, die blindwütige Ignoranz des Antiimperialismus oder der Crash in der Krisis-Gruppe, sie haben eines gemeinsam: Kommunikation findet in einer Form statt, die die Individuen nicht fördert, sondern geradezu durchstreicht. Man lese diverse Tiraden, insofern man den Nerv dafür hat."

Schreibt er und wie der Schelm denkt, so ist er: "’Wie du mir, so ich dir’, schreit das bürgerliche Konkurrenzsubjekt, denn Gleiches muss mit Gleichem vergolten werden. Und es ist manchmal sehr schwierig, dieser Versuchung zu widerstehen. Demut wäre indes des Öfteren angebracht, wo vorschnell zur Demütigung gegriffen wird."

Schreibt er und lässt sich sekundieren. "Warum nichts mehr geht ..." heißt der hilfreiche Beitrag, in dem wir unter dem Zwischentitel "Die Pathologie der Gesellschaft betrifft auch ihre KritikerInnen" lesen: "Diese" (die bürgerliche) "Lebensweise ist hochgradig pathogen. Psychische Gesundheit lässt sich nur noch als das durchschnittliche, einigermaßen stabile und daher unauffällige Maß an Krankheit definieren. ... Die krankhafte Verfassung der Individuen wird jedoch meist ignoriert, ja als Tabu behandelt. Jemandes ’ausrastendes’ Verhalten zu ’pathologisieren’ (aus seinem Leiden, seiner Krankheit zu erklären, an der so gut wie jede/r teilhat) gilt nicht als nahe liegend, sondern ist verpönt. ... Dies gilt freilich keineswegs nur für unreflektiert dahinlebende ZeitgenossInnen, sondern auch für GesellschaftskritikerInnen. Dass auch das eigene alltägliche Verhalten, die eigene kranke Seele zum Gegenstand der Erkenntnis und Kritik zu machen wäre, wird meist als Psychologisiererei verachtet oder liegt von vornherein im blinden Fleck der eigenen Wahrnehmung. ... Die Folgen sind so banal wie destruktiv: Geltungsdrang und Eifersucht, Hackordnung nach Hoch- und Minderleistern, Autoritätshörigkeit, Verletzung und Ranküne, Gezänk und Mobbing usw. Die verheerenden Verarbeitungsformen der wertgesellschaftlichen Realität und ihres wachsenden Drucks, werden auch bei und von Menschen, die ansonsten um ein sehr hohes Reflexionsniveau bemüht sind, als ’Privatproblem’ und ’spezieller Fall’ betrachtet und entsprechend der Leistungshierarchie gegen Hochleistungen aufgerechnet (wenn nicht gar als neuester Geniestreich angenommen) oder aber als Bestätigung der Minderleistung betrachtet. Dass dieser flächendeckende Zustand kaum thematisiert, geschweige denn behandelt wird, erschwert die Formierung von geistigem und praktischem Widerstand gegen die Zumutungen, ja oft schon dessen adäquate Formulierung ungemein, wenn es sie nicht schon im Ansatz vereitelt."

Also die Sache ist klar, wenn wir uns diese Diagnose in geläufiges Deutsch übersetzen. Pathologisieren bedeutet nun nicht, jemanden krank zu reden, krank zu machen, als krank zu bezeichnen, es bedeutet, die unhintergehbaren gesellschaftlichen Verhältnisse an einer Person als Krankheit zu entdecken und sie darauf anzusprechen. Blöd ist halt nur, wenn diese Person partout nicht darauf hören will, vielleicht sogar mit dem Hinweis darauf, dass es eben allgemeine Verhältnisse wären, die für jene, die die Krankengeschichte vorlegen, genauso gelten, von ihnen aber instrumentalisiert würden dergestalt, dass aus dem Allgemeinen der Einzelfall eines Uneinsichtigen konstruiert wird, was das Krankheitsbild nur bestätigt. Kennen wir dies nicht aus den Kommunikationsseminaren, die uns unser Berufsleben noch verschärfen? Was als Ergebnis Anpassung und Mitläufertum hervorbringen soll, wird mit oder ohne Beipackzettel als therapeutische Chance verkauft.

Ein schönes Stück Betriebspsychologie wird hier ausgebreitet: Da wird der aufmüpfige und unangepasste, besserwisserische Prokurist auf Erholungsurlaub geschickt und wenn er zurückkommt, ist sein Posten neu besetzt. Für ihn wird sich schon was finden, wo er sich nicht so echauffieren muss und sein Leidensdruck gemildert wird. Ob er mit seiner Kritik an der Unternehmensleitung vielleicht sogar recht gehabt hat, steht nicht zur Debatte. Hauptsache, er war krank und ist jetzt wieder hergestellt. Unn wat dem een sin uul, is dem annern sin nachtigal. Der eine verwahrt sich gegen Denunziation und der andere beschreibt vorher, welche Argumente und ihre Anwendungen vom geneigten Publikum als Denunziation zu verstehen seien. Der eine schreibt von Moral und korrektem Verhalten, der andere von Objektivität. Der Moralische will, dass alle gut zueinander sind, der Objektive weiß, dass wir alle krank sind. Der Moralische will, dass wir alle wieder gesund werden, der Objektive weiß, dass wir dazu das "ausrastende Verhalten" aneinander "pathologisieren" müssen - und beide meinen, streeeng solidarisch natürlich.

