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Thomas Meyer: Zwischen Selbstvernichtung und technokratischem Machbarkeitswahn – Transhumanismus als Rassenhygiene von heute


Eine kürzere Fassung des Textes erschien im Netztelegramm Ausgabe Februar 2020

Zwischen Selbstvernichtung und technokratischem Machbarkeitswahn – Transhumanismus als Rassenhygiene von heute

Thomas Meyer

1. Einleitung

Das warenproduzierende Patriarchat als eine Produktionsweise ist auf eine ihr zugehörige Subjektform angewiesen. Der Mensch wie er leibt und lebt, ist dabei genötigt, sich dieser Subjektform anzugleichen: An diesem selbst wird die Wert-Abspaltungs-Abstraktion konkretisiert und dadurch ein gesellschaftlicher Abstraktionsprozess real gemacht. Das geschieht durch eine entsprechende Disziplinierung und eine geschlechtlich konnotierte psycho-soziale Subjektwerdung. Als »Handlungsträger der Abstrakten Arbeit« (Robert Kurz) ist das bürgerliche Subjekt dem Verwertungsprozess des Kapitals unterworfen und in seiner Funktion selbst dazu angehalten, alle Welt diesem Prozess zu unterwerfen und die dazugehörigen Zwänge zu reproduzieren.

Nun hat der Verwertungsprozess eine eigene Geschichte mit entsprechenden Umbrüchen, Rationalisierungen und Entwicklungen an Technik und Umwälzungen im Produktionsprozess und das mit eventuell immanent verschiedenen Verlaufs- und Verwirklichungsformen, über die dann bestenfalls demokratisch formgerecht ›verhandelt‹ werden darf (meist war/ist noch nicht einmal das gegeben). Das bedeutet aber auch, dass der »Handlungsträger der abstrakten Arbeit« selbst fortlaufend rationalisiert werden muss, d.h. die Disziplinierten müssen von neuem diszipliniert und das Geschlechtsregime entsprechend neu ›justiert‹ werden: Die Unterwerfung unter die Wert-Abspaltungs-Form ist nicht ein für alle mal gegeben, sondern muss fortlaufend aktualisiert werden, so dass der Verwertungsprozess auf höherer Stufenleiter fortschreiten kann (ob das auch gelingt und mit welchen Verwerfungen und Leiden der Betroffenen ist eine andere Frage). Es wird also alles revolutioniert, damit alles beim Alten bleiben kann. Damit die gesellschaftliche Form erhalten bleibt, wird das ihr Unterworfene der historisch prozessierenden Form von neuem angeglichen werden, damit alles sich in ihr formgerecht bewegt.

Es ist also keineswegs zufällig, dass es vor allem in Krisen- und Umbruchszeiten zu einer verstärkten Ideologiebildung kommt. Worauf ich mich hier aber konzentrieren will, ist die Ideologiebildung wissenschaftlicher1 bzw. technokratischer Art, wie sie sich etwa in diversen Phantasien der Wissenschaftszunft ausdrücken kann. Dazu soll die transhumanistische Ideologie auf den Aspekt einer angestrebten Rationalisierung und Generalinventur der menschlichen Spezies überhaupt ausgebreitet werden. Antisemitischer Verschwörungswahn oder Ähnliches steht hier also nicht im Fokus. Es wird dabei deutlich werden, dass es sich bei dem Transhumanismus um eine quasi-religiöse Ideologie handelt, die von einem Unterwerfungs- und Vernichtungswahn geleitet ist und in der ›Verewigungsphantasien‹ des bürgerlichen Subjekts deutlich werden. Die transhumanistische Agitation zur Unterwerfung unter die Imperative der Wert-Abspaltungsgesellschaft, nimmt dabei wahnhafte Züge an, die sich in einer grundsätzlichen Leibfeindlichkeit und in der Vernichtung des Menschen, als einen leiblichen Wesens, als Spezies überhaupt, äußern. Dabei ist zu betonen, dass es sich bei dem Wahngebilde des Transhumanismus nicht um das Gespinst einiger weniger Irrer handelt, sondern dass sich dieser mittlerweile großen Einflusses erfreut. Laurent Alexandre, ein Unternehmer, Arzt und Agitator/Propagandist des Transhumanismus weiß stolz und überaus ungeniert über die Inhalte, Ziele und die Verbreitung des Transhumanismus zu berichten: »Die Transhumanisten vertreten eine radikale Sicht der Rechte der Menschen. Für sie ist ein Bürger ein autonomes Wesen, das niemand anderem als ihm selbst gehört und das allein über die Veränderungen entscheidet, die es an seinem Gehirn, seiner DNA oder seinem Körper entsprechend der technischen Fortschritte vornehmen möchte. Sie sehen Krankheit und Altern nicht als Fatalität an. Das Hauptziel der Transhumanisten ist die Zähmung des Lebens (!) zur Steigerung unserer Fähigkeiten. Ihnen zufolge sollte die Menschheit keine Skrupel haben, alle Transformationsmöglichkeiten (!) zu nutzen, die die Wissenschaft bietet. Es geht darum, den Menschen zum Experimentierfeld (!!) der NBIC-Technologien [nanotechnology, biotechnology, information technology und cognitive science, TM] zu machen. Er wird zu einem Wesen, das sich in ständiger Evolution befindet und sich täglich (!) durch sich selbst verändert und verbessert. Der Mensch der Zukunft wäre wie eine Website (!), die immer nur eine ›Beta-Version‹ ist, das heißt ein Prototyp-Organismus, der sich ständig verbessert. Diese Vision mag naiv erscheinen. In Wirklichkeit ist die transhumanistische Lobby bereits am Werk und predigt (!) die begeisterte Annahme der NBIC zur Veränderung der Menschheit. Diese Lobby ist besonders mächtig an den Küsten des Pazifiks, von Kalifornien bis China und Südkorea […]. Der Entrismus2 (!) der Transhumanisten ist beeindruckend: Die NASA und Arpanet, der amerikanische militärische Vorfahre des Internets, waren die Vorhut des transhumanistischen Kampfes. In der Gegenwart gibt Google (!) den Ton an und verspricht, uns zu einer transhumanistischen Zivilisation zu führen, deren Ziel es ist, uns zu verbessern, die Silizium-Intelligenz zu entwickeln und den Tod zu töten (!)« (Alexandre; Besnier 2017, 71).3

2. Zur Ideologieproduktion der Wissenschaften

Bevor ich mich nun dem Transhumanismus widme, sollen einige Aspekte der Wissenschaftsgeschichte skizziert werden. Wie auch Alexandre andeutet, spielen im transhumanistischen Diskurs die NBIC-Wissenschaften (Nano-, Biotechnologie, Informatik, Neurowissenschaft) eine große Rolle. Daher werde ich einige Aspekte des ›Genetik-Diskurses‹ andeuten und erläutern, wie es dazu kam, dass sie sich zu einer ›Informationswissenschaft‹ entwickelt hat. Anschließend gehe ich auf die Eugenik ein; nicht zuletzt deswegen, da Transhumanisten sich offen auf eugenisches Gedankengut beziehen. Durch diesen Abschnitt soll deutlich werden, dass die Naturwissenschaften zu einem biologistischen und menschenfeindlichen Welt- und Menschenbild beigetragen haben (und beitragen) und entgegen ihrem Selbstverständnis sehr wohl ideologischen Charakter aufweisen können.

Die ›wissenschaftliche Ideologieproduktion‹ stellt sich auf mehreren Ebenen dar. Die eine liegt in der ›Interpretation‹ des Verlaufs der Wissenschaftsgeschichte selbst: Dieser ist keineswegs nur durch bloße ›Fakten‹ vorgegeben, wird aber oft als notwendig behauptet, und drückt sich in der Entwicklung bestimmter Technologien und entsprechenden Grundlagenforschungen aus. Es sind eben solche, die Verwertungspotentiale versprechen.4 Das positivistische Bewusstsein will dies in der Regel nicht wahrhaben, wenn es vom ›wissenschaftlichen Fortschritt‹ redet. Derart ist z.B. die Entwicklung der Genetik und Biotechnologie einzuordnen, die den Anspruch formuliert, das Leben zu beherrschen und es industriell zu verwerten. Es ist in diesem Zusammenhang nicht verwunderlich, dass sich zunächst eine doch recht simple Anschauung von Vererbung und Genetik durchsetzte, also eine Anschauung von Vererbung, die direkt an die Paradigmen der Informationstheorie anschloss und voraussetzte bzw. annahm, dass ›Kommunikation‹ von Erbsubstanz zur Proteinproduktion usw. nur in eine Richtung verlaufe. Dazu schreibt Lily Kay in ihrer Monographie zur Entstehung der modernen Genetik: »Chemische Spezifität, einst das übergreifende Thema in Biochemie und anderen Biowissenschaften, wurde umgedeutet in Informationsübertragung: Träger von Spezifität wurden zu Trägern von Instruktionen. Was bedeutet dieser Namenswechsel? Der Informationsdiskurs reduzierte die Mannigfaltigkeit und Komplexität biochemischer Vorgänge, an denen unzählige Moleküle beteiligt waren, auf ein uranfängliches binäres Paar des Lebens: Nukleinsäuren und Proteine. […] [Die Diskurse] über Polynukleotideigenschaften und -synthese, Proteinstruktur und -synthese und den genetischen Code waren alle offenbar am zentralen Dogma ausgerichtet, an einer Einbahnstraße der Informationsübertragung von Nukleinsäuren zu Proteinen. Proteinsynthese war zu einem programmierten Kommunikationssystem geworden« (Kay 2005, 358f.). Dadurch konnte man die Erbsubstanz als Erbinformation interpretieren und die Biologie wurde zu einer Informationswissenschaft.5 Auf diese Weise entstand das Konzept eines »industriellen Gens« (vgl. Then 2008, 135ff.), das obzwar es durch Epigenetik usw. längst widerlegt ist, und Gültigkeit nur eher in Ausnahmefällen erlaubt, aber dennoch industriell und ideologisch wirkmächtig bleibt, wie nicht zuletzt ›Synthetische Biologie‹ und ›Digitale (!) Biologie‹ zeigen (vgl. Jansen 2015, 151ff.). Wissenschaftliche Theorien verschwinden bekanntlich nicht, weil sie widerlegt wurden, sondern dadurch, dass ihre Anhänger aussterben (falls sie das tun).

