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Thomas Meyer: »Neue Klassenpolitik«? – Kritische Anmerkungen zu aktuellen Diskursen


Thomas Meyer

»Neue Klassenpolitik«? – Kritische Anmerkungen zu aktuellen Diskursen1

I.

Seit einiger Zeit ist vermehrt über die soziale Frage und über Klassenpolitik diskutiert worden. Zwar waren soziale Lagen usw. schon seit den Nuller Jahren in Diskussion, jedoch hat dieser Diskurs in den letzten Jahren einen erneuten Anschub bekommen. Hintergrund dazu war unter anderem die Wahl Donald Trumps, der ja auch von der ›Arbeiterschaft‹2 gewählt wurde.3 Des Weiteren motivieren sich diese Diskurse aus dem Umstand, dass sich auch die ›neuen Rechten‹ auf die ›soziale Frage‹ (oder das was die Rechten darunter verstehen) beziehen: wie etwa die Front National oder Björn Höcke, der einen »solidarischen Patriotismus« einfordert. Befeuert wurde dieser Diskurs durch diverse Publikationen, so vor allem Didier Eribons »Rückkehr nach Reims«.4

Es ist in der Tat wahr, dass die soziale Frage von großen Teilen der Linken lange Zeit vollkommen ausgeblendet wurde und daher überhaupt kein Thema war. Das galt vor allem für die postmodernen Linken, die jedem Wahrheitsanspruch abschworen, jeder ›Großtheorie‹ Totalitarismus unterstellten, alles nur als Diskurs, als Sprachspiel ansahen und daher gar nicht mehr in der Lage waren, die Gegenwart auf der Höhe der Zeit zu analysieren. Nicht nur die Postmoderne hat die Linke stumpf gemacht, auch der Zusammenbruch des Ostblocks führte in eine permanente Paralyse: So waren die Reaktionen auf 1989 zweierlei: Bedingungslose Kapitulation oder ein ›Weiter-so‹ im sozialistischen Schritt, als sei nichts passiert: Eine Krise des Kapitalismus, eine innere Schranke der Wertverwertung, durfte nicht sein!5 Darin waren sich die Linken strömungsübergreifend einig.

Seit dem Kriseneinbruch von 2008 ist die postmoderne Vollignoranz immer weniger durchhaltbar. Darauf deutet nicht nur eine neu Rezeption von Marx (die eher schlecht als recht ist), sondern auch die unübersehbare Verschärfung der Krise in der ›Metropole‹ selbst. Es ist also nicht überraschend, dass so manche jetzt kalte Füße bekommen. Kein Wunder, dass nun von »neuer Klassenpolitik« die Rede ist. Wie deutlich werden wird, ist diese Debatte um eine »neue Klassenpolitik« allerdings alles andere als neu und von Inhalt her auch nicht gerade tiefgehend. Es wirkt alles ein wenig nach déjà vu. Roswitha Scholz schrieb 2004 im Kontext der damaligen Globalisierungskritik folgendes: »Mittlerweile bläst aber der Wind aus einer anderen Richtung. Mit der Zuspitzung der ökonomischen Lage, der immer weiter gehenden Kürzungen von Sozialleistungen usw. im Zuge von Globalisierungsprozessen rückten schon seit der zweiten Hälfte der 90er Jahre wieder harte materielle und sozial existenzielle Fragestellungen in den theoretischen und praktischen Mittelpunkt des gesellschaftskritischen Engagements. […] Damit einher geht allerdings auch eine Renaissance des Klassenkampfdenkens und somit einer oberflächlichen, soziologischen und auf die juristische Eigentumsfrage verkürzten Kapitalismuskritik. Die seit den 80er Jahren zumindest ansatzweise berücksichtigten Dimensionen ›Sexismus‹ und ›Rassismus‹ drohen dabei wieder einmal ins Hintertreffen zu geraten [...]« (Scholz 2004, 15) (wobei in der neuen Klassenpolitik immer betont wird, das gerade nicht zu tun).

Wenn also diverse Linke eine Debatte als etwas Neues verkaufen wollen, was schon 2004 anachronistisch war, bezeugt das nur der Linken historisches Kurzzeitgedächtnis.


II.

Die von manchen linken bzw. linksliberalen Publizisten/-innen aufgestellte Forderung, die soziale Frage und die Anliegen der ›Arbeiterschaft‹ wieder ernst zu nehmen, wurde aber von manchen (so wie von Mark Lilla) dahingehend gewendet, dass die Linken von einer ›Identitätspolitik‹ Abstand nehmen sollten, da die Wahl Trumps doch angeblich auf eine übertriebene Fokussierung auf Identitäten und LBGT-Rechten zurückzuführen sei: Was interessieren schon Minderheitenrechte den ›Kleinen Mann‹! Manche gingen auch so weit, zu unterstellen, dass »[w]er rechts wählt, [...] eigentlich soziale Gerechtigkeit [will]« (zur Kritik: vgl. Dowling; van Dyk; Graefe 2017). Eine Zurückweisung von ›Identitätspolitik‹ solle also angeblich den Rechtsradikalen den Wind aus den Segeln nehmen.