Wir hatten und haben vor, uns auf unsere inhaltlichen Diskussionen (als Mitglieder von "Exit!") zu beschränken und nur diese publik zu machen in der kleinen Öffentlichkeit einer (wertabspaltungs-)kritischen Szene in Wien. Was "Streifzüge" tun und lassen, berührt uns nur am Rande. Unsäglich ist aber die Art, in der sie mit einem Konflikt umgehen, den sie selbst vom Zaun gebrochen haben, als selbstproklamierter Partner und Verbündeter derer, die nun "krisis" ausschlachten und deren Nachlass erbberechtigt verwalten wollen. Da unser Ausscheiden mit diesem Konflikt ursächlich zusammenhängt, dieser Konflikt nun als objektive Notwendigkeit gegen ein krankhaftes, krankes und krank machendes Verhalten von Kurz et al. an das geneigte Publikum heran getragen wird, brechen wir unser Schweigen: Unser Ausscheiden hat nicht die Gründe, dass ein übermächtiger, alles beherrschender, sich in Schimpftiraden voll unziemlicher ausrastender Unhöflichkeit ergehender Größenwahnsinniger die Arbeit durch Gremienunfähigkeit lähmt. Das ist in Wien nie vorgekommen. Der Grund unseres Ausscheidens liegt in der Verkleisterung der inhaltlichen Differenzen, die im "krisis"-Zusammenhang aufgebrochen waren, einer Verkleisterung, die durch das Projekt "Streifzüge - neu" zementiert wurde und einer Beteiligung am administrativen Vorgehen gegen die Redaktionsmehrheit von "krisis" Vorschub leistete.

Und nun wird dieser Konflikt dargestellt, als wüssten die Beteiligten nicht, wie ihnen geschah. In der zitierten Erklärung (http://www.giga.or.at/others/krisis/erklaerung_krisisspaltung.html) stellt die "krisis"-Redaktion, darunter auch Franz Schandl, fest: "Am 3.4.2004 stiegen Robert Kurz, Roswitha Scholz und einige ihrer AnhängerInnen aus dem Projekt Krisis aus." In den neu erschienen "Streifzügen" wird über das Ereignis aber so geschrieben, als wäre es in weiter Ferne vonstatten gegangen und hätte in Wien keine Spuren hinterlassen. Wenn schon das Aussteigen nicht als Hinausdrängen kenntlich gemacht wurde, wenn schon nicht die Empörung, sondern schiere Gefolgschaft dafür verantwortlich dargestellt wird, dass Kurz und Scholz nicht allein die "krisis" verlassen mussten, die anderen aber auch einer namentlichen Erwähnung nicht für wert befunden wurden, wohl weil dann klar würde, welchen Qualitätsverlust sich der übrig gebliebene Haufe einhandelte, so wird, um gänzlich den Mantel der traurigen Schicksalhaftigkeit über dieser Angelegenheit mit Vernunft und Objektivität zu lüften, in Wien dies alles so dargestellt, als hätte da eins den Stein der Weisen gefunden und wüsste nun, wie Leute miteinander umzugehen hätten. Und halten die sich dann nicht an die luziden Ausführungen, aus denen wir zitiert haben, beweist und belegt dies doch nur das an ihnen konstatierte Krankheitsbild.

Wir hätten diese Erklärung nicht abgegeben, wenn "Streifzüge" sich auf seine ihm zukommende Journalistik beschränkt hätte - Arbeitskritik und Feuilleton. Wenn aber in Moralpredigten der Betroffenheit über die Fährnisse in dieser Welt und über die Uneinsichtigkeit der AkteurInnen in ihr Ausdruck verliehen wird, entgegnen wir in Ruhe und würdevoller Gelassenheit und berufen uns dabei auf Johann Nepomuk Nestroy: "S is ollas net woa!"

gerold wallner, heinz blaha

 

 

 

 

++++ mit "EXIT" geht’s weiter ++++ mit "EXIT" geht’s weiter ++++

 

 

Das Editorial der Exit! 2, März 2005

Krise allenthalben: Auch im Jahre 2004 haben die Konsumenten die Umsatzziele des deutschen Einzelhandels in unverantwortlicher Weise verfehlt. Im dritten Jahr nacheinander ging die private Nachfrage zurück, und die Experten rätseln immer noch, woher denn die der deutschen Wirtschaft so abträgliche, neuerdings auch in Gestalt des "Rabattwahns" (Spiegel) auftretende "Sparwut" wohl kommen möge. Soviel haben auch die "Wirtschaftsweisen" inzwischen immerhin begriffen, dass nämlich die deutsche Volkswirtschaft von ihren Exporterfolgen allein nicht leben kann. Lassen wir sie weiter rätseln, sie hören ja doch nicht auf uns.

In die Dauerkrise ist offenbar auch das deutsche Bildungssystem geraten, wie der fast schon alljährlich wiederkehrende "PISA-Schock" zeigt. Der Schock besteht darin, dass Deutschland im internationalen Vergleich nur "Mittelmaß" ist, was nicht sein dürfe, da die Bildung das "Humankapital" bereitstelle, das die "Basis allen Wohlstands" sei, sodass der Abstieg in der globalen Konkurrenz drohe. Die möglichen Maßnahmen gegen diese unerträglichen Aussichten stehen allerdings unter Finanzierungsvorbehalt und halten sich entsprechend in Grenzen: Während Schleswig-Holsteins SPD-Ministerpräsidentin im Wahlkampf plötzlich die "Schule für alle" entdeckt, als ginge es darum, die allgemeine Schulpflicht endlich einzuführen, setzt die CDU auf das gute alte Gymnasium, "Leistungsanreize" und zentrale Kontrollen. Die FDP schließlich führt die schlechten PISA-Ergebnisse auf die zu geringe Kinderzahl der "Besserverdienenden" zurück und möchte mit Anreizen der etwas anderen Art lieber an dieser Stelle ansetzen.