Eine andere Ebene der Ideologiebildung in den Wissenschaften und ihren Ausläufern besteht in der Formulierung von bestimmten ›Menschenbildern‹. Diese Menschenbilder fußen entweder auf den (mutmaßlichen) Ergebnissen der Grundlagenforschung oder auf Extrapolationen derselben. Letzteres kann schon sehr mythische Form annehmen, sodass es dabei keineswegs notwendig ist, dass ›Empirisches‹ den Schwärmereien von Wissenschaftlern/-innen tatsächlich zu Grunde liegen muss. Solche Menschenbilder unterstellen dann eine ontologisch feststehende menschliche Natur oder ein bestimmtes Verständnis des Menschen, nach dem etwa der menschliche Geist als eine Art Computer angesehen und entsprechend reduziert werden kann. Dem kommt das Verständnis des Menschen als einer Maschine nahe. Entsprechend kann man am Menschen Energiebilanzen genau so bestimmen wie bei einem Dampfkessel, um auf diese Weise Bewegungen auszuschalten, die mutmaßlich eine vorzeitige Ermüdung erbringen. Diese Menschenbilder propagieren also eine Rationalisierung des Menschen und seine anstehenden oder bereits laufenden Disziplinierungen als Notwendigkeit oder Folge einer vermeintlich menschlichen Natur. Auf diese Weise werden Strukturveränderungen des Kapitalismus und ihrer Subjekte naturalisiert, um Mensch und Natur für die Wertverwertung auf höherer Stufenleiter verfügbar zu machen (vgl. zur Rationalisierung des Menschen z.B. Rabinbach 2001, sowie Kurz 1999, 386ff.). Die Lebenswirklichkeit der Menschen wird naturalisiert, in dem Sinne, dass die gesellschaftlichen Zwänge als Naturtatsachen erlebt werden und daher den gleichen Status bekommen wie der freie Fall nach unten. Es ist also kein Zufall, dass der Diskurs um ›Künstliche Intelligenz‹ zu genau der Zeit aufkam, als die Menschen selbst schon zu Maschinen geworden waren (d.h. im geforderten Bilde des idealen männlichen Arbeiters) bzw. genötigt waren, sich wie welche zu verhalten. Der Mathematiker Emil Post (1897–1954) veranschaulichte seine Theorie des Computers folgerichtig am Vorbild eines Fließbandarbeiters: So wie der Fließbandarbeiter einen Algorithmus abarbeite, also eine endliche Anzahl von Handlungsanweisungen identisch ausführt, so erledige auch der Computer seine ihm aufgelegten Aufgaben (vgl. Heintz 1993, 166). Weil Mensch und Computer anscheinend das Gleiche machen können, entstand der Glaube, Computer könnten intelligent sein, und das in einem größeren Ausmaß als Menschen. Offenbar fußt dieser Glaube auf einen recht bornierten Intelligenzbegriff, der Intelligenz mit Rechnen gleichsetzt (vgl. Irrgang; Klawitter 1990; Fischer 2003). Der Philosoph und Transhumanismus-Gegner Jean-Michel Besnier schreibt zu dieser Entleerung des Intelligenz-Verständnisses: »Die semantische Deflation des Begriffs Intelligenz ist selbst ein Symptom, nämlich der Vertrocknung, wenn man so will, oder einer besorgniserregenden Vereinfachung der Vorstellung, die sich der Mensch von sich selbst macht« (Alexandre; Besnier 2017, 80). Diese ›besorgniserregende Vereinfachung‹ oder Entwertung menschlicher Existenz wird etwa dann besonders deutlich, wenn Transhumanisten davon schwärmen, eines Tages könnte man den menschlichen Geist, der aus nichts anderem als Bits und Bytes bestehe, auf einen Datenträger kopieren und somit unsterblich machen (mehr dazu s.u.).

Auf der anderen Seite werden (mutmaßlich) wissenschaftliche Begründungen dafür gesucht, was denn mit denen zu geschehen habe, die aus dem kapitalistischen Prozess herausfallen, sich eventuell nicht disziplinieren lassen und zu ›Ballastexistenzen‹ werden. So wurden im Kontext des Sozialdarwinismus im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert soziale Katastrophen nicht als Folge des kapitalistischen Systems und seiner sozialen Verwerfungen erkannt, sondern als Folge der Vererbung und biologischer ›Degeneration‹ behauptet. Folglich könnte eine Sozialreform schlussendlich nur durch ›angewandte Biologie‹, also durch Zwangssterilisation oder ›Ausmerzung‹ der sog. ›Degenerierten‹ bewerkstelligt werden. Soziale Probleme könnten also gelöst bzw. in Zukunft verhindert werden, indem entsprechende Menschen sterilisiert würden (vgl. Weingart; Kroll; Bayertz 1992, sowie Trus 2002). Das eugenische Programm wurde in der Weimarer Republik auch explizit mit einer Kostenreduktion des Gesundheitswesens gerechtfertigt (Weingart; Kroll; Bayertz, 262ff.). Durch Sozialdarwinismus, Eugenik und Rassenhygiene wurden also soziale Verwerfungen in ein biologisches Problem umdefiniert. Unnötig zu betonen, dass der Biologismus nie verschwunden ist und bis heute aktualisiert wird (vgl. Schulze; Schäfer 2012). Peinlicherweise habe auch nicht wenige Sozialisten der Eugenik bzw. dem Sozialdarwinismus einiges abgewinnen können (ebd., 108ff. sowie Kurz 1999, 312ff., zur angegangenen ›sozialistischen Anwendung‹ (!) der Eugenik in der Sowjetunion vgl. Shumeiko 2004, Serebrovskij 1929).

Diese Biologisierung sozialer Verhältnisse führt zur Generalinventur des Menschenmaterials. Schlussendlich interessieren vor allem die Fragen: Wer vermehrt sich wie viel? Wenn die Menschen sich schon vermehren, wie könnte man die Fortpflanzung rationalisieren, um z.B. die ›Gesundheitskosten‹ zu reduzieren? Wie kann man die Fortpflanzung selbst zu einem technischen und kapitalistisch beherrschbaren Vorgang machen, um, wie es heute heißen würde, ›Familie und Beruf miteinander zu vereinbaren‹ (vgl. Meyer 2018)?

Die Bevölkerung einer ›Generalinventur‹ zu unterziehen, hat natürlich auch einen rassistischen Hintergrund. Vor allem im Zuge der Entkolonialsierung der Dritten Welt wurde die ›Bevölkerungstheorie‹ des reaktionären Pfaffen Robert Malthus aktualisiert, mit der Folge, dass die Menschen in der Dritten Welt als ›Überbevölkerung‹ angesehen wurden, die durch ihre ›ungezügelte‹ Natalität ihre ›wirtschaftliche Entwicklung‹ gefährden bzw. verhindern würden. Hunger hätte demnach seine Ursache darin, dass die Menschen in der Dritten Welt sich ›zu sehr vermehrt‹ haben und nicht etwa in der kapitalistischen Landwirtschaft und der wunderbaren Modernisierung selbst (vgl. z.B. Wichterich 1985).

Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Eugenik zunächst offiziell diskreditiert. Natürlich hat der famose Wissenschaftsbetrieb seinen Beitrag zur eugenischen Vernichtungspolitik der Nazis nicht wirklich aufgearbeitet (vgl. Weingart; Kroll; Bayertz 1992, 562ff). Man distanzierte sich zwar von staatlichem Zwang, vertrat aber umstandslos eine ›freiwillige‹ Eugenik. Nach dem Zweiten Weltkrieg war für die erneute ›wissenschaftliche Propagation‹ der Eugenik das CIBA-Colloqium6 1962 in London von großer Bedeutung. Als Transmissionsriemen zwischen der Vorkriegs- zur Nachkriegs-Eugenik spielte vor allem Hans-Jürgen Muller7 eine große Rolle: Die Biologisierung des Sozialen wurde nicht überwunden, sondern sie hat sich nur modernisiert. Bis heute werden die Rationalisierung bzw. Inventarisierung des Menschen und die Vernichtung ›lebensunwerten Lebens‹ mobilisiert, wenn es mal wieder um ›Kostenersparnis‹ geht, man denke nur an die Debatten um Sterbehilfe und um Abtreibung (vermeintlich) behinderter Ungeborener (vgl. van Loenen 2015). Biologisierungen, wie sie vom Wissenschaftsbetrieb bzw. von bestimmten Wissenschaftlern/-innen selbst formuliert werden und die die ›wissenschaftliche‹ Rechtfertigung von Ungleichheit versprechen, wurden dabei stets bis heute von Rechtsradikalen aufgegriffen, so z.B. die Soziobiologie bzw. Humanethologie von den neuen Rechten der 70er und 80er Jahre (vgl. Feit 1987, 93ff.). Ein gegenwärtiges Beispiel wäre der ›Fall Kutschera‹, auf dessen biologisch begründeten sexistischen und homophoben Auslassungen Birgit Kelle und Beatrix von Storch sich beziehen (vgl. Biskamp 2019).

Zum wohl wichtigsten Ideengeber zeitgenössischer ›wissenschaftlicher Ideologieproduktion‹ ist der sog. Transhumanismus. Eng mit diesem zusammenhängend, zum Teil überlappend, aber keineswegs identisch, ist der Diskurs um Künstliche Intelligenz, Digitalisierung, Robotik und Gentechnologie. Im Transhumanismus verdichtet sich gewissermaßen das Umschlagen von Aufklärung in Mythos. Ein besonders großes Maß an sozialer Ignoranz drückt sich in der Technokratie des Transhumanismus und seiner Agitatoren (wie Ray Kurzweil) aus. Transhumanisten sind der Wahnvorstellung erlegen, alle Probleme dieser Welt seien technische Probleme und sie selbst seien dazu prädestiniert diese zu lösen, selbstverständlich durch technische Innovation und Disruption.8 Transhumanisten beschäftigen sich so gerne mit technischen Möglichkeiten oder Phantasien mutmaßlicher Möglichkeiten, dass ihnen gar nicht wirklich die Gegenwart in den Blick kommt. Nach dem Urteil bestimmter Publizisten sind diese Visionen nur eine weitere Form postmodernen Eskapismus, um der Gegenwart aus dem Weg zu gehen (vgl. Becker 2015, 42; Jansen 2018, 202f., ders. 2015, 286ff.). Ray Kurzweil und die Seinen hätten nicht nur nichts zur Lösung irgendeines Problems beigetragen, sie hätten diese vielmehr selbst mitverursacht, nicht zuletzt wegen ihrer Verbindung zum ›Militärisch-Industriellen Komplex‹ (vgl. Jansen 2018, 168ff.).9 Daher ist der Anspruch der Transhumanisten absurd. (Ob die Transhumanisten tatsächlich an ihre eigene Propaganda glauben oder nicht, sei mal dahingestellt.)