Sicherlich gibt es so einiges an der heutigen ›Identitätspolitik‹, an der queeren und der antirassistischen ›Critical Whiteness‹-Szene (wie z.B. die Bücher der Kreischreihe vom Querverlag der letzten Jahre zeigten) und erst recht an der ignoranten Life-Style- und Bionade-›Linken‹, das zu Recht zu kritisieren ist. Jedoch ist plumpes Zurückweisen von Antirassismus usw. oder das kontrafaktische Behaupten, Homophobie sei ein ›Luxusproblem‹ (vgl. Kram 2018), schlussendlich reaktionär. So ist dem an verschiedenen Stellen entgegnet worden, dass eine Kritik von Rassismus, Sexismus und sozialen Kämpfen nicht gegeneinander ausgespielt werden sollten, zumal diese sich auch durchaus überschneiden können: Man denke nur an die rassistische Ausbeutung von Migranten/-innen. Rückblickend auf einige historische ›Fallbeispiele‹ wurde darauf aufmerksam gemacht, dass in antirassistischen Kämpfen auch die sozialistische Revolution angestrebt worden war und daher eine Entgegensetzung von Antirassismus und Antikapitalismus keinen Sinn ergibt. Ebenso wird die Homosexuellenbewegung erwähnt, als Homosexuelle sich mit britischen Bergarbeitern während ihres Streiks 1984/85 solidarisierten, sowie das Eintreten der SPD und KPD für die Abschaffung des StGB §175 (vgl. Zander 2018).

Der Identitätspolitik wurde des Weiteren unterstellt und vorgeworfen, partikulare Interessen zu vertreten und eben keine universalistischen. Ersteres hat aber ihre Berechtigung, wenn keinem die Leiden von rassistisch Unterdrückten oder jene der Homosexuellen interessier(t)en, außer den Betroffenen selbst (vgl. Purtschert 2017). Auf der anderen Seite muss ein Standpunkt, der die eigene Situation zum Ausgangs- und Angelpunkt macht, einen universalistischen Standpunkt, dem es ums Ganze geht, der beansprucht alle Verhältnisse umzustürzen, in denen der Mensch nichts weiter als ein elender Wurm ist, nicht ausschließen.

Soviel also zum ›Anlass‹ und zur ›Vorgeschichte‹ der Debatte um »neue Klassenpolitik«.


III.

Die Debatte um ›neue Klassenpolitik‹ wird von Leisewitz & Lütten in der »Zeitschrift marxistische Erneuerung« wie folgt kommentiert: »Die neue Klassendiskussion wird in erfreulich vielen Bereichen der Linken im politischen wie wissenschaftlichen Feld geführt. […] Uns geht es hier nur um einige Anmerkungen zu der Debatte von aktivistischen und publizistischen Kreisen eines Teils der politischen Linken […], die die Frage nach ›Klassen‹ weniger theoretisch, sondern in erster Linie politisch adressieren. Dazu drängen neben Krisendynamiken und ökonomischen Polarisierungs- und Abstiegsprozessen der letzten Jahre insbesondere die Mobilisierungserfolge der modernen Rechten (auch) unter Arbeitern und Deklassierten, die ein offenkundiges linkes Versäumnis markieren. In zahlreichen Beiträgen wird daher die Notwendigkeit einer ›neuen‹, ›verbindenden‹ oder ›inklusiven‹ Klassenpolitik betont, um diese Leerstelle zu schließen. Dabei fällt auf, dass in der bisherigen Debatte, wie sie in den Periodika dieser Teilen der Linken geführt wird, kaum an frühere Theoriebestände angeknüpft wird und zentrale Begrifflichkeiten theoretisch kaum gefüllt werden. Was genau mit Begriffen wie ›Klasse‹, ›Klassenverhältnis‹ oder ›Arbeiterklasse‹ gemeint ist, bleibt zumeist vage, im Extremfall konfus. Über Form und Inhalt einer entsprechenden ›Neuen Klassenpolitik‹ herrscht daher ebenso Unklarheit wie über die Frage, was dann eigentlich ›alte‹ Klassenpolitik ist und was an ihr nicht mehr trägt. Die bemerkenswert breite wie abstrakte Einigkeit über die Notwendigkeit einer ›Neuen Klassenpolitik‹ lässt eher auf eine inhaltliche Unverbindlichkeit der Debatte schließen« (Leisewitz; Lütten 2018, 35f., Hervorh. TM)