EXIT! No. 2
Krise und Kritik der Warengesellschaft

ca. 220 Seiten, Broschur, ca. € 12,00
ISBN 3-89502-196-2

Erscheint im März 2005

Krisenverarbeitung und Krisenideologie
Das Projekt EXIT!, Krise und Kritik der Warengesellschaft nimmt Fahrt auf. Das erste, im August 2004 erschienene Heft der neuen Theoriezeitschrift hat eine große Resonanz und eine weite Verbreitung erfahren.

Viele neue Leserinnen und Leser, aber auch "neue" Autorinnen und Autoren melden sich zu Wort. Es zeigt sich, dass es möglich ist, eine kritische, der Theorie verpflichtete Zeitschrift herauszugeben, ohne theoretisch zu verflachen oder dem verbreiteten Bewegungspopulismus anheim zu fallen.
Mit dem Text "Gott in Gesellschaft der Gesellschaft" führt Jörg Ulrich eine von Walter Benjamin bereits 1921 aufgeworfene und lange Zeit in Vergessenheit geratene Fragestellung in die wertkritische Diskussion ein.
Petra Haarmann eröffnet den Themenschwerpunkt dieses Heftes: Krisenverarbeitung und Krisenideologie mit dem Text "Das Bürgerrecht auf Folter". Dabei geht es nicht um eine Überspitzung der mittlerweile Alltag gewordenen Meldungen über Folterungen, sondern um einen juristischen Meinungsstreit, der bereits seit 1992 mit allem professoralen Ernst an deutschen Universitäten bis in die Staatsexamina hinein geführt wird.
Hinter der Transformation der ehemaligen Wohlfahrtsstaaten in autoritäre Workfare-Regime steht die Vision einer Dienstbotengesellschaft. Frank Rentschler zeigt in seinem Beitrag "Der aktivierende Staat als autoritärer Rettungsversuch", dass diese keineswegs geschlechtsneutral ist.

Weitere Beiträge: Roswitha Scholz "Der Mai ist gekommen. Ideologische Verarbeitungsmuster der Krise in ,wertkritischen‘ Kontexten". Carsten Weber "Ein Problem positivistischer Eigenart. Das Elend der traditionsmarxistischen Antikritik am Beispiel des Haug-Schülers Alexander Gallas". Robert Kurz "Die Substanz des Kapitals - Teil 2". Jörg Ulrich "Die Theologie des automatischen Subjekts. Anmerkungen zu Christian Höners ,Die Realität des automatischen Subjekts‘". Udo Winkel "Weiterwursteln. Zur Lage der Soziologie" und "Zur Neuherausgabe der Marxschen Frühschriften".

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Tatsächlich kann wohl als gesichert gelten, dass in keinem anderen vergleichbaren Land Bildungschancen so stark von der sozialen Herkunft abhängen wie in Deutschland; der bei weitem aussagekräftigste statistische Indikator für Schulerfolg ist hier immer noch das Gehalt des Vaters. Doch will das ernsthaft jemand ändern? Die Sparmaßnahmen im Bildungsbereich jedenfalls zielen schwerpunktmäßig auf solche Einrichtungen, die noch ein gewisses Mindestmaß an Chancengleichheit (Gleichheit der Waffen in der kapitalistischen Konkurrenz) herstellen könnten. Und auch das hat durchaus seine Logik, dem allgemeinen Gejammer über die zu geringe Zahl von Akademikern und "hochqualifizierten Fachkräften" zum Trotz. Unter der aufziehenden Vision einer Dienstbotengesellschaft mit vergleichsweise wenigen High-Tech-Experten auf der einen und einem Heer schlecht bezahlter Dienstbotinnen auf der anderen Seite (vgl. den Beitrag von Frank Rentschler in diesem Heft) kann die Durchlässigkeit des Bildungssystem gar nicht gewünscht sein. Für das Bildungsbürgertum wäre es nämlich vor allem die Durchlässigkeit nach unten. Also werden die schlechten PISA-Zensuren für das deutsche Bildungssystem nach bekanntem Muster gegen seine Opfer gekehrt, die den Anforderungen nicht genügenden Schülerinnen und Schüler: Die Standards werden einfach bürokratisch festgesetzt, und gleichzeitig werden die zu ihrer Erfüllung erforderlichen Rahmenbedingungen weiter verschlechtert. Das nennt sich dann wohl "Elitebildung". Wo alles den Bach runtergeht, sind wenigstens die wie diffus auch immer bestimmten "Werte" hochzuhalten; und wenn die Wirklichkeit, hier in Gestalt der mit den neuen / alten Bildungsstandards beglückten Kinder und Jugendlichen, sich dem nicht fügen will: umso schlimmer für sie.

