Krise und Kritik der Warengesellschaft |
Robert Kurz
DAS ENDE DER POLITIK
1. Im Selbstverständnis der vom Westen ausgehenden Moderne sind die eigenen Vergesellschaftungsformen und deren Begriffe seit der Aufklärung systematisch enthistorisiert und ontologisiert worden. Das trifft für alle Fraktionen in der Modernisierungsgeschichte zu, auch für die linken und marxistischen. Die falsche Ontologisierung bezieht sich nicht zuletzt auf die Grundbegriffe von »Ökonomie« und »Politik«. Statt diese Polarität als spezifisch für die warenproduzierende Moderne herauszuarbeiten, wird sie allen vormodernen (und zukünftigen) Gesellschaften als blinde Voraussetzung untergejubelt und dem Menschsein schlechthin zugeschlagen. Die historische Wissenschaft fragt dann, wie denn die »Ökonomie« oder die »Politik« bei den Sumerern, im alten Ägypten oder im sogenannten Mittelalter ausgesehen habe. Damit wird nicht nur das Verständnis der vormodernen Gesellschaften grundsätzlich verfehlt, sondern auch das Verständnis der eigenen (modernen) Gesellschaft. Die vormodernen Gesellschaften hatten zwar einen »Stoffwechselprozeß mit der Natur« (Marx), aber keine »Ökonomie«; und sie hatten zwar innere wie äußere Konflikte, aber keine »Politik«. Selbst in der eigenen westlichen Tradition und Geschichte, aus der diese Begriffe stammen, bedeuteten sie ursprünglich etwas grundsätzlich anderes als heute, ja sogar ziemlich das Gegenteil. Es gab keine gesellschaftlich ausdifferenzierte »ökonomische« Sphäre, schon gar nicht als dominierende, und demzufolge auch keine »ökonomischen« Kriterien: diese analytisch herauszudifferenzieren und als bestimmend anzunehmen, ist eine Leistung des modernen Bewußtseins ex post und verstellt schon den Blick auf das Wesen der untersuchten geschichtlichen Formationen. Logischerweise gab es auch keine ausdifferenzierte »politische« Sphäre, schon gar nicht als eine zur »Ökonomie« komplementäre, und also auch keine eigenen »politischen« Kriterien. Die gemeinschaftlichen Angelegenheiten folgten ganz anderen Motiven. Auch mit den modernen Begriffen von »Öffentlichkeit« und »Privatheit« lassen sich diese Verhältnisse nicht beschreiben: vieles an der vormodernen vermeintlichen »Öffentlichkeit« war in unserem Sinne »privat« und umgekehrt. Das Problem läßt sich darin auflösen, daß wir es mit grundsätzlich verschiedenen Formen der gesellschaftlichen Allgemeinheit zu tun haben. Die »abstrakte Allgemeinheit« der vormodernen Gesellschaften, d.h. der agrarischen Hochkulturen, war wesentlich durch ein Fetischsystem bestimmt, dessen Reste heute als »Religion« bezeichnet werden. Aber im modernen Sinne meint dieser Begriff bereits eine ausdifferenzierte Sphäre (marginal komplementär zu den Sphären von »Ökonomie« und »Politik«), während das religiöse Moment in den vormodernen Gesellschaften die Reproduktion des Lebens selbst erfaßte. Auch wenn es sich für ein modernes Bewußtsein als reine Paradoxie anhört, müßte man sagen, daß die Religion »Ökonomie« und »Politik« in sich einschloß, also keine »Religion« im modernen (ausdifferenzierten) Sinne sein konnte. Die Religion war kein »ideologischer Überbau«, sondern basale Vermittlungs- und Reproduktionsform, in der Naturbeziehung ebenso wie in der gesellschaftlichen Verkehrsform. Das heißt natürlich nicht, daß die Leute vom himmlischen Manna gelebt hätten. Aber der Prozeß der Naturaneignung muß als menschlich-gesellschaftlicher durch ein blind vorausgesetztes System symbolischer Codierungen hindurch, solange die Gesellschaft sich ihrer selbst nicht bewußt ist. Im Zustand der Selbst-Bewußtlosigkeit bedarf das von den genetischen Programmierungen weitgehend entkoppelte Wesen einer gesellschaftlichen Form abstrakter Allgemeinheit, um als Subjekt agieren zu können. Die bewußtlose Konstitution einer solchen abstrakten Allgemeinheit kann (nach Marx) als Fetischismus bezeichnet werden. Aber die historischen Fetisch-Konstitutionen sind eben verschiedene; ihre Abfolge (soweit man von einer solchen sprechen kann) bildet eine Meta-Geschichte und kann weder mit dem Schema von Basis und Überbau noch mit dem Gegensatz von Materialismus und Idealismus erklärt werden. Der Marxsche »historische Materialismus« verfällt hier selbst in eine falsche Ontologisierung spezifisch moderner Problemstellungen. Ökonomische Begriffe wie »Mehrprodukt« oder »agrarische Produktionsweise« können nicht kausalistisch der vormodernen abstrakten Allgemeinheit in der Form der Religion zugrunde gelegt werden; ebensowenig wie sich übrigens die spezifische abstrakte Allgemeinheit der Moderne aus einem kruden Materialismus der industriellen Produktivkräfte herleiten läßt. In beiden Fällen haben wir es mit (verschiedenen) symbolischen Fetisch-Codierungen zu tun, die sich »materiell« nicht unmittelbar dingfest machen lassen, jedoch immer auch eine Naturbeziehung darstellen, in der sowohl »materielle« als auch »ideelle« Momente auftauchen. Im Gegensatz zur religiösen Form in der Vormoderne ist die abstrakte Allgemeinheit in den modernen Gesellschaften durch die Warenform bestimmt. Die moderne Fetisch-Konstitution ist nicht mehr die religiöse Konstitution von Gesellschaft, sondern etwas ganz anderes, nämlich Ware und Geld, das »produktiv« kapitalisiert wird und damit einen neuen Formzusammenhang gesellschaftlicher Allgemeinheit stiftet. Dieser Neuheit wird nicht dadurch Abbruch getan, daß auch in vormodernen Gesellschaften Ware und Geld existiert haben, oder vorsichtiger gesagt: daß in diesen Formen ähnliche Austauschbeziehungen erkennbar sind. Aber nicht nur in der eigenen Erscheinung dieser heute als »ökonomisch« bestimmten Formen hat sich durch die »produktive« (die Naturbeziehung erfassende) Kapitalisierung des Geldes ein fundamentaler Wandel in der Moderne vollzogen, sondern auch der Stellenwert dieser Formen in der symbolischen Codierung gesellschaftlicher Reproduktion hat sich entscheidend verändert. Blieben Ware und Geld in den vormodernen Gesellschaften ein marginales Moment innerhalb der religiös bestimmten gesellschaftlichen Allgemeinheit, so bildet in der Moderne genau umgekehrt die Religion ein marginales Moment in der von Ware und Geld bestimmten (und deshalb im Vergleich als »säkularisiert« erscheinenden) gesellschaftlichen Allgemeinheit. Die Stationen des Transformationsprozesses vom einen in den anderen Fetisch-Zustand lassen sich historisch nachzeichnen. In allen fetischistisch konstituierten Gesellschaftsformationen, die auf Selbst-Bewußtlosigkeit und blind hervorgebrachten gesellschaftlichen »Reproduktionsgesetzen« einer »zweiten Natur« beruhen, ist zwangsläufig ein Zug von absurdem Dualismus und strukturellem »Spaltungsirresein« enthalten. Denn die Spaltung des menschlichen Bewußtseins in relative Bewußtheit gegenüber der »ersten Natur« einerseits und Bewußtlosigkeit hinsichtlich der Konstitution der eigenen gesellschaftlich-historischen »zweiten Natur« andererseits muß in den Äußerungen, Handlungen, Institutionen, Reflexionen etc. des aus diesem Widerspruch hervorgegangenen »Subjekts« wiedererscheinen. Das strukturelle Spaltungsirresein ist aber in der warenförmigen Moderne viel deutlicher herausgearbeitet als in den vormodernen Hochkulturen (wodurch es überhaupt erst erkennbar wird). Der Grund dafür liegt in der spezifischen Qualität der gesellschaftlichen Warenform, die eine viel stärkere Ausdifferenzierung als die religiöse Konstitution der vormodernen Fetischgesellschaften hervorbringt. Die alte religiöse Konstitution durchdrang unmittelbar alle Aspekte des Lebens und hielt die Gesellschaft durch ein Gefüge von festgeschriebenen (nur schwer und langsam veränderbaren) Traditionen zusammen. Die religiöse Basisbestimmung des gesellschaftlichen Codes (im Unterschied zur heutigen »Religion«) war unmittelbar in allem gegenwärtig, es handelte sich um eine diffuse Form abstrakter Allgemeinheit, die eher wie ein Dunst über dem gesellschaftlichen Bewußtsein lag. Alles und jedes mußte unmittelbar religiös begründet werden. Gerade diese diffuse Unmittelbarkeit der religiösen Konstitution ließ sie allerdings auch in einer oberflächlichen Buntscheckigkeit erscheinen; die Oberflächenhülle der abstrakten Allgemeinheit saß sozusagen locker (etwa in Gestalt der staatsähnlichen Gebilde), was dem tiefsitzenden Charakter der »zweiten Natur« als solcher keineswegs widerspricht. Im Unterschied dazu erscheint die moderne warenförmige Konstitution nicht unmittelbar als Totalität, sondern vermittelt durch ausdifferenzierte, gegeneinander scheinbar verselbständigte »Sphären« (ein beliebtes Feld deskriptiver Analyse für die historisch bewußtlose funktionalistische Systemtheorie Marke Luhmann). Die Form der Totalität (Ware und Geld) erscheint gleichzeitig als bloß partikulare »Funktionssphäre« der sogenannten Wirtschaft, d.h. die warenförmige Totalität muß sich erst durch ihr »Anderswerden« mit sich selbst vermitteln (die eigentliche gesellschaftliche Grundlage für das ganze Hegelsche Konstrukt). Deshalb kann das strukturelle Spaltungsirresein auch nicht mehr diffus gestreut sein wie in der vormodernen religiösen Konstitution, sondern muß sich als funktionalistische Sphärentrennung (von »Ökonomie« und »Politik«) und damit institutionell manifestieren. Die in den vormodernen Gesellschaften eher unmittelbare, diffuse und lockere abstrakte Allgemeinheit, die aus der religiösen Tiefenstruktur hervorging und eine wenig differenzierte Totalität des Lebens- und Gesellschaftsprozesses bedingte, spaltet sich also durch die moderne Verwandlung der Fetisch-Konstitution in ein System getrennter Sphären auf, in denen sich die totale Warenform mit sich selbst vermittelt. Das nunmehr institutionalisierte strukturelle Spaltungsirresein läßt die getrennten Sphären in der Gestalt von logischen und institutionellen Gegensatzpaaren erscheinen, in denen der Vermittlungszusammenhang an der Oberfläche sich darstellt, ohne die Spur seiner Genesis zu zeigen. Wie die warenförmige Totalität dabei in den strukturellen Gegensatz von »Individuum« und »Gesellschaft«, der gesellschaftliche Raum in den Gegensatz von »Privatheit« und »Öffentlichkeit« und die Lebenswelt des einzelnen in den Gegensatz von »Arbeit« und »Freizeit« zerfällt, so spaltet sich der Funktionszusammenhang dieser Totalität in den Gegensatz von »Ökonomie« und »Politik« auf. Im Unterschied zur vormodernen Gesellschaft wird der »Stoffwechselprozeß mit der Natur« nicht mehr durch religiös bestimmte Traditionen codiert, sondern durch den Abstraktionsvorgang der Warenform: Verwandlung des stofflich-sinnlichen Inhalts der Reproduktion in »abstrakte Dinge«, deren Erscheinungsform das dem Inhalt gegenüber gleichgültige Geld ist. Die gesellschaftliche Allgemeinheit stellt sich nicht mehr unmittelbar über die religiöse Konstitution und die daraus hervorgehenden Traditionen dar (die dabei einzig mögliche Vermittlungsform ist die direkte Gewalt), sondern vermittelt durch den Marktmechanismus, der allmählich die gesamte Naturbeziehung ergreift. Der jetzt nicht mehr direkt durch Tradition und Gewalt, sondern nur noch indirekt durch die Marktvermittlung dargestellte und codierte gesellschaftliche Zusammenhang kann aber den Zusammenhang durch Tradition und Gewalt nicht vollständig ersetzen. Paradoxerweise werden die Menschen nämlich gerade durch die warenförmige Trennung voneinander gleichzeitig wesentlich stärker auf den gesellschaftlichen Zusammenhang im »Stoffwechselprozeß mit der Natur« verwiesen als in der diesbezüglich von weitgehend autarken kleinen Reproduktionseinheiten bestimmten vormodernen Gesellschaft. Die ihrer Logik nach auf immer weitergehende Spezialisierung in der Naturbeziehung ausgerichtete Warengesellschaft stellt die höhere Vergesellschaftung aber eben nur indirekt dar, d.h. gerade in der entgegengesetzten Erscheinungsform von »Entgesellschaftung« durch den blinden, subjektlosen Marktmechanismus. Da die Waren selber keine »Subjekte« sein können und in der Warenbeziehung sich demzufolge die Individuen dieser (an sich absurden) »ungesellschaftlichen Vergesellschaftung« trotzdem sekundär direkt aufeinander beziehen müssen, mußte sich das Subsystem der »Politik« ausdifferenzieren, in dem die sekundären direkten Beziehungen verhandelt werden. Gerade durch den höheren Vergesellschaftungsgrad, der gleichwohl durch eine stärkere Trennung und Zusammenhanglosigkeit der in ihrer Naturbeziehung nur noch indirekt miteinander vermittelten Menschen bestimmt ist, entsteht ein im Vergleich zur vormodernen Gesellschaft um ein Vielfaches erhöhter Regulationsbedarf, der in die getrennte Funktionssphäre »Politik« verlegt wird. Der institutionelle Raum der (primären, indirekten) Funktionssphäre »Ökonomie« ist der Markt; der institutionelle Raum der (sekundären, direkten) Funktionssphäre »Politik« ist der Staat. Der Staat ist damit in der modernen, warenförmigen Fetisch-Konstitution ebenso etwas völlig anderes als in den vormodernen Gesellschaften wie die übrigen falsch ontologisierten Gesellschaftskategorien. Der Staatsapparat exekutiert die Regulationsfunktionen der totalisierten Warenproduktion (Recht, Logistik und Infrastruktur, Außenbeziehung usw.), wobei die Entscheidungen darüber durch den »politischen Prozeß« und durch die entsprechende Sphäre in dieser oder jener Weise hindurchgehen müssen. Insgesamt kann man sagen, daß die abstrakte Allgemeinheit nicht mehr als unmittelbare Totalität wie ein Dunst über der Gesellschaft liegt, sondern als vermittelte Totalität sich basal aufspaltet in Privatheit und Öffentlichkeit, Markt und Staat, Geld und Macht bzw. Recht, Ökonomie und Politik. Das ungesellschaftlich vergesellschaftete Individuum (das sich deshalb als abstrakten Gegenpol zur »Gesellschaft« erlebt) wird so zum Schnittpunkt der beiden gegensätzlichen Reihen Privatheit-Markt-Geld-Ökonomie einerseits und Öffentlichkeit-Staat-Macht/Recht-Politik andererseits. Dieser Gegensatz ist aber nicht nur komplementär, sondern direkt feindlich, da sich aus beiden Reihen auch gegensätzliche Interessen entwickeln. Was auf der Ebene der Privatheit als positiv, als Tugend und als Motivation erscheint, erweist sich auf der Ebene der Öffentlichkeit als negativ, als Laster und als Demotivation. Das Interesse des fortwährenden Gelderwerbs ist dem Recht bzw. bestimmten Aspekten des Rechts feindlich, während das Interesse desselben Subjekts an größtmöglicher Rechtssicherheit dem schrankenlosen Gelderwerb feindlich sein muß. Ebenso ist das Geldinteresse an sich international und grenzenlos, während es sich gleichzeitig im Interesse seiner eigenen Selbstbehauptung einem nationalen Staatsinteresse unterordnen muß usw. Der Reduktion des »Begriffs des Politischen« auf einen Freund-FeindGegensatz durch Carl Schmitt kommt so durchaus ein Wahrheitsgehalt zu, freilich ganz und gar nicht im Sinne des Erfinders. Die Letztbestimmung der »Politik« als Unterscheidung von Freund und Feind ist nur die Veräußerlichung eines strukturellen Gegensatzes, der im Inneren des warenförmigen Subjekts selber tobt. Die Individuen ebenso wie die institutionellen Subjekte der modernen Warengesellschaft sind sich selber gleichzeitig Freund und Feind, zwei Seelen ringen unaufhörlich in ihrer Brust. Das allen Fetischgesellschaften eigene strukturelle Spaltungsirresein hat sich in der warenförmigen Konstitution der Moderne nur zugespitzt, ausdifferenziert und institutionalisiert. Es treibt damit historisch auf eine Zerreißprobe zu, je mehr sich das warenproduzierende System auf seinem eigenen Boden entwickelt und je mehr demzufolge das menschliche Trägersubjekt an sich selbst auseinanderfällt und als die megärenhafte Doppelheit von »homo öconomicus« und »homo politicus« sich zeigt.