Wenn man vom traditionellen marxistischen Klassenkampfstandpunkt mal absieht, der ja den theoretischen Hintergrund beider Autoren bildet, ist diesem Urteil durch und durch zuzustimmen; vor allem der Feststellung, dass die heutige post-68er Linke »nur noch bedingt oppositionsfähig ist« (ebd. 36). Die Autoren fahren mit folgendem Passus fort: »Die zentrale Frage der neuen Klassendiskussion ist daher nicht nur, wie die Linke wieder Arbeiter, ›Abgehängte‹ und Deklassierte erreichen kann – sondern womit sie sie erreichen und wofür sie Menschen gewinnen will« (ebd., 37, Hervorh. i. O.). Und weiter: »Das zu klären ist keine theoretische, sondern eine unmittelbar praktische Voraussetzung zur Klärung der Frage, wie zeitgemäße linke Klassenpolitik aussehen kann« (ebd., Hervorh. TM). Diese Klärung zu einer praktischen Angelegenheit und nicht zu einer theoretischen zu machen, was denn die Ziele und der Inhalt angesagter Kämpfe sein sollen, führt aber schlussendlich selbst zur Oppositionsunfähigkeit. Sie weisen darauf hin, dass es in den Kämpfen zu Situationen kommt, in denen Interessen und Ziele aufeinander treffen, die unvereinbar sind, so etwa, wenn gegen die Auto- oder Kohleindustrie zum Behufe des Klimaschutzes agitiert wird und damit gegen diejenigen, die in diesen Industrien beschäftigt sind. Beide Autoren widersprechen der naiven Anschauung, dass die »diverse[n] soziale[n] Bewegungen einfach schrittweise ›an einem Strang ziehen‹, bis plötzlich eine andere Gesellschaft da ist« (ebd., 39) Schlussendlich »müsste also darüber nachgedacht werden, wie der nicht zu umgehende Bruch mit der Eigentumsordnung gegen die Interessen der herrschenden Klasse angegangen und durchgesetzt werden kann« (ebd.). Damit sind wir an dem von den Autoren an die post-68er Linken formulierten Vorwurf angelangt, sie besäßen ein analytisches (und politisches) Instrumentarium, das dem gegenwärtigen Kapitalismus nicht mehr angemessen ist (ebd., 38): Ihr Urteil richtet sich also gegen sie selbst.


IV.

Einige dieser ›neuen‹ Debattenbeiträge sind zusammengetragen in dem kürzlich erschienenen Sammelband »Neue Klassenpolitik – Linke Strategien gegen Rechtsruck und Neoliberalismus«. Größtenteils sind es Artikel die seit Ende 2017 in der Zeitung »Analyse und Kritik« erschienen und hierzu überarbeitet worden sind.6 Versammelt sind eine Reihe zum Teil heterogener Positionen. Diese Heterogenität verweist m.E. auf die bereits oben gerügte inhaltliche Vagheit des Diskurses. Dass eine Zuwendung zur ›Arbeiterschaft‹ und eine Thematisierung von ›Klassenfragen‹ nicht zu einer Abkehr von Antirassismus, Feminismus und Homophobiekritik7 führen sollte und eine solche Entweder-Oder-Polarisierung auch keinen Sinn macht, sind sich die Autoren/-innen einig. Auch wird in einigen Artikeln die internationale Verflechtung von ›Klassenherrschaft‹, die Ausbeutung der Dritten Welt usw. betont: Somit wäre eine neue Klassenpolitik keineswegs darauf zu reduzieren ›nur‹ die eigenen Arbeitsbedingungen zu verbessern, auch wenn das zweifellos ein wichtiger Punkt ist, sondern eine internationale Solidarität, die sich eben auch in gemeinsamen Kämpfen niederschlüge, müßte Bestandteil einer neuen Klassenpolitik sein. Auf der anderen Seite wird die Position mancher Linker kritisierend dargebracht, dass Klassenpolitik an einen nationalstaatlichen Rahmen gebunden sei. Zum einen ist es nicht falsch, da die heutige Linke nicht derartig international/transnational aufgestellt und vernetzt ist, um entsprechend schlagkräftig zu sein. Ein Rückbezug auf den Nationalstaat sei schlussendlich ein Ausdruck von Schwäche. Im Unterschied zu früheren Zeiten »sind die Debatten, die Linke heute führen, vor allem eines: defensiv. Die eine Seite gibt sich damit zufrieden, das was vom nationalen Sozialstaat noch übrig ist, zu verteidigen sowie eine letztlich für einen Teil der Arbeiterklasse exklusive Perspektive anzubieten. Die andere Seite ist ebenfalls bescheiden, indem sie sich umgekehrt beispielsweise mit der EU gnädig gibt, aus Angst, es könnte mit der Rückkehr zum Nationalen ›noch schlimmer‹ werden« (Tügel 2018, 56f.). Jedoch, so die Autorin weiter: »Der wichtigste Schutzraum aber für soziale Rechte war stets und ist auch heute Organisierung und Klassenkampf. Würde diese Erkenntnis über das Dasein einer Parole hinauskommen, das sie derzeit fristet, wäre wohl die Debatte um den Nationalstaat weitgehend obsolet« (ebd.).

