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exit! Krise und Kritik der Warengesellschaft Nr. 17 erscheint im April 2020 - Inhalt und Editorial


English: exit! N° 17 is published in April 2020 - Editorial

Español: exit! Crisis y crítica de la sociedad de la mercancía, nº 17 (Abril 2020) - Editorial

Français (palim-psao.fr): Crise et Critique de la société marchande : Editorial du n°17 de la revue EXIT, par Roswitha Scholz

Italiano: exit! Krise und Kritik der Warengesellschaft Nr. 17 erscheint im April 2020 - Inhalt und Editorial

Português (obeco-online.org): exit! Crise e Crítica da Sociedade das Mercadorias nº 17 sai em Março de 2020 – Índice e Editorial

exit! Krise und Kritik der Warengesellschaft Nr. 17 erscheint im April 2020 - Inhalt und Editorial

cover

exit! Nr. 17 erscheint voraussichtlich am 27. April im zu Klampen Verlag.

Erhältlich für 22€ im Buchhandel (ISBN 9783866746107) oder im Abo

Inhalt

  • Robert Kurz: Freie Fahrt ins Krisenchaos

  • Roswitha Scholz: Der Kapitalismus, die Krise … die Couch und der Verfall des kapitalistischen Patriarchats – Kritische Bemerkungen zu Slavoj Žižek und Tove Soiland

  • Thomas Meyer: Zum ungebrochenen Elend des Positivismus – Ein verspäteter Nachtrag zur ›Sokal-Affäre‹

  • Leni Wissen: Zur Geschichte der Armenfürsorge

  • Andreas Urban: Überflüssigkeit als totale Institution – Zu Geschichte, Logik und Funktion des Altenheims

  • Herbert Böttcher: Auf dem Weg zu einer ›unternehmerischen Kirche‹ im Anschluss an die abstürzende Moderne

  • Gerd Bedszent: Vom Marsch in die Barbarei oder der Osten als Buhmann

 

Editorial, offener Brief und Spendenaufruf

Spätestens seit dem Finanzcrash 2007/8 ist eine politstrategische Umkehr festzustellen: Nach den Zeiten der neoliberalen Entgrenzung wird mittlerweile in der Begrenzung das Heil gesehen. Es findet nun verstärkt eine Rückkehr zur Nation bzw. zu Regionalismen statt. Trump macht im Sinne des ›Make America great again‹ und ›America First‹ aus der Not eine Tugend, denn die Weltmacht USA ist angesichts komplexer Verfallsprozesse schon längst im Sinkflug begriffen: Schutzzölle werden erlassen, Handelskriege geführt (vor allem gegen China). Derweil steigen weiterhin die Staatsschulden in den USA trotz Erhebung von Schutzzöllen. Man versucht verstärkt, Flüchtlinge aus Mexiko draußen zu halten, usw. Für diese Begrenzung steht freilich auch der Brexit. Die Auseinandersetzung um ihn macht deutlich, welche Widersprüche sich aus der verfahrenen Weltökonomie und Weltpolitik ergeben, und dass aus der Globalisierung nicht ein einfacher Ausstieg möglich ist. Dies wird sich wohl erst recht nach der Wahl von Boris Johnson erweisen.

Weltweit werden skurrile, schrille und auf einfache ›Wahrheiten‹ setzende Figuren und rechte Parteien gewählt: Orbán, Kaczyński, Erdoğan, Duterte, Trump, Bolsonaro – die Liste wird immer länger. Trump überlässt Putin derweil Syrien und wirft Erdoğan die Kurden zum Fraß vor. Der Traum der Antiimperialisten, dass die USA sich zurückziehen und sich zurückhalten, entpuppt sich als Alptraum. Der Stellvertreterkrieg im Jemen zwischen Iran und Saudi-Arabien und seine verheerenden Konsequenzen werden bloß ab und zu mit demonstrativ schuldbewusster Attitüde in den hiesigen Nachrichten erwähnt. Viele Katastrophenszenarien und Missstände sind längst alltäglich geworden und kommen nur dann in die Schlagzeilen, wenn sich ein Problem in zugespitzter Form akut stellt, wie z.B. die desolate Lage in der Sozialversorgung in Griechenland vor einigen Jahren, von der mittlerweile kaum mehr etwas zu hören ist und die nicht wesentlich besser geworden sein dürfte. Im Hintergrund droht eine gewaltige Wirtschafts-/Finanzkrise, vor der Nouriel Roubini eindringlich warnt, dass sie womöglich nicht mehr politisch gehandhabt werden kann, wie dies noch 2008ff. der Fall war.1 Dies weiß eigentlich jeder. Hochkonjunktur hat somit ›Crash-Literatur‹. Das Buch von Marc Friedrich und Matthias Weik »Der größte Crash aller Zeiten. Wirtschaft, Politik, Gesellschaft. Wie Sie jetzt noch ihr Geld schützen können« steht auf Platz 1 der Spiegel Bestsellerliste.