Besonders auffällig an den Transhumanisten ist deren extrem krasser technologischer Determinismus. Für Kurzweil beispielsweise ist der technische Fortschritt nicht anderes als eine Fortsetzung der biologischen Evolution (Kurzweil 1999, 35ff.). Der technologische Fortschritt wird aber nicht nur als unabwendbar hingenommen, sondern auch explizit eingefordert mit allen möglichen mörderischen Konsequenzen: So sei es wünschenswert, wenn die Menschen von einer KI beherrscht würden (weil nur so angeblich die Weltprobleme zu lösen wären). So würden sie selbst posthuman oder transhuman, d.h. selbst zur Maschine. Sie würden mit ihr verschmelzen, eine ›unsterbliche‹ Existenz annehmen, und wenn sie sich nicht hochlüden, sondern als Wesen aus Fleisch und Blut existierend verbleiben sollten, dann aber als genetisch optimierte und evtl. durch technische Implantate und/oder Drogen erweiterte bzw. verbesserte Exemplare. Zum Teil ist es aber umstritten, ob die Weltherrschaft einer künstlichen Intelligenz wirklich so vorteilhaft wäre. Es gibt in der transhumanistischen Szene, wie bekanntlich auch im Faschismus, bei einigen Punkten in der Tat unterschiedliche Auffassungen. Unterschiedliche Auffassungen machen einen aber noch nicht zu einem prinzipiellen Kritiker bzw. Gegner, wenn entscheidende ›Grundsätze‹ am Ende doch geteilt werden: Nick Bostrom, der von manchen ausgerechnet als ›Kritiker‹ des Transhumanismus gesehen wird, nimmt zwar immerhin zur Kenntnis, dass bestimmte technische Entwicklungen unerfreuliche Konsequenzen hätten oder ›missbraucht‹ werden, die Menschheit also existentiell bedrohen könnten, aber dennoch setzt er einer fundamentalistischen Technologiegläubigkeit nichts wirklich entgegen. Gemeinsamkeit aller Transhumanisten ist deren technologischer Determinismus und die obsessive Beschäftigung mit fiktiven Zukünften. Bostrom selbst spekuliert, wie eine künstliche »Superintelligenz« (vgl. Bostrom 2018b) zu Stande kommen, wie sie sich selbst weiter entwickeln könnte (was für Menschen irgendwann unvorstell- und unbegreifbar sei) und wie man dafür sorgen könne, dass sie der Menschheit wohl gesonnen wäre und sie nicht vernichten würde. Bostrom breitet dieses öde Geschwätz auf hunderten von Seiten aus...

Es geht also im folgendem darum, deutlich zu machen, dass sich in der Ideologie des Transhumanismus, vor allem im von ihm vertretenen technologischen Determinismus, ein Unterwerfungswahn unter die kapitalistischen Verhältnisse ausdrückt und sich mit seiner grundsätzlichen Leibfeindlichkeit ein gewisser Vernichtungswunsch verbindet. Auffällig sind auch die absurden Zukunftsvisionen, die Vererwigungsphantasien des bürgerlichen Subjekts ausdrücken und damit die Krise des Subjekts und des Kapitalismus verdrängen. Der Transhumanismus trägt dabei religiöse Züge, verbleibt aber aufgrund seiner Unterwerfungshaltung unter Herrschaftsverhältnisse in reiner Immanenz und ist nicht im Geringsten in der Lage, die Gegenwart zu transzendieren, also etwas zu denken, das Herrschaft und Unfreiheit negieren würde.

Dabei ist aber im Blick zu behalten, dass die Transhumanisten mit all ihren wahnhaften Visionen und ihrem kompromisslosen Naturbeherrschungswahn vom Inhalt her, nichts wirklich Neues zu bieten haben. Ähnliches ist schon zu früheren Zeiten formuliert worden: So etwa im angelsächsischen Raum seit den 1920er Jahren von Leuten wie John Desmond Bernal (1901–1971), John B. S. Haldane (1892–1964) und Julian Huxley10 (1887–1975) (vgl. Heil 2010; Kohn-Waechter 1995). Auch in Russland bzw. der frühen Sowjetunion wurde der Transhumanismus u.a. durch die sog. »Biokosmisten« vorweg genommen, vor dem Hintergrund einer anstehenden Modernisierung Russlands. Michael Hagemeister kommentiert die russischen Strömungen wie folgt: »Die Bezwingung der Natur und die Überwindung des Todes sind letzte Ziele eines innerweltlichen Fortschritts- und Erlösungsglaubens, dessen terroristische Konsequenzen seit langem bekannt sind. […] Im Rückblick wird erkennbar, wie totalitäre Heilslehren zu geschichtlicher Wirkmächtigkeit gelangt sind. Aber das Denken, das die Visionen des frühen 20. Jahrhunderts inspirierte, ist damit nicht überwunden. Der Anspruch auf Verwandlung und Beherrschung des Universums und die Abschaffung des Todes beruht auf einem magischen Verständnis von Wissenschaft und Technik, auf dem gnostizistischen Gedanken, der Mensch könne durch seine Erkenntnis magische Macht über die Mächte dieser Welt gewinnen und durch sie die Welt für seine Zwecke vollständig verwandeln, um selbst allmächtig, allwissend, allgegenwärtig und unvergänglich zu werden – das heißt göttlich. [...] Man mag die russischen Projekte vom Beginn des 20. Jahrhunderts als bizarre Phantasien abtun, doch kehren sie, nur leicht verkleidet, in den Visionen der Hypermoderne wieder« (Hagemeister 2005, 65). Diese »Visionen der Hypermoderne« sind zweifellos die Visionen des Transhumanismus (und des Diskurses über Künstliche Intelligenz, Synthetische Biologie usw.).

3. Transhumanistischer Optimierungswahn: Eugenik, Enhancement und die Verewigungsphantasien des bürgerlichen Subjekts

Eugenik ist gewissermaßen die Optimierung des Menschen noch bevor er geboren wird. Entweder sie trägt als ›negative Eugenik‹ dazu bei, jemandes Existenz überhaupt zu verhindern, weil jemand mit irgendeinem Makel behaftet sei (und dieser ›Makel‹ ist entweder eine Behinderung oder eine beliebige unerwünschte Eigenschaft, die mutmaßlich genetisch vererbt wird) und daher als nichts anderes angesehen wird als eine ›Ballastexistenz‹. Zählt derjenige doch zu den Geborenen, dann verhindert man, dass er ›Seinesgleichen‹ in die Welt setzt (z.B. durch Zwangssterilisation). Negative Eugenik setzt sich also zum Ziel, Menschen mit bestimmten Eigenschaften ›auszumerzen‹ oder fortpflanzungsunfähig zu machen. ›Positive Eugenik‹ wäre auf der anderen Seite die ›Zucht‹ von Menschen mit bestimmten Eigenschaften, wobei, sofern dies durch Genmanipulation bewerkstelligt werden soll, wieder einmal unterstellt wird, dass diese Eigenschaften vererbbar seien (und durch Gentechnik steuer- und kontrollierbar).

Während die Inventur des ›Menschenmaterials‹ in früheren Zeiten beinhaltete, staatlichen Zwang auf jene auszuüben (z.B. Zwangssterilisation), die als ›degeneriert‹ oder ›entartet‹ angesehen wurden, ist dieser Zwang heute eher individualisiert und wird ausgegeben als Ausdruck ›individueller Freiheit‹ (z.B. pränatale Diagnostik). Obgleich Zwangssterilisationen heutzutage nicht mehr praktiziert11 und im Allgemeinen auch abgelehnt werden, wird jedoch positive Eugenik, also die Zucht von Menschen mit bestimmten erwünschten Eigenschaften, immer wieder explizit befürwortet: So natürlich auch von diversen Transhumanisten. Laurent Alexandre etwa schwärmt überaus unverblümt für Reproduktionstechnologien: So werde sich die »Technomutterschaft« (!) durchsetzen, zu der selbstverständlich eine »Auswahl der Embryos und die Beseitigung nicht-konformer (!) Föten« gehöre (Alexandre; Besnier 2017, 27). Nick Bostrom schreibt, dass es Eltern erlaubt sein sollte, ihre werdenden Kinder genetisch optimieren zu dürfen (vgl. Bostrom 2018a, 91).12 Aber, so Bostrom weiter, täten sie es nicht, wenn entsprechende Technologien zur Verfügung ständen, wäre dies unverantwortlich; denn: »[Man] müsste […] dieses Risiko [das Risiko, durch Genmanipulation fremdbestimmt zu sein, TM] doch gegen die großen Risiken abwägen, die ein unverändertes Genom mit sich bringt. Bei Vorliegen sicherer und wirksamer Alternativen wäre es unverantwortlich, jemanden mit verringerten grundlegenden Fähigkeiten oder einer erhöhten Anfälligkeit für Krankheiten in die Welt zu setzen« (ebd., 103). Dieser Gedanke kommt in den Diskursen um Behinderte zur Geltung. Demnach ist jede Abtreibung natürlich freiwillig, aber am Ende gilt es doch als unverantwortlich von der Schwangeren, ein behindertes Kind zur Welt zu bringen13 Kein Wunder also, dass einige Transhumanisten, die vorgeblich die Eugenik der Nazis verurteilen und auf ›Freiwilligkeit‹ und ›individuelle Freiheit‹ setzten, es sich doch nicht verkneifen können, eine Verpflichtung (wenn auch zunächst [?] ›nur‹ eine ethische) zu fordern, Embryonen genetisch zu verändern (vgl. Savulescu; Ranisch 2009).