2. Die strukturelle Aufspaltung des warenproduzierenden Systems in die Funktionssphären von »Ökonomie« und »Politik« wurde zu einer wesentlichen Quelle der ideologischen Gegensätze und Kämpfe in der Moderne. Die beiden Pole des inneren Gegensatzes wurden in ihrer feindlichen Komplementarität identitär besetzt. Allerdings blieb der ideologische Gegensatz von »Wirtschaftsliberalismus« und »Etatismus« lange Zeit überlagert von den Konflikten innerhalb des »etatistischen« oder »politizistischen« Pols selber. Dieser Tatbestand läßt sich vor allem historisch erklären. Denn wir haben es nicht allein mit einem strukturellen Gegensatz innerhalb des warenproduzierenden Systems zu tun, sondern gleichzeitig mit dem Gegensatz dieses Systems als solchem zur alten vormodernen Konstitution: zu deren Traditionen, Mächten und Gewalten. Von der Renaissance bis tief ins 20. Jahrhundert hinein war die Geschichte des warenproduzierenden Systems gleichzeitig seine Durchsetzungsgeschichte; erst seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, im engeren Sinne vielleicht sogar erst seit den 80er Jahren, können die letzten Reste und Schlacken oder selbst bloßen Erinnerungen der vormodernen Konstitution endgültig als abgetan betrachtet werden. In dieser Geschichte mußte der innere Konfliktwiderspruch überlagert und überformt werden von den Widersprüchen des Durchsetzungsproblems, in der Art und Weise also, wie das moderne Fetisch-System selber sich konstituierte und seinen noch verborgenen inneren Konflikt als äußeren gegen das alte System formulierte. Aus dieser historischen Konfliktlage heraus konnte der etatistische/politizistische Pol ein Übergewicht erhalten, weil er doppelt aufgeladen war: einerseits als struktureller Gegenpol der Systemimmanenz, andererseits als der Pol des äußeren Systemwiderspruchs gegen die vormoderne Konstitution der ständischen Agrargesellschaft. Die eigentlich systemimmanent bloß sekundäre, direkte Funktionssphäre der »Politik« erhielt also eine zusätzliche Aufladung durch das Moment der bürgerlichen Revolution, die eine wesentlich »politische« war, weil sie die neue Form der Bewußtlosigkeit direkt und im institutionellen Konflikt gegen das alte System durchsetzen mußte, während sich der Transformationsprozeß nach der »ökonomischen« Seite hin eher naturwüchsig und gewissermaßen osmotisch vollzog. Aus dieser historischen Problemlage heraus entstand die Emphase des Politischen; der sekundäre Charakter dieser Sphäre wurde verkannt und sogar in sein Gegenteil verkehrt: das »Primat der Politik« und seine diversen Proklamationen erschienen als Reflex auf das historische Entwicklungsproblem und immer wieder auf die Entwicklungsgefälle der Ungleichzeitigkeit in den verschiedenen Regionen, Ländern und Kontinenten. Mit anderen Worten: die »Politik« wurde zum Durchsetzungsmodus des warenproduzierenden Systems gegen die vormodernen Widerstände und Rückstände; allein daraus vermochte sie ihre Emphase als überschießendes Moment zu gewinnen, das ihr rein systemimmanent gar nicht zukommen könnte. Deshalb wurde für lange Zeit nicht der eigentlich innersystemische polare Gegensatz zum Muster der Konfliktformulierung, sondern das innere Widerspruchs- und das äußere Durchsetzungsproblem bildeten sich amalgamiert innerhalb des »politischen« Pols als Links-Rechts-Gegensatz ab, als Metapher der Sitzordnung des Pariser Revolutionskonvents entlehnt. Die Dominanz des politischen Pols und deren bestimmende Erscheinung als innerpolitisches Links-Rechts-Schema speisten sich wiederum aus zwei Quellen. Zum einen wurden die Mächte der untergehenden alten Konstitution bzw. die jeweils immer neu zu überwindenden temporären und noch unfertigen Durchsetzungsgestalten (oder genauer: die vielfältigen Legierungen und immer wieder verflüssigten Amalgame der alten und der neuen Fetisch-Formation) dazu gedrängt, sich zu ihrer Verteidigung auf dem Boden des Neuen selbst und in dessen Funktionsgestalten zu formieren. Obwohl dies letztlich die Selbstaufgabe bedeuten mußte, spielte sich diese in oft langen und zähen Konflikten ab. Mit anderen Worten: die jeweils abzutakelnden alten Mächte erschienen notgedrungen selber als »politische Partei« (oder als deren Embryonalform, Surrogat, Mimikry etc.) in der Arena und halfen so ungewollt mit, die moderne Funktionssphäre der »Politik« und damit die gegensätzliche Selbstvermittlungsform des modernen warenproduzierenden Systems überhaupt erst hervorzubringen. Der innerpolitische Links-Rechts-Gegensatz bildete auf diese Weise, idealtypisch gesprochen (in der historischen Empirie natürlich immer »unrein« und von querliegenden Widerspruchslinien durchzogen - auch denen der neuen Konstitution selbst), den äußeren Gegensatz des sich herausentwickelnden Systems zur vormodernen Gesellschaft bzw. zu seinen eigenen Vorläufern ab. »Links« war dann die radikale Vorhut des neuen Systems und damit der bürgerlichen Revolution, »rechts« dagegen die Partei des Alten und/oder des jeweiligen Establishments in der Durchsetzungsgeschichte, die »Gemäßigten« relativ »links« gegenüber diesem Establishment und relativ »rechts« gegenüber der radikalen Durchsetzungspartei. In der ideologischen Gemengelage dieser Konstellation konnte die Opposition gegen das neue System, die dessen eigene Defizite und Katastrophen ahnte, in einer schillernden Weise »rechts« sein, die von einem anderen und späteren Standpunkt aus plötzlich wieder als »links« erscheinen mochte; so z.B. Balzac, so vor allem die Romantiker, die noch den gegensätzlichsten späteren Kritikern zur Legitimation dienten. Institutionell entsprach dieser Konstellation ein Parteiensystem, das eigentlich noch keines war, insofern durch die »Parteien« noch die alten Stände und deren Vertretungskörperschaften hindurchschimmerten oder sogar bestimmend waren. Die zweite Quelle der politischen Emphase wie des innerpolitischen Gegensatzes kam aus dem Streit um die Durchsetzungsformen und Funktionselemente des modernen Systems selber. Hier standen sich Positionen gegenüber, die wiederum als polare Reflexe auf ein identisches Bezugssystem dechiffriert werden können, dessen Momente sich ungleichzeitig und widersprüchlich herausbildeten. Um sich entfalten zu können, mußte das warenproduzierende System nämlich die Grenzen der alten Gesellschaft nach zwei Seiten hin aufsprengen: einerseits als Überwindung der buntscheckigen Lokalbornierung durch die Konstitution von Nationalökonomien und Nationalstaaten; andererseits als Überwindung der sozialen Bornierung durch die Konstitution von Demokratie und Sozialstaat. Beide Momente bedingen sich gegenseitig, konnten aber in ihrer Durchsetzungsgeschichte unterschiedlich oder sogar gegensätzlich innerhalb des Links-Rechts-Schemas verteilt sein. Die Rechten entwickelten ein Übergewicht in bezug auf die Nation, je mehr sich innerhalb der entstehenden politischen Sphäre der LinksRechts-Gegensatz von der Frontstellung der neuen gegen die alte Konstitution fortbewegte und auf dem eigenen Boden des neuen Systems reformuliert werden mußte. War die Emphase der Nationbildung im Zeitalter zwischen der Französischen Revolution und 1848 noch eher »links« besetzt und liberal bis sozialistisch aufgeladen, als Zuspitzung des Kampfes gegen die »rechte« Front der Metternichschen Repräsentanten von Absolutismus und Fürstenherrschaft, so verlagerte sich das Schwergewicht des Nationalismus immer weiter nach rechts, je mehr die bürgerliche Warengesellschaft entwickelt war und ihre eigene (und jetzt erst eigentlich »politische«) Rechte hervorbrachte. Der rechte Nationalismus konnte dagegen nicht so leicht warm werden mit der Konstitution von Demokratie und Sozialstaat. Das heißt keineswegs, daß diese Institutionen nicht auch rechts besetzt worden wären; aber von der Bismarckschen Sozialgesetzgebung bis zu den faschistischen und nationalsozialistischen Sozialprogrammen behielt die politische Rechte immer eine eliteideologisch angereicherte ständische Grundströmung, die reaktionäre und im Sinne des modernen warenproduzierenden Fetischsystems dysfunktionale Schlacken nie völlig loswerden konnte. Die Linke umgekehrt entwickelte ein Übergewicht im Bezug gerade auf Demokratie und Sozialstaat, die bei ihr (wie die Nation bei den Rechten) in eine metaphysische Aura getaucht wurden. Die Emphase der »Demokratisierung« erschien als das Markenzeichen der Linken, die das Pathos der bürgerlichen Revolution aufnahm und mit der »sozialen Frage« anreicherte. Der linke Demokratismus und Sozialismus konnte sich jedoch nicht vorbehaltlos mit der Nationalideologie verheiraten, denn der »links« besetzte Konflikt im Zuge von »Demokratisierung« und »Sozialisierung« mußte ein wesentlich innerer Konflikt in den sich herausbildenden nationalökonomischen Warengesellschaften sein, der die Klammer von Nation und Nationalstaat teilweise in Frage zu stellen schien, während die »rechte« Besetzung der Nationalideologie umgekehrt den äußeren Selbstbehauptungswillen (gegen andere Nationen und »Nationalinteressen«) stilisierte und demzufolge eher auf die (auch zwanghafte) »innere Einheit« orientiert sein mußte. Wie aber die politische Rechte durchaus ihr soziales und demokratisches (ironisch gesagt: sozialdemokratisches) Moment besaß, so entbehrte umgekehrt die Linke keineswegs völlig des nationalen und ideologisch des nationalistischen Moments, wie es sich von der sozialdemokratischen Kriegsbegeisterung im Ersten Weltkrieg bis zur nationalen Komponente in den bürgerlichen Revolutionen der historischen Nachzügler (Sowjetunion und Dritte Welt) zeigen sollte. Aber das nationale Moment stand trotzdem bei der Linken immer unter einem, wenn auch zeitweise fast verschwindenden, Vorbehalt aus der demokratischen und sozialen Grundorientierung heraus; unter diesem Vorbehalt konnte die Nationalideologie nie derart rückhaltlos und durchschlagskräftig mobilisiert werden wie bei den Rechten. In dieser Gesamtkonstellation, die einem fortgeschrittenen Durchsetzungsstadium des warenproduzierenden Systems seit dem späteren 19. Jahrhundert entsprach, zeigte sich nun auch ein weiterentwickeltes Parteiensystem, das bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts dauern sollte. Das Links-Rechts-Schema gewann jetzt erst seine eigentlichen Konturen in den Formzusammenhängen der neuen Konstitution selbst. Man kann dabei von einem »Zeitalter der Ideologie« und von einer »Ideologisierung der Massen« sprechen, die jetzt aus ihren ständischen und hauswirtschaftlichen Bindungen herausgerissen und für den Durchsetzungsprozeß der totalen Warenform mobilisiert wurden. An die Stelle der noch ständisch überformten Parteien traten ideologische Weltanschauungsparteien, angereichert mit bereits durchgehend warenförmigen Systeminteressen, in denen die »Politik« als Durchsetzungsmodus der neuen Konstitution erst zu sich kam und eine eigentliche politische Sphäre in der Gesamtgesellschaft erst ausgebildet wurde. Das noch längst nicht gelöste und überwundene Durchsetzungsproblem betraf jetzt nicht mehr allein den äußeren institutionellen Rahmen, sondern die Subjektform selbst, und nicht mehr bloß eine Elite im alten Sinne, sondern die zu formierenden Massen. Wurde die gesellschaftliche Allgemeinheit in der vormodernen religiösen Konstitution allein von der jeweiligen Elite getragen, während die Masse ihr erst sekundär unterworfen wurde, so mußte sie in der modernen Gestalt der Warenform die Masse unmittelbar erfassen. Entsprach der naturalen Unmittelbarkeit vormoderner Naturbeziehung eine sekundäre, vermittelte, personifizierte Existenz der gesellschaftlichen Allgemeinheit, so mußte umgekehrt der warenförmig vermittelten (nicht mehr direkten) modernen Naturbeziehung die Unmittelbarkeit der fetischistischen Allgemeinheit von Gesellschaft nunmehr in der Subjektform aller Menschen ohne die Schranken irgendeiner sozialen Partikularität entsprechen. Denn mit der Herauslösung der Produzenten aus der unmittelbaren Naturbeziehung und ihrer Verwandlung in Verausgabungseinheiten abstrakter Arbeitsquanta verwandelte sich auch die abstrakte Allgemeinheit aus jenem allgegenwärtigen, aber diffus gestreuten Bewußtseinsdunst der religiösen Konstitution in die ebenso