Gleichzeitig treibt nicht nur das Wohnungsproblem, sondern auch der Klimawandel die Zeitgenossen/-innen um, bei dem es ganz offensichtlich ist, dass Gegenmaßnahmen nicht mehr nur national, regional und lokal genügen. Die Grünen sind dabei selbst bloß ein Palliativmittel, damit sich nichts tatsächlich verändern muss, sondern alles immanent gewuppt werden kann. Figuren wie Greta Thunberg werden zu Stars.2 Die Frauenbewegung konstituiert sich nach der Me-Too-Debatte weltweit neu und gibt in Streiks/Demonstrationen, etwa in Argentinien oder Spanien, ihrer Empörung vehement Ausdruck. Soziale Unruhen gegen Einsparungen im sozialen Bereich machen etwa in Argentinien von sich reden. Preiserhöhungen bei Benzin oder bei der U-Bahn bringen im Iran und in Chile das Fass zum Überlaufen; in etlichen arabischen Staaten rumort es (die Liste ließe sich noch fortsetzen). So entfachen sich soziale Unruhen immer wieder von neuem und werden wie immer von den Knüppel- und Schießgarden entsprechend ›bearbeitet‹ (mit über 100 Toten im Iran).3 Das Parteiensystem wird zudem gegenstandslos und bar jeden Inhalts. Die ›Volksparteien‹ erodieren, Grüne und AfD sind im Aufwind. Dabei soll sich die Wirtschaftslage nicht nur in Deutschland, sondern weltweit eintrüben. Derweil gibt es auch in Deutschland einen lauten Chor, der für das Ende der Sparpolitik plädiert, nicht zuletzt um die Konjunktur anzukurbeln, was freilich die Staatsverschuldung in die Höhe treiben würde.

Es gilt somit nach wie vor, Gesellschaften als Widerspruchsstruktur und zwar – und dies ist das Entscheidende – im Verfall des Kapitalismus zu begreifen. Der »Kollaps der Modernisierung« (Robert Kurz) zeigt sich in anomischen, schwer berechenbaren Verhältnissen. Was heute als Zustand und Tendenz festgeschrieben wird, kann morgen schon anders aussehen. Neben rechten Tendenzen heute machen sich eben auch Proteste bemerkbar, die sich nicht in antideutscher Manier (wobei breite Teile der Antideutschen mittlerweile selbst AfD-nahe Positionen vertreten, so vor allem die Bahamas) bruchlos einfach als reaktionär einordnen lassen, wie an den feministischen und klimapolitischen Bewegungen deutlich wird, die nationale Grenzen überschreiten (auch wenn es hier zweifellos auch fragwürdige bzw. problematische Tendenzen gibt).

Eine wesentliche Reaktion der Linken auf diese neue Lage seit 2008 ist die Neu-Aktivierung des Klassenkampfes, den sie wohl als eine ihrer Kernkategorien auffasst, auch wenn immer wieder gesagt wird, dass es sich nicht mehr um die ›alten‹ Klassen handelt. Die anderen Probleme (Sexismus, Rassismus, Ökologie usw.) werden dann als angeblich nicht mehr vorhandene Nebenwidersprüche miteinbezogen. Klaus Dörre wünscht sich allen Ernstes eine neue soziale Bewegung, die sich »Enteignet Zuckerberg!« auf die Fahnen schreibt.4 Klasse soll wieder vor »Identität« kommen, wobei Rassismus und Sexismus als nebensächlich erscheinen. Auch in feministischen Kreisen bekommt man es fertig, ein feministisches Manifest für die 99% (!) zu verfassen.5 Man tut so, als hätten derartige Diskriminierungsarten, jenseits marginaler Nischen, ernsthaft zur Verhandlung gestanden, ging es in den 1980er und 90er Jahren im hegemonialen sozialwissenschaftlichen Diskurs doch um Milieu, Subkultur, Lebensstil und Individualisierung. Heute wird wieder nach Schuldigen gesucht. Ein (Vulgär-)Marxismus der Personalisierungen macht sich breit, wobei die Kapitalisten, Spekulanten und Investoren das Feindbild sind, was freilich einen strukturellen Antisemitismus beinhaltet.6

Im Zuge der Postwachstumsdebatte werden alle möglichen bereits vorhandenen Konzepte in einen Topf gerührt und daraus ein Gericht gekocht: Wirtschaftsdemokratie, Solidarische Ökonomie, Unternehmensbeteiligung der Arbeitnehmer am Betrieb u.ä. Offensichtlich ein ungenießbarer Mischmasch. Auch ein neuer ›Green New Deal‹ hat Hochkonjunktur, wie entsprechende Publikationen, so etwa von Jeremy Rifkin und Naomi Klein, deutlich machen. Selbst die Präsidentin der Europäischen Kommission von der Leyen spricht sich für einen ›Green Deal‹ aus.

Einer Konzentration auf und Diskussion einer neuen Marxlektüre, den Fetischismus7 und einen Diskurs: ›der Kapitalismus kommt an sein Ende‹8 folgt nun die Konzentration auf die ›neue‹ Klassenfrage.9 Eine Fetischperspektive, wonach der Fetisch den Arbeitnehmer als auch den Kapitalisten umfasst, fehlt. Heute fühlt sich jeder vom Kapital von außen bedroht, so viel er auch Schröder beigepflichtet haben mag, in den 1990ern auf Schicki-Micki gemacht und die Aktien für sich entdeckt hatte. Das alles deutet darauf hin, dass alles innerhalb der wert-abspaltungs-kritischen Form gelöst werden soll. Das Grundproblem der heutigen Situation wird dabei grundsätzlich in Greta Thunbergs Rede an die Politik zum Ausdruck gebracht: »Wie könnt ihr es wagen?!« – worauf dann Politiker antworten: Soll sie erst mal praktische Antworten auf die ganzen Fragen finden! Tatsächlich sind alle gegen Klimawandel (außer der AfD und den Ihren): Unternehmer, Politiker, die berühmt berüchtigte Zivilgesellschaft.