Auch eine als radikal sich bloß missverstehende Kritik verfällt dem Zeitgeist der konservativen Krisenverarbeitung einer Neubesinnung auf die alten Werte. Franz Schandl gehorcht ihm, als verstehe sich das von selbst, in seinem großenteils aus alten Textbausteinen zusammengeschusterten und auf neunundvierzig Seiten breitgetretenen Elaborat "Fan und Führer" im dünnen Krisis-Heft 28. Was alle Pädagogen im Munde führen, ist auch ihm geläufig (S. 40): "Fernsehen, Video, DVD, Internet, Handy, Gameboy" sind schuld, weil sie die Kinder vom Lesen und der Auseinandersetzung mit anderen Schwierigkeiten abhalten, deren Bewältigung uns Ältere schließlich noch zu dem gemacht hat, was wir sind. Folglich ist die Tochter vom Fernsehen weg zu zerren und der "Aktivität und Kreativität" zuzuführen "in der oft üblen Szene des Szenenwechsels (weg vom Kastl hin zum Musikinstrument)", also offenbar auch gegen ihren Willen. Der werte Autor kann nur hoffen, dass seine Eingriffe nicht irgendwann auf ihn zurückschlagen: Dass in familiären Zwangsverhältnissen unter Umständen auch die schlichte Zertrümmerung eines Cellos eine befreiende Tat sein kann, haben die 68er einmal gewusst.

Peinlich auch für uns ist nur, wenn solche bildungsbürgerliche Soße mit angeblich "wertkritischen" Ingredienzien angerührt wird. Schandls selbstverliebte Kritik-Simulation, deren Charakter Günter Rother in seiner kürzlich veröffentlichten Textanalyse "Links schreiben - rechts denken: Eine analytische Auseinandersetzung mit dem Essay "Fan und Führer" von Franz Schandl" (siehe Links schreiben - rechts denken) detailliert herausgearbeitet hat, ist nicht nur ein Defekt der neuen Krisis, sondern erweist sich bei genauem Hinsehen als ein verschlepptes Problem bereits der alten. Um die dafür ursächlichen Fehler im neuen Projekt EXIT nicht zu wiederholen, müssen sie selbstkritisch aufgearbeitet werden. Ohne damit in eine Diskussion einzugreifen, die die Binnenstruktur kritischer Projekte betrifft, lässt sich ein wesentliches inhaltliches Moment hier festhalten: Die inneren Widersprüche der Warengesellschaft, an denen sie über kurz oder lang zugrunde gehen wird, sind stets Ansatzpunkte radikaler Kritik gewesen. Für die KritikerInnen kann das aber nicht bedeuten, sich auf die eine oder andere Seite eines solchen Widerspruchs zu schlagen, wie Schandl und andere es tun. Beide Seiten, im vorliegenden Fall also die Massenmedien ebenso wie die "klassische”, auf die Entwicklung von "Humankapital" zielende Bildung, sind warenförmig. Keine von ihnen lässt sich daher unmittelbar emanzipatorisch besetzen. In der gesellschaftlichen Praxis, in der unsereins sich notgedrungen bewegt, lassen sich Entscheidungen für das kleinere Übel zwar nicht immer vermeiden. An die Wurzeln gehende Kritik dagegen kann sich diese Praxis nicht zum Maßstab machen, sondern muss sich ihrem immanenten Entscheidungszwang verweigern, sie würde sonst unmöglich.

Der Möglichkeit radikaler Kritik begibt sich deswegen auch Ernst Lohoff schon vom Ansatz her in seinem Text "Negative Sozialromantik" (Jungle World 40/2004), wenn er bereits im Untertitel behauptet: "Manchen Linken ist die Kritik an der Bewegung wichtiger als die Kritik an Hartz IV", als sei es von vornherein ausgeschlossen, beides zu kritisieren. Immerhin nennt er ein wichtiges Kriterium, das allerdings nicht das einzige bleiben darf (vgl. den Beitrag von Roswitha Scholz in diesem Heft). Er schreibt: "Im Zeitalter der Krise der Arbeitsgesellschaft genügt ein Lackmustest zur Scheidung von emanzipativen und rückwärtsgewandten Sozialprotesten: die Frage der Arbeit. Opposition beginnt mit der Missachtung dieses geheiligten Basisprinzips der Warengesellschaft. Sozialkritik, die das Primat der Arbeit anerkennt, ist keine." Doch anschließend vergisst er, diese Messlatte an die realen Anti-Hartz-Proteste auch anzulegen. Sein positiver Bezug auf sie rührt dann einzig und allein daher, dass sie "sich gegen das mit Abstand größte Verarmungsprogramm der bundesdeutschen Geschichte wehren", was mit dem von ihm aufgestellten Lackmustest gar nichts zu tun hat. Frank Rentschler weist dagegen in seinem Text "Der Staat muss seine Buerger zur Arbeit verpflichten" nach (Incipito 14/2004), dass "der gemeinsame Nenner von Hartz IV und Anti-Hartz-Protest" (so der Untertitel) in genau dieser Anerkennung des Primats der Arbeit besteht, einschließlich der damit verbundenen aggressiven Ausgrenzung von nicht Arbeitsfähigen oder -willigen: "Übernimmt der Staat die Verantwortung dafür, dass jeder Bürger sein Recht auf Arbeit einlösen kann, indem er für Vollbeschäftigung sorgt, muss dem Staat zugestanden werden, diejenigen Bürger zur Arbeit zu verpflichten, die zwar von der Gesellschaft leben, ihr aber ihre Leistung verweigern wollen." Dieses Zitat stammt nicht von Wirtschaftsminister Clement, sondern von dem auf einer Anti-Hartz-Kundgebung heftig beklatschten Oskar Lafontaine. Wie die Totgeburt der Partei für "Arbeit & soziale Gerechtigkeit" zeigt, lassen sich auf dieser Basis nicht einmal die immanenten Interessenkämpfe mehr führen.