Auch hier werden die schwerwiegenden theoretische Defizite großer Teile heutiger Linker offenbar. Auffällig ist, dass viele die sozialen Katastrophen unbedingt in Begriffen wie ›Klassen‹ und ›Klassenkampf‹ fassen wollen, auch wenn beansprucht wird, dass neuere Entwicklungen zur Kenntnis genommen werden sollten (so wie die Änderungen in der ›Klassenzusammensetzung‹ wie es so schön heißt). Zwar wird in den Beiträgen mehrfach geschrieben, man wolle keinem Arbeiterkult frönen, sich also keineswegs einer »Heroisierung und Fetischisierung der Lohnarbeit« (Wompel 2018, 158) hingeben, ja »[e]s bedarf […] einer gesellschaftlichen Kampagne, die das System der Lohnarbeit selbst infrage stellt und sinnvolle Arbeit auch begrifflich von kapitalistisch gedachter Lohnarbeit absetzt« (Eberle 2018, 112). Wompel schreibt, dass eine »Fetischisierung der Lohnarbeit« eine Position ist »die aus der Not der Lohnabhängigkeit eine Tugend gemacht hat. Die Verteidigung ›hart‹ arbeitender Menschen hat – in Verbindung mit der Illusion der Leistungsgerechtigkeit – nicht nur dem Widerstand gegen die Hartz-Gesetze das Genick gebrochen und Schikanen gegen Erwerbslose ermöglicht. Sie ist im Kern auch ausgrenzend gegen alle, die keine ›Helden der Arbeit‹ sein können oder wollen. Sie geringschätzt Menschen in nicht lohnförmigen Arbeitsformen und potenziell alles Andere. Globale Solidarität und Verteilungsgerechtigkeit muss aber auch feministisch, antirassistisch – und internationalistisch erkämpft werden – auch gegen rassistische und nationalistische ›Konkurrenz‹-Gewerkschaften« (Wompel 2018, 164f.).

Auf der anderen Seite bleibt so einiges theoretisch im Ungefähren. So schreibt Hannah Eberle weiter: »Jede Gesellschaft muss sich die Frage stellen, was sinnvolle Arbeit ist; in der kapitalistischen Produktionsweise aber orientiert sich die ›Sinnhaftigkeit‹ von Arbeit allein am Profit. Prekäre wie Erwerbslose könnten das Subjekt bilden, das die Frage nach sinnvoller Arbeit neu formuliert. Sie werden kurzzeitig in Jobs oder in Maßnahmen gesteckt, die sie selbst nicht gewählt haben und denen kaum Sinn und gesellschaftliche Anerkennung abzugewinnen ist. Es erscheint aussichtsreicher, den Kampf um sinnvolle Tätigkeiten auszutragen, als zu versuchen, Faulheit eine positive Konnotation zu verleihen. Die Debatte um das Existenzgeld (!) könnte hierfür Ansatzpunkt sein: Etwas gesellschaftlich Nützliches erschaffen, das Gemeinwesen voranbringen, politische, künstlerische und wissenschaftliche Arbeit – alles wäre nicht mehr ausschließlich an das Wohlwollen (!) eines Geldgebers gebunden« (ebd., 112f.).

In einem anderen Beitrag, in dem kritisiert wird, dass in der Debatte um neue Klassenpolitik Ökologie zu kurz kommt, wird die Idee der Enteignung des Privateigentums wieder aufgegriffen: »Eine Überwindung der kapitalistischen Produktionsweise würde durch die Aufhebung des Privateigentums an den Produktionsmitteln den Zwang zur Ausdehnung der Produktion auflösen – vor allem auch die ökologisch schädlichen Dinge wie Rüstungsgütern, SUVs oder schnell verschleißenden Produkten. Damit ist das Ende des Kapitalismus die Voraussetzung für einen global reduzierten Stoff- und Energieumsatz. Daran kann aber nur eine Klasse ein Interesse haben, die vom Besitz an Produktionsmitteln ausgeschlossen ist: die Arbeiterklasse. Nur sie hat dazu überhaupt die Möglichkeit, weil sie kollektiv den gesamten (!) gesellschaftlichen Produktionsprozess kontrollieren kann« (Speckmann 2018, 129).

Offenbar ist den Autoren/-innen des besagten Sammelbandes die Formkonstitution der kapitalistischen Produktionsweise nicht wirklich klar. Zu Eberle wäre zu sagen, dass eine anständige Bezahlung keineswegs am »Wohlwollen eines Geldgebers gebunden« ist. Wie auch Marx immer wieder betonte, herrscht im Kapitalismus der ›stumme Zwang der Verhältnisse‹. Natürlich heißt dies nicht, dass der ›prozessierende Widerspruch‹ ein Automatismus wäre, dem die einzelnen Menschen wie die Lemminge folgen. Die universelle Konkurrenz8 bleibt hier jedoch unterbelichtet und auch die fetischistischen Formen, in denen die Menschen gezwungen sind, sich zu reproduzieren. Deutlich wird dies, wenn Kohlearbeiter/-innen die Abholzung des Hambacher Forsts befürworten, da in der Tat ihre Jobs und damit ihre (kapitalistische) Existenz an der Kohleindustrie hängt. Damit wird auch deutlich was das Problem an der neuen wie auch alten Klassenpolitik ist: Man will die Interessen der ›Arbeiterschaft‹ vertreten und vollkommen zu recht für bessere Arbeitsbedingungen kämpfen (und dabei alle Deklassierten, Prekarisierten und Arbeitslose mitnehmen), wobei es vor allem heute gerade darauf ankäme, sich von genau diesen Interessen zu emanzipieren, die ja die Form der Lohnarbeit annehmen und sich schlussendlich in Geld ausdrücken müssen. In der Tat wird sinngemäß der marxistischen Sonntagspredigt erinnert, das Proletariat müsse sich selbst aufheben, so Mag Wompel die schreibt: »für den ganzen lohnabhängigen Menschen kämpfen heißt natürlich, gegen die Lohnabhängigkeit zu kämpfen« (Wompel 2018, 163).