Es zeigt sich so eine gemeinsame polit-ökonomische Hilflosigkeit, dieses Problem innerhalb eines fetischistischen Bezugsrahmens zu lösen: CO2-Steuer, Diesel-Fahrverbote u.ä. haben hier bloß einen Symbolcharakter. Es bedarf einer grundsätzlichen Veränderung der Produktions- und Lebensweise und auch entsprechender Bedürfnisstrukturen, jenseits der Logik einer Arbeiter- und Kapitalistenklasse. Dies ist im Prinzip jedem Kind klar. Sie wissen es, aber sie tun es trotzdem, könnte man heute mit Žižek sagen, aber in ganz anderer Weise, als dieser es meint (siehe hierzu den Artikel zum ›Lacan-Marxismus‹ von Roswitha Scholz in diesem Heft). Den ebenfalls herumgeisternden Debatten um eine Öko-Diktatur müsste Marcuses Einsicht in die falschen, im Kapitalismus erzeugten Bedürfnisse und ihre Ersatzbefriedigung entgegengesetzt werden, weil keine emanzipatorische Gesellschaft existiert, die auch andere Bedürfnisse und Bedürfnisstrukturen hervorbrächte. Die aktuell gegebenen Antworten werden der Dramatik des Zerfalls der kapitalistisch-patriarchalen Verhältnisse in keinster Weise gerecht.

Anstatt auf radikale Veränderungen im Sinne dieser Fetischkritik zu pochen, werden Pseudodiskurse geführt. Die Linke dümpelt so vor sich hin und hat seit Jahrzehnten nichts Neues mehr hervorgebracht. Utopieangebote und Handlungsanweisungen gibt es zuhauf. Die Antworten seit den 1970ern sind im Prinzip immer noch die Gleichen. Mit radikalen Veränderungen wird nicht wirklich gerechnet. Ein kleiner Diskurs zur Arbeitskritik hat sich zwar entwickelt10, allerdings verbleibt auch dieser im vorgegebenen gesellschaftlichen Rahmen, bar jeder tatsächlichen Transzendenz.

Gänzlich unaufgearbeitet ist dabei das schwere Trauma des Zusammenbruchs des Ostblocks. Daran anschließend: Das Ende der Sozialdemokratie, das Scheitern der Alternativbewegung, der Frauenbewegung, der Ökologiebewegung usw., die den »neuen Geist des Kapitalismus« (Boltanski & Chiapello) mitkreierten. Nicht zu vergessen: Die Niederlage der linken Regierungsversuche in Lateinamerika (Venezuela, Bolivien). Stattdessen findet einfach eine Neubeschwörung aller entsprechenden Themen, das Auflebenlassen entsprechender Illusionen (Wirtschaftsdemokratie, solidarische Ökonomie, Grundeinkommen u.ä.) statt, die jetzt als radikal und systemüberschreitend ausgegeben werden. Eine nicht eingestandene ›linke Melancholie‹ (Walter Benjamin, Wendy Brown, Enzo Traverso) flüchtet sich so in Retroideologien, Utopiehuberei und Aktionismus, die den schlechten Verhältnissen nicht wirklich etwas entgegenzusetzen haben und sich als wirkungslos erweisen dürften. Nach der Blamage der Sozialdemokratie soll nun eine ›Hypersozialdemokratie‹ die Lösung aller Probleme sein. Ausgeblendet bleibt dabei, dass die Sozialdemokratie selbst nur ein Motor der Entwicklung des Kapitalismus war (so v.a. im Fordismus) und eine (›grüne‹) Neuauflage unter der Ägide eines prekären Finanzmarktkapitalismus, fortschreitenden Rationalisierungsprozessen, internationaler Konkurrenz, Kapitalverflechtungen usw. (die nun gerade auch Rechte aufzuhalten versuchen) nicht möglich ist.11