"Lebenswert ist, was nützlich ist." Das Bentham'sche Programm der Selbstverwurstung treibt seine Metastasen selbst noch bei denen hervor, die eine Chance auf "Nützlichkeit" nie wieder haben werden. So verschärft sich denn auch der Diskurs um die Alten. Baroness Warnock, laut Sunday Times vom 12.12.04 die "führende britische Medizinethikerin" (!), schlug im selben Blatt vor, die Gebrechlichen und Alten sollten Selbstmord in Betracht ziehen, um ihren Familien und der Gesellschaft nicht zu einer finanziellen Last zu werden ("the frail and elderly should consider suicide to stop them becoming a financial burden on their families and society"). Die Dame ist 80 Jahre alt und wird ihren Worten wohl bald Taten folgen lassen. Es ist zu befürchten, dass sie damit nicht allein bleiben wird.

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Die "Exit-Irren" (Ernst Lohoff) legen hiermit ihr zweites Heft vor. Die große Resonanz, die das erste erfuhr, beschränkt sich nicht nur auf die RezipientInnen, sondern betrifft auch "neue" Autorinnen und Autoren, die sich bei uns zu Wort melden. Es zeigt sich, dass es möglich ist, den Kreis der aktiv Beteiligten zu erweitern, ohne theoretisch zu verflachen und dem verbreiteten Bewegungspopulismus anheim zu fallen.

Mit dem Text "Gott in Gesellschaft der Gesellschaft" führt Jörg Ulrich eine von Walter Benjamin bereits im Jahre 1921 aufgeworfene und lange Zeit in Vergessenheit geratene Fragestellung in die wertkritische Diskussion ein. Der Artikel beschäftigt sich mit den geschichtlichen Wandlungen des Gottesbegriffs von der Antike bis zur Gegenwart. Theoretisch wird dabei im Anschluss an Benjamins Fragment "Kapitalismus als Religion" die moderne Vereinigung von Immanenz und Trans­zendenz im "automatischen Subjekt" der Kapitalbewegung aufgezeigt und begründet, warum mit dem sich verwertenden Wert ein Gott seine Herrschaft antritt, der sich real durch die Welt bewegt und als Negation und Selbstbehauptung seiner selbst im Vollzug ein und derselben Bewegung die "ontologische Differenz" der vormodernen Metaphysik auf die Spitze treibt, indem er als "Sein" (Wert) das Seiende (die reale Welt) fortschreitend seinem Begriff gleich macht und es damit in den Abgrund der Leere seiner abstrakten Bestimmungslosigkeit zerrt. Die Kritik der politischen Ökonomie müsse daher, so Ulrichs These, heute dringender denn je immer auch als Metaphysik- bzw. Religionskritik formuliert werden, um zu zeigen, dass die moderne Gesellschaft in der Form ihrer ureigenen Bewegungslogik einen Gott im wahrsten Sinne des Wortes produziert, der in seinem Gang durch die Welt eine gewaltige Destruktivkraft entfaltet und im Gegensatz zu einigen seiner historischen Vorgänger keine Gnade mehr kennt, sondern die einst versprochene Erlösung in einem beispiellosen Vernichtungsfeldzug in ihr Gegenteil verkehrt.

Petra Haarmann eröffnet den Themenschwerpunkt dieses Heftes: Krisenverarbeitung und Krisenideologien mit dem Text "Das Bürgerrecht auf Folter". Dabei handelt es sich keineswegs um eine bloß provokative Überspitzung der mittlerweile Alltag gewordenen Meldungen über Folterungen auch in solchen Militärgefängnissen und Lagern, die durch westlich-demokratische Regie­rungen betrieben und kontrolliert werden. Vielmehr geht es in dem Artikel um einen juristischen Meinungsstreit, der bereits seit 1992 mit allem professoralen Ernst an deutschen Universitäten bis in die Staatsexamina hinein geführt wird. Zentrale Begriffe sind dabei die "Würde des Menschen", das Gefahrenabwehrgebot des Polizei- und Ordnungsrechts sowie die Kantsche Vernunft in der Ausprägung des "jus necessitatis" (Zwang ohne Recht). Haarmann zeichnet zunächst die Anwendung von Marter und Folter seit dem frühen Mittelalter in Westeuropa historisch nach und kontextualisiert diese mit dem jeweils geltenden Verständnis von Vernunft und menschlicher Erkenntnismöglichkeit, welche bis zur Bruchlinie der Moderne ohne prinzipielle Erkennbarkeit des "Göttlichen" nicht vorstellbar waren. Erst die nominalistische Vernunft, die sich in der Krise des Spätmittelalters von der bis dato allein gültigen Wahrheit der Erkennbarkeit des Transzendenten verabschiedete, solches Unterfangen sogar als teuflische Magie brandmarkte und doch selbst zutiefst magisch blieb und bleibt, insofern sie den Verzicht auf "Magie" als magisches Mittel zur Erreichung von Erlösung und Transzendenz ausruft, konnte jene leere Form hervorbringen, die heute, sei es als abstrakt-allgemeines Individuum, sei es als abstrakte Allgemeinheit, das im Göttlichen nicht länger eingeschlossene Chaos (vulgo "Böse") allerorten bekämpft. Die heute auch im westlichen Basislager der Vernunft (wieder?) alltägliche Folter erweist sich damit also keineswegs als ein Rückfall in frühmoderne strafrechtliche Erkenntnisverfahren, sondern steht in der Kontinuität einer Rationalität, die von magischer Angst getrieben das ihr einzig gesicherte Herrschaftsmittel schwingt: das Schwert.