allgegenwärtige, aber harte Totalität des Geldes und seiner Selbstverwertung. Da jedoch die Selbstverwertung des Geldes als »Darstellungsform« oder fetischistische Inkarnation der zum blinden gesellschaftlichen Selbstzweck mutierten abstrakten Arbeit nur in der Vermittlungsform des Marktes möglich ist, d.h. sich nur in massenhaften, alle Menschen ohne Ausnahme erfassenden Kauf- und Verkaufsakten »realisieren« kann, mußte demzufolge im krassen Unterschied zur vormodernen Gesellschaft auch eine gleiche, »egalitäre«, diktatorisch an das Geld gefesselte Subjektform für alle Menschen ohne Ausnahme durchgesetzt werden. Denn die Realisation der fetischistischen Selbstverwertung des Geldes ist nur möglich durch den »freien« Willensakt der Menschen als totale Käufer- und Verkäufersubjekte hindurch. Diese Notwendigkeit verträgt sich weder mit traditionellen Bindungen noch mit einer Beschränkung des »Trägersubjekts« der fetischistischen Allgemeinheitsform auf eine Eliteschicht. Das Durchsetzungsproblem der neuen, warenförmigen Fetischkonstitution erscheint daher nach rückwärts gesehen als Befreiung von den Zwängen der religiösen Konstitution, als Emphase des Egalitarismus und des »freien Willens«; nach vorwärts gesehen erweist sich dies jedoch selber als ideologische Verblendung, denn dieser neue Egalitarismus der totalen Geldform bringt nicht nur neue soziale Unterschiede und neue, umso brutalere Erscheinungen der Armut und Entblößung von allen Reproduktionsmitteln hervor, sondern auch neue und nicht weniger brutale Zwänge. Der »freie Wille« ist eben keineswegs »frei« seiner eigenen Form gegenüber, nämlich der Waren- bzw. Geldform und ihren Zwangsgesetzen, denen die menschlichen Möglichkeiten und Bedürfnisse nicht weniger aufgeopfert werden als in der vormodernen Fetisch-Konstitution. Die frühere Unterwerfung unter die religiös konstituierte Tradition und deren Personifizierungen wird nur abgelöst durch die umso hoffnungslosere Unterwerfung unter die unpersönliche, verdinglichte Macht des Geldes und seiner »Gesetzmäßigkeiten«, die ebenso wie die religiösen Traditionen der Vormoderne blind hingenommen werden wie Naturgesetze. Diese undurchschauten Zusammenhänge lösten in der Durchsetzungsgeschichte des warenproduzierenden modernen Fetischsystems auf jeder neuen Stufenleiter seiner Entwicklung neue Ideologieproduktionen und eine neue Verwandlung der sich herausbildenden politischen Sphäre aus. Die Ablösung der noch ständisch durchwirkten Politik des 19. Jahrhunderts und des entsprechenden, noch unausgeformten Parteiensystems durch die Ideologisierung der Massen und deren emphatische Einbeziehung in die Politik - die marxistische Sozialdemokratie war der Vorläufer und Protagonist dieser Tendenz gewesen, die dann zunehmend auch »rechts« besetzt wurde - entsprach also nicht nur voll und ganz der inneren Logik des modernen Fetischsystems, sondern auch dessen spezifischer Durchsetzungsproblematik seit dem Ende des 19. Jahrhunderts. Der »fordistische« Übergang zur Massenproduktion, in Europa durch den an seinem Ende motorisierten Ersten Weltkrieg exekutiert, verlangte in logischer Konsequenz den Übergang zum Massenkonsum kapitalistisch produzierter Waren und damit zur politischen Massendemokratie, in welcher Erscheinungsform auch immer. Es mag die Fetisch-Demokraten empören, aber zu dieser »Demokratisierung« und damit Massenpolitisierung gehören auch das faschistische, das nationalsozialistische und das stalinistische Regime, insofern diese die technische, ideologische und »enttraditionalisierende« Mobilisierung der Massen beförderten, die Voraussetzung der totalen Warenform und damit der entfalteten Demokratie ist. Demokratisierung ist nichts anderes als die vollständige Unterwerfung unter die subjektlose Logik des Geldes. In dem Maße, wie die Massen diesen Zustand erreicht hatten, der nach dem Zweiten Weltkrieg allmählich global abgeschlossen wurde, mußte auch die Sphäre der »Politik« ihren Aggregatzustand abermals verändern. Die politizistische Massenmobilisierung, die in den rückständigeren Weltregionen noch Triumphe feierte (»Befreiungsbewegungen« der Dritten Welt), begann in den entwickelteren Warengesellschaften schon wieder dysfunktional zu werden. Die Massen waren ja nunmehr im totalen Geldverdiener-Zustand angelangt und mußten für diesen nicht mehr zwangsmobilisiert und ideologisch aufgeputscht werden. Soweit und sobald daher das moderne Fetischsystem nach dem Zweiten Weltkrieg seine Durchsetzungsgeschichte nahezu beendet hatte und mit sich selbst identisch wurde, mußte auch der ideologische Überschuß verschwinden und die politizistische Emphase erlahmen. Die Bewegung von 1968 kann so auch (darin geht sie nicht auf) als das letzte oberflächliche Zucken des demokratisierenden, politizistischen Impulses verstanden werden. In der logischen Tiefe des Systems aber war längst »Entideologisierung« angesagt, und insofern auch »Entpolitisierung«, jedenfalls im Sinne des bisherigen emphatischen Politikbegriffs. Auch das Parteiensystem folgte notwendigerweise diesem Wandel. Die Parteien verloren ihren weltanschaulichen Mantel wieder und mutierten zu sogenannten »Volksparteien«, d.h. zu einem Konglomerat warenförmiger Interessen und Klientels, in dem die Ablagerungen der alten Stände, der sozialen Klassen und der Weltanschauungen aus der vergangenen Durchsetzungsgeschichte des Systems nur noch in matten Konturen sichtbar sind. Die Ideologie der Ideologielosigkeit, d.h. der nunmehr stummen, blinden, voraussetzungslosen Übereinstimmung mit den bereits ausgereiften Fetisch-Kriterien der Moderne wurde jetzt zeitgemäß. Mit dem Zusammenbruch des Staatssozialismus, mit dem Abschluß der Entkolonisierung (deren letzter Nachzügler wohl Südafrika sein dürfte) und mit der Herstellung einer lückenlosen, negativ gleichzeitig gemachten »One World« des warenproduzierenden Systems ist diese letzte Transformation der politischen Sphäre endgültig abgeschlossen. Die traditionellen Politizisten linker ebenso wie rechter Couleur mögen dies auf ihre jeweils spezifische Weise bedauern, aber es gibt natürlich kein Zurück mehr. Während die ersteren der in ihren Köpfen ideologisch aufgeladenen Demokratisierung und den damit zusammenhängenden Wunschbildern nachtrauern, wollen letztere immer wieder noch einmal den dürren »Krämergeist« verachten und erinnern sich mit Wehmut der Zeiten, als die Politik noch ein fahnenschwingendes, gen Engelland fahrendes, martialisches Monstrum war. Die farblos und ortlos gewordenen »Realisten« dagegen wähnen sich mit Zeit und Welt und geglückter Modernität im Einklang, wenn sie dem dürren »Aushandlungscharakter« einer nunmehr entzauberten »Politik« huldigen und diesen als eigentlich immer schon gemeintes besseres Erbe der westlichen Rationalität reklamieren.
3. Aber es hat sich mit der historischen Vollendung des Systems zum totalen Weltsystem keineswegs bloß das Überschußmoment der »Politik« verflüchtigt, die als Durchsetzungsmodus der System-Konstitution erlischt und zur bloß immanenten Funktion herabsinkt. Indem nämlich auf diese Weise die doppelte Aufladung der politischen Sphäre verschwindet, rückt der polare Gegensatz der Funktionssphären von »Ökonomie« und »Politik«, in dem sich das warenproduzierende System mit sich selbst vermitteln muß, erst voll ins Licht. je mehr sich der ideologische Überschuß der Durchsetzungsgeschichte auflöste und der dürre Selbstzweck der Wertverwertung, seiner schillernden weltanschaulichen Gewänder entkleidet, in obszöner Nacktheit erschien, desto mehr kam dabei auch der unselbständige, sekundäre Charakter der politischen Funktionssphäre zum Vorschein. Die »Politik« wird jetzt immer offener und eindimensionaler zur Wirtschaftspolitik. Wie in den vormodernen Gesellschaften alles und jedes religiös begründet werden mußte, so muß nun alles und jedes ökonomisch begründet werden. Man sollte nur einmal zuhören, wie das Wort »Marktwirtschaft« im Munde der versammelten historischen Idioten seit 1989, vom US-Präsidenten über deutsche Grüne bis zu russischen Ex-Kommunisten, einen liturgischen Klang annimmt. Etwas ist gut, weil es »der Marktwirtschaft« hilft und nützt, und wohlgefällig ist es, alles Tote und Lebendige einem marktwirtschaftlichen Zweck zuzuführen. Und wie in den früheren Durchsetzungsstadien der Links-Rechts-Gegensatz von Königstreuen und Republikanern oder von Sozialisten und Faschisten dargestellt wurde, so wird er nun von Keynesianern und Monetaristen, von Marktradikalen und Interventionisten dargestellt. Der innerpolitische Links-Rechts-Gegensatz, der früher der Ökonomie gegenüber selbständig und primär schien bzw. den Sphärengegensatz von »Ökonomie« und »Politik« überstrahlte, wird nun seinerseits durchökonomisiert; beide Seiten richten sich »wirtschaftspolitisch« aus. Dieser Zustand wurde erst nach 1989 in vollem Maße hergestellt; freilich fiel er nicht vom Himmel, sondern der Gesellschaftsprozeß lief schon seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs mit wachsender Geschwindigkeit darauf zu, und geahnt wurde er noch früher. Die Frage, wie immer neue »Arbeitsplätze« und Wachstum zu schaffen seien, und ob die Konjunktur durch Nachfrage- oder durch Angebotsorientierung gepusht werden soll, erhitzt die Gemüter jetzt ebensosehr wie ehedem die Frage, ob nur Steuerbürger oder auch Besitzlose Stimmrecht haben sollen, ob ein Krieg gerecht oder ungerecht sei, wie dem »Vaterland« am besten gedient werden könne usw. Gewiß sind die alten politisch-ideologischen Gegensätze immer noch da, aber nur noch als verblaßte und verschlissene leere Hüllen. Selbst der Neonazi begründet ökonomische Forderungen nicht mehr im Namen der Rasse, sondern umgekehrt seinen Rassismus mit ökonomischen Interessen. Die wirtschaftspolitische Hitzigkeit erklärt freilich auch, warum mit der zu ihrem historischen Ende gelangten Durchsetzungsgeschichte des warenproduzierenden Systems keineswegs die politische Sphäre als solche verschwinden und einer direkten sozial-ökonomischen »Aushandlung« der warenförmigen Interessen Platz machen kann. Nicht die »Politik« als solche geht nämlich im Durchsetzungsmodus des Systems auf, sondern bloß ihre doppelte Aufladung und scheinbar verselbständigte Emphase, ihre ideologische Einkleidung etc. Was notwendigerweise und auf dem Boden des Systems unaufhebbar zurückbleibt, das ist die Sphäre der »Politik« als sekundäre Funktion im unaufhörlichen Selbstvermittlungsprozeß der nunmehr unangefochtenen, flächendeckend gewordenen totalen Warenform. Dieses als Residuum des Politischen zurückbleibende Problem ergibt sich aus dem Fetischcharakter der ganzen Veranstaltung. Die abstrakte Allgemeinheit der Moderne, verdoppelt in den Formen von Geld (primär) und Staat (sekundär), d.h. die »Volonté Générale« als subjektloser »Gott« der bewußtlosen Vergesellschaftung, erzwingt jene Sphäre der Selbstvermittlung. Eben weil der Gott der totalen Warenform kein wirkliches äußeres Subjekt ist, sondern ein historisches Produkt in den Köpfen der Menschen, das ihnen dennoch alle ihre gesellschaftlichen Handlungen aufherrscht, deswegen müssen sie die Selbstvermittlung des subjektlosen Systems auch durch das Spaltungsirresein ihres eigenen Denkens und Handelns hindurch vollziehen - sie müssen dem chimärischen Gott nach- und auf die Sprünge helfen und als das andere ihrer selbst agieren; die nunmehr völlig gerupfte und entzauberte »Politik« bleibt daher eine auf dem Boden des Systems unabdingbare Funktionssphäre. Diese hier theoretisch reflektierend beschriebene Notwendigkeit der Funktionssphäre »Politik« läßt sich durchaus auch vom Standpunkt des immanenten Handelns aus darstellen. Erstens nämlich können die vielfältigen warenförmigen Interessen unmittelbar aus sich heraus nicht zu einer funktionsfähigen Verlaufsform »ausgehandelt« werden. Dies würde bedeuten, daß wirklich zurechnungsfähige und ihrer Gesellschaftlichkeit bewußte Akteure sich aufeinander kommunikativ beziehen und direkt über die Nutzung der sinnlich-stofflichen Ressourcen entscheiden; aber dann könnten es eben keine warenförmigen Subjekte und somit keine warenförmigen Interessen mehr sein. Vom Standpunkt des konstituierten Interesses aus ist dagegen