Ein Bewegungshype bestimmt momentan wieder einmal die Linken; Theorie, die nicht sofort Handlungsbedürfnisse bedient und die hier aufgeworfenen Fragen überhaupt zum Thema machen könnte, hat momentan schlechte Karten. Gewiss: Man darf sich keinesfalls alles gefallen lassen und sich dem Diktat der Finanzierbarkeit beugen (Miete, Hartz-IV usw.), ein praktisches Engagement gegen Rassismus, Antisemitismus, Neofaschismus usw. ist z.B. unabdingbar. Jedoch sind hierbei jede abstrakte Praxishypostasierung zu vermeiden und der gesellschaftliche und historische Bezugsrahmen zu reflektieren. Es gilt, der Notwendigkeit der Wert-Abspaltungs-Abstraktion Rechnung zu tragen und das berühmte Ganze in den Blick zu nehmen, auch um evtl. den Weitblick zu entwickeln, inwiefern Aktionen und Bewegungen einer Affirmation krisenverwalterischer Reglementierung zuarbeiten. Zwar ist von wert-abspaltungskritischer Seite zu schauen, wo es eventuell Bewegungen gibt, die überschießende Momente haben, in die wir uns einmischen können, um deren geistigen Horizont im Sinne einer Kritik der gesellschaftlichen Synthesis zu erweitern. Insofern sind Handlungsspielräume unbedingt auszunutzen, um die aktuelle Lage zu verbessern. Schließlich leben wir nicht mehr in der »verwalteten Welt« wie noch zu Zeiten Adornos, sondern in Zeiten eines »Kollaps der Modernisierung« (Robert Kurz). Jedoch kann es nicht darum gehen, Bewegungen nachzulaufen. Kritische Distanz, Theoriebildung und eine Infragestellung der gesellschaftlichen Form sind gerade heute wichtig, wenn der linke Mainstream meint, all die komplexen Probleme ließen sich innerhalb dieser Form lösen, und Pseudolösungen an der Tagesordnung sind. Im Gegensatz zur neuen Marxlektüre ginge es dabei darum, nicht formalanalytisch und philologisch Marx-Exegese zu betreiben, sondern die marxschen Begriffe als Realabstraktionen zu begreifen und zu den realen weltgesellschaftlichen Veränderungen heute in Beziehung zu setzen. Dies heißt auch, zu erkennen, dass Politik und (politische) Subjektivität sich seit Jahrzehnten in der Erosion befinden. Postmoderne Theorien waren hiervon Ausdruck. Auch wenn solidarische Beziehungen, nicht zuletzt in der neu entfachten Frauenbewegung, sehr wichtig sind, darf dies nicht dazu verleiten, anachronistisch agit-prop-mäßig ein neues politisches Subjekt Frauen auszurufen (dem müsste in einem eigenen Artikel noch einmal nachgegangen werden). Gerade ein wert-abspaltungs-kritisches Theorieverständnis macht es möglich, gesellschaftliche Prozesse und Bewegungen in einem größeren historischen und zeitlichen gesellschaftlichen Kontinuum zu begreifen, statt reduktionistisch eine Perspektive einzunehmen, die in Bewegungszeiten Konjunktur hat: Betroffenheit und Unmittelbarkeit, der häufig nach einigen Jahren die Katerstimmung folgt und man sich sodann systemimmanent mit seinen Forderungen und Inhalten nach der Decke streckt (zu denken ist etwa der Staatsfeminismus). Der Drang, nun aber wirklich ›etwas tun zu müssen‹, verstellt den Blick darauf, dass Theoriebildung selbst eine eigenständige Praxis im gesellschaftlichen Gesamtzusammenhang ist, die der sozialen, auf soziale Prozesse gesellschaftlicher Veränderungen zielenden Praxis nur dienlich sein kann, wenn sie sich nicht einem Praxisfetisch hingibt und sich mit ihm in eins setzt.12 Dies scheint der Fall zu sein, wenn man theoriefeindlich auf Praxis hinauswill, von einer unabdingbar radikalen Veränderung aber nichts wissen will, sondern sich bloß mit dem unmittelbaren falschen Status-Quo, der ohnehin nicht zu halten ist, zufrieden gibt. Pochte man in den letzten 30 Jahren auf eine queer- und postkolonialistische Position, d.h. auf eine Betroffenheits- und Standpunktsperspektive, so scheint momentan eine (nicht nur feministische) Klassenorientierung der angeblich ›99%‹ in dieser Hinsicht postmoderne Theorien und Ideologien ablösen zu wollen. Mit einer derartigen Definition der sozialen Frage wird auch das Bedürfnis ersichtlich, in kleinbürgerlicher Manier ›normal‹ zu sein und für die Masse stehen zu wollen und sich nicht mit marginalisierten und diskriminierten Anderen gemein zu machen, so sehr man auch beteuert, diese miteinzubeziehen. Dass die ›Frauenfrage‹ und Anderes als ein Nebenwiderspruch angesehen wurden, scheint mittlerweile völlig vergessen. Frauen und Migranten sind jedoch von der ›sozialen Frage‹ am ehesten betroffen. Nicht-Praxis-tüchtig, überflüssig und ausgegrenzt zu sein und sich nicht artikulieren zu können, ist dabei das größte Verbrechen. Zu monieren wären dabei an postmodernen Theorien vor allem die kulturalistische Fassung dieser Diskriminierung und ein Verbleiben in ›Identitätspolitik‹, anstatt ihnen die ›soziale Frage‹ schwergewichtig ›materialistisch‹ gegenüberzustellen. Als solche wären gebrochene Erfahrungen im Kontext eines historisch-weltgeschichtlichen Ganzen, jenseits billiger postmoderner Hybrid-Annahmen, im Zerfall stark zu machen und auch erst einmal zu verarbeiten. Ansonsten werden Potentiale der Einsicht in ein selbstreferentielles fetischistisches System verfehlt, das Mann und Frau selbst mitkonstituiert (haben). Bösartig könnte man sagen: Wer wirklich essentiell Erfahrungen macht, den oder die kümmert Erfahrung als solche gar nicht mehr so zentral (die Zeitschrift Outside the box hat in ihrer aktuellen Ausgabe, Nr.7 mittlerweile »Erfahrung« zum Thema).

Auch in wertkritischen Zusammenhängen gab es schon den Drang, praktisch zu werden und an den unmittelbaren Erfahrungen anzuknüpfen. Solidarische Ökonomie, Commons und Open-Source waren hierzu die Stichworte.13 Nichts hat sich mittlerweile so dermaßen blamiert wie die Open-Source-Ideologie. Die Freiheit im Netz hat vor allem dem Ressentiment, affektivem Meinungsgerotze und Gepöbel Luft verschafft, eine Geschenkideologie ging in Uber auf usw.