In seinem Aufsatz "Das Geschlecht des aktivierenden Staates" vertieft Frank Rentschler aus wertabspaltungskritischer Sicht seine im letzten EXIT!-Heft angestellten Überlegungen. Ausgehend von dem dort analysierten Tatbestand, dass durch die Hartz-Reformen rechtlose Untertanen entstehen, die vom aktivierenden Staat den noch rechtsfähigen Bürgern als billige Dienstboten zugeführt werden, spricht er von einer Dienstbotengesellschaft. Einerseits an Holger Schatz anknüpfend, der "eine Refeudalisierung im Vergesellschaftungsmodus der Arbeit" sieht, betont er andererseits im Gegensatz zu diesem, dass sie der Modus ist, in dem sich gegenwärtig das "Geschlecht des Kapitalismus" (Roswitha Scholz) konstituiert. Die Arbeit wird zum Dienst, der in der permanenten Verfügbarkeit für den Markt (bzw. Kunden) besteht, sich jedoch in eine "männliche" und eine "weibliche" Seite aufspaltet. Im Mittelpunkt der Analyse stehen die geschlechtlichen Subjektivierungsweisen und damit einhergehenden Krisenverarbeitungsformen, die mit unterschiedlichen staatlichen Aktivierungsstrategien korrespondieren. Aus einer Diskursanalyse von Leitbildern zur Dienstleistungsgesellschaft lässt sich die dahinter steckende Vision einer Gesellschaft erschließen, die aus "Yetties" (Young, entrepeneural, tech-based) und flinken Servicekräften besteht. Diese Diskurse bezieht Rentschler auf eine neue symbolische Form des Geschlechts, die er mit Roswitha Scholz als Ein-Geschlechtermodell begreift, welches die alte polare Ordnung (Geschlechterdifferenz) ablöst und das männliche Konkurrenzsubjekt als autonomes Individuum totalisiert. In der neuen symbolischen Form bezieht sich der Begriff der Differenz nicht mehr auf ein anderes Geschlecht, sondern auf ein weniger erfolgreiches Konkurrenzsubjekt. Die damit einhergehende Unterlegenheit ist in dieser Logik nicht zu kritisieren, da in ihr allein der Erfolg auf dem Markt die Stellung der Individuen legitimiert. Rentschler zeigt, dass das alte Geschlechtermodell, das den Wohlfahrtsstaat prägte, in dieser Hinsicht weniger rigide war. Mit der Umarbeitung der alten Sozialstaatsphilosophie zur Philosophie der neuen Mitte und der damit verbundenen Herausbildung des Ein-Geschlechtermodells kommt es zu einem Backlash, der eine Vertiefung der Geschlechterhierarchien zur Folge hat. Neben der Veränderung der symbolischen Form analysiert Rentschler weitere Faktoren und zeigt, dass die Veränderung Frauen in unterschiedlichem Ausmaß trifft, die Frauenbewegung damit aber nicht adäquat umgehen kann. Vielmehr ist sie selbst an der Durchsetzung des Ein-Geschlechtermodells beteiligt, mit dem ihr eigener Zerfall einhergeht, nachdem emanzipatorische Vorstellungen zur Aufhebung der alten Geschlechterordnung sich nicht durchsetzen konnten.

In dem Maße, in dem die Krise die Reproduktionsfähigkeit einer sich bisher in Sicherheit wähnenden "Mittelschicht" auflöst, wird auch die Linke von den mit ihr anscheinend zwangsläufig verbundenen ideologischen Verarbeitungsmustern befallen. Roswitha Scholz weist in ihrem Text "Der Mai ist gekommen" nach, dass eine in die Jahre gekommene "Wertkritik" davon nicht ausgenommen ist. Mussten wertkritische Grundbegriffe Anfang der neunziger Jahre in der Linken erst mühsam implementiert werden, so stellt sich heute das Problem ihrer Banalisierung nicht nur durch eine verflachende Rezeption in diversen linken "Szenen", sondern auch durch regressive Tendenzen bei einem Teil des ehemaligen wertkritischen Zusammenhangs selbst. In diesen Kontexten, wie sie nicht allein von Rest-"Krisis" repräsentiert werden, sucht man nun im Rekurs auf die "Betroffenheit" und den "Alltag" weitgehend unkritisch und linkspopulistisch Anschluss an das breite Bewegungspublikum. Dabei besteht auch die Gefahr einer Vereinnahmung durch rechte und konservative Positionen, wenn gerade in der Situation der sich zuspitzenden Krise die Konstituiertheit bürgerlich-patriarchaler Konkurrenzsubjektivität vernachlässigt wird. Als Grundlage dieser Ideologiekritik an einer banalisierten Lesart wertkritischer Theorie selbst benennt Scholz den allgemeinen sozialen Hintergrund aller einschlägigen Tendenzen: nämlich die "Hausfrauisierung" (Claudia v. Werlhof) von Männern, auch in linken Theoriegruppen, im Medienbereich usw., und der "Absturz der Mittelklasse" (Barbara Ehrenreich). Eine reduktionistische "Arbeitskritik" und ein androzentrisch verkürzter Begriff von "sozialer Wirklichkeit" sollen etwa in dem Sammelband "Dead Men Working" den wertkritischen Fokus abgeben; Rassismus, Antisemitismus und Sexismus werden wieder zu Nebenwidersprüchen in neuem Gewand degradiert, statt ökonomische Disparitäten, Geschlechterverhältnis und die Konstruktion von "Rasse" in ihrer Verwobenheit zu begreifen, wie es die Kritik der Wert-Abspaltung für sich in Anspruch nimmt.