Ökonomisch gesehen ist es aber tatsächlich ›unverantwortlich‹, Menschen in die Welt zu setzen, die in Zeiten leerer Kassen ›nur kosten und nichts einbringen‹. Die Betroffenen würden mit einer solchen ›verfehlten Lebensplanung‹ in der Tat ihre Konkurrenzfähigkeit herabsetzen. Genau an dieser Stelle müsste eine Kritik dieser sog. ›Entscheidungsfreiheit‹ ansetzen. Jedoch wird in der Regel die Zumutung des ökonomischen Terrors, dass Leben sich ›rechnen‹ muss, nicht gesehen oder es wird nur ethisch unverbindlich dagegen argumentiert, dass man den ›Wert‹ menschlichen Lebens nicht beziffern könne usw. Solche ethischen Argumentationen tauchen dann üblicherweise, wie etwa in Bostroms Texten (vgl. Bostrom 2018a), als vorgebrachte Einwände gegen die transhumanistische bzw. ›genetokratische‹ Ideologie auf.

Grundsätzlich ist es also nötig, wenn man sich die Ideologie der Transhumanisten und ihre technokratischen bzw. eugenischen Träume anschaut, dass man diese in Beziehung setzt zu den realen Disziplinierungen und kapitalistischen Zumutungen in der Gegenwart. Es ist wenig ergiebig, den transhumanistischen Visionen allein damit zu begegnen, dass man sagt, diese Visionen seien gar nicht umsetzbar, empirisch nicht haltbar oder einfach nur Unsinn. Daraus würde nämlich nicht klar, warum so etwas überhaupt propagiert wird, und auf durchaus fruchtbaren Boden fällt und welches Bedürfnis im Subjekt damit bedient wird.14

Der Bezug zum realen Subjekt und seinen ihm auferlegten Zumutungen wird besonders klar im Falle des Enhancement bzw. der Optimierung. Wenn man vom Sich-Aufputschen mit Psychopharmaka usw. absieht, besteht der Selbstoptimierungswahn vor allem in dem Massenphänomen des sog. Life-Loggings bzw. Self-Trackings: Bedingt durch digitale Technologien, wie in Smart-Phones eingebaute Sensoren, können allerhand Daten von so gut wie allem aufgezeichnet werden. Life-Logging bzw. Self-Tracking meint also, das eigene Leben digital aufzuzeichnen. Dabei wird dieses exzessive Datensammeln durchaus freiwillig vollzogen. Zum Teil hat es recht ›profane‹ Gründe: So zahlen Krankenversicherungen Prämien oder günstigere Tarife, wenn man sich nicht nur vermeintlich ›genug bewegt‹ oder ›gesund ernährt‹, sondern dies auch noch beweisend aufzeichnet und die Daten an entsprechende Stellen verschickt; so läuft es auch bei Versicherungen, wenn jemand das eigene Autofahrverhalten aufzeichnet und damit ›beweist‹, ein ›brav‹ fahrender Bürger zu sein (vgl. etwa Selke 2016, 140).

Das Life-Logging dient dazu, allerlei Art von Lebensvollzügen aufzuzeichnen und diese dann nach bestimmten quantitativen Maßstäben zu beurteilen (oder dazu, dass Leute ihre ›scores‹ gegenseitig vergleichen und sich ihr Leben gemeinsam zur Hölle machen). Dies hat ausgesprochen asketische Züge und soll die eigene Lebensführung rationalisieren. So kann, wenn z.B. aller Kalorienverbrauch aufgezeichnet wird, das Programm einem/einer dann mitteilen, wann das nächste kalorienreiche Eis wieder ›erlaubt‹ ist (ebd., 146). Oder man denke an entsprechende ›Sport-Apps‹ auf Smart-Phones: Das eigene Joggen (Ort, Zeit, Geschwindigkeit, Puls- und Atemfrequenz) kann aufgezeichnet werden, so dass man beim nächsten Joggen gegen sich selbst (!) antritt. Natürlich macht das Life-Logging bzw. Self-Tracking nicht vorm Schlafzimmer halt: »There are also several smartphone apps that can be used to monitor sexual activities: these apps use the sensors in the phone to monitor sound and thrusting movements when the phone is placed on the bed during sexual encounters. Some apps even calculate the calories burnt during sex and provide leage tables through which men can assess their sexual prowess against other users of the app […]« (Lupton 2016, 21).

Durch das Life-Logging soll der Mensch also zu einer auslesbaren Black Box werden (so wie ein Flugschreiber): »Lifelogging ist damit das Versprechen, aus den ruinösen Gewohnheiten in ein besseres Leben ausbrechen zu können. In der Black Box soll sich mathematisches Kalkül mit zweckrationalem Denken zu erfolgreichen Verhaltensänderungen verbinden. Mit der Quantifizierung des eigenen Lebens beginnt eine Expedition in die letzten noch unerschlossenen Gebiete des Ichs. Das Versprechen von Lifelogging besteht genau darin, unser Leben unter der Regie der Black Box zu einem permanenten Optimierungsprojekt zu machen, bei dem wir uns selbst beobachten, erkennen und verändern, zum Zweck der Effizienzsteigerung. Diese moderne existenzielle Kalkulation basiert auf der Vorstellung, dass der Körper störungsfrei zu funktionieren hat und die eigene Existenz sich nutzenmaximierend entwerfen lässt. Es geht […] um die technische Rationalisierung und Kontrolle unseres Leben. Die Black Box ist eine ideale Projektionsfläche für den Wunsch nach Ordnung, Struktur, Sicherheit und Selbstverbesserung eines als strukturell fehlerhaft begriffenen Menschen« (ebd., 133).

Damit wird der Körper eine »Baustelle und die an ihn gebundene Gesundheit zur Ersatzreligion« (ebd., 136), deren Hauptgebot sich in dem Imperativ: ›Hauptsache gesund!‹ ausdrücken lässt. Das mit dem Life-Logging einhergehende »Gesundheitsmonitoring« führt also dazu, dass jeder Einzelne »zum Manager seiner Gesundheit« wird. Schließlich kann »[i]n einer Gesellschaft, der die Erwerbsarbeit ausgeht, […] Gesundheitsmonitoring als Ersatzarbeit betrachtet werden« (ebd.).

Bostrom ist grundsätzlich der Meinung, dass Enhancement – verstanden als Verbesserung und Neuschöpfung menschlicher Fähigkeiten – wünschenswert und mit menschlicher ›Würde‹ durchaus vereinbar sei. Nimmt dieses Enhancement ein solches Ausmaß an, dass z.B. die durchschnittliche Intelligenz der Menschen weit übertroffen wird, dann redet Bostrom von posthumanen Fähigkeiten. Was also soll Bostrom zufolge ›enhanced‹ werden und wie? Im Grund genommen kognitive Fähigkeiten, Lebensdauer und Emotionen. Kognitive Fähigkeiten natürlich, um schneller und mehr zu lernen, die Lebensdauer, damit man auch noch im Alter von 200 Jahren die Menschheit mit neuen Sinfonien beglücken kann. Bemerkenswert ist vor allem der dritte Punkt. Bostrom stellt sich »posthumane[ ] Wesen« vor, die »weit größere geistige Fähigkeiten als jeder heute lebende Mensch besitzen, ihre Gefühle vollkommen unter Kontrolle haben und vielleicht sogar über ganz neue Empfindungen und Sinnesmodalitäten verfügen werden« (Bostrom 2018a, 92, Hervorh. TM). Gefühle abzuwerten, grundsätzlich als störend zu betrachten und sie kontrollieren zu wollen, ist deutlicher Ausdruck androzentrischen Naturbeherrschungswahns am Menschen. Umsetzbar soll dies alles angeblich durch Gentechnik, Neuroimplantate und Drogen, d.h. neurochemische Manipulationen des Gehirns sein. Konkreter wird es bei Bostrom nicht, da solche Technologien nicht existieren. Eine Ausnahme bis zu einem gewissen Grad sind alle Arten von Pillen, Drogen, Opiaten usw., die längst Massenkonsum sind, um den Terror der Ökonomie auszuhalten, Depressionen und ›störende‹ Gefühlslagen abzustellen, wie nicht zuletzt die Opiat-Epidemie in den USA zeigt.15

Wenn also Leute wie Nick Bostrom für »Enhancement« agitieren und sich immer wieder in den technokratischen Träumen einer transhumanistischen Zukunft verlieren, affirmieren und befeuern sie den Optimierungswahn der Gegenwart. Bostrom erwähnt auch, dass sicherlich nicht wenige Menschen so eine ›Verbesserung‹ ihrer Fähigkeiten für begrüßenswert hielten, er fragt aber nicht warum dies so ist. Der Grund nach solchen ›Verbesserungen‹ zu streben oder sich solche zu wünschen, liegt einfach in den immer weniger einlösbaren Anforderungen als verwertungsfähiges Subjekt bestehen zu können. Diese unhinterfragten Anforderungen an das Subjekt übersteigen immer mehr die Fähigkeiten und Möglichkeiten menschlicher Wesen überhaupt, so dass der Mensch schlechthin als Mangel, als Auslaufmodell erscheint. Die Konkurrenzfähigkeit der Menschen stößt also immer mehr an ihre Grenzen (also jener Menschen, die noch nicht zu den dauerhaft Überflüssigen gehören, denen noch das ›Glück‹ beschieden ist, sich verwerten zu ›dürfen‹), so dass jene folgerichtig meinen, dann in der Konkurrenz als Arbeitskraftbehälter sich doch noch bewähren zu können, wenn jene z.B. die geistige Fähigkeit erwürben, in einem Jahr 30 Sprachen fließend zu erlernen. Selbst wenn dies möglich wäre, ist es eine Illusion zu glauben, das Subjekt könne damit zur Ruhe kommen. Der Wunsch, selbst zu einer Maschine zu werden oder gleich körperlos und unsterblich, ist also folgerichtig eine Extrapolation nicht einlösbarer und damit grenzenloser Anforderungen an das Subjekt. Das mag ein Grund dafür sein, warum die Optimierungsphantasien der Trans- bzw. Posthumanisten ebenfalls keine Grenzen kennen, so schreibt Bostrom: »Machen wir einen Gedankensprung in eine posthumane Zukunft, deren Technologie bis zu den Grenzen des Möglichen reicht. Die superintelligenten Bewohner dieser Welt sind autopotent, das heißt, sie haben die komplette Kontrolle über und ein vollständiges Verständnis von sich selbst, sind also in der Lage, jeden beliebigen inneren und äußeren Zustand einzunehmen. Ein autopotentes Wesen könnte sich beispielsweise problemlos in eine Frau, einen Mann oder einen Baum verwandeln, und jeder subjektive Zustand wäre ihm zugänglich, sei es nun Lust, Empörung oder die visuellen und taktilen Erfahrungen eines sich im Wasser tummelnden Delphins. Wir wollen ebenfalls davon ausgehen, dass diese posthumanen Wesen ihre Umwelt umfassend unter Kontrolle haben, so dass sie nicht nur exakte molekulare Kopien von Objekten herstellen können, sondern auch jede Art von physischer Konstruktion, für die sie einen genauen Entwurf entwickelt haben. Es wäre ihnen möglich, einen Wald von Mammutbäumen verschwinden zu lassen und dann woanders eine exakte Kopie davon zu errichten, bloß dass er nun vielleicht von Dinosauriern oder Drachen bewohnt wäre. Sie hätten ebenso viel Kontrolle über die physikalische Realität, wie Programmierer und Designer heute über die virtuelle Realität ausüben, könnten sich jedoch noch weit detailliertere (etwa biologisch realistische) Strukturen ausdenken und diese verwirklichen. Wir könnten sagen, dass die autopotenten Superintelligenzen in einer ›Plastikwelt‹ leben, weil sie ihre Umwelt ganz leicht umgestalten können, wie es ihnen beliebt« (Bostrom 2018a, 139, Hervorh. i. O.)