Der Exit-Zusammenhang und mit ihm Claus Peter Ortlieb, der am 15.9.2019 gestorben ist und auf den wir einen Nachruf abdrucken, hat sich stets gegen solche Tendenzen verwahrt und sich gegen (neuere) ›Theorie‹bildungen von Krisis abgegrenzt. Insofern ist es hochproblematisch, ihn in einem Krisis-Nachruf zu vereinnahmen und dabei seinen Text »Ein Widerspruch von Stoff und Form« zu goutieren, wie dies frecherweise auf der Krisis-Homepage getan wird (krisis-online.org vom 10.10.2019). Kam es ihm in diesem Text doch darauf an, auf der Relevanz des relativen Mehrwerts für diesen Widerspruch zu bestehen, den Trenkle etwa in seiner Auseinandersetzung mit Heinrich außer Acht lässt und bis heute bei Krisis keine entscheidende Rolle spielt. Gegen Streifzüge und Krisis fand er dabei auch in anderer Hinsicht deutliche Worte.14

Die Leser/-innen von exit! bitten wir, unsere theoretischen Anstrengungen, die sich wie seit jeher nicht nur von unmittelbar praktischen Bestrebungen leiten lassen können und sich nicht den Beschränkungen eines linksakademischen Betriebs, dem Getriebensein von Karriereabsichten und billigen szenepolitischen Richtigkeiten und Attitüden beugt, durch Spenden auch weiterhin zu unterstützen. Es braucht gerade heute auch Intellektuelle, die sich inhaltlich und institutionell, ›methodisch‹ und ›methodologisch‹ nicht im akademischen Hamsterrad bewegen und sich ihr Denken dadurch vorgeben oder verderben lassen, sondern das (welt-)gesellschaftliche Ganze, jenseits von ausgetrampelten Pfaden in den Blick zu nehmen. Ohne sie wird es keine wirklich radikale Gesellschaftskritik geben. In Sammelbänden und auf Kongressen finden sich schon seit Jahren, wenn nicht Jahrzehnten, dieselben Figuren mit ihren Doktorarbeitern/-innen. Diese sind einem immer prekärer werdenden Uni-Betrieb ausgesetzt, weswegen jene sich umso mehr mehr an die Akademie als potentiellen Brotgeber krallen oder krallen müssen – »Wes Brot ich ess, des Lied ich sing« – heißt es schließlich.

Wert(-abspaltungs)kritisches hatte in der Vergangenheit zwar eine kleine Konjunktur und man findet entsprechende Aufnahme auch in Texten und in Bezügen der Linken, jedoch wird halt gemacht, wenn es um’s Eingemachte geht, d.h. um die radikale Infragestellung der kapitalistisch-patriarchalen Form der Vergesellschaftung. Aber auch diese Phase scheint vorbei zu sein, und man besinnt sich vielfach sogar wieder auf einen etwas modifizierten Steinzeitmarxismus. Nach Jahren der Postmoderne mit ihrem »rasenden Stillstand« (Paul Virilio), der die leere Form des Werts, die auf einer Abspaltung des Weiblichen beruht, immer deutlicher hervortreten ließ, geht das Bedürfnis heute wieder nach ›Festem‹, nach ›Identitärem‹, nach klaren Feindbildern, um Personen und Gruppen als Verantwortliche für die Misere u. ä. dingfest zu machen: Die Welt soll wieder identitätslogisch klar in oben und unten, Freund und Feind, Gut und Böse einteilbar sein, Nichtidentisches wird dabei ignoriert. Auf diese Weise wird das Pogrom gedanklich vorbereitet. So äußert sich der ›neue Ernst‹ nach dem Ende der verspielten Postmoderne. Im Kontext dieser Kritik stehen nach wie vor auch die Artikel dieser exit!-Ausgabe.

Mit »Freie Fahrt ins Krisenchaos« von Robert Kurz wird ein in einem vergriffenen Sammelband von 1994 veröffentlichter Text neu aufgelegt. Dieser Aufsatz hat den automobilen Wahn zum Inhalt. Kurz skizziert dabei den historischen Werdegang der Durchsetzung des Individualverkehrs und zeigt dabei, dass diese Durchsetzung wesentlich der Irrationalität der kapitalistischen Produktionsweise geschuldet ist. Dabei macht Kurz auf die destruktiven Folgen aufmerksam. Des Weiteren betont er, dass der Individualverkehr, das ›Auto‹, nicht bloße Technik ist, sondern mit einer spezifischen Lebensweise einhergeht. Nicht zuletzt dient der »lackierte Kampfhund« der »totalen Mobilmachung« der Ware Arbeitskraft und ist als Konsumgegenstand symbolisch aufgeladen: Das macht den automobilen Wahn auch zu einem männlichen Wahn.

Für die exit! Nr. 18 ist außerdem ein Kommentar zu diesem Text geplant, der Kurz’ Aufsatz aktualisiert und neuere Entwicklungen des automobilen Wahns (autonomes Fahren, Elektromobilität) in den Blick nimmt, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der längst stattfindenden Klimakatastrophe.

Žižek ist seit geraumer Zeit einer der einflussreichsten linken Intellektuellen. Wenn man erzählt, man schreibe etwas über Žižek, wird einem Unverständnis entgegengebracht. Er sei wirr, hohl, polemisch, manchmal wird er gar als Bluffer und Blender abgetan, und sei insofern völlig indiskutabel. Es fragt sich dann aber, warum er gleichzeitig als honorig gilt, oft eingeladen wird und die Massen in seine Veranstaltungen strömen. Warum kann er in Verlagen wie Suhrkamp oder Fischer publizieren und gilt als ›Starphilosoph‹? In dem Text von Roswitha Scholz »Der Kapitalismus, die Krise … die Couch – und der Verfall des kapitalistischen Patriarchats. Einige kritische Anmerkungen zum Lacan-Marxismus von Slavoj Žižek und Tove Soiland« geht es vor allem darum, die Theorie Žižeks und seinen androzentrischen Bias aus der Warte der Wert-Abspaltungs-Kritik zu kritisieren, aber auch seine Rolle als Drehpunktfigur im Übergang der Postmoderne zu einem autoritär-anarchischen Zeitalter zumindest ansatzweise aufzuzeigen, was mit einem halbironischen Bezug auf Lenin und Stalin in seinen Schriften einhergeht. Umso erstaunlicher ist es, dass Tove Soiland, um deren Ansatz es ebenso gehen soll, wie im Titel schon angezeigt, derartige Züge bei Žižek ignoriert und seine Gedanken dabei weithin unkritisiert für einen feministischen ›Lacan-Marxismus‹ fruchtbar zu machen versucht.