In der Krise des Kasinokapitalismus wittert auch der erneut als Ideologieproduzent für die sozialen Bewegungen reüssierende akademische Traditionsmarxismus wieder Morgenluft. Am Beispiel des Haug-Schülers Alexander Gallas zeigt Carsten Weber in seiner Polemik "Ein Problem positivistischer Eigenart", wie ein an bestimmten Universitäten fest verankerter altlinker Honoratiorenklüngel seine Günstlinge mit akademischen Graden versorgt, selbst wenn die dazu vorgelegten Schriften - hier eine Magisterarbeit unter dem Titel "Marx als Monist? Versuch einer Kritik der Wertkritik" - nicht einmal grundlegenden wissenschaftlichen Standards genügen. Unter dem Nimbus universitärer Weihen nehmen die solcherart geadelten Mediokren erheblichen Einfluss auf die in den verblichenen Kategorien des Klassenkampfdenkens erstarrten Bewegungen, wo diese sich der Weiterentwicklung gesellschaftskritischer Theorie notorisch verweigern und gleichzeitig den selbst verursachten Mangel unter lautem Jammern beklagen. An dieser Bruchstelle wächst zusammen, was zusammen gehört, denn der akademische Traditionsmarxismus war schon immer nur allzu gern bereit, noch der theorie- und intellektfeindlichsten Proletkultsekte sich als Dienstmagd anzubieten, um so mehr, als er selbst in seinen stets subjektivistischen Analysen nie die Ebene der Oberflächenerscheinungen der kapitalistischen Gesellschaft durchstoßen konnte. Weber weist in seiner Analyse nach, dass dieses theoretische Unvermögen in unauflösbare Aporien mündet, die Gallas in seiner Abwehr der Wertkritik unter Zuhilfenahme eines ganzen Arsenals von rabulistischen und projektiven Verdrehungen zu verschleiern sucht.

Im zweiten Teil der in EXIT! Nr.1 begonnenen grundsätzlichen Studie "Die Substanz des Kapitals" beschäftigt sich Robert Kurz mit dem Problem der Quantität der abstrakten Arbeit als Grundlage der Krisentheorie. Ursprünglich sollte diese Untersuchung in Weiterentwicklung der über das Marxsche Werk verstreuten Ansätze bereits die Systematik einer positiven Krisentheorie anhand der Begriffe des absoluten und relativen Mehrwerts, der organischen Zusammensetzung des Kapitals und des Verhältnisses von Profitrate und Mehrwertmasse entwickeln. Es hat sich jedoch herausgestellt, dass die theoriegeschichtlichen und die ideologiekritischen Aspekte des Quantitäts- und Krisenproblems allein schon einen derartigen Raum einnehmen, dass die Darstellung der immanenten Krisenlogik selbst erst in EXIT! Nr. 3 folgen kann (der dadurch notwendig gewordene vierte Teil soll dann den Kontext Kreditsystem/fiktives Kapital/postmoderner Virtualismus etc. erörtern). Hier wird nun die historische marxistische Debatte um die Krisentheorie ausführlich aufgearbeitet, vor allem die Auseinandersetzung um die Zusammenbruchstheorien von Rosa Luxemburg und Henryk Grossmann. Es zeigt sich, dass der traditionelle Marxismus aufgrund seiner Arbeitsontologie insgesamt nicht in der Lage war, die entscheidenden Elemente der Marxschen Krisentheorie aufzunehmen. Wie die transhistorische Bestimmung der Arbeitsabstraktion deren spezifische Qualität als Substanz des Kapitals verfehlte, so musste sie zwangsläufig auch den Kern der Krisenproblematik als "Entsubstantialisierung" oder Entwertung des Werts verfehlen. Die Folge war eine bis heute nachwirkende platte Subjektivierung der politökonomischen Kategorien vor allem durch den "westlichen Marxismus". Überhaupt bildet das theoretische Scheitern an der Subjekt-Objekt-Struktur des modernen Fetischverhältnisses die Geheimgeschichte der marxistischen Krisen- und Zusammenbruchsdebatte, die sich auf diese Weise in die Illusion einer politischen Steuerung der unüberwundenen Fetischkategorien auflösen musste. Vollends verdunkelt und ideologisch "entsorgt" wird das Quantitätsproblem der abstrakten Arbeit in jüngsten Theorien, die an I. I. Rubin anschließen, indem sie den Marxschen Substanzbegriff selbst als "physiologisch-naturalistisch" disqualifizieren wollen. Die polemische Auseinandersetzung dazu mit den Theorien von Moishe Postone und vor allem von Michael Heinrich schließt diesen zweiten Teil der Studie ab.