Was die Enteignung der Produktionsmittel angeht, hat André Gorz vor fast 40 Jahren schon darauf hingewiesen, dass eine Enteignung der Produktionsmittel aufgrund massiver betriebswirtschaftlicher Zersplitterung und stofflicher Verflechtung nicht ohne Weiteres möglich ist (so etwa in: Gorz 1988, 39).9 Weiterhin ist es eine starke Fehlannahme, die »Arbeiterklasse« könnte die Produktionsmittel, so wie sie heute existieren, in irgendeiner Weise »kontrollieren«. Selbst wenn Arbeiter/-innen die Kontrolle einer Fabrik übernehmen, heißt das noch lange nicht, dass der Verwertungszwang wegfiele, sie müssten diese an sich selbst auch ohne Chef exekutieren: Eine Stilllegung der Produktion von SUVs, so sinnvoll und wünschenswert sie wäre, würde zunächst die dort Arbeitenden arbeitslos machen (und wäre das im Sinne einer »neuen Klassenpolitik«?).

Enteignungen können andererseits in bestimmten Situationen schon sinnvoll und notwendig sein, in dem Sinne, dass solche in manchen Ländern die soziale Lage verbessern würden: Ich denke da z.B. an eine Enteignung an internationale Konzerne verhökerte Landflächen (vorwiegend) der Dritten Welt (Land-Grabbing), die dazu benutzt bzw. missbraucht werden, etwa Biosprit oder einen Schwachsinn wie Schnittblumen (!) für die kapitalistischen Zentren zu produzieren, statt Nahrungsmittel für die Bevölkerung.10 Eine Enteignung, eine Landreform, eine Neuverteilung des Landes an (Klein)bauern, würde zwar nicht eine befreite Gesellschaft schaffen, aber es könnte zumindest teilweise die soziale Situation der dortigen Menschen verbessern (und damit Fluchtursachen reduzieren, vgl. Auernheimer 2018).

Trotz der real verbesserten Situation, die über solche Enteignungen erreicht werden könnte, ist der Fokus auf das Privateigentum an Produktionsmittel und die Enteignung derselben manche Linker nichts, das man als solches emanzipatorisch besetzen könnte; höchstens als ›Notbehelf‹, wie es bei einem Kampf gegen Land-Grabbing recht einleuchtend ist. Die universelle Konkurrenz wäre durch eine bloße Enteignung des Privateigentums an Produktionsmitteln jedenfalls nicht überwunden.

Abgesehen davon, dass in dieser Debatte einiges theoretisch unterbelichtet bleibt, nimmt es nicht Wunder, dass auch ein antitheoretischer Affekt formuliert wird, der schlussendlich auf eine praktische Unmittelbarkeit zielt, so in dem Beitrag vom »Lower Class Magazine«. Dort heißt es: »Denn die Neue Klassenpolitik krankt (noch) an einem schwerwiegenden Problem: Sie ist eine Metadebatte über linke Strategien, mit komplizierten Wörtern (!) geführt in Zeitungen und Magazinen, deren Bleiwüsten (!) keinen ostdeutschen Ein-Euro-Jobber, keine illegalisierte Pflegerin und keinen schwulen Geflüchteten aus dem Libanon je erreichen. [...] Man kann zwar schöne Texte schreiben, aber abgekoppelt vom wirklichen Aufbau einer Klassenorganisation bleiben sie letztlich nutzlos. […] Eigentlich sollte linke, revolutionäre Theorie ja eine Selbstverständigung von Kämpfenden sein. Im Idealfall sieht das so aus: Menschen, die in Gruppen organisiert sind, die den Kapitalismus überwinden wollen, diskutieren, wie dieser beschaffen ist, wen sie ansprechen wollen und wie sie ihre Adressaten organisieren. Die gemeinsam entworfene Theorie ist so der Kompass in den praktischen Arbeiten, muss sich in diesen beweisen (!) oder korrigiert werden. In den entwickelten kapitalistischen Ländern verhält es sich oft anders: Debatten führen ein Eigenleben, sind ein fetischisierter Selbstzweck (!). Texte über Marxismus, Anarchismus, Klassen, Feminismus, über dieses und jenes werden geschrieben, um sie wahlweise als Seminar- oder Doktorarbeit einzureichen, Zeitungs- oder Magazinseiten zu füllen oder anlässlich von Jubiläen den Buchhandel zu beleben«. Der eigentliche Tiefpunkt kommt aber noch: »Dazu kommt eine Maxime, die wir als übertheoretische (!) Metropolenlinke ebenfalls hart lernen werden müssen: Revolutions are always fought for simple things, wie die Black Panther Party einst formulierte. Niemand kämpft gegen Staat und Kapital, weil er Michael Heinrichs achtundvierzigste Umdeutung des Warenfetisches im Kapital so überzeugend fand« (ebd. 151-154, Hervorh. i. O.). Die Überschrift des Abschnitts, aus dem letztes Zitat entnommen wurde, heißt übrigens: »Auf zwei Seiten erklären, um was es geht«.