In dem Beitrag von Thomas Meyer »Zum ungebrochenen Elend des Positivismus – Ein verspäteter Nachtrag zur ›Sokal-Affäre‹« wird der sog. Sokal-Affäre nachgegangen. Diese bestand darin, dass der Physiker Alan Sokal vor über 20 Jahren einer poststrukturalistischen Zeitschrift einen Fake-Artikel unterjubelte, der in einem entsprechenden szenetypischen Jargon verfasst wurde, so dass niemand merkte, dass dieser Artikel gar nicht ernst gemeint war. Meyer zeigt dabei, dass Sokal in seiner Kritik gegen den postmodernen Unsinn oberflächlich verbleibt und er selbst nichts anderes anzubieten hat als ordinären Positivismus. Von einer Kritik der »bewusstlosen Objektivität« (Claus Peter Ortlieb) ist Sokal weit entfernt. Des Weiteren nimmt sich Meyer Sokals Kritik der feministischen Wissenschaftskritik an und zeigt, dass Sokal aufgrund seines Androzentrismus und seiner Unfähigkeit, die Grenzen des Positivismus zu überschreiten, wesentliche Aspekte der feministischen Wissenschaftskritik überhaupt nicht begreift oder zu begreifen gewillt ist und daher Feministinnen wie Evelyn Fox-Keller mehr oder weniger flapsig abkanzeln muss. Der Modus, Defizite in der akademischen Wissenschaft dadurch aufzuzeigen, mutmaßlichen Idioten Fake-Artikel unterzujubeln, um damit zu ›beweisen‹, dass entsprechende Wissenschaftszweige nichts weiter als baren Unsinn produzieren, hat im Übrigen bis heute nicht aufgehört. Dies ist auch, wie Meyer betont, insofern problematisch, da allerhand Rechtspopulisten sich darüber echauffieren, welch unwissenschaftlichen Nonsense die Gender-Studies usw. ausbreiteten, und vertreten, dass sie daher abgeschafft und verboten gehörten. Das Unterjubeln von erschwindelten Artikeln ist also anschlussfähig an rechtspopulistische bzw. neofaschistische Agitation, wie nicht zuletzt die Abschaffung der Gender-Studies in Ungarn zeigt.

Leni Wissen wendet sich in ihrem Beitrag der »Geschichte der Armenfürsorge« zu. ›Arbeit‹ als zentrale Tätigkeitsform im Kapitalismus impliziert ein besonderes Verhältnis zur Nicht-Arbeit. Das Verhältnis von ›Arbeit‹ und ›Nicht-Arbeit‹ ist dabei gerade für die Strukturierung von sozialen Verhältnissen maßgeblich. Dies spiegelt sich im Umgang mit Armut wieder, wie ein Blick auf die Geschichte der Armenfürsorge zeigt. Mit der Entstehung der Wert-Abspaltungsgesellschaft begann sich die Unterscheidung zwischen würdigen, d.h. arbeitenden, und unwürdigen, d.h. nicht-arbeitenden Armen durchzusetzen und dies prägte die Ausformung des entstehenden Sozialwesens maßgeblich. Die Geschichte der Armenfürsorge ist dabei eng mit der Geschichte des Antiziganismus verzahnt. Denn im Antiziganismus sind soziale und rassistische Diskriminierung untrennbar verbunden. Angesichts der allgemeinen Verwilderungstendenzen im Zuge der postmodernen Krisendynamik des Kapitalismus scheint sich dabei ein »struktureller Antiziganismus« (Roswitha Scholz) als Krisenverarbeitung für eine abstürzende Mittelschicht geradezu anzubieten und muss als Hintergrundrauschen auch für die Umstrukturierung des Sozialstaats im verfallenden Kapitalismus mitgedacht werden, was Wissen exemplarisch an dem ›aktivierenden Sozialstaat‹ in Deutschland zeigt.

Andreas Urban widmet sich in seinem Beitrag der Geschichte des Altenheims als moderner Institution. Er schließt damit unmittelbar an seine in einem früheren Artikel (in: exit! Nr. 15) entwickelte These einer kapitalistischen ›Überflüssigkeit‹ alter Menschen (als Grundlage einer strukturellen Altersfeindlichkeit moderner Gesellschaften) an – eine Überflüssigkeit, die sich im Altenheim vielleicht auf besonders eindrucksvolle Weise materiell vergegenständlicht. Er zeigt, dass das Altenheim sowohl historisch als auch logisch eine Institution zur Verwahrung alter Menschen als ›Unproduktive‹ und ›Überflüssige‹ darstellt. Diese Funktion ist auch heute noch gültig, trotz zahlreicher oberflächlicher Veränderungen, die Altenheime in den vergangenen Jahrzehnten durchgemacht haben. Dies kann insbesondere daran abgelesen werden, dass die räumliche wie soziale Segregation und die faktische Einschließung Alter und Pflegebedürftiger bis heute zum Wesen selbst der komfortabelsten und wohnlichsten Pflegewohnhäuser und ›Seniorenresidenzen‹ gehören. Darüber hinaus ist die Altenpflege (nicht nur, aber vor allem die institutionelle) ökonomischen Kosten-Nutzen-Kalkülen sowie aus der kapitalistischen Wert-Abspaltungs-Struktur resultierenden Zeitlogiken unterworfen. In diesem Zusammenhang liefert der Beitrag auch so manche kritische Einsichten in Phänomene und Tendenzen, die heute in Wissenschaft und medialer Öffentlichkeit unter den Stichworten ›Pflegenotstand‹ und ›Care-Krise‹ diskutiert werden, z.B. fortschreitende Ökonomisierung des Pflegesystems, unzumutbare Arbeitsbedingungen in der Pflege, Vernachlässigung von und Gewalt gegen Pflegebedürftige etc.