keine Entscheidung möglich, wenn die Rahmenbedingungen und die »dritte« Instanz fehlen. Wenn die Gesellschaftlichkeit sich daher in eine einseitige sozial-ökonomische Konstitution aufgelöst hätte und alle Sorten warenförmiger Funktionsträger nur noch unmittelbar als »Gewerkschaften« ihrer Spezialinteressen aufeinandertreffen würden, könnte auch nichts mehr ausgehandelt werden, weil es dann keine Instanz für das gemeinsame Kriterium (der Volonté Generale) mehr gäbe. Das wäre die Rückkehr zur unmittelbaren Gewalt und damit zur sofortigen Auflösung des ganzen Gefüges. Das »Aushandeln« muß in einem verbindlichen Regelsystem (Recht) vor sich gehen, und dessen Festlegung kann nicht auf derselben Ebene wie die Austragung des warenförmigen Interessengegensatzes geschehen; sie muß durch die andere und gegensätzliche Funktionssphäre der »Politik« hindurch. Zweitens ist die staatlich-politische Sphäre nicht nur als »arbiter« ???????der aufeinanderprallenden und an sich unvermittelten Interessen notwendig, sondern auch als Träger derjenigen Ressourcen, die als infrastrukturelle Aggregate gesamtgesellschaftliche Rahmenbedingungen des Verwertungsprozesses geworden sind, ohne selber direkt Verwertung von Geld sein zu können. Diese Aggregate können daher nicht den Furien des Partikularinteresses überlassen werden, weil keine partikulare Verwertungsinstanz freiwillig genügend Geld für die gesamtgesellschaftlichen »faux frais« des Systems zur Verfügung stellen würde und die dafür abzuzweigenden Ressourcen bei einer bloßen »Aushandlung« zwischen den Partikularinteressen niemals in ausreichendem Maße zusammenkommen könnten. Sowohl als »arbiter« der Interessengegensätze und Träger der Rechtsform als auch in Gestalt eines Verwalters der infrastrukturellen Aggregate bleibt daher der Staat als »ideeller Gesamtkapitalist« systemisch unabdingbar, und somit kann auch die Sphäre der »Politik« als Selbstvermittlungsform des Systems nicht einfach verschwinden. Freilich erweist sich jetzt, nach der historischen Entzauberung der »Politik«, auch ihr sekundärer und unselbständiger Charakter, obwohl sie notwendig bleibt. Aber sie ist eben bloße Vermittlungsform von etwas Übergreifendem, auf das sie »als« Politik keinen selbstherrlichen Einfluß und Zugriff hat; wie sich die Warenform als solche und ihre Bewegungsgesetze außerhalb des »freien Willens« der Warensubjekte befinden, so auch logischerweise außerhalb der spezifischen »politischen« Willensform, die nur eine abgeleitete ist. Der Staat ist die Zusammenfassung der Partikularinteressen und somit »ideeller Gesamtkapitalist« keineswegs in dem Sinne, daß er sich zum Meta-Willen aufschwingen könnte, der die »Ökonomie« nur noch als »Basis« hätte, auf der er wirklich »frei« und lediglich durch die Zahl und Qualität seiner »Machtmittel« begrenzt agieren könnte. Das war die politizistische bzw. etatistische Illusion der nunmehr vergangenen Durchsetzungsgeschichte. Konnte in dieser die »Ökonomie« als »politisiert« erscheinen, so erscheint jetzt zwangsläufig genau umgekehrt die »Politik« als »ökonomisiert«. Damit wird das eigentliche Verhältnis auf dem Boden des warenproduzierenden Systems zurechtgerückt. Dabei erleben wir auch die historische Blamage des scheinbar unver wüstlichen linken »Ökonomismus«-Paradigmas. Dessen begriffliche Grundlage ist ein elementarer Denkfehler: die Warenform als Totalitäts form wird verwechselt mit der oberflächlichen Funktionssphäre der »Ökonomie«, in der Ware und Geld unmittelbar empirisch agieren und erscheinen; die in Wahrheit totale Warenform erscheint dann verkürzt als bloße »Wirtschaft«, der gegenüber die »Politik« selbständige und sogar letztinstanzliche Eingriffsmöglichkeiten hätte. Eigentlich gibt es dann gar keinen Begriff des Ganzen mehr, d.h. die vermittelte Totalität fällt be riffslos auseinander in »Ökonomie« und »Politik«, die nicht (oder je denfalls nicht konsequent) als abgeleitete Funktionssphären eines Identi schen und Übergeordneten erkannt werden können, oder der Begriff des Ganzen wird dann selber politizistisch verbogen (»Kapitalismus« als fal scher Begriff der subjektiv aufgelösten »Macht«). Ironischerweise argu mentiert die gewöhnliche linke »Ökonomismuskritik« dabei ungewollt selber »ökonomistisch«, indem sie die Warenform platt der erscheinenden Funktionssphäre der »Ökonomie« zurechnet, statt sie als Totalitätsform zu erkennen, die auch die Sphäre der »Politik« einschließt. Der Gegen satz von »Ökonomie« und »Politik« kann dann nicht mehr als der inhä rente Gegensatz der Warenform und ihrer Fetisch-Konstitution selber begriffen werden, der aus dem Problem ihrer Selbstvermittlung folgt, son dern nur noch als äußerer, unvermittelter Gegensatz, der Spielraum läßt für die (ebenso gewöhnliche) linke Hypostasierung des Politischen. Das eigentliche Geheimnis dieser Hypostasierung ist die völlige Unfähigkeit sämtlicher herkömmlicher Gestalten des »Linksseins«, sich dem Problem einer Aufhebung der Warenform überhaupt zu stellen. Die »Ökonomismuskritik« war im Grunde immer eine Ausflucht vor diesem Problem; man sprang dann schnell zur »Politik«. An die Stelle einer Aufhebung der Warenform, die überhaupt nicht gedacht werden konnte, trat folglich irgendeine Variante der »politischen Regulation«, von der die ontologisierte und auf die »ökonomische« Funktionssphäre verkürzte Warenform an die »politische« Kandare genommen werden sollte. Die Hypostasierung des Demokratiebegriffs gehört meistens dazu. Nicht durch die Aufhebung der modernen Fetischform, sondern durch ihre »Demokratisierung« und »Politisierung« sollte der völlig verkürzt verstandene Kapitalismus überwunden werden. Diese durch und durch ideologische, der eigentlichen Systemkonstitution gegenüber bewußtlose politizistische Kampagne der Linken wurde umgekehrt ergänzt durch eine ebensolche politizistische Hypostasierung der kapitalistischen Staatsmacht, der ihrerseits eine Selbstherrlichkeit gegenüber ihrer »ökonomischen Basis«, ein instrumenteller Umgang mit dieser und eine allgemeine Kommandoposition zugetraut wurde. Wie die Linke den Kapitalismus absurderweise »politisch« überwinden wollte, in Unkenntnis des immanenten Systemcharakters der politischen Funktionssphäre, so blies sie auch die Gegenseite, den kapitalistischen Staat und seine politischen Träger, immer wieder zum Übersubjekt und vermeintlichen Demiurgen des Gesamtprozesses auf. Dieses »übermächtige« Feindbild blieb der funktionalen Oberfläche verhaftet, weil die eigene Kritik nicht an den Kern der kapitalistischen Produktionsweise heranreichte. Die Vorstellung vom politisch-staatlichen Kommando über die (unaufgehobene, weiterhin warenförmige) »Ökonomie«, sei es in Gestalt einer revolutionären bzw. reformistischen »Arbeitermacht«, sei es in Gestalt eines »imperialistischen« Kommandozentrums selbst, geisterte in immer neuen Varianten durch die arbeiterbewegten, marxistischen und linken Theorien. Diese Auffassung umfaßte beide Lager des Schismas zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten; sie findet sich bei Lenin ebenso wie bei Hilferding, wenn auch in unterschiedlichen Formen. In Horkheimers und Adornos Theorie vom »autoritären Staat«, vulgärökonomisch flankiert von den Untersuchungen Friedrich Pollocks, erreichte dieses Denken einen neuen Höhepunkt, wenn auch mit pessimistischen Grundtönen. Dem Staat wurde zugetraut, den Verwertungsprozeß und den Marktmechanismus auf negative, »falsche«, autoritäre Weise endgültig an die Kandare genommen und in ein »geplantes«, hierarchisch gesteuertes Regelsystem verwandelt zu haben. So verständlich diese Auffassung unter dem direkten Eindruck des Nationalsozialismus auch sein mochte, sie blieb doch eine fundamentale theoretische Fehlleistung. Der etatistisch-politizistische Durchsetzungsmodus, dessen Träger auch der Nationalsozialismus noch war, wurde mit der basalen Logik und dem Zusichkommen des Systems selbst verwechselt. Dieselbe Fehlleistung findet sich dann beim linksradikalen »Operaismus« (Negri u.a.) wieder, wo sie schon weniger historisch verzeihlich ist; und schließlich taucht eben dasselbe Mißverständnis auch in den Ansätzen von Habermas und von postmodernen Theoretikern (Baudrillard) auf, bei denen die Marxsche »Werttheorie« bzw. sogar der »Wert« überhaupt für »erledigt« erklärt werden, weil sie die Krisenpotenz des Verwertungsprozesses nicht erkennen bzw. die gespenstischen Simulationsgestalten des »fiktiven Kapitals« für bare Münze nehmen. Der gesamte neuere Linksradikalismus ist tief in dieses elementar fehlerhafte theoretische Paradigma verstrickt, dessen historische Wurzeln er größtenteils gar nicht mehr kennt. Die linke »Ökonomismus«-Kritik läßt sich also nur aus dem politizistischen Überschuß der bürgerlichen Durchsetzungsgeschichte erklären; und damit erweist sich auch die Linke (und das »Links-Sein« überhaupt) als ein bloßer Bestandteil dieser Geschichte, als ein polares Moment innerhalb der modernen Konstitution, und eben nicht als deren Kritik. Diese Kritik liegt offenbar noch vor uns, und sie kann nicht mehr vom Standpunkt des »Links-Seins« aus formuliert werden. Die bürgerliche Beschränktheit der »Ökonomismus«-Kritik läßt sich dabei durchaus auch vom immanenten Funktionszusammenhang her aufzeigen. Die angebliche Selbständigkeit der »Politik« wird nämlich schon dadurch grundsätzlich dementiert, daß die politische Sphäre über gar kein eigenes Medium der Einflußnahme verfügt. Alles, was der Staat politikvermittelt tut, muß er im Medium des Marktes tun, d.h. in der Geldform. Denn jede Maßnahme und jede Institution muß »finanziert« werden. Am Problem der »Finanzierbarkeit« bricht sich grundsätzlich jede Selbständigkeit der »Politik«, auch die von der Linken oft beschworene sogenannte »relative« Selbständigkeit (selbst diese Floskel war meistens ein bloßes Lippenbekenntnis zur unaufgelösten Marxschen Ökonomiekritik; real hat die Linke die angebliche Selbständigkeit der »Politik« immer als absolute behandelt). Die Abhängigkeit der »Politik« von der Finanzierbarkeit ihrer Maßnahmen und damit von der Geldform des Marktes ist insofern eine absolute, als die politische und etatistische Sphäre keine eigene Geldschöpfungspotenz besitzt. Wo der Staat über die Notenbank versucht, die Kompetenz für die Geldschöpfung unmittelbar an sich zu reißen, ist dies immer bereits ein Moment des Systemzusammenbruchs; das Anwerfen der Notenpresse und die Produktion von »substanzlosem Geld«, die unproduktive etatistische Geldschöpfung, wird stets durch die systemzerrüttende Hyperinflation bestraft. Absurd ist es, diese vergebliche Intervention der staatlichen Pseudo-Geldschöpfung als »bereinigende Maßnahme« darzustellen, wie es gelegentlich der politizistische Linksradikalismus versucht. Im Gegenteil ist die Inflationierung die Kapitulationserklärung der politischen Sphäre auf dem ihr unerreichbaren Gebiet der Darstellungsform des »Werts«. Der historisch schon mehrfach aufscheinende Bankrott der »Politik« in dieser Hinsicht wurde niemals durch politische Maßnahmen, sondern immer nur durch den jeweils nächsten historischen Akkumulationsschub der Geldverwertung unabhängig von jeglicher »Politik«« überwunden und aufgeschoben. Diese elementare Schranke von Staat und Politik enthüllt die eigentliche Impotenz der politischen Sphäre; denn dies wäre ja der entscheidende Punkt, wo sich die Selbständigkeit der »Politik«« und die Kommandofähigkeit des Staates bewähren müßten. Der Staat kann also nur aus gelingenden Verwertungsprozessen, die der Markt vermittelt, das Geld für die »Finanzierung« all seiner Maßnahmen abschöpfen. Seine diesbezügliche Eintreiberfunktion und sein sozusagen forsches uniformiertes Auftreten läßt ihn deswegen für das historisch und strukturell ungeübte Auge als den Kommandanten der ganzen Veranstaltung erscheinen, während er in Wahrheit buchstäblich nur der »Minister«« (Diener) des fetischistischen Selbstzwecks ist und dessen blinder Bewegung hoffnungslos ausgeliefert bleibt. Seine sämtlichen Beschlüsse, Entscheidungen und Gesetze, um deren »Gestaltung« im politischen Prozeß gerungen wird, bleiben lächerlich unwirksam, wenn ihre Finanzierung nicht regulär vom Marktprozeß »erwirtschaftet« worden