Theorie ist also nur zu gebrauchen, wenn sie eine simple Praxisanleitung liefert. Sicherlich ist eine Akademisierung der theoretischen Kritik zu kritisieren, vor allem dann, wenn sie dadurch abgestumpft und gezähmt wird, sich in irgendwelchen diskursiven Trends verliert, und darauf aus ist, die längste Publikationsliste zustande bringen zu wollen. Ebenso zu verurteilen ist eine Kritik, die sich auf Philologie und Positivismus beschränkt. Aber eine Praxis bleierner Köpfe, ein kopfloser Bewegungspositivismus, d.h. ein Aufnötigen der Theorie auf unmittelbare Praxistauglichkeit, ist gleichermaßen zurückzuweisen. Wer meint, die Leute mehr oder weniger dort abholen zu müssen, wo sie sind, sie mit simplen Erklärungen, die auf zwei Seiten passen, abzufangen, begreift den Ernst der Lage nicht. Natürlich muss für eine Mobilisierung gegen Faschismus und Polizeiterror nicht jeder Marx, Adorno oder Scholz gelesen haben. Nur: Wenn der Anspruch besteht die kapitalistische Produktionsweise langfristig abzuschaffen, muss theoretische Reflexion über die aktuelle Tagespolitik hinausgehen. Es ist berechtigt und notwendig, sich gegen die Zumutungen auf allen Ebenen zu wehren, seien es unzumutbare Arbeitsbedingungen (und was unzumutbar ist oder nicht haben nicht die Schergen der Arbeitslosenverwaltung zu entscheiden), ein repressiver Staatsapparat,11 die Zumutungen des kapitalistisch produzierten Schrotts, Umweltzerstörung usw. Nun wird so ein Widerstand kaum genügen, wird doch von einigen Autoren/-innen der Anspruch vertreten, dass mit der »imperialen Lebensweise«12, insgesamt Schluss zu machen ist, dagegen wohl niemand, der es mit Gesellschaftskritik wirklich ernst meint, widersprechen würde. Eine theoretische Reflexion, die dermaßen eingebrochen ist, wie vom »Lower Class Magazine« gewünscht – Theorie als Backrezept sozusagen – würde die schon oben kritisierte Diffusität der einzelnen Positionen noch weiter verschärfen und einer inhaltlichen Beliebigkeit das Wort reden. Das würde aber auch langfristig die Praxis ins Leere laufen lassen oder sie würde sich auf symbolische Akte reduzieren.

Ein antitheoretischer Affekt hat sich schon vor Jahren in der Antiglobalisierungsbewegung breit gemacht. Auch in dieser Hinsicht ist an der Debatte um neue Klassenpolitik gar nichts neu. Exemplarisch Naomi Klein und José Bové im Blick habend schrieb Robert Kurz 2005 folgendes: »Es ist in Wahrheit eine alte Geschichte, die Bové hier reproduziert: nämlich das Ressentiment des bornierten Praktikers gegen die ›abgehobene‹ Theorie, der gegenüber die ›Unmittelbarkeit‹ der Erfahrungen geltend gemacht wird. Aber damit lügen sich die Pragmatiker des Protests eine Bewältigungskompetenz in die Tasche, die sie gar nicht haben. Die Erfahrungen sind ebenso wie die Bedürfnisse nichts unmittelbar und selbstverständlich Gegebenes, sondern sie sind selber gesellschaftlich vermittelt. Weil diese Vermittlung nicht direkt einsichtig ist, muß sie erst sichtbar gemacht werden – und genau darin besteht die Theorie. Sie ist nichts den Erfahrungen Entgegengesetztes, sondern die Reflexion der Erfahrungen auf einer höheren Abstraktionsebene. Aber die Erfahrungen in ihrer Unmittelbarkeit sind selber nicht ›konkret‹, sondern durch die gesellschaftlichen Abstraktionen (in der Moderne durch die totalitäre Warenform und deren Widersprüche) vermittelt. Die theoretische Reflexion versucht dies einsehbar zu machen und zu analysieren – erst dadurch können die Erfahrungen im eigentlichen Sinne ›konkret‹ werden. […] Zur Konkretisierung mit Hilfe der Theorie gehört auch, daß der historische Prozeß erhellt wird, in dessen Kontext überhaupt die Erfahrungen stehen. Die Erfahrungen im hier und heute können erst etwas aussagen, indem sie zu den Erfahrungen der Vergangenheit und zur Geschichtlichkeit der Gesellschaft in Beziehung gesetzt werden. Theorie übersteigt auch in dem Sinne die Unmittelbarkeit der Erfahrung, als sie die Reflexion vergangener Erfahrung mit enthält und daher eine eigene Geschichte hat. Wer glaubt, sich darüber hinwegsetzen zu können, wird seine eigenen Erfahrungen zwangsläufig missdeuten, weil er sie in keinen größeren Zusammenhang einordnen kann. […] Die Theorie ist so gesehen nur ein reflektierter Ausdruck der Erfahrungen selbst mit größerer historischer Reichweite und auf einer begrifflichen Abstraktionsebene. […] Theoriebildung ist selber ein historischer Prozeß, parallel zum Prozeß der gesellschaftlichen Entwicklung […]. Und in dieser Geschichte theoretischer Reflexion ist eben heute der berühmte Paradigmenwechsel angesagt, der erarbeitet und ausgekämpft werden muß. Die soziale Bewegung ist in diese Aufgabe involviert, sie kann sich dazu nicht ignorant verhalten« (Kurz 2005, 29f.).