Bostrom ist natürlich kein ›Einzelfall‹. Hans Moravec, der als einer der führenden Roboter-Experten gilt und das ›Uploaden‹ des menschlichen Geistes auf einen künstlichen Datenträger propagiert, malt sich auch so einige Phantasien aus, zu was sich künstliche und/bzw. trans-/posthumane Intelligenzen entwickeln könnten. Diese Intelligenzen nennt Moravec »Exes«. Diese Exes sind zunächst materiell gedacht, sollen sich aber auch ihrer Körperlichkeit entledigen können, selbstverständlich damit die Exes dadurch ihre »Konkurrenzfähigkeit verbessern«. Wie Becker schon anmerkte, folgen diese Phantasien offensichtlich »stets der kapitalistischen Logik von Wachstum, Steigerung und Beschleunigung« (Becker 2015, 18, Hervorh. i.O.) Moravec schreibt also in seinem Buch Computer übernehmen die Macht: »Die Exes werden unendlich viel mehr geistige Arbeit für ihre Handlungen aufwenden, als wir intellektuell beschränkten Eingeborenen (!) der Erde aufbieten können. Doch […] wird die Expansion der Exes in den Kosmos eine höchst materielle Angelegenheit sein, eine Wellenfront, die unbelebte Materie in Maschinen verwandelt und damit die Voraussetzung zu weiterer Expansion schafft. […] Um konkurrenzfähig (!) zu bleiben, werden die Exes an Ort und Stelle wachsen müssen, indem sie innerhalb ihrer festgelegten Grenzen den Stoff, aus dem sie gemacht sind, immer wieder verfeinern und umstrukturieren. […] Bei der Umstrukturierung von Raumzeit und Energie in Formen, die sich ideal zum Rechnen eignen, werden die Exes mit Hilfe raffinierter mathematischer Methoden die Rechnungen selbst optimieren und verdichten. Jeder größere Fortschritt ihrer geistigen Kräfte wird ihre Konkurrenzfähigkeit (!) verbessern und das Tempo erhöhen, mit dem sie weitere Innovationen entwickeln. Die bewohnten Gebiete des Universums werden sich rasch in Cyberspaces verwandeln, wo sich keine offene materielle Aktivität mehr erkennen läßt, während die innere Rechenwelt von unvorstellbarem Reichtum ist. Die Wesen werden nicht durch ihre materiell-geographischen Grenzen bestimmt sein, sondern Identitäten herstellen, ausbauen und verteidigen (!), die sich als Informationsmuster im Cyberspace manifestieren. Die alten Körper individueller Exes, umgestaltet zu Matrizen des Cyberspace, werden sich zusammenschließen, und der Geist der Exes wird als reine Software[ ] in ihnen umherschweifen. Mit wachsendem Leistungsvermögen würde die Überlegenheit des Cyberspace gegenüber physischen Verwandlungsprozessen […] erkennbar werden. Die Wellenfront der Exes mit ihren groben physischen Verwandlungsprozessen wird von einer rascheren Welle unmerklicher Cyberspace-Transformationen verdrängt, bis schließlich das Ganze zu einer Geistblase wird, die fast mit Lichtgeschwindigkeit (!) expandiert« (Moravec 1999, 255ff.).

Hier sind androzentrische Allmachtsphantasien offensichtlich. Eine totale Herrschaft über die Natur und sich selbst wird in diesen Visionen dargestellt, ohne dass solche Ausführungen als dystopische Warnungen erscheinen – im Gegenteil. Dieser Herrschaftsanspruch geht so weit, dass die Ablösung von einer materiellen Existenz überhaupt gedacht wird. Die Verachtung des Leiblichen wird hier überaus deutlich, da diese zugunsten einer weiteren Konkurrenzfähigkeit abgelegt werden soll. In diesen Phantasien wird die materielle Ebene weggewünscht, d.h. verdrängt, denn auch der ›Cyberspace‹ ist auf ein materielles Substrat angewiesen. Wenn aber eine unbegrenzte Expansion und Optimierung gedacht wird, kann die materielle Wirklichkeit nur ein Störfaktor sein. In einem gewissen Sinn wird hier eine »Erlösung durch Technik« angestrebt, wie Becker anmerkte (vgl. Becker 2015, 18). Eine Krise des Kapitals und des Subjekts wird hierbei insofern verdrängt, als die kapitalistische Verwertung ins Unendliche gedacht wird, die Verwertung des Werts auch ohne materiellen Inhalt vonstatten gehen und, die, wie es bei Moravec steht, als ›Geistblase‹ mit fast Lichtgeschwindigkeit ins ganze Universum expandieren soll. Es wird also deutlich, dass in den Phantasien der Transhumanisten der Kapitalismus und das bürgerliche naturbeherrschende Subjekt in die Ewigkeit projiziert werden und damit in Ewigkeit fortbestehen sollen. Das bürgerliche Subjekt verdrängt die Krise und die Endlichkeit der Welt, welche durch den Naturbeherrschungswahn definitiv zerstört werden könnte. In den Zeiten, in denen das Subjekt zerfällt und seine gesellschaftliche Grundlage wegbricht, möchte es sich doch verewigen, wie die Ausführungen der transhumanistischen Demagogen mit Deutlichkeit zeigen. Es überrascht daher auch nicht, dass in den transhumanistischen Phantasien, in denen einfach alles möglich zu sein scheint, eines definitiv nicht möglich ist: eine Welt jenseits des Kapitalismus. Auch Bostrom »überrascht [durch] seine mangelnde Vorstellungskraft, wenn es darum geht, sich eine fundamental andere Gesellschaftsform vorzustellen« (Wagner 2016, 55). Somit sind die Phantasien der Transhumanisten nicht anderes als eine gähnende Leere, da sie in der Immanenz verbleiben und kein einziges Mal den Gedanken einer Welt formulieren, in der niemand mehr seine Konkurrenzfähigkeit verbessern müsste.

4. Transhumanismus als Todeskult der totalen Immanenz

Der Transhumanismus stellt sich selbst auch als Religion dar, so schreibt Laurent Alexandre: »Der Transhumanismus ist die letzte Stufe in der Evolution des religiösen Denkens, das drei Stufen aufweist. Zuerst gab es die Polytheismen, die logische Folge des Schamanismus, die bei den Römern und Griechen ihren Höhepunkt fanden. Danach die monotheistischen Buchreligionen. Heute taucht ein drittes Zeitalter auf, das des Gottmenschen (!). […] Gott existiert noch nicht: Er wird der Mensch der Zukunft (!) sein, dank der NBIC mit gleichsam unendlicher Macht ausgestattet. Der Mensch wird das verwirklichen, was zu können man bisher allein den Göttern unterstellte: Leben erschaffen, unser Genom verändern, unser Gehirn umprogrammieren (!) und den Tod sterben lassen« (Alexandre; Besnier 2017, 117). Auch diese Worte sollte man ernst nehmen und nicht als das unverbindliche Geschwafel eines Geisteskranken abtun. So hat vor wenigen Jahren der Robotikexperte Anthony Levandowski eine Kirche gegründet, in der eine künstliche Intelligenz allen Ernstes als Gottheit verehrt werden soll!16 Diese Leute meinen es also wirklich ernst! Noch absurder ist das Konstrukt eines sog. ›christlichen Transhumanismus‹, der durch den Theologen Christopher J. Benek17 vertreten wird, der »möchte, dass intelligente Maschinen die Taufe empfangen können, wenn sie den Wunsch dazu äußern« (ebd., 22). Bei einem so hohen Ausmaß an Absurdität wünscht man sich beinahe, dass der Transhumanismus durch eine päpstliche Bulle als ketzerische Irrlehre verurteilt wird!

Der Transhumanismus, als Religion verstanden, knüpft, wie Alexandre nahelegt, an Erlösungsvorstellungen tradierter Religionen an. Während aber Religionen von Erlösung red(et)en, so ist festzuhalten, dass in einigen religiösen Traditionen die Erlösungsvorstellung mit einem transzendenten Moment verbunden war (trotz berechtigter Religionskritik bzw. Ideologiekritik sind Religionen also nicht unbedingt schlechthin reaktionär, wie so mancher ›Wald-und-Wiesen-Atheismus‹ unterstellt). Das transzendente Moment kann als ein Nichteinverstandensein mit der Welt und ihren Strukturen der Herrschaft gedeutet werden. Das ›Reich Gottes‹ als transzendierender Horizont ist also nicht als Fortsetzung oder Totalisierung menschlicher Herrschaft zu verstehen, sondern als deren Negation (vgl. Böttcher 2019). In den transhumanistischen Phantasien wird aber kein transzendierendes Moment gedacht, etwa als Sehnsucht, Herrschaft zu negieren und von ihr befreit zu werden. Stattdessen strebt der Mensch seine eigene Negation an, um sich einer von ihm geschaffenen Fetisch-Konstitution angleichen und in ihr bewähren zu können, letztlich um sich der Herrschaft vollends zu unterwerfen, damit nichts ›Nicht-Identisches‹ übrig bleibe, damit alle Spannungen und alle Widersprüche zwischen Individuum und Subjekt ausgelöscht seien. Das schließt die Möglichkeit der Vernichtung des Menschen überhaupt mit ein. So schreibt Jansen: »Die religiöse Avantgarde des Westens kennt keine nennenswerte Existenzberechtigung für den Homo Sapiens mehr, sodass zeitgenössische Strategien der Erlösung auf eine radikale Transformation respektive auf eine Selbstabschaffung/Selbstzerstörung der Gattung durch Technologien hinauslaufen, als versuche die Menschheit, mehr oder weniger bewusst, sich selbst eine Apokalypse beizubringen, um sich selbst von sich selbst zu erlösen« (Jansen 2018, 203, Hervorh. i. O.).