ist. Das gilt nicht zuletzt auch für die Machtmittel selber. Auch Panzer, Flugzeuge und elektronische Feuerleitsysteme müssen natürlich finanziert werden, bevor sie einsetzbar sind; und umgekehrt lassen sich der Verwertungsprozeß, die Marktgesetze und die Finanzmärkte weder durch Spezialeinheiten und Folterspezialisten noch durch Flugzeugträger und aufmarschierende Armeen auch nur im geringsten beeindrucken. Damit stellt sich auch in der empirischen Beziehung der beiden Funktionssphären »Ökonomie« und »Politik« offen sichtbar die wahre Gewichtung her, die immer wirksam war, in den Staubwolken der turbulenten Durchsetzungsgeschichte des Systems aber zeitweilig verschleiert werden konnte. Nur durch blinde Systemschübe der Realakkumulation jenseits des politischen Zugriffs wurde immer wieder der Spielraum für »Politik« geschaffen. Der Totalitätscharakter der Warenform zwingt die »Politik« in die unter- und nachgeordnete Funktionsgestalt, was als letztgültige Abhängigkeit von der »Ökonomie« erscheint. Es gibt keinen unentschiedenen Dualismus von Geld und Macht, sondern die Macht kann überhaupt nur der »Minister« des Geldes sein. Tatsächlich wird dadurch die Macht und damit die Funktionssphäre der »Politik« als Erscheinungsform der fetischistischen Totalität in Gestalt der gesellschaftlichen Warenform enthüllt. Die »Politik« kann ihrem Wesen nach nicht die »Gestaltung« der menschlichen und natürlichen Ressourcen organisieren, obwohl sie die Sphäre der direkten gesellschaftlichen Kommunikation ist; aber diese Kommunikation ist nicht »frei« und nicht offen, sondern eingesperrt in die blinden Codierungen der Warenform und ihrer »Gesetze«, die als bewußtlose Quasi-Naturgesetze der »zweiten Natur« allen bewußt gestalteten, juristischen Gesetzen der staatlich-politischen Sphäre immer schon vorgelagert sind. Dieser erbärmliche Sachverhalt gibt zunächst jener Strömung Oberwasser, die als »Liberalismus« bzw. »Wirtschaftsliberalismus« von Anfang an die Geschichte des modernen Fetischsystems begleitet hat. Ihr Credo ist die »Freiheit der Zahlungsfähigen«; »freie Fahrt für freie Bürger« gewissermaßen. Der Liberalismus war zunächst, der revolutionären »politischen« Geburtshilfe des Systems entsprechend, selber politisch aufgeladen gegen die älteren, noch großenteils vormodernen Mächte. Aber er trug gleichzeitig von Anfang an auch den »antipolitischen«, weil antistaatlichen Impuls in sich (deswegen auch eine gewisse Verwandtschaft des Radikalliberalismus mit dem Anarchismus; beide durchaus an der Warenform klebend); damit bewies er sich als paradoxer politischer Träger des Gegenpols zur »Politik« überhaupt, d.h. der losgelassenen »ökonomischen« Funktionssphäre. Deswegen mußte der Liberalismus für die Epoche der Durchsetzungsgeschichte mit ihrem politizistischen Überschuß das Ruder an die linken und rechten Politizisten abgeben: an Sozialisten und »Kommunisten«, Nationalisten, »Konservative«, Faschisten etc. Innerhalb der ihm eigentlich eher suspekten politischen Sphäre blieb er ebenso ein zunehmend marginalisierter Fremdkörper wie andererseits die alten monarchistischen und Adelsparteien, freilich aus diametral entgegengesetzten Gründen. Verkörperten letztere das absterbende Moment der vormodernen Vergangenheit, so repräsentierte der Liberalismus umgekehrt den »realökonomistischen« Kern, gewissermaßen die verborgene Totalität der erst noch historisch durchzusetzenden gesellschaftlichen Warenform - in der oberflächlichen Erscheinung und ideologischen Auffassung die Selbstläufigkeit der »Ökonomie« gegen die Regulationsinstanzen der »Politik«. In dieser Hinsicht steht der Liberalismus am Anfang und am Ende des Modernisierungsprozesses ideologisch im Zentrum - von der »invisible hand« in der Theorie von Adam Smith bis zum späten Neoliberalismus von heute, der in alle Parteien eingedrungen ist. War der frühe Liberalismus notgedrungen selber »politisch«, so kehrt sich seine Paradoxie heute um; er repräsentiert das »ökonomische« Kriterium in der »Politik« und wird zum allgemeinen (nicht mehr bloß auf die liberalen Parteien beschränkten) Ferment der Ökonomisierung von »Politik«. Die »Wirtschaftsfreiheit«, die er propagiert, ist nur oberflächlich die subjektive, zerstörerische »Freiheit der Zahlungsfähigen«; in Wahrheit lauert dahinter die »Freiheit« der losgelassenen monströsen und subjektlosen Fetischform, als deren unmittelbarer Agent der Liberalismus in der »Politik« auftritt. Sein durch und durch »ökonomistisches« Credo, im Grunde schon von Adam Smith vorformuliert, setzt auf die vollständige Regulation aller menschlichen Angelegenheiten durch die blinden »Marktkräfte«, was identisch ist mit der blinden Unterwerfung aller menschlichen und natürlichen Ressourcen unter den Fetisch-»Gott«« der Wertverwertung, der tautologischen Selbstbewegung des Geldes. Dabei fächert sich natürlich auch der Liberalismus in ein ideologisches Spektrum auf. Die klassischen Positionen ließen der staatlich-politischen Sphäre eine gewisse äußere Regulationsfunktion (»Nachtwächterstaat«), und die monetaristische Position des heutigen Neoliberalismus (Milton Friedman) will den Staat vor allem als rigiden »Nachtwächter« der Geldwertstabilität einsetzen, auf deren Basis dann die »invisible band« des Marktes wirken könne. Der extremistische Liberalismus (v Hayek u.a.) will sogar das Geld als solches den blinden »Marktkräften«« aussetzen und die Nationalbanken auflösen; er zielt letztlich auf die Beseitigung der staatlich-politischen Sphäre überhaupt, um alle Funktionen und Lebensäußerungen (bis hin zur »Sicherheit«) direkt dem Marktmechanismus zu unterwerfen. Insgesamt und besonders natürlich in seinen radikalsten Positionen verkennt der Liberalismus also die systemische Funktionsnotwendigkeit der politischen Sphäre völlig. Deren objektive Ausdifferenzierung im blinden historischen Systemprozeß erscheint ihm vielmehr als subjektiver »Fehler« oder als lasterhafte Verirrung. Dabei kommt auch sein offen asozialer Charakter zum Vorschein, wie er aus der bedingungslosen Hingabe an die verrückten Kriterien des unmittelbaren Verwertungsprozesses notwendig folgen muß. Die ideologische Behauptung, daß gerade der Marktmechanismus an sich sozial sei und die »Allokation der Ressourcen« zum größtmöglichen Wohle aller reguliere, schlägt schnell in offenen Zynismus um, wenn es sich offensichtlich real nicht so verhält. Dann behauptet der Liberalismus, das aufkommende Elend sei auf den mangelnden Leistungswillen der Armen und Ausgegrenzten zurückzuführen, auf Faulheit und moralische Verkommenheit; oder es wird sogar in dürren Worten gesagt, Armut und Elend habe es immer schon gegeben, und dieses Schicksal sei eben hinzunehmen, wenn der als ewige Naturnotwendigkeit begriffene Markt und seine Kriterien wider Erwarten für viele Menschen nichts anderes »erlauben«. An diesem letzten Punkt angelangt (in den jüngeren Äußerungen z.B. der Britin Margaret Thatcher oder des Deutschen Otto Graf Lambsdorff als liberale Konsequenz dokumentiert), erweist sich der Liberalismus als das schiere Gegenteil menschlicher Freiheit über die Gestaltung des eigenen Lebens. Eher sollen die Ressourcen brachliegen und verkommen (oder umgekehrt zerstörerisch mobilisiert werden), als daß sie nach anderen als marktwirtschaftlichen Kriterien in Bewegung gesetzt werden »dürfen«. Der Liberalismus als bestimmende Kraft läuft daher mit Naturnotwendigkeit auf irgendeine Form des Bürgerkriegs hinaus. In böser Ironie muß er also am Ende sich paradox in sein Gegenteil verwandeln, weil ihm dann nichts anderes mehr übrigbleibt, als sich freiwillig unter Kuratel irgendeiner bewaffneten Macht zu stellen (und sei es einer Landsknechts- oder Räuberbande), die ihn schließlich auch selber kujoniert, ohne natürlich ihrerseits die Bewegungsgesetze der subjektlosen Warenform bzw. Marktvermittlung auch nur im geringsten erreichen zu können. Die Bewußtlosigkeit aller Beteiligten über die eigentlichen Bedingungsgründe und Resultate ihres eigenen Handelns ist dabei immer schon vorausgesetzt. Ganz offensichtlich ist der Liberalismus das komplementäre Gegenteil des Politizismus, sei es des rechten oder des linken im Spektrum der politischen Sphäre. Gegen die linke (und gelegentlich auch rechte) affirmative »Ökonomismus«-Kritik ist er die direkte Ideologie und Propaganda eines affirmativen »Realökonomismus«. Dabei läßt sich eine paradoxe ideologische Verschränkung dieser beiden Positionen aufzeigen. Die linke »Ökonomismus«-Kritik hat ihr relatives Recht, besser eigentlich: ihren Vorwand, an einer in Wirklichkeit nur selten vertretenen Auffassung, die eine unmittelbare, mechanische Abhängigkeit der »Politik« vom empirischen Wirtschaftsprozeß verficht. Gewiß ist die »Politik« auch heute nicht eine direkt abhängige Variable z.B. des Bruttosozialprodukts, der Import-/Exportpreise usw. Allerdings ist im Unterschied zur vergangenen Durchsetzungsgeschichte des Systems sogar dieser empirische Wirtschaftsprozeß der »Politik« weitaus stärker auf die Pelle gerückt, ja er hat sie teilweise sogar schon paralysiert. Die unmittelbare empirische Abhängigkeit der »Politik« von der »Ökonomie« erscheint freilich niemals in der Weise, daß die Verlaufsform des politischen Prozesses mechanisch die Verlaufsform des ökonomischen Prozesses reproduziert oder dieser direkt hinterherdackelt; vielmehr zeigt sich das stärkere Gewicht der ökonomischen Funktionssphäre daran, daß ihr blinder Prozeß die Handlungsmöglichkeiten der »Politik« begrenzt und einschnürt, was in der politischen Sphäre z.B. zu irrationalen Ausbrüchen, Verzweiflungsaktionen, regressiven Strömungen etc. führen kann, die natürlich kein bloß spiegelbildlicher »Reflex« der empirischen »Wirtschaftsentwicklung« sind. Aber abgesehen davon ist die eigentliche Fehlleistung der »Ökonomismus«-Kritik ja ihr Unausgesprochenes, ihre Ignoranz gegenüber der basalen Fetisch-Konstitution der totalen Warenform. Die »Ökonomismus«-Kritik läuft darauf hinaus, die Wertvergesellschaftung oder gesellschaftliche Warenform als solche aus dem Schußfeld zu nehmen und diese Ignoranz durch politizistische Phantasien zu kompensieren. In diesem verborgenen affirmativen Bezug trifft sie sich mit dem Liberalismus, der dieselbe Affirmation in umgekehrter Form ebenso bewußtlos ausspricht. Linke oder rechte »Ökonomismus«-Kritiker und liberale »Realökonomisten« treffen sich also in der gemeinsamen Affirmation des warenproduzierenden Systems; erstere treffen diese Geliebte heimlich, verschämt und »ökonomismuskritisch«; letztere offen, unverschämt und »realökonomistisch«. Die Krise des gesamten Bezugsfeldes ist heute offensichtlich, öffentlich geworden als »Krise der Politik«. Indem die Totalitätsform der Ware als herrschendes Prinzip jenseits ihrer Durchsetzungsgeschichte deutlich wird und demzufolge auch das »Subsystem Ökonomie« seine Strukturdominanz gegenüber dem »Subsystem Politik« geltend macht, stürzt sozusagen der politische Himmel ein. Die »Politik« erlebt ihre ökonomische Entzauberung als Verbiegung aller ihrer Maßstäbe. Obwohl es auch die explizit rechten (bzw. rechtsradikalen) Parteien noch und wieder gibt, rücken als Reaktion auf die Krise alle Parteien (auch die linken) relativ nach rechts; und obwohl der Neoliberalismus als besondere Ideologie und die Liberalen als besondere Partei auftreten, dringt die wirtschaftsliberale und marktradikale Position relativ in alle Ideologien und Parteien ein, in die linken ebenso wie in die rechten. Das übergreifende Moment ist das zunehmende Ausgeliefertsein und die zunehmende Selbstauslieferung der »Politik« an die selbstläufigen ökonomischen Kriterien. Damit erlischt keineswegs bloß die historische Emphase des Politischen, sondern es wird eine existentielle Krise der gesamten Vergesellschaftungsweise sichtbar. Die »Krise der Politik« wächst zusammen mit der »Krise der Ökonomie« und ihrer Kernkategorie »Arbeit«; die Krise der »Subsysteme« verweist auf die Krise des warenförmigen Gesamtsystems, das in demselben Moment an seine absolute historische Grenze stößt, wie es seine Durchsetzungsgeschichte hinter sich gelassen hat und nur für einen historischen Lidschlag mit sich selbst identisch sein kann.