Daran ist immer zu denken, wenn Linke bestrebt sind zur Tat zu schreiten und dabei meinen, ernsthafte Theorie sei doch mehr oder weniger redundant.


V.

Ein anderer viel diskutierter Aspekt ist die Organisation von Widerstand: Es wird festgestellt, dass soziale Kämpfe auch häufig deswegen ins Leere laufen, weil sie es nicht vermögen über sich selbst und ihren ›Tagespunkt‹ hinauszuweisen und zuverlässige Strukturen aufzubauen; Strukturen, die auch dazu dienen sollen, verschiedene Proteste zusammenzuführen. Zum Teil ist eine fehlende Kontinuität des Widerstands auch in dem Umstand zu suchen, dass Proteste isoliert bleiben und oftmals von der radikalen Linken, die ja oft akademische Mittelschichtskinder sind, nicht zur Kenntnis genommen werden Hinzu kommt der ganze absurde ›Postmodernismus‹ und die teilweise Sektenartigkeit der linken Szene.13

Dass die Leute sich gegen die Zumutungen organisieren und vernetzen, ist zunächst existenziell einfach notwendig: Z.B. wenn es darum geht sich kollektiv gegen Wohnungsräumungen zu wehren oder darum, im Pflegebereich erträgliche Arbeitsbedingungen zu erzwingen, so dass die Gesundheitsversorgung gewährleistet, statt dass sie gesundheitsgefährdend ist. Immanent lässt sich durchaus in verschiedenen Bereichen bis zu einem gewissen Grad etwas drehen, wenn auch nicht unbedingt viel. Auch wenn dabei nicht gleich der Kapitalismus infrage gestellt wird, sind immanente Proteste unumgänglich und daher sinnvoll. Letzteres aber nicht unbedingt für alle gleichermaßen: So denke man nur an Proteste von Arbeitern/-innen gegen die Schließung von Autofabriken: es ginge ja darum, wie gesagt, sich von diesen aufgenötigten (Arbeitnehmer)Interessen zu emanzipieren und einen Kampf gegen die kapitalistische Interessenform selbst zu führen, wovon existierende Proteste leider weit von entfernt sind. Proteste können also nicht schlechthin positiv bewertet werden. Soziale Proteste sind, selbst wenn sie offensichtlich sinnvoll und notwendig sind (wie Proteste gegen Mietenwahnsinn), höchst ambivalent. Denn so sinnvoll und notwendig es wäre, für ein bedingungsloses Wohnen statt für bedingungsloses Grundeinkommen einzutreten (wenn man schon mehr anstrebt als eine bloß bezahlbare Miete), so kann die Kritik an unbezahlbaren Mieten doch die Form vom Spekulantenhetze annehmen, was ein Umkippen eines zunächst berechtigten Sozialprotestes in eine reaktionäre Barbarei wahrscheinlich macht. Grundsätzlich ist also ein bestimmter Protest auf seinen Inhalt zu untersuchen: Dient der Protest dazu elementare Bedürfnisse gegen die Zumutungen des Kapitals zu behaupten; vor allem wie und mit welchen Begründungen geht dies vonstatten oder geht es allein darum die eigene Stellung im Konkurrenzkampf (auf Kosten der Umwelt, der Dritten Welt usw.) mit neuen oder anderen Mittel auszurüsten? Immanente Proteste, und andere liegen momentan auch nicht wirklich vor, sind also notwendigerweise ambivalent. Es ist also dringend geboten die Not nicht zur Tugend zu machen und sich nicht in eine Praxis mehr oder weniger kopflos hineinzustürzen, wie es das »Lower Class Magazin« fordert, und ebenso nicht alle praktischen Kritik von vornherein für sinnlos zu erklären, nur weil diese ambivalent ist und nicht so vorliegt, wie man sie gerne hätte. Diese Ambivalenzen sind schlicht auszuhalten. Dazu muss man zweifellos mehr als zwei Seiten lesen, will man sich nicht durch die eigene Ohnmacht auch noch aktiv verdummen lassen.