Das Repressive an der transhumanistischen Ideologie läuft darauf hinaus, dass der Mensch sich vollständig der Verwertungsdynamik des Kapitalismus zu unterwerfen hat. Das schließt die Möglichkeit seiner eigenen Vernichtung mit ein. Entweder der Mensch wird schlussendlich durch die Maschine bzw. die Künstliche Intelligenz verdrängt oder er wird selbst zur Maschine. Da der eigene Leib gebrechlich ist und sich im Optimierungswahn als Störfaktor erweist, ist die Phantasie naheliegend, sich aller Leiblichkeit entledigen zu wollen. In dem Kontext wären also auch die Unsterblichkeits- bzw. Verewigungsphantasien der Transhumanisten zu sehen: In der transhumanistischen Ideologie wird der Standpunkt vertreten, dass der Mensch seine Unsterblichkeit dadurch erlangen solle, dass dieser selbst zu einer Maschine werden müsste. Begründet wird dies damit, dass der menschliche Geist schlussendlich auf ein Computerprogramm reduzierbar sei. Träfe dies zu, so würde der Geist immer wieder in neue künstliche Körper kopiert werden können (oder andere künstliche Datenträger) und dadurch würde der Mensch nicht mehr auf ›Proteinbasis‹ existieren, sondern auf ›Siliziumbasis‹ und wäre beliebig kopierbar – sprich unsterblich. Ein Mensch, der also seine Leiblichkeit abstreifte, d.h. seine »wet-ware« (!), wie es im menschenverachtenden transhumanistischen Jargon heißt, durch hard-ware austauschte und das, was den Menschen angeblich ausmacht, d.h. seinen ›Informationsgehalt‹ auf letztere kopieren würde, erlangte somit Unsterblichkeit und bliebe verschont von den Gebrechlichkeiten realer Leiber (dass die Hardware ebenfalls nicht unkaputtbar ist und Fehler beim Kopieren sich ereignen können, kommt komischerweise nicht in den Blick). Offensichtlich wird hiermit der Substanzdualismus zwischen Körper und Geist, wie er auch schon von Descartes vertreten wurde (res extensa und res cogitans), auf die Spitze getrieben (wobei die Transhumanisten nicht an eine unsterbliche Seele glauben). Der Substanzdualismus äußert sich hier als Hass auf alles Lebendige, auf die leibliche Seite menschlichen Daseins überhaupt.18

Dass die Transhumanisten so etwas derart ungeniert vertreten, hat auch damit zu tun, dass in den Milieus, in denen sich diese Leute bewegen, der Wunsch lebendig ist, eine Maschine zu werden, mit der Maschine verschmelzen zu wollen. Er kommt auf, da der Optimierungszwang des Kapitalismus, das permanente Funktionieren-Müssen, das Denken in Form einer »regelgeleitete[n] Rationalität« (Schnetker 2019, 69) in diesen Milieus selbstverständlich ist. Der Hass auf das Leibliche als Ausdruck einer Selbstzurichtung nimmt deswegen so ein krasses Ausmaß an, weil entsprechende Leute sich als etwas anderes als eine Maschine gar nicht mehr vorstellen können. Ihre nicht-maschinenartigen ›Anteile‹ müssen daher umso mehr verdrängt und umso heftiger abgewehrt werden. Es gilt in dieser Szene als »Affront, selbst ein durch kognitive Verzerrungen geplagter, mit Körperlichkeit geschlagener, haarloser Affe zu sein und kein mathematisch rationales Geistwesen« (ebd.). Die Anhänger/-innen des Transhumanismus vertreten also eine Ideologie, aus der folgt, dass die eigene »körperliche Situiertheit als Schwäche und Makel [zu] begreifen [ist,] und tendenziell danach [zu] streben, als körperloses Abstraktum zu existieren. Sie messen die Realität und das eigene Leben an einem Maßstab, nach dem dieses immer nur als mängelbehaftet gesehen werden kann. Und da die körperliche Existenz realer Menschen vor allem als Mangel betrachtet wird, kann diese […] als herauszukürzender Rest behandelt werden. Der Anspruch ist also, selbst Maschine zu sein, um vollständige Kontrolle über sich selbst zu erlangen. […] Dieser Anspruch scheitert allerdings fortwährend an der Realität« (Schnetker 2019, 55, Hervorh. TM).

Der Tugendterror des Optimierungszwanges und der Hass auf alles Leibliche des Transhumanismus ist also offenbar die modernste Fassung des Einpeitschterrors im Kapitalismus. Kein Wunder also, dass nicht wenige aus der Szene sich absurden Diäten hingeben. So ›ernähren‹ sich manche durch in den Hals schnell reinschüttbare Nährstoffcocktails wie »Soylent« (der/die eine oder andere mag sich an den dystopischen Film »Soylent Green« erinnern!) oder »Huel«, eine Abkürzung für »human fuel« (!), d.h. menschlichen Treibstoff. Speisen als soziale Praxis und als leibliches Erleben soll wegrationalisiert werden. Es ist ja schließlich enorm zeitverschwenderisch, gar eine Zumutung für narzisstische Nerds, auch noch mit anderen Leuten speisend und genießend zusammen Zeit verbringen zu müssen. Genussunfähigkeit ist eine Schlüsselkompetenz im transhumanistischen Milieu. Wie Marx mal höhnisch anmerkte, würden »dem Arbeiter als bloßem Produktionsmittel Speisen zugesetzt […] wie dem Dampfkessel Kohle und der Maschinerie Talg oder Öl« (Marx 2005, 280), damit es mit dem Malochen sofort weitergehen kann. Der Arbeiter ist Bestandteil der Maschine, d.h. er wird von der Maschine angewendet und dementsprechend wird er behandelt, als Zubehör der Maschine selbst. Es ist wohl eine Ironie der Geschichte, dass heutige Menschen solche Zumutungen kapitalistischen Terrors als Ausdruck ihrer ›Freiheit‹ und ›Persönlichkeit‹ erleben. Wir haben es also hier bei dem Optimierungswahn, der durch die transhumanistischen Ideologie noch massiv befeuert und weitergedacht wird, mit einer Art ›innerweltlicher Askese‹ zu tun. Daher ist es schlüssig, dass neben der Eugenik und Rassenhygiene, der Terror des Calvinismus und der Utilitarismus Jeremy Benthams (als sakularisiertem Calvinismus) als historische Vorläufer des Transhumanismus angesehen werden. Im Unterschied zu den Transhumanisten selbst, die irrtümlich glauben, der Humanismus der Renaissance wäre der geistige Vorgänger des Transhumanismus (vgl. Schnetker 2019, 101ff. sowie Jansen 2015, 283ff.).

Allerdings ist zu betonen, dass der Bezug des Transhumanismus zum Protestantismus nicht nur ferne Vergangenheit, sondern auch heute noch deutlich vorhanden ist: Etwa im apokalyptischen Denken, dass die ›Endzeit‹ angebrochen sei, was für den US-amerikanischen Protestantismus typisch ist und sich in den diversen Weltuntergangsszenarien (die KI ›erwacht‹ und zerstört die Menschheit, ›Nanotechnologie‹, in Form von mikroskopisch kleinen, sich selbst replizierenden Robotern, gerät außer Kontrolle und zerlegt die ganze Welt) des Transhumanismus wiederfindet (vgl. Schummer 2006). Dieses apokalyptische Denken des Transhumanismus, das die Apokalypse und damit die eigene Vernichtung noch selbst herbeiwünscht, macht den Transhumanismus zu einem Todeskult, ähnlich dem Todeskult der Islamisten (Konicz 2018). Die Transhumanisten sind so etwas wie Djihadisten ohne Bart, also »High-Tech-Taliban« (ebd.).

5. Transhumanismus als narzisstische Masturbationsveranstaltung

Die Leibfeindlichkeit des Transhumanismus und der Life-Logging Optimierungswahn bleibt nicht folgenlos für die geschlechtliche und sexuelle Seite menschlicher Existenz. Die Konsequenz ist die Entfernung des Leiblichen aus dem Sexuellen. So wird Sexualität zu einer nicht-körperlichen narzisstischen Veranstaltung. Ray Kurzweil schwärmt in seinen Zukunftsvisionen über Cybersex. Diese soll über ›virtuelle Realität‹ erfolgen (also heute über Virtuelle-Realität-Helme, bei denen man eine virtuell generierte Umgebung in alle Richtungen sieht) bzw. über eine audio-visuelle Kommunikation (also heutzutage über Skype). Später kämen noch virtuelle Berührungen hinzu und natürlich zukünftig virtuelle Erlebnisse über Neuroimplantate, die eine ganze Realität simulieren, wie etwa in der Film-Trilogie »Matrix«. Am Ende kämen dann auch Sexroboter (die von einem Menschen am Ende nicht mehr zu unterscheiden sein sollen) und ›Nanotechnologie‹ (vgl. Schummer 2011) zum Zuge. Wieder einmal werden Phantasien der totalen Naturbeherrschung bzw. totalen Verfügbarkeit deutlich. Auffällig ist auch das Changieren zwischen asketischen Ansprüchen und hedonistischen Sehnsüchten. Bei Kurzweil heißt es: »Gegen Ende des ersten Jahrzehnts des 21. Jahrhunderts wird man dank der virtuellen Realität mit einem Liebhaber, einer Sexarbeiterin oder einem simulierten Partner (!) auditiv und visuell völlig real zusammen sein können. Man wird mit einer Partnerin alles tun können (!), außer sie zu berühren – eine zugegebenermaßen gravierende Einschränkung. Die virtuelle Berührung (!) wird zu diesem Zeitpunkt zwar bereits eingeführt sein, aber das allumfassende, hochrealistische, visuell-auditiv-taktile virtuelle Environment wird erst in der zweiten Dekade des 21. Jahrhunderts bis zur Vollendung perfektioniert sein. Ab diesem Zeitpunkt wird der virtuelle Sex zum realen in echte Konkurrenz treten. Paare werden unabhängig von ihrer realen Entfernung virtuellen Sex haben können. Und selbst wenn sie sich nahe sind, wird der virtuelle Sex in mancher Hinsicht besser (!) und auf jeden Fall sicherer (!) sein. Virtueller Sex wird Gefühle vermitteln, die intensiver (!) und angenehmer (!) sind als beim konventionellen Sex, und er wird körperliche Erfahrungen vermitteln, die heute noch unbekannt sind. Natürlich ist der virtuelle Sex auch der ultimativ sichere Sex (!), da kein Schwangerschafts- oder Infektionsrisiko besteht« (Kurzweil 1999, 233).