4. Daß es sich bei der »Krise der Politik« nicht bloß um den Verlust ihrer historischen Emphase und Hypostasierung handelt, so daß sie nunmehr in aller Ruhe als reduziertes und entzaubertes Subsystem weitermachen und ihrer eigentlichen funktionalistischen Dürre entsprechen könnte, läßt sich an den Erscheinungen und Verlaufsformen ihrer Krise mit rapide zunehmender Deutlichkeit ablesen. Dabei werden die Strukturen überhaupt erst sichtbar bzw. treten ins öffentliche Bewußtsein, die als »Bedingung der Möglichkeit« des Politischen bisher den stummen Hintergrund des gesamten gesellschaftlichen Prozesses gebildet hatten, nun aber als elementare Funktionsstörungen sich bemerkbar machen. Diese Störungen, die den historischen Systemzusammenbruch markieren, erscheinen im wesentlichen als ökologische Krise, als Krise der Arbeitsgesellschaft, als Krise des Nationalstaats und als Krise des Geschlechterverhältnisses. Und genau auf diesen Feldern kommen die stummen Hintergrundstrukturen der »Politik« zum Vorschein und hören auf, stumm zu sein. Die gesellschaftlichen Katastrophengeräusche, die ihr Zusammenbruch hervorruft, gehen unmittelbar in die Schmerzensschreie der »Politik« über, deren Regulationsfunktion zusammen mit dem ökonomischen Funktionsmechanismus auseinanderfällt. In demselben Maße, wie die Systemgrundlagen, die von der »Politik« nicht erreichbar sind, ihre Funktionsfähigkeit einbüßen, geht die politische Sphäre notwendigerweise in den Leerlauf über. Schon seit den Anfängen des warenförmigen Industriesystems ist dessen Zerstörungspotenz gegenüber der biologischen Natur beklagt worden. Diese Zerstörungskraft liegt bereits im basalen Abstraktionsvorgang der Warenform selbst, d.h. in der Gleichgültigkeit des Geldes gegen jeglichen sinnlichen Inhalt. Solange die Warenform nur eine randständige Nischenexistenz in den vormodernen Konstitutionen besaß, konnte der destruktive Charakter dieser »Realabstraktion« (Sohn-Rethel) und ihres entsinnlichten Umgangs mit dem sinnlichen Stoff der Welt nur wenig und eher zufällig in Erscheinung treten. In demselben Maße jedoch, wie die Warenform zur gesellschaftlichen Totalitätsform in Gestalt des Kapitals avancierte, mußte sich auch ihr Zerstörungscharakter gegenüber der »ersten Natur« offenbaren. Die dadurch hervorgerufene ökologische Krise blieb zunächst sektoral und regional begrenzt; sie folgte dem Prozeß der warenförmigen Industrialisierung. Es ist daher nur folgerichtig, daß sie mit der strukturellen und globalen Vollendung des warenproduzierenden Systems seit dem Zweiten Weltkrieg zur direkten Menschheitsbedrohung geworden ist. Mit Boden, Luft, Wasser und Klima ergreift die Zerstörungspotenz der totalen Warenform die elementarsten Lebensgrundlagen und ist dadurch seit den 70er Jahren zum Dauerpolitikum geworden. Aber gerade in der sogenannten ökologischen Frage wird der unselbständige und strukturell hilflose Charakter der »Politik« deutlich; und mehr als ein Vierteljahrhundert Ökologiedebatte hat diesen Sachverhalt eigentlich auch längst praktisch bewiesen. Denn die Politik kann ihrem Wesen nach nur Funktionsprobleme innerhalb der Logik des Geldes lösen, nicht aber Probleme, die von dieser Logik als solcher hervorgerufen werden. Da der Staat alle seine Regulationsmaßnahmen finanzieren muß, gilt dies natürlich auch für die ökologischen Maßnahmen. Von der Abstraktionslogik des Geldes werden die Naturgrundlagen zerstört; aber die Reparatur der Naturgrundlagen kostet selber wiederum Geld, das erst »verdient« werden muß. Um die vom Geld verursachten Zerstörungen reparieren zu können, muß die Gesellschaft also umso mehr Geld »verdienen« und umso größere Zerstörungen anrichten. Daß diese Schere zu Ungunsten der Natur und damit der Lebensgrundlagen immer weiter auseinandergeht, ist leicht auszurechnen. Von der basalen Logik des Systems her ist das ökologische Problem also überhaupt nicht zu lösen; und da die »Politik« keinen anderen Funktionsraum als den Staat haben kann, muß sie vor dem ökologischen Zerstörungspotential letzten Endes kapitulieren. Sie verlegt sich dann auf sekundäre Maßnahmen, die den Staat möglichst kein Geld kosten, sondern durch gesetzliche Eingriffe die »ökologischen Kosten« betriebswirtschaftlich »internalisieren« sollen; gegenwärtig werden dabei »Ökosteuern« (vor allem die Besteuerung des Energieverbrauchs) als Paradigma gehandelt. Diese rein gesetzlichen, für den Staat sogar einkommensträchtigen Maßnahmen müssen sich jedoch letzten Endes an der Systemlogikerst recht blamieren. Denn zunächst brechen sie sich an der internationalen Konkurrenz. Da der Wirkungsraum des Staates und seiner Gesetze national beschränkt bleibt, die Verliererstaaten auf dem Weltmarkt sich aber an keine internationalen ökologischen Vereinbarungen binden lassen, muß der Weltmarkt die von Ökosteuern hervorgerufene Verteuerung der Produkte mit dem Verlust der Konkurrenzfähigkeit bestrafen und diese Maßnahme somit ökonomisch rasch ad absurdum führen. Dagegen wird eingewendet, diese Wirkung könne vermieden werden, wenn der Staat zum Ausgleich für die Ökosteuer die Arbeitskosten (Lohnnebenkosten, Abgaben für Sozialversicherung usw.) senke und auf diese Weise eine vom Marktmechanismus bestrafte Verteuerung der Produkte verhindern würde. Das aber hieße, daß der Staat die Ökosteuer eigentlich selbst bezahlt, weil er ja an anderer Stelle seine Einnahmen mindert und zu finanzierende Maßnahmen subventionieren muß, die bisher anderweitig (von den »Sozialpartnern«) getragen worden sind. Vollends zur Milchmädchenrechnung aber wird das ganze Konstrukt, wenn es dann heißt, der Staat könne die Maßnahmen zur Senkung der Arbeitskosten wunderbarerweise aus eben der Ökosteuer finanzieren. Damit führt sich die ganze Argumentation selber ad absurdum, denn die Ökosteuer soll ja eigentlich dazu dienen, daß zur Rettung der Naturgrundlagen der Energieverbrauch drastisch gesenkt wird und die Industrie in energiesparende Maßnahmen investiert, um die Ökosteuer zu sparen. Tut sie dies aber, funktioniert die gesetzliche Maßnahme also, dann wird gerade deswegen die Ökosteuer für den Staat nicht so reichlich fließen, daß er damit die Präventivmaßnahmen zur sozialen und marktgerechten Flankierung der Ökosteuer dauerhaft finanzieren kann. Die reale Verlaufsform einer Ökosteuer auf den Energieverbrauch läßt sich also leicht vorhersagen. Die große Industrie wird in energiesparende Maßnahmen investieren, die Kosten dafür aber entweder auf die Preise aufschlagen müssen und dadurch in ihrer Konkurrenzfähigkeit doch wieder gefährdet sein, oder sie wird diese Weitergabe der Kosten aus Konkurrenzgründen bleiben lassen, dafür aber beim Staat Sturm laufen gegen den Zwang zur betriebswirtschaftlichen Kostenerhöhung. Der Staat umgekehrt wird, gerade weil die Großindustrie durch energiesparende Investitionen auf die Ökosteuer reagiert, zu wenig Ökosteuern einnehmen, um davon die Senkung der Arbeitskosten finanzieren zu können, und er wird dadurch in schlimme Kalamitäten kommen, die Mittel durch krisenverschärfende Kürzungen anderswo aufbringen müssen usw. Zahlt die Großindustrie aber lieber die Ökosteuer, als in das Energiesparen zu investieren, dann kann der Staat diese Kostenerhöhung zwar durch Ausgleich bei den Lohnnebenkosten finanzieren, aber das ganze wird zum bloßen Nullsummenspiel und der eigentliche Zweck wird verfehlt, weil dann die Naturzerstörung eben mit Ökosteuer ungebremst weitergeht. Die Kleinindustrie wiederum, die schon an den Investitionskosten für ein drastisches Energiesparen scheitert, wird umso schärfer in die Zwickmühle kommen, wenn sie unter den Ökosteuern ächzt, der Staat aber die Ausgleichsmaßnahmen gerade wegen der energiesparenden Investitionen der Großindustrie nur in ganz eingeschränktem Umfang finanzieren kann. Wie man es auch dreht und wendet: entweder die Öko- bzw. Energiesteuer scheitert doch wieder am Finanzierungsproblem, oder sie wird zum Nullsummenspiel und scheitert an ihrem eigentlichen ökologischen Zweck. Das basale System der Geldverwertung läßt sich durch seine eigene Systemfunktion »Politik« unter gar keinen Umständen überlisten. Eine ökologische »Politik« ist daher ein Widerspruch in sich, weil sie Teufel mit Beelzebub austreiben will und immer schon in ihrem affirmativen Funktionsbezug auf das eigentlich verursachende Prinzip der Geldverwertung in höchstem Grade unglaubwürdig ist. Dieser Widerspruch in sich ist nur die Erscheinungsform des strukturellen Spaltungsirreseins der warenförmigen Subjekte überhaupt; er erscheint daher in der ökologischen Frage auch an jedem einzelnen warenförmigen Individuum, nicht bloß an den warenförmigen Großinstitutionen. Für jedes geldverdienende Wesen spaltet sich in der ökologischen Krise der Interessenhorizont dramatisch auf. Das systemisch erzeugte Geldinteresse erzwingt die Teilnahme an der stetig gesteigerten Naturzerstörung, während gleichzeitig das elementare Lebens- und Überlebensinteresse die Aufhebung der Geldlogik gebietet. Das letztere Interesse aber ist seinem Wesen nach systemtranszendent und wird daher nur in scheinheiligen Ausweichformen manifest. Der üble Versuch, durch Geld den ökologischen Wirkungen des Geldes zu entkommen, führt sich in dem Maße ad absurdum, wie diejenigen Naturressourcen zerstört werden, die auch die Superreichen mit Geld nicht mehr bezahlen können. Die »ökologische Politik« andererseits ist das falsche Alibi einer Menschheit, die durch ihr warenförmiges Spaltungsirresein zum Mörder ihrer selbst geworden ist. Die ökologische Krise konnte sich unter zynischer Vertagung der biologischen Endkatastrophe auf die eigenen Kinder und Enkel dehnen lassen, solange überhaupt noch Geld für die dringendsten Reparaturmaßnahmen nachfloß. Inzwischen aber hat die »Krise der Arbeitsgesellschaft« die ökologische Krise überlagert. Die kapitalistische Produktionsweise (das warenproduzierende System) erscheint als Verwertung von Geld; Geld aber ist nichts anderes als die Darstellung vergangener (»toter«) abstrakter Arbeit. Kapital als sich verwertendes Geld, ein absurder Selbstzweck, beruht also auf der selbstzweckhaften, unaufhörlichen und stets gesteigerten betriebswirtschaftlichen, kapitalproduktiven Vernutzung abstrakter Arbeitsquanta. Die immerwährende Steigerung ist systemnotwendig, weil die angewendete lebendige Arbeit die Masse bereits aufgehäufter toter Arbeit weiterverwerten muß, d.h. es handelt sich um einen Prozeß geometrischer Progression, unterbrochen zwar durch periodische »Entwertungskrisen«, die jedoch nicht wieder auf ein früheres Niveau der Kapitalakkumulation zurückführen können. Denn aufgrund der durch die Konkurrenz erzwungenen Produktivitätssteigerung wird das vor der krisenhaften Entwertung erreichte Akkumulationsniveau in immer kürzeren Abständen von neuem erreicht. Im Kern besteht das Problem darin, daß durch Produktivitätssteigerung pro Produkt und Kapitaleinsatz immer weniger »Wert« erzeugt wird, weil »Wert« ein relativer Begriff ist, gemessen am jeweiligen (historisch stets gesteigerten) Produktivitätsniveau des jeweiligen kapitalistischen Bezugssystems. Diese immanente Krisentendenz kann also nur durch absolute Ausdehnung der Produktionsweise als solcher kompensiert werden, um die weitere Akkumulation zu ermöglichen. In eben dem Maße, wie die Produktivitätssteigerung durch Anwendung der Wissenschaft die Ausdehnung der Produktionsweise absolut übertrifft, beginnt dieser Kompensationsmechanismus zusammenzubrechen. Dieses Stadium hat die kapitalistische, warenproduzierende Weltgesellschaft heute erreicht. Was in soziologischer Diktion als »Krise der Arbeitsgesellschaft« bezeichnet wird, ist letztlich die absolute historische Schranke der Kapitalakkumulation selbst. Immer mühsamer wird der gesamte gesellschaftliche Lebens- und Reproduktionsprozeß aus der verfallenden »Arbeits«Substanz der Vergangenheit heraus gestreckt. Aber die Quelle der kapitalistischen Fetischform versiegt durch ihren eigenen inneren Funktionsmechanismus; der fundamentale Selbstwiderspruch, daß diese Gesellschaft auf der unaufhörlichen Verwandlung von »Arbeit« in Geld beruht, sich aber durch ihre eigene Entwicklung an den Punkt geführt hat, wo sie nicht mehr genügend »Arbeit« auf der Höhe des selbstgeschaffenen Produktivitätsstandards rentabel mobilisieren kann, erscheint nicht mehr bloß zyklisch, sondern strukturell manifest an der Oberfläche und wird zur historischen Paralyse. Dieser Punkt ist es auch, an dem sich der bisherige Linksradikalismus ad absurdum führt, der eine finale Krise der Kapitalakkumulation negiert, weil er selber über das »Arbeits«-Paradigma nicht hinauskommt und am bürgerlichen Subjektbegriff auf dieser Basis festhält; für ihn muß das Kapital geradezu verewigungspotent und zur »Ausbeutung« von Arbeitskraft ad infinitum fähig sein. An diesem Problem wird die strukturelle Abhängigkeit und Impotenz der »Politik« abermals sichtbar, die keinerlei Zugriff auf den basalen Funktionsmechanismus als solchen hat. Wenn die eigentliche Quelle des Geldes vertrocknet, muß die politische Sphäre