Auch die Kirchen werden in den Krisenstrudel gerissen. Ihre Krise zeigt sich ökonomisch als Krise langfristig schwindender finanzieller Ressourcen und auf einer inhaltlichen und symbolischen Ebene als Verlust an gesellschaftlicher und politischer Bedeutung. Ganz wie in ›weltlichen‹ Bereichen stehen auch für die Kirchen ›Reformen‹ an. Der Text von Herbert Böttcher »Auf dem Weg zu einer ›unternehmerischen Kirche‹ im Anschluss an die abstürzende (Post-)Moderne« zeigt auf, wie sich die Kirchen statt im ›Heiligen Geist‹ im ›Geist des Kapitalismus‹ reformieren wollen. Rat suchen sie bei Konzepten der Organisationsentwicklung, die auf der Grundlage der Systemtheorie operieren. Als Unternehmen wollen die Kirchen Anschluss an ihre Umwelten finden und auf die ›Höhe der Zeit‹ kommen. Heraus kommen dabei Anpassungsprozesse an eine (post)moderne Krisengesellschaft, die sich im Sturzflug nach unten befindet. Dabei geht es nicht nur um organisatorische Anpassung. Diese kann nur helfen, wenn auch die von den Kirchen angebotenen pastoralen und religiösen Produkte auf den esoterisch-spirituellen Märkten konkurrenzfähig sind und die Bedürfnislagen ihrer Kunden-/innen erreichen. Erreicht werden sollen Menschen in ihrer ›Alltäglichkeit‹ und in ihren ›Sozialräumen‹. Ohne Reflexion auf gesellschaftliche Vermittlungszusammenhänge sollen vom Druck der Krisenverhältnisse gestresste und in Depression getriebene Individuen erreicht und so versorgt werden, dass sie sich in den Verhältnissen wieder wohl oder wenigstens besser fühlen. Die angebotenen religiös-esoterischen Produkte sollen nicht an ihrem Wahrheitsanspruch, sondern an ihrer Nützlichkeit gemessen werden. In der Kirche eine Heimat finden sollen gleichzeitig aber auch Menschen, die angesichts des ›Relativismus‹ der Postmoderne nach Sinn und Identität suchen. Angesichts dieser Problemlagen öffnen sich die Kirchen identitärem und autoritärem Denken und Handeln. Dies alles lässt die Inhalte der jüdisch-christlichen Tradition nicht unberührt. Sie werden individualisiert und esoterisiert und sollen dabei existentialistisch und/oder in der Objektivität ›ewiger Wahrheiten‹ gesichert werden. Auf der Strecke bleiben die emanzipatorischen Gehalte der jüdisch-christlichen Tradition, die auf einer herrschaftskritisch zugespitzten Unterscheidung von Transzendenz und Immanenz beruhen.

Der Beitrag »Vom Marsch in die Barbarei oder Der Osten als Buhmann« von Gerd Bedszent beschäftigt sich mit dem Medienhype um den 30. Jahrestag des sogenannten Mauerfalls, aber auch mit der vor allem in abgehängten Regionen Ostdeutschlands tobenden rechtsradikalen Gewalt. Bedszent zitiert mehrere schon ältere Texte von Robert Kurz und analysiert die Zusammenhänge zwischen beiden Ereignissen. Der Mehrzahl der ohnehin im Konkurrenzkampf mit den stärkeren westlichen Volkswirtschaften unterlegenen und schon im Niedergang befindlichen ostdeutschen Industriestandorte wurde nach 1990 der finale Todesstoß versetzt. Im Zuge der Deindustrialisierung ganzer Regionen verloren mehrere Millionen Menschen ihre Arbeitsplätze; bei anderen sorgten die ›Verschlankung‹ von Verwaltungseinrichtungen sowie das Plattmachen von großen Teilen der Kulturlandschaft für einen nachhaltigen Karriereknick. Dass Teile der ostdeutschen Bevölkerung medial zu Helden hochstilisiert, dieselben Leute aber häufig als wirtschaftlich ›überflüssig‹ aussortiert wurden, bildet den Nährboden für zahlreiche wirre und nicht selten antisemitische Verschwörungstheorien. Die derzeitige rechtsradikale Welle hat, wie Bedszent unter Bezug auf Robert Kurz schreibt, ihre strukturelle Ursache jedoch in der finalen Krise des warenproduzierenden Systems. Als verquere Reaktion auf diese Krise fordern rechtslastige Politiker lauthals eine Stärkung derselben nationalstaatlichen Institutionen, deren Schwächung sie mit ihrer wirtschaftspolitischen Programmatik tatsächlich betreiben.