Natürlich kann die virtuelle Realität es dem Yuppie (erst recht dem ›Incel‹) ermöglichen, sich mit der Realität und somit mit realen Partnern/-innen nicht mehr zu befassen, also keine libidinöse Objektbeziehung einzugehen, sondern Partner nur als Rohfabrikat für den eigenen Narzissmus zu benutzen. Kurzweil formuliert weiter: »Heutzutage mag sich eine Liebhaberin vielleicht in ihrer Phantasie vorstellen, daß es sich bei ihrem Partner um eine andere Person handelt, doch beim virtuellen Geschlechtsverkehr muß man seine Vorstellungskraft nicht mehr bemühen. Man kann dann die körperliche Erscheinung und andere Eigenschaften seiner selbst und des Partners ohne weiteres ändern. Der User (!) kann bewirken, daß die Geschlechtspartnerin aussieht wie sein Lieblingsstar und sich auch so anfühlt, ohne daß die Partnerin dies erlaubt hätte (!) oder überhaupt wüßte (!). Natürlich sollte man sich im klaren sein, daß die Partnerin dasselbe tun kann« (ebd.).

Wie ›schön‹ zu erfahren, welche Möglichkeiten für Gruppensex möglich werden: »Gruppensex wird insofern eine neue Bedeutung gewinnen, als mehrere Personen gleichzeitig die Erfahrung eines Partners teilen können. […] Alle Teilnehmer, die sich einen virtuellen Körper teilen, haben dann dieselbe visuelle, auditive und taktile Erfahrung bei gemeinsamer Steuerung des einen virtuellen Körpers […]. Ein ganzer Hörsaal (!) voller Menschen […] könnte so einen virtuellen Körper teilen, der mit einer Performerin sexuell verkehrt« (ebd., 234). Wie ›schön‹, dass aufgrund »drahtloser Kommunikationsverbindungen mit großer Bandbreite […] weder Kundin noch Sexarbeiter mehr ihre Wohnung verlassen (!) müssen« (ebd.). So kann endlich der postmoderne Spießer, der alles haben will und doch nichts genießen kann, endgültig in seiner Filterblase versauern! Was würde Kurzweil wohl zu virtueller Gruppenvergewaltigung (wobei seine Anführungen bereits genau so klingen) oder virtueller Pädophilie sagen? Oder zu virtuellem Enthaupten von Menschen? Auf die Idee, dass solche Extrapolationen ein Ausdruck von Barbarei sind, insofern, dass in der virtuellen Realität Gewalt ausgelebt wird, wie sie noch nicht in der Realität ausgelebt werden kann, kommt Kurzweil nicht. Wie die virtuelle Realität auf die wirkliche Realität zurückwirkt und vor allem, wie es in einer virtualisierten Lebenswelt überhaupt noch möglich sein sollte, reale soziale Beziehungen zu leben, fragt sich Kurzweil ebenso wenig. Eine Flucht in die Virtualität ist Ausdruck einer grundsätzlichen sozial-psychologischen Verarmung im Spätkapitalismus. Kurzweils Phantasien extrapolieren die heutige Welt von virtueller Flucht (World of Warcraft, Second Life) und dem allgemeinen Elend in sog. sozialen Netzwerken. Für Kurzweil und die Seinen wäre eine narzisstische Verarmung der Menschen vermutlich auch nur ein technisches Problem, welches zu lösen, einer Künstlichen Intelligenz aufgetragen werden würde.

Ähnlich wie Moravecs Phantasien, dass die künstlichen Intelligenzen körperlos ins ganze Universum expandieren, so haben auch Kurzweils keine Grenzen: »Ab dem vierten Jahrzehnt [des 21. Jh., TM] werden virtuelle Erlebnisse durch Neuroimplantate möglich werden. Dank dieser Technologie wird man in der Lage sein, fast jede Art von Erfahrung mit fast jeder Person zu machen, und zwar real oder imaginär und zu jedem beliebigen Zeitpunkt. Es wird ganz ähnlich sein wie die heutigen Chat Rooms im Internet, nur daß man die notwendige Ausrüstung bereits im Kopf hat und sehr viel mehr tun kann, als nur zu plaudern. Man ist den Begrenzungen seines natürlichen Körpers dann nicht mehr unterworfen (!), da alle beteiligten Personen jede gewünschte körperliche Gestalt annehmen können. Eine Vielfalt von Erlebnissen wird möglich: Ein Mann kann spüren, wie es ist, eine Frau zu sein, und umgekehrt. Auch gibt es keinen Grund, warum eine Person bei der Realisierung oder wenigstens virtuellen Realisierung ihrer allein geträumten Phantasien nicht Mann und Frau zugleich sein sollte« (ebd., 236).

Es laufen hier also zwei Momente zusammen: Einerseits eine geradezu neurotische Ablehnung jedwedes Leiblichen, d.h. die Angst mit jemand anderem wirklich real zu tun zu haben, also real mit jemandem leiblich zu interagieren (mit all den möglichen ›leiblichen Konsequenzen‹)! Auf der anderen Seiten die obsessive Phantasie virtuellen Sexes, die im Größenwahn der Transhumanisten womöglich darauf hinaus läuft, mehr oder weniger virtuell mit dem ganzen Universum simultan ›ficken‹ zu wollen (vielleicht noch mit fast Lichtgeschwindigkeit). Einmal mehr wird der androzentrische Größenwahn transhumanistischer Ideologie deutlich.

Die überaus asketische Haltung der Transhumanisten dem Geschlechtlichen gegenüber passt auch zu ihrem Vorhaben, Menschen zu fabrizieren, sie auch klonen zu wollen (so wie Kurzweil: vgl. Jansen 2015, 222f.), also den Menschen asexuell herzustellen und das auch am besten in einer ›künstlichen Gebärmutter‹ (Letzteres nennt man »Ektogenese«, vgl. Meyer 2018). Jean-Michel Besnier sieht zwischen dem transhumanistischen Wahn nach Unsterblichkeit und der Negation von Sexualität einen direkten Zusammenhang: »Die Obsession für die Langlebigkeit, ja sogar Unsterblichkeit ist jedenfalls der Sache der geschlechtlichen Fortpflanzung schädlich, da sie auf Diversifikation und nicht auf Duplikation und folglich auf Erneuerung und Tod angewiesen ist, um das Leben sicherzustellen. Aber die Transhumanisten wissen das Leben nicht zu schätzen und sind, von der Unsterblichkeit träumend, bereit, die geschlechtliche Fortpflanzung zu beseitigen. Das heißt nicht unbedingt, dass sie auf Sexualität verzichten wollen, aber sie würden sie gern auf die Automatismen der Pornografie reduzieren […], die von ihnen mit der Cybersexualität in Verbindung gebracht wird […].« (Alexandre; Besnier 2017, 31)

6. Schluss

Egal was die Situation ist, den Transhumanisten geht es dabei immer um Optimierung und um grenzenlose Expansion. In den skizzierten Szenarien werden die Verewigungsphantasien des bürgerlichen Subjekts und das Verleugnen der Krise besonders deutlich. Die transhumanistische Ideologie kann also gewissermaßen als Wahn gewordene Selbstzweckbewegung des Kapitals angesehen werden. So wie diese nicht in den Blick der Kritik kommt, so ist auch keiner der Transhumanisten in der Lage, den vertretenden Determinismus der technologischen Entwicklung ansatzweise in Frage zu stellen. Vielmehr wird eingefordert, dass der Mensch sich der technischen Entwicklung ganz und gar anzupassen habe, und hierzu habe der Mensch sich auch biologisch zu ändern, was darauf hinausläuft, dass seine Existenz als solche in Frage gestellt wird. Letztlich soll also der Mensch selbst, nicht nur seine Arbeitskraft, von der Technik ersetzt werden. Der Mensch ist damit nicht mal mehr »nacktes Leben« (Agamben), sondern zu entsorgende »wet-ware«.