Mit seinem Beitrag "Die Theologie des automatischen Subjekts" reagiert Jörg Ulrich auf den Text "Die Realität des automatischen Subjekts" von Christian Höner in EXIT!1. Bei grundsätzlicher Zustimmung zu den Thesen Höners kritisiert er vor allem dessen starre Unterscheidung zwischen "reiner Metaphysik" und Realmetaphysik. Die zweite, so die Gegenthese, sei nichts anderes als eine Metamorphose der ersten. Die Anerkennung dieses Umstandes führe keineswegs zu einer Verkennung des Warenfetischismus, sondern im Gegenteil zum Erkennen des Kapitalismus als einer Immanenzreligion. Darüber hinaus geht es außerdem um die Frage des falschen Bewusstseins und die Behauptung, dieses reflektiere die realmetaphysische Objektivität von Gesellschaft nicht verkehrt, sondern gar nicht. Hier argumentiert Ulrich gegen die ihm fatalistisch anmutende Position Höners, indem er die grundsätzliche Erkennbarkeit des fetischistischen Verkehrungsmechanismus begründet.

Den Abschluss des Heftes bilden drei Kommentare von Udo Winkel. In seiner Glosse "Weiterwursteln" beleuchtet er anlässlich des 32. Soziologentages in München (Oktober 2004) die desolate aktuelle Situation der Soziologie als Moment und Ausdruck der Krise der bürgerlichen Gesellschaft. Weiterwursteln wie bisher (Systemtheorie), Mikrosoziologie, Zerfall und soziologischer Feuilletonismus bestimmen das Bild; neue Perspektiven sind nicht zu erkennen. Der Text "Zur Neuherausgabe der Marxschen Frühschriften" bezieht sich auf die inzwischen dritte Ausgabe derselben im Kröner Verlag (1932 - 1953 - 2004). Sie bietet die Möglichkeit einer neuen Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen des aktuellen Marxschen Spätwerkes. Die bisherige Rezeption der Hegelkritik und der Entwicklung der Dimensionen der Kritik an der bürgerlichen Gesellschaft zeigt die Schranken des traditionellen Marxismus. Der letzte Text schließlich, "Zur Neuherausgabe von Max Webers >Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus<", befasst sich mit einem Klassiker, der (nicht nur) durch die in diesem Heft eingeführte Sicht des Kapitalismus als Religion neue Aktualität gewonnen hat.

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Wie üblich, soll abschließend auf zwei weitere Publikationen aus unserem Zusammenhang hingewiesen werden: Von Jörg Ulrich ist im Oktober 2004 im Verlag Ulmer Manuskripte das Buch "Masken und Metamorphosen des Heiligen" erschienen, das weitere Facetten des von ihm in diesem Heft behandelten Themas "Kapitalismus als Religion" behandelt. Von Roswitha Scholz erscheint im Mai 2005 im Horlemann Verlag das Buch "Differenzen der Krise - Krise der Differenzen. Die neue Gesellschaftskritik im globalen Zeitalter und der Zusammenhang von "Rasse", Klasse, Geschlecht und postmoderner Individualisierung". Im Mittelpunkt des Buches steht das spannungsreiche Verhältnis zwischen "ethnischen", sozialen, geschlechtlichen oder individuellen Differenzen einerseits und einer Gesellschaftskritik, die in veränderter Weise wieder das weltgesellschaftliche Ganze in den Blick nimmt, andererseits.

Claus Peter Ortlieb für die EXIT!-Redaktion im Februar 2005

 


Roswitha Scholz
Differenzen der Krise - Krise der Differenzen
Die neue Gesellschaftskritik im globalen Zeitalter und der Zusammenhang von "Rasse", Klasse, Geschlecht und postmoderner Individualisierung

ca. 220 Seiten, Broschur, ca. € 14,90
ISBN 3-89502-195-4

Erscheint im Mai 2005

Neue Gesellschaftskritik
Roswitha Scholz setzt sich mit der inzwischen weitläufigen linken, aber auch bis in die bürgerlichen Medien reichenden Debatte um Rassismus, Antisemitismus, Geschlecht und Klasse im Kontext der Globalisierung auseinander.

Zentraler Bezugspunkt ist die neue soziale Krise, in der das bis in die 70er Jahre noch vorhandene Normalarbeitsverhältnis durch Outsourcing, Subunternehmertum etc. abgelöst wird. In diesem Zusammenhang geht es der Autorin ebenso um die Einschätzung von Bruch-Identitäten, die sich im Zuge von Individualisierungstendenzen herausgebildet haben (zum Beispiel "doppelt vergesellschaftete" Frauen, die für Familie und Beruf gleichermaßen zuständig sind, oder "hybride" Identitäten, die sich zwischen verschiedenen Kulturen bewegen), wie um die Frage nach deren emanzipatorischer Potenz.
Aus der Perspektive einer neuen Kapitalismuskritik wird dabei ein Konzept des Zusammenhangs von "Rasse", Geschlecht, Klasse und postmoderner Individualisierung entwickelt, das sich von sonstigen Ansätzen zu diesem Thema unterscheidet. Vor diesem Hintergrund wird sodann die globalisierungskritische Bewegung seit Ende der 90er Jahre einer solidarisch-kritischen Beurteilung unterzogen. Im Mittelpunkt steht das spannungsreiche Verhältnis zwischen "ethnischen", sozialen, geschlechtlichen oder individuellen Differenzen einerseits und einer Gesellschaftskritik, die in veränderter Weise wieder das weltgesellschaftliche Ganze in den Blick nimmt, andererseits. Dieses Konzept beansprucht, komplexen sozialen Verhältnissen in der heutigen Ära der Globalisierung mit ihren Kulturbrüchen und Mischidentitäten eher gerecht zu werden als die bisherigen linken und postmodernen Theorien.

Roswitha Scholz, geb. 1959, Dipl. Sozpäd., freie Publizistin und Redakteurin der Theoriezeitschrift EXIT!, diverse Zeitschriften-Publikationen,