Des Weiteren sind folgende Bücher bzw. Sammelbände erschienen: Ins Französische wurden beide Teile von »Die Substanz des Kapitals« von Robert Kurz (in: exit! Nr. 1 & 2) übersetzt: La Substance du capital, Paris 2019; eine Artikelsammlung von Roswitha Scholz: Le Sexe du capitalisme – ›Masculinité‹ et ›féminité‹ comme piliers du patriarcat producteur de marchandises, Paris 2019. Weiterhin erschien die erste Ausgabe der französischsprachigen Zeitschrift: Jaggernaut – Crise et critique de la société capitaliste-patriarcale, in der auch (u.a.) Texte von Robert Kurz und Roswitha Scholz in Übersetzung vorliegen. Ins Portugiesische wurde das Buch Weltordnungskrieg von Robert Kurz übersetzt, das leider nur in Auszügen gedruckt bei Antigona (Lissabon) erscheinen soll (der ganze Text findet sich unter: https://exit-online.org/pdf/A_Guerra_de_Ordenamento_Mundial-Robert_Kurz.pdf). Von Alastair Hemmens ist eine Geschichte der Arbeitskritik im modernen französischen Denken, von Charles Fourier bis Guy Debord, erschienen, auf Englisch bei Palgrave Macmillan 2019 sowie zeitgleich auf Französisch: Ne travaillez jamais, Albi 2019. La société autophage – Capitalisme, démesure et autodestruction von Anselm Jappe ist auf Spanisch erschienen: La sociedad autófaga,  Logroño 2019. Die Abenteuer der Ware auf Italienisch: Le Avventure della Merce – Per una Nuova critica del valore, Rom 2019. Im Schmetterling-Verlag ist eine Sammlung von Texten von Claus Peter Ortlieb erschienen: Zur Kritik des modernen Fetischismus – Die Grenzen bürgerlichen Denkens, Stuttgart 2019. Von Raimund G. Philipp ist das Buch Die Geschichte Chinas als Geschichte von Fetischverhältnissen – Zur Kritik der Rückprojektion moderner Kategorien auf die Vormoderne: ausgehendes Neolithikum, die drei Dynastien, Darmstadt 2019, erschienen.

Daniel Späth und Patrice Schlauch sind aus der Redaktion ausgeschieden.

 

Roswitha Scholz für die Redaktion exit! im Dezember 2019.


  1. Vgl. etwa: »Wir erleben eine Balkanisierung des Welthandels« handelszeitung.ch vom 2.9.2019. ^ ︎

  2. Wobei der enorme Hass, den Thunberg erfährt, bezeichnend ist, vgl. z.B. Hinz, Enno; Meyer, Lukas Paul: Gegenwind für die Klimabewegung, akweb.de vom 12.11.2019 bzw. Analyse & Kritik Nr. 654. ^ ︎

  3. Laut Amnesty International. Die Opferzahlen dürfen viel höher sein, wie eine Dokumentation von France 24 Observers zeigt: https://observers.france24.com/en/video/iran’-hidden-slaughter-video-investigation-france-24-observers Ähnlich ist es im Irak. Vgl. z.B. Karam Hassawy: Revolutionärer Herbst im Irak, jungle world vom 23.11.2019. ^ ︎

  4. In: Ketterer, Hanna; Becker, Karina (Hrsg.): Was stimmt nicht mit der Demokratie? – Eine Debatte mit Klaus Dörre, Nancy Fraser, Stephan Lessenich und Hartmut Rosa, Frankfurt 2019, 20. ^ ︎

  5. Fraser, Nancy u.a.: Feminismus für die 99% – Ein Manifest, Berlin 2019. ^ ︎

  6. So etwa Paul Mason in einem Interview: FR-online.de vom 28.9.2019. ^ ︎

  7. Vgl. Scholz, Roswitha: Fetisch Alaaf! – Zur Dialektik der Fetischismuskritik im heutigen Prozess des ›Kollaps der Modernisierung‹ – Oder: Wie viel Establishment kann radikale Gesellschaftskritik ertragen?, in: exit! – Krise und Kritik der Warengesellschaft Nr.12, Angermünde 2014, 77–117. ^ ︎

  8. Vgl. dazu das Editorial der exit! Nr. 14. ^ ︎

  9. Vgl. Meyer, Thomas: »Neue Klassenpolitik«? – Kritische Anmerkungen zu aktuellen Diskursen, 2019, auf exit-online.org. ^ ︎

  10. So etwa in der Doku von 2012 Frohes Schaffen – Ein Film zur Senkung der Arbeitsmoral von Konstantin Faigle und in diversen Büchern, z.B. Spät, Patrick: Und was machst du so? – Fröhliche Streitschrift gegen den Arbeitsfetisch, Zürich 2014. ^ ︎

  11. Vgl. Kurz, Robert: Das Weltkapital – Globalisierung und innere Schranken des modernen warenproduzierenden Systems, Berlin 2005. ^ ︎

  12. Vgl. hierzu auch den Text von Robert Kurz: Grau ist des Lebens Goldner Baum und grün die Theorie – Das Praxis-Problem als Evergreen verkürzter Kapitalismuskritik und die Geschichte der Linken, in: exit! – Krise und Kritik der Warengesellschaft Nr. 4, Bad Honnef 2007, 15–106. ^ ︎

  13. Vgl. dazu Kurz, Robert: Der Unwert des Wissens – Verkürzte ›Wertkritik‹ als Legitimationsideologie eines digitalen Neo-Kleinbürgertums, in: exit! – Krise und Kritik der Warengesellschaft Nr.5, Bad Honnef 2008, 127–194, auch auf exit-online.org. ^ ︎

  14. Siehe etwa: Zur Spaltung der Krisis-Gruppe: Erklärung ehemaliger Redaktions- und Trägerkreismitglieder, 11.4.2004; Ortlieb, Claus Peter: Die Sinnlichkeit des MWW, 13.7.2009; beides auf exit-online.org. ^ ︎




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