verdursten, eben weil sie kein eigenes Lebensmedium besitzt. Einerseits wird die verbliebene historische Substanz abgearbeitet, wobei die historischen Nachzügler und Späteinsteiger als erste von der Systemkrise erfaßt und in den Zusammenbruch getrieben werden. Es hat sich bereits an zahlreichen Fällen gezeigt, daß dieser mit staatlich-politischen Mitteln nicht aufgehalten werden kann. Die »alten« Nationen des Kapitalfetischs halten zwar aufgrund ihrer größeren historischen Substanzmasse länger durch, aber auch sie werden von den Zusammenbruchserscheinungen erfaßt. Als »Substanz« erscheint jeweils die aufgehäufte tote Arbeit in Gestalt von mehr oder weniger »hartem« Geld und von konkurrenzfähigen Kapitalstöcken. Andererseits versuchen sowohl die Zusammenbruchsökonomien als auch die kapitalistischen Kernländer die warenförmige Reproduktion durch die Kreation von »substanzlosem Geld« (Staatskredit/Staatskonsum und Notenpresse) zu verlängern. Die »Bonität« in dieser Hinsicht, d.h. im Zugriff auf die fiktive Kapitalisierung zukünftiger »Arbeit« (internationale Finanzmärkte, derivative Geldkapitalformen) wird vom jeweiligen Produktivitätsstandard vorgegeben. Aber auch diese verschiedenen Formen von »fiktivem Kapital« (Marx) können nicht mehr durchgehalten werden, wenn aus dem basalen Mechanismus der kapitalproduktiven Vernutzung abstrakter Arbeitskraft nicht mehr genügend »reelle« Substanzmasse nachfließt. Genau um dieses Problem drückt sich der alte Linksradikalismus herum, weil er auf ein bürgerliches Verständnis von »Ausbeutung« innerhalb des warenproduzierenden Systems fixiert ist. Die schon seit der teilweisen strukturellen Entkoppelung des »fiktiven Kapitals« von der realen Arbeitssubstanz in der Finanzierung des Ersten Weltkriegs diskutierte »Finanzkrise des Steuerstaats« tritt aber heute in ein von den Politizisten jeglicher Couleur nicht für möglich gehaltenes akutes Endstadium ein. In den meisten Staaten der gegenwärtigen kapitalistischen Weltgesellschaft zeigen Hyperinflation, Zusammenbruch der Staatsfinanzen und das Ende der eigenen Währungshoheit bereits die Grenze der politischen Handlungsfähigkeit im verselbständigten Medium des Geldes an. Es ist nur eine (mittel- oder sogar kurzfristige) Frage der Zeit, bis auch die zentralen vermeintlichen »Hartwährungen« vom bereits realen Substanzverlust auch der Erscheinung nach ereilt werden und damit das Weltfinanzsystem zusammenbricht. Schon jetzt zeigt sich praktisch, daß die strukturelle »Krise der Arbeitsgesellschaft« durch den politisch nicht beeinflußbaren Substanzverlust des Geldes mit logischer Notwendigkeit zur strukturellen »Krise der Politik« führt. Der basale Funktionsverlust der »Ökonomie« reproduziert sich als Funktionsverlust der »Politik«, die auf ihrem eigenen Terrain staatlichen Handelns monetär ausgehungert wird. Es bleibt ihr dann nichts anderes mehr, als sich ihrem Schicksal zu fügen und sich nach der krisenhaften oder offen katastrophischen Verlaufsform der basalen Funktionsstörung auszurichten. Ganz banal wird die politische Debatte über die Umverteilung von Geldern zur Debatte über die Streichung von Geldern. Je nach Positionierung der eigenen Nationalökonomie in der Weltkrise geht dies bis zur Ausgrenzung ganzer Sektoren und Bevölkerungsteile. Der Sozialstaat schrumpft oder wird liquidiert, die staatlichen infrastrukturellen Bereiche verfallen, die ökologischen Maßnahmen werden heruntergefahren, der politische Regulationsanspruch wird immer schwächer und droht schließlich ganz zu erlöschen. Das Flackern der letzten politischen Lebenslichter folgt dabei dem schwächer werdenden ökonomischen Zyklus, der aber längst von der strukturellen Krise der Geldverwertung überlagert ist. Wie sich die ökologische Krise und die Krise der »Arbeit« bzw. der Geldverwertung gegenseitig überlagern und die »Politik« paralysieren, so werden beide Formen der Systemkrise von der Globalisierung des Kapitals überlagert, die den Rahmen der bisherigen Nationalökonomien sprengt und damit den Bezugsraum der politischen Sphäre in einer weiteren Potenz aufhebt. Dieselben Produktivkräfte, die den basalen Funktionsmechanismus der »Arbeit« und Geldverwertung strukturell von innen heraus zerstören, lösen auch schrittweise den nationalökonomischen Rahmen auf allen Ebenen der »Ökonomie« auf. Der Internationalisierung und Globalisierung der Finanzmärkte folgte die Internationalisierung und Globalisierung der Produktion selber, und damit auch der Arbeitsmärkte. Wir haben es in schnell wachsendem Maße nicht mehr mit dem Import und Export von Waren und Kapital zwischen den Nationalökonomien zu tun, sondern Import und Export von Waren und Kapital sind nur noch Erscheinungsformen eines sich unmittelbar globalisierenden Gesamtkapitals. Der Staat hört damit auf, die funktionale Klammer einer kohärenten Nationalökonomie und deren »ideeller Gesamtkapitalist« zu sein. Wie das staatlich-politische Handeln durch den Substanzverlust des Geldes monetär ausgehungert wird, so verliert es auch die Einfluß- und Kontrollmöglichkeit auf die verbliebene Realakkumulation des Produktivkapitals, ja sogar auf die Bewegung des »fiktiven Kapitals« selber; beide flüchten ins strukturelle »Niemandsland« (G. Reimann) der Märkte, die jenseits des nationalstaatlichen Rahmens agieren, obwohl formell alles Territorium nationalstaatlich ist. Der Staat wird zur Geisel der »Standortfrage« und der internationalen Finanz- und Spekulationsbewegungen. Dieser Kontrollverlust, der nur noch mühsam kaschiert werden kann, macht den letzten Kraftmuskel der »Politik« weich und schwach. Der politische Himmel stürzt auch in dem Sinne ein, daß die klare Unterscheidung von Außenpolitik und Innenpolitik hinfällig wird. Es gibt kein nationalökonomisches »Außen« und »Innen« mehr; und die Politik wird orientierungslos, weil sie ihrer Natur nach der Umstülpung des Bezugssystems nicht folgen kann.
5. Die Erschütterung des an seine historischen Grenzen gestoßenen politisch-ökonomischen Gesamtsystems setzt sich über die erscheinenden Funktionssphären hinaus fort in die Tiefe der »Privatheit«; nicht nur in dem Sinne, daß strukturelle Massenarbeitslosigkeit, neue Armut und politischer Orientierungsverlust zunehmen, sondern auch als Verfall der Subjektform selber. Dieser Sachverhalt ist ebenso wie die Krise überhaupt und deren Begriff heute offenbar deswegen schwer zu erkennen, weil die bisherige (»linke«) Gesellschaftskritik über die Warenform noch nicht hinausdenken konnte und dabei die fortschreitende Entwicklung und »Entpuppung« des warenförmigen Subjekts paradoxerweise schon als dessen Verfall erlebte, so daß sie jetzt die wirkliche Endkrise und den wirklichen Subjektzerfall historisch nicht mehr entziffern kann, sondern nur längst Dagewesenes und die ewige Wiederkehr des kapitalistischen Gleichen zu erkennen vermag. Dies gilt gerade auch für die am meisten fortgeschrittene und in mancher Hinsicht eigentlich schon transzendierende linke Theorie von Horkheimer und vor allem Adorno. Die entscheidende, zeitbedingte Verkürzung dieses Ansatzes läßt sich auf die Formel bringen: Das Zusichkommen des warenförmigen Individuums und Subjekts wurde als sein zunehmender Verfall mißverstanden, weil die Durchsetzungsgeschichte des warenproduzierenden Systems als seine Verfallsgeschichte mißverstanden wurde. Der Kulminationspunkt und damit der Punkt einer als »verpaßt« oder gescheitert begriffenen Aufhebung mußte dann fälschlicherweise schon irgendwo an der aufsteigenden Kurve der noch gar nicht vollendeten vergangenen Durchsetzungsgeschichte markiert werden, wahlweise 1848 oder 1918 (oder irgendwo dazwischen), statt das heute erst erreichte (für Adorno/Horkheimer also noch zukünftige) Niveau der negativen Weltvergesellschaftung, Produktivkraft, Krisenform und Subjektkrise als diese Kulmination zu begreifen, nach deren Durchgang das warenproduzierende System der Moderne entweder aufgehoben wird (was erst jetzt überhaupt möglich ist) oder ins Bodenlose stürzt. Was bei Adorno noch eine theoretische Tragödie war, wird bei manchen Spät-Adorniten und Nachlaßverwaltern der Kritischen Theorie zur theoretischen Farce. Adorno konnte noch im Angesicht der vermeintlichen negativen, etatistischen, »falschen« Aufhebung des Kapitals seine »Flaschenpost« werfen, aber die Flaschenpost einer Flaschenpost gibt es nicht. Jede theoretische und praktische Aktivität von Gesellschaftskritik, die gar keinen spezifisch historischen Grund für sich selber mehr angibt und nur noch in elaborierte Publikumsbeschimpfung münden kann, ist überflüssig wie ein Kropf und daher kaum mehr als intellektueller Eskapismus. Wenn nach eigenem Bekunden substantiell längst alles gesagt ist, muß das Weiterreden verdächtig werden und der kritisierten Ideologie vielleicht enger verwandt sein, als jemals zugegeben wird. Der scheinradikale »negative Politizismus«, die radikalisierte Resignation sozusagen (die sich auf ihren vermeintlichen »negativen Realismus« noch etwas zugute hält), ist nur komplementär zum »positiven Politizismus« und »positiven Realismus«, wie er von den akademischen Linkssozialisten über die linke Sozialdemokratie bis zu den Grünen den Mainstream der Ex- und NochLinken bildet. Die heutigen Reste des adornitischen (und auch sonstigen) Linksradikalismus kennen sich selber nicht; sie haben ihren eigenen historischen Standort nicht analysiert, weil sie mit ihrem stumpf gewordenen theoretischen Instrumentarium die Entwicklung des warenproduzierenden Systems in den letzten Jahrzehnten nicht einmal mehr zur Kenntnis nehmen können. Das theoretische Hängenbleiben an der gesellschaftlichen Warenform zeigt sich bei Adorno selber letztlich daran, daß er (wenn auch keineswegs eindeutig) seinen positiven Bezug nicht an der expliziten Uberwindung der Warenform als solcher festmacht, sondern an einem imaginativen, selber ideologischen Bild der Vergangenheit, am mehr oder weniger heimlich idealisierten Zirkulationsagenten mit der emphatischen Subjektivität des alten Bildungsbürgertums; und damit überhaupt an einer idealisierten »zirkulativen Vernunft« und an einer daraus hergeleiteten falschen Hypostasierung der Demokratie. Schon seit der Französischen Revolution wird dieser ideologische Begriff der Demokratie von den Linken weitergeschleppt, wobei die Logik der Warenzirkulation als Urbild »freier« diskursiver Kommunikation in der politischen Sphäre erscheint. Letztlich handelt es sich bloß um das zirkulativ verkürzte »ideale« Reich der totalen Warenproduktion im Gegensatz zu seiner schnöden Realität. Sagen wir es ruhig offen und gegen die linksradikale Ikonisierung: »in letzter Instanz« bleibt Adorno bürgerlicher Radikaldemokrat, gefesselt an einen falschen Vernunftbegriff der Zirkulationssphäre, der über die Warenform als solche nicht konsequent hinauskommt (obwohl er immerhin weiter geht als die meisten seiner späten jünger). Habermas hat das Adornosche Reflexionsniveau nicht »verraten«, sondern mit seiner offen warenförmigen »kommunikativen Vernunft« nur in weniger kryptischen Formulierungen als Adorno deutlich gemacht. Damit ist über die mörderische »Realabstraktion« historisch nicht hinauszukommen. Dieses Grunddilemma von Adorno und den Adorniten zieht zwei weitere nach sich. Erstens wird die bürgerliche Individualität und Subjektivität dann nicht an ihrem Fetischcharakter fundamental kritisiert, sondern ihr historisches Fortschreiten am falschen, ideologisierten Ideal ihrer selbst gemessen; heraus kommt eben jene Verwechslung von Zusichkommen und Verfall, wobei der Begriff des »Verfalls« selber schon von jenem ideologischen Maßstab herrührt. Statt von der Analyse der historischen Subjektentwicklung zur Kritik des Fetischcharakters von Subjektivität überhaupt zu gelangen, wird nur den verlorenen Möglichkeiten des emphatisch/ideologisch begriffenen Subjekts nachgetrauert. Die berühmte Unverschämtheit, »Ich« zu sagen, gehört zur Struktur des warenförmigen »Ichs« überhaupt, nicht zu dessen »Niedergang«, als welcher das historische Zusichkommen dieses Fetisch-»Ichs« mißverstanden wird. Zweitens wird gleichzeitig der Grund für den vermeintlichen Niedergang grundsätzlich fehlgedeutet. Weil der falsche emphatische Subjektbegriff an der Zirkulation haftet, erscheint die reale Entwicklung als zunehmende Überwältigung der Zirkulationssphäre durch den Etatismus und damit durch die politische Sphäre. Eben deshalb paßt sich die Kritische Theorie so nahtlos in den politizistischen Überschuß der kapitalistischen Durchsetzungsgeschichte bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts ein (gelegentliche »ökonomistische« Ausrutscher tun dieser Grundtendenz in der Kritischen Theorie keinen Abbruch). Der Unterschied zu den übrigen linken und rechten Politizismen ist allein der negative Charakter des adornitischen Politizismus, der sich jetzt erklärt: zusammen mit dem idealisierten Reich der Zirkulation wird auch die idealisierte »diskursive Demokratie« als »politischer Überbau« gerade durch das vermeintliche etatistische Kommando über die Zirkulation (bis hin