Der Transhumanismus ist der sichtbare Ausdruck einer Gesellschaft, der jede Fähigkeit zur Selbstreflexion und Kritik verloren geht, weil sie sich den Artefakten, die sie selbst hervorgebracht hat, opferbereit unterwirft und den Kapitalismus als unhintergehbare Naturtatsache ansieht. In ihren Obsessionen einer zukünftigen Herrschaft der künstlichen Intelligenz bzw. der Maschinen entgeht den Transhumanisten, dass ihr technologischer Determinismus, der ja von Kurzweil zur Fortsetzung der biologischen Evolution stilisiert wird, selbst Ausdruck einer fetischistischen Gesellschaft ist, in der ›die Maschinen‹ über ihre Schöpfer herrschen. Dass der von den Transhumanisten vertretene Determinismus der technischen Entwicklung bereits Ausdruck der Herrschaft von Dingen über Menschen ist, die also keineswegs in einer fiktiven Zukunft liegt – dieser Widerspruch fällt den Transhumanisten gar nicht auf (vgl. auch Konicz 2018). Was die Transhumanisten einer fiktiven »Superintelligenz« (Bostrom) andichten, vertreten sie schlussendlich selbst: Die Unterwerfung des Menschen unter die gesellschaftlichen Verhältnisse, mit ihren repressiven und immer weniger durchhaltbaren Zumutungen; eine Unterwerfung, die eine Selbstabschaffung mit einschließt. Vor dem sie warnen (sofern sie das tun), dem streben sie also selbst zu: Das nimmt in der Forderung, der Mensch müsse ein Cyborg werden (also sich selbst abschaffen), damit er gegen die künstliche Intelligenz in Zukunft bestehen kann (damit er nicht abgeschafft wird), überaus absurd-paradoxe Züge an.19 Das Irre am Transhumanismus äußert sich in einer Unterwerfungshaltung und zugleich in Omnipotenzphantasien. Auf diese Weise verlängern die Transhumanisten den Kapitalismus in seiner Immanenz vermeintlich in die Unendlichkeit. Das Bedrohliche am Transhumanismus ist nicht, dass die herbeiphantasierte Machtübernahme einer künstlichen Intelligenz oder die Zerstörung der Welt durch eine außer Kontrolle geratene ›Nanotechnologie‹ wahr wird, sondern dass der Transhumanismus die Ideologie dazu liefert, dass das Kapital sich der Welt und des Menschen endgültig bemächtigt und damit sein Zerstörungswerk vollendet. Die transhumanistischen Phantasien sind also nicht wegen ihrer science-fiction-artigen Phantasmen zu belächeln, sondern in ihrem Unterwerfungs- und Vernichtungswahn ernst zu nehmen.

Zusammenfassend gesagt ist der Transhumanismus – wie schon die Eugenik und Rassenhygiene zuvor – ein menschenfeindliches Wahngebilde mit ›wissenschaftlichem Anstrich‹. Im Unterschied zu Eugenik und Rassenhygiene geht es dem Transhumanismus nicht darum, einzelne Personen oder Gruppen auszusortieren und ›auszumerzen‹, sondern die Menschheit als solche soll als eine zu überwindende ›Ballastexistenz‹ angesehen werden. Der Transhumanist ist damit eine Art ›finsterer Höllenpriester‹, der alle Menschen auf dem Altar des Molochs abzuschlachten gedenkt, zur Ehre seines sog. Gottes, d.h. zur Ehre der Selbstzweckbewegung des Kapitals.

 

Literatur

Alexandre, Laurent; Besnier, Jean-Michel: Können Roboter Liebe machen? Transhumanismus in zwölf Fragen, Wien 2016.

Becker, Philipp von: Der neue Glaube an die Unsterblichkeit – Transhumanismus, Biotechnik und digitaler Kapitalismus, Wien 2015.

Biskamp, Floris: Vom Naturalismus zur Religion – Über die antigenderistische Radikalisierung des Ulrich Kutschera, in: Feinbild Emanzipation – Antifeminismus an der Hochschule, Frankfurt 2019, 38–43, online: https://asta-frankfurt.de/sites/default/files/dateien/feindbild-emanzipation-antifeminismus-hochschule/feindbildemanzipationweb2.pdf

Bostrom, Nick: Die Zukunft der Menschheit, Frankfurt 2018a.

Bostrom, Nick: Superintelligenz – Szenarien einer kommenden Revolution, 3. Aufl. Berlin 2018b, zuerst Oxford 2014.

Böttcher, Herbert: Hilft in der Krise nur noch beten? – Zur philosophischen Flucht in paulischen Messianismus, in: exit! – Krise und Kritik der Warengesellschaft Nr.16, Springe 2019, 86–181.

Braun, Kathrin; Kremer, Elisabeth: Asketischer Eros und die Rekonstruktion der Natur zur Maschine, Oldenburg 1987.

Feit, Margret: Die »Neue Rechte« in der Bundesrepublik: Organisation – Ideologie – Strategie, Frankfurt/New York 1987.

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Hagemeister, Michael: »Unser Körper muss unser Werk sein« – Beherrschung der Natur und Überwindung des Todes in russischen Projekten des frühen 20. Jahrhunderts, in: Groy, Boris; Hagemeister, Michael; von der Heiden, Anne (Hg.): Die neue Menschheit – Biopolitische Utopien in Russland zu Beginn des 20. Jahrhunderts, Frankfurt 2005, 19–67.

Heil, Reinhard: Human Enhancement – Eine Motivsuche bei J.D. Bernal, J.B.S. Haldane und J.S. Huxley, in: Coennen, Christohper; Gammel, Stefan; Heil, Reinhard; Woyke, Andreas (Hg.): Die Debatte über »Human Enhancement« – Historische, philosophische und ethische Aspekte der technologischen Verbesserung des Menschen, Bielefeld 2012, 41–62.

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  1. Die Debatte um Wissenschaft und Pseudowissenschaft bzw. Esoterik lasse ich an dieser Stelle außer Acht (Gibt es Unterscheidungskriterien zwischen diesen und wenn ja welche? Usw. usw.), zumal im Transhumanismus beides ohnehin zusammenfließt. ^

  2. Als Entrismus bezeichneten die Trotzkisten das ›Unterwandern‹ von nicht-trotzkistischen Organisationen mit dem Ziel einer Diskursverschiebung in diesen Organisationen, um diese dann am besten als trotzkistische zu ›übernehmen‹. Schon bemerkenswert, dass der Transhumanist Laurent Alexandre sich trotzkistischen Vokabulars bedient. ^

  3. Das Buch von Alexandre und Besnier, auf das ich mich in diesem Text noch mehrfach beziehen werde, ist übrigens ein verschriftlichter Dialog zwischen beiden Autoren. ^

  4. Das kann auch anhand entsprechender ›Wissenschaftspolitik‹ und ihrer Propaganda deutlich gemacht werden. Beispielsweise anhand des Hypes um Nanotechnologie seit den Nuller Jahren: Manch einen würde es überraschen, dass der Terminus ›Nanotechnologie‹ bis in die 90er Jahre, weniger ein Begriff aus der Wissenschaft war, sondern mehr einer aus der Kulturindustrie. Als der Hype um Nanotechnologie angegangen war, fiel die inhaltliche Beliebigkeit dieses Terminus auf, unter welchen allerhand Themengebiete aus Chemie und Festkörperphysik subsumiert wurden und er daher vom Inhalt her nichts wirklich Neues repräsentierte. Offenbar sollten viele Gebiete unter diesem Terminus zusammengefasst werden, damit diese, gemeinsam finanziert, geschlossen fleißig forschen und das Kapital befeuern, vgl. Schummer 2011. ^

  5. Auf den Informationsbegriff selbst kann ich an dieser Stelle nicht weiter eingehen, vgl. dazu Janich 2006. ^

  6. Organisiert vom Konzern Chemische Industrie Basel (CIBa). ^

  7. Auf Muller kann ich hier nicht weiter eingehen, vgl. dazu Roth 1985; Weß 1989. ^

  8. Als Disruption wird ein Ausmaß an ›Innovation‹ bezeichnet, das nicht nur ein neues Produkt bereitstellt, sondern ganze Produktionsprozesse umkrempelt, so dass optimalerweise ganze Branchen damit vollkommen überflüssig werden. Silicion-Valley Ideologen, zu denen die Transhumanisten auch gehören, formulieren ihren Ansprüche immer in Superlativen, sind also Experten im Größenwahnsinn. ^

  9. Ray Kurzweil ist nicht nur Chef-Software-Ingenieur von Google, sondern auch Berater des US-Militärs. Aber nicht nur in personeller Hinsicht gibt es Überschneidungen: Big Data und KI kommen bekanntlich in den sog. Drohnenkriegen zum Einsatz. ^

  10. Auf Julian Huxley (dem Bruder von Aldous Huxley) beruft sich die sog. Giordano-Bruno-Stiftung mit ihrem »evolutionären Humanismus«. Auf J. Huxley geht im Übrigen der Terminus ›Transhumanismus‹ zurück (ebenso ›evolutionärer Humanismus‹). ^

  11. Allerdings ist zu betonen, dass Zwangssterilisationen nach dem Terror der Nazis nicht einfach eingestellt wurden. Bei ›unerwünschten‹ Subjekten wurden sie durchaus angewandt, wie der aufgedeckte »Fall Stoeckenius« in den 1980er Jahren zeigte, vgl. Sierck; Radtke 1989. ^

  12. Mittlerweile ist es bereits dazu gekommen, menschliche Keimzellen genetisch zu verändern und diese dann zur Zygote verschmelzen zu lassen: vgl. z.B. Jan Osterkamp: Nebenwirkung des CRISPR-Menschenversuchs befürchtet, spektrum.de vom 22.02.2019. ^

  13. Um nicht missverstanden zu werden: Natürlich spreche ich mich hier nicht gegen ein Recht auf Abtreibung aus, zumal dieses Recht von Reaktionären aller Art bekämpft wird, sofern dieses Recht überhaupt gegeben ist! Es ist aber darauf hinzuweisen, dass jene freien Entscheidungen zur Abtreibung, z.B. aufgrund ökonomischer Zwänge, gar nicht immer so frei sind, was aber gern ausgeblendet wird. ^

  14. Ähnlich wie bei antisemitischen Wahnvorstellungen bringt es nicht allzu viel, nur zu zeigen, dass die »Protokolle der Weisen von Zion« eine Fälschung sind. Entsprechend soll es auch im Folgenden nicht darum gehen, zu zeigen, dass das ›vulgärmaterialistische‹ Weltbild der Transhumanisten (Alles ist im Wesentlichen Information, und Leben ist nichts als ein programmierbarer Algorithmus usw.) falsch ist. ^

  15. Florian Rötzer: USA: Rekordzahl von Toten durch Opioid-Überdosierungen im Jahr 2017, Telepolis vom 16.08.2018. ^

  16. Siehe: https://www.wired.com/story/god-is-a-bot-and-anthony-levandowski-is-his-messenger/ . ^

  17. Vgl. https://www.christopherbenek.com/. ^

  18. Zu Descartes vgl. Braun; Kremer 1987. ^

  19. Elon Musks Unternehmen »Neuralink« beispielsweise plant eine Gehirn-Computer-Schnittstelle zu entwickeln, eine neurale Schnur (»neural lace«), durch die das Gehirn ›optimiert‹ werden soll, siehe Rolfe Winkler: Elon Musk Launches Neuralink to Connect Brains With Computers, Wall Street Journal von 27.3.2017. ^




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