Sozialer Widerstand läuft langfristig ins Leere, auch bei bester Organisiertheit und Vernetzung, wenn man sich über die tatsächlichen Verwertungsbedingungen (bzw. Entwertungsbedingungen) im kriselnden Kapitalismus nicht klar ist. Denn alles und jeder, hat nur insoweit Existenzberechtigung, insofern diese durch das Nadelöhr der Finanzierbarkeit hindurchgegangen sind. Immanente Umverteilungen, das Abzweigen von Finanztöpfen für sozialen Wohnungsbau anstatt für sinnlose Großprojekte (Berliner Flughafen, Stuttgart 21 usw.) mögen in der Tat anzustreben und zu erkämpfen sein. Allerdings können Umverteilungen schnell an Grenzen stoßen: Selbst wenn eine ›Linksregierung‹ eine großzügige Sozialdividende ausschüttelt, so ist diese trotzdem an eine ausreichende Finanzierbarkeit gebunden, d.h. durch genügende Steuereinnahmen und diese wiederum, an eine gelingende Kapitalverwertung, d.h. hiesige ›Nationalökonomie‹ muss sich gegen die Konkurrenz und d.h. auf Kosten der Konkurrenz durchsetzen. Damit ist auch das sog. Existenzgeld bzw. das bedingungslose Grundeinkommen von einer gelingenden Wertverwertung abhängig. Entscheidend ist, das Bewusstsein dafür zu entwickeln, dass der materielle Reichtum und damit die menschliche Existenz von der Finanzierbarkeit zu entkoppeln ist. Sind die materiellen Güter nicht mehr zu finanzieren, werden sie stillgelegt, obgleich diese nach wie vor ›da‹ sind und entsprechende Bedürfnisse, die sich aber nicht ausreichend in einer zahlungskräftigen Nachfrage artikulieren können. Solche Bedürfnisse sind dann null und nichtig. Gerät dies nicht in den Blick ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass soziale Bewegungen, entgegen ihrer anfänglichen Intention, Teil der Elendsverwaltung werden.


Natürlich ist es hochgradig nicht trivial, wie eine Entkopplung im Einzelnen zu bewerkstelligen ist und eine weitere Frage ist, wie der materielle Reichtum und seine Produktion selbst zu transformieren sind (Stilllegung von gesundheitsgefährdender Produktion, Abschaffung von Schrottproduktion, Abschaffung des Individualverkehrs, Abschaffung der Werbe-Propaganda usw.). Es muss ins Bewusstsein der Menschen kommen und damit in den ›öffentlichen Diskurs‹, wenn die materiellen Reichtümer nicht mehr ausreichend nach kapitalistischen Kriterien mobilisiert werden können, diese Kriterien dann abzuschaffen sind14 und eben nicht, dass die Reichtümer stillgelegt und die Menschen zu einer gesellschaftlich erzeugten Massenarmut hinein genötigt werden, die sie dann als Naturgesetz, unter zur Hilfenahme entsprechender repressiver Maßnahmen, zu akzeptieren und an sich selbst zu exekutieren haben (vgl. z.B. die Austeritätspolitik in Griechenland).15 Diese sog. ›Klassenkämpfe‹ und immanenten Prostete werden gegenstandslos, wenn die Verwertungsmaschine ins Stocken gerät oder ganz aufhört. Gegen Mietpreiserhöhung oder niedrige Löhne zu kämpfen macht keinen Sinn, wenn beispielsweise eine Hyperinflation herrscht, wie derzeit in Venezuela (Feb. 2019). In der Debatte um eine angeblich ›neue Klassenpolitik‹ fehlt dieser Gedanke vollständig. Ein Grund dafür ist die von den meisten Linken nicht gemachte Unterscheidung zwischen stofflichem und wertförmigem Reichtum. Aus dieser folgt, dass soziale Ansprüche immer in der Geldform geltend gemacht und mit dieser letztendlich identisch gesetzt werden. Was nicht gesehen oder begriffen wird, ist das offensichtliche Auseinandertreten dieser Reichtumsformen, wenn in der Krise allerhand stillgelegt wird oder aufgrund von Entwertung immer mehr Dinge ›unfinanzierbar‹ werden (wie Wohnraum, Gesundheit usw.). Der physische Reichtum, d.h. der ›Stoff‹ gerät in Widerspruch zu der ihm aufgezwungenen gesellschaftlichen Form. Es würde aber darauf ankommen eine Emanzipation gegen diese Form zu erkämpfen und nicht eine in ihr: »Die Aufgabe besteht also darin, die emanzipatorische Kritik an den objektivierten, sozial übergreifenden Daseinsformen bzw. Gedankenformen zu formulieren und von innen heraus im sozialen Kampf geltend zu machen, um dieses kategoriale Gefängnis bewusst zu durchbrechen. […] Es kommt darauf an, einen Willen gegen die