zu ihrer angeblichen »Aufhebung«!) als überwältigt und außer Kraft gesetzt begriffen (ein bei den Linksradikalen vielbejubelter Neuaufguß dieser seichten »demokratistischen« Analyse findet sich bei Agnoli). Historisch verständlich wird diese theoretische Fehlleistung bei ihren Urhebern wie gesagt durch den Eindruck des Nationalsozialismus (und auch der stalinistischen Sowjetunion); durch die Nachkriegsentwicklung ist dieses Paradigma aber längst blamiert worden. Unter dem Dach der Pax Americana haben wir es gerade mit dem Triumph von Zirkulation (Konkurrenz) und Demokratie zu tun, der auf seinem Höhepunkt in die historische Endkrise der gesellschaftlichen Warenform abstürzt. Kein Wunder, daß eine (gegenüber Adorno längst verplattete) ideologische Theorie, die am Begriff einer drohenden oder manifesten etatistischen Überwältigung von Zirkulation/Demokratie festhält und ihr falsches, warenförmig idealisiertes Ziel nur immer weiter entschwinden sieht, diese Wirklichkeit nicht mehr erklären kann. Wie sie den Möglichkeiten des Subjekts nachtrauert, statt das Subjekt anhand seines Fetischcharakters radikal zu kritisieren, so macht sie sich Sorgen um die »zirkulative Vernunft« und die Demokratie, statt diese als Momente der warenförmigen Konstitution einer radikalen Kritik zu unterziehen. Können auf diese Weise schon die absoluten historischen Schranken des warenproduzierenden Systems auf den Ebenen von Ökologie, »Arbeitsgesellschaft« (Kapitalakkumulation) und Globalisierung (Auflösung der kohärenten Nationalökonomien) nicht entziffert werden, so noch weniger die eigentliche Subjektkrise, die erst jetzt zusammen mit der Krise der Warenform als solcher manifest wird. Diese Krise erscheint einerseits als Krise des politischen Subjekts, weil die Regulationsfunktion der »Politik« zu erlöschen beginnt, und damit als Krise und Verfall der bürgerlichen »Öffentlichkeit«; andererseits erscheint sie aber auch auf deren dunkler Rückseite, nämlich in den verborgenen und intimen Gemächern der warenförmigen »Privatheit«. Dabei ist es kein Zufall, daß die Identität der Krise von »Öffentlichkeit« und »Privatheit« die Form einer fundamentalen Krise des Geschlechterverhältnisses annimmt. Wie die bisher stummen und selbstverständlichen Voraussetzungen des warenproduzierenden Systems in Gestalt der biologischen Natur, der »Arbeit« und der Nation durch die Systementwicklung selbst schrille Störungsgeräusche von sich zu geben beginnen, so auch das bislang stumme Voraussetzungsmoment »Weiblichkeit«. Absolut stumm waren diese Momente sicherlich nie gewesen, weil die innere Widersprüchlichkeit des warenproduzierenden Systems von Anfang an vorhanden war; aber cum grano salis kann man insofern von stummen Voraussetzungen sprechen, als die Herausbildung von »Arbeit« und Nation ebenso wie die von der Warenform hervorgebrachte Domestizierung von Frau und Natur (die überdies ideologisch gleichgesetzt wurden) erst heute in großem Maßstab unhaltbar werden und ihre in Jahrhunderten herausgebildete Selbstverständlichkeit grundsätzlich zu verlieren beginnen. Hinsichtlich des Geschlechterverhältnisses wird dabei der »strukturell männliche« Charakter warenförmiger Subjektivität deutlich. Obwohl Horkheimer und Adorno schon in der »Dialektik der Aufklärung« durchaus an dieses Problem rühren (wenn auch wiederum in kryptischer Formulierung), kommen sie letztendlich über die warenförmige »Männlichkeit« nicht hinaus, eben weil sie über den fetischistischen Subjektbegriff und über die »zirkulative Vernunft«« nicht hinauskommen. Kein Wunder, daß die heutigen linksradikalen Adorniten die einschlägigen kritischen Stellen ihres Meisters geflissentlich überlesen und mit der manifesten Krise des Geschlechterverhältnisses theoretisch wenig anfangen können; dies zeigt sich auch in einem eher naserümpfenden Verhältnis zum Feminismus (wie sie überhaupt die schnöde Wirklichkeit am liebsten nur behandschuht anfassen). In der feministischen Theorie selber, soweit sie sich auf Adorno/Horkheimer bezieht, ist dieses Problem dagegen sehr wohl wahrgenommen worden. Keineswegs überraschend erweisen sich die »zirkulative Vernunft« und die damit zusammenhängenden Sphären von »Privatheit« und »Öffentlichkeit« als strukturell männlich, womit ihr abstrakt-allgemeiner, scheinbar geschlechtsloser Charakter dementiert wird. Die abstrakte Allgemeinheit ist eine solche im historisch-strukturellen Sinne in Wahrheit nur als männlicher Lebenszusammenhang. »Privat«« ist das männliche Warensubjekt als zirkulatives Geldsubjekt, das seine Geldinteressen verfolgt; »öffentlich« ist es als politisches Subjekt, das sich diskursiv auf die »allgemeinen Angelegenheiten« bezieht. Hinter dieser Fassade von strukturell männlicher »Privatheit« und »Öffentlichkeit« liegt aber ein ganz anderer Raum, in den alle warenförmig nicht erfaßbaren Momente der Reproduktion »abgespalten« (R. Scholz) werden. Dieser Raum erscheint als ganz andere Potenz der »Privatheit«, die jenseits der »Privatheit« des männlichen Geldsubjekts liegt. »Privatheit I« ist die Privatheit innerhalb des männlichen Lebenszusammenhangs, »Privatheit II« die dahinterliegende Sphäre des von »Weiblichkeit« gepolsterten Ruheraums jenseits von Konkurrenz und politischer Sphäre. Vom Standpunkt des weiblichen Lebenszusammenhangs, der in diesen Raum der »Privatheit II« eingebannt ist, erscheinen dann umgekehrt die männliche »Privatheit I« ebenso wie die politische Sphäre als das jenseitige »Draußen«, beides zusammen als »Öffentlichkeit« gegenüber der geschlechtlichen Privathöhle, für die »das Weib« zuständig ist. Die bürgerliche, warenförmige Frauenemanzipation, soweit sie vor allem in den letzten beiden Jahrzehnten stattgefunden hat, dementiert dieses basale Verhältnis nicht, sondern sie macht es sichtbar, stürzt es in die Krise und erweist sich damit als Kernmoment der Gesamtkrise selber. Wiederum dieselben Produktivkräfte, die in ihrer warenförmigen Erscheinung die Naturgrundlagen zerstören, die »Arbeit« als Substanz der Kapitalakkumulation aufheben und die nationalökonomische Kohärenz auflösen, zerstören auch das warenförmige Geschlechterverhältnis, indem sie zur weiblichen Rollendistanz, zu massenhafter Frauenerwerbstätigkeit und zur »strukturellen Vermännlichung« der weiblichen »Identität«« führen. Damit wird ungewollt ein entscheidender Grundstein aus der warenförmigen Konstitution herausgeschlagen, begriffslos beklagt als »Verfall der Familie«, der Erziehung usw. Die bislang weitgehend stumme, abgespaltene Funktion von »Privatheit II« hört auf zu funktionieren. Dabei ist es gleichgültig, ob die Frauen sich nun genauso »Ich«-süchtig und konkurrenzbereit wie die Männer ganz auf die »Privatheit I« konzentrieren, in die sie nun immer massenhafter hineinströmen, oder ob sie »nur« an der Doppelbelastung und am strukturellen Widerspruch einer Doppelexistenz in »Privatheit I« und »Privatheit II« zerbrechen. Das Resultat bleibt gleich: der abgespaltene Ruhe- und Kuschelraum »hinter« der ökonomischen und politischen Konkurrenz zerfällt zur Ruine. Diese Ebene der Krise kann die »Politik« ebensowenig und sogar noch weniger erreichen als die ökonomischen Funktionsmechanismen. Die warenförmige Frauenemanzipation löst nicht den idealen Begriff der zirkulativen Gleichheit ein, sondern sie macht dessen fundamentalen Widerspruch als Systemkrise deutlich. Die teilweise schon manifeste Auflösung des weiblichen Lebenszusammenhangs stellt indirekt das Gefüge der strukturell männlichen Gesamt-»Öffentlichkeit« in Frage, sowohl in der ökonomischen als auch in der politischen Funktionssphäre. Sie wird deshalb nicht nur von den Systemrepräsentanten offen oder hinhaltend bekämpft, und sie stößt nicht nur auf die Widerstandslinie eines zunehmend brutalisierten männlichen Alltagsverhaltens, sondern sie findet auch bei etlichen linksradikalen Spät-Adorniten keine grundsätzliche Gnade. Ein theoretischer Ansatz, der an der »zirkulativen Vernunft«« klebenbleibt, muß auch an deren strukturell männlichem Charakter festhalten. Auch hier gelangt der fingerspreizende Scheinradikalismus nicht zur radikalen Kritik der Warenform und ihrer männlichen Strukturdominanz, sondern statt dessen womöglich eher affirmativ zu einem Einklagen der bürgerlichen Idealfamilie (wie es ein vom »Linkssein« verabschiedeter Claus Leggewie bereits vorexerziert hat; in dieser Hinsicht sind aber auch ideologisch »linksradikal« eingefärbte Varianten durchaus möglich). Auch das geradezu süßliche und schiefe Mutterbild, wie es gelegentlich bei Horkheimer und Adorno auftaucht, weist in diese Richtung. Wenn es zum Treffen kommt, besteht also die Gefahr, daß sich die linksradikalen Adorniten (und vielleicht sogar einige dezidiert nicht-feministische Adornitinnen) nicht nur als ordinäre Demokraten, sondern auch als ordinäre »Männlein« und »Weihlein« entpuppen, und die »Versöhnung mit der Natur« könnte am Ende noch als geschlechtsfetischistischer Biologismus Einzug in die vornehmen Gästezimmer einer unaufgehobenen, über ihre Zeit hinausverlängerten Kritischen Theorie halten. Es zeichnet sich schon jetzt ab, daß die Enkel der Kritischen Theorie ebenso wie die übriggebliebene Linke überhaupt, die ihr systemimmanentes »Linkssein« nicht transzendieren können, in der (verleugneten) Systemkrise und in deren Fortschreiten sich immer mehr darauf kaprizieren werden, die Ablösung der Demokratie durch einen neuen Faschismus bzw. eine neue Form »totaler Herrschaft« an die Wand zu malen. Wie gehabt kann dann die adornitisch elaborierte Fassung des »kleineren Übels« durchexerziert werden: Verteidigung von »zirkulativer Vernunft« und Demokratie gegen den vermeintlich drohenden Totalitarismus, statt Warenform und Demokratie selbst ins Visier zu nehmen. Der »negative Politizismus« könnte leicht in einen positiven umschlagen und sich in die »Einheitsfront der Demokraten« einreihen. Auch in dieser Hinsicht wird sich die Tragödie des Originals als Farce der Kopie wiederholen. Damit beweist sich allerdings auch endgültig die Geschichtslosigkeit dieses überholten »linken« Denkens, das in ewig wiederkehrenden dualistischen Prinzipien sich erschöpft, und insofern Struktur und Geschichte nicht aufeinander adäquat beziehen kann. Die »totale Herrschaft« war ein Durchsetzungsstadium der Demokratie, also weder deren Gegenteil noch eine wiederkehrende historische Konstellation. Nicht die »Politik« wird abermals vermeintlich die »Ökonomie« an die Kandare nehmen bzw. die Zirkulation vermeintlich Stillstellen, sondern genau umgekehrt haben wir es mit dem katastrophischen Ende der »Politik« zu tun. Der schrittweise Verlust der politischen Regulationsfähigkeit verweist auf das Erlöschen der ökonomischen, sozialen und geschlechtlichen Reproduktionsfähigkeit des warenproduzierenden Systems. Nicht die Erneuerung der »totalen Herrschaft« als Wiederkehr einer untergegangenen Durchsetzungsform steht an seinem historischen Ende, sondern der Zerfall der auf Herrschaft beruhenden Zivilisation in die sekundäre Barbarei. Der zusammenhanglose Bandenkrieg und die kurzlebige »Plünderungsökonomie« in den abgekoppelten Verfallsregionen sind das Menetekel einer qualitativ anderen Form von Barbarei, als sie dem zivilisatorischen Herrschaftscharakter selber inhärent war. Sie kann sich in dessen Gewändern nicht noch einmal darstellen. Auch wenn vom berechtigten Standpunkt des unmittelbaren moralischen Empfindens aus die Greuel eben Greuel bleiben, so handelt es sich doch historisch um etwas anderes im Kontext von Ökonomisierung und Verstaatlichung als in dem von bewußtloser Entökonomisierung und Entstaatlichung. Theoretisch läßt sich über die Verlaufsform von letzterer nichts mehr aussagen, weil sie keinen gesellschaftlichen Bezugsrahmen mehr hat. Gerade deswegen aber steht nicht »Antifaschismus« auf der Tagesordnung, auch kein adornitisch reflektierter, sondern die radikale Kritik der Marktwirtschaftsdemokratie. Es gibt keine »zirkulative Vernunft« mehr zu verteidigen, weil diese selber in die Barbarei übergeht, und zwar theoretisch gefaßt in einem anderen und tieferen, auch konsequenteren Sinne, als in der »Dialektik der Aufklärung« gemeint. Deswegen steht die Gewalt der Banden auch nicht der Demokratie gegenüber, sondern sie vermischt sich mit den Aktionen des demokratischen Apparats, während die offene Bühne der »Politik« in das postmoderne Simulationstheater übergeht. Berlusconi ist ebensowenig wie Reagan, Collor de Mello oder Tapie Vorbote oder gar Träger einer neuen totalitären Offensive, sondern eine »postpolitische« Erscheinung, wie Paul Virilio und andere mit Recht festgestellt haben. Der substantielle Totalitarismus der Moderne ist derjenige der Warenform und damit der Demokratie selber. Das Ende der warenförmigen Zivilisation und damit das Ende der »Politik« ist also erst wirklich die »negative, falsche Aufhebung« des Systems, wenn auch ganz und gar nicht eine etatistische. So behält am Ende Adorno doch ein Wahrheitsmoment, wenn auch nur ein halbes, und in einem ganz anderen Sinne, als seine theoretischen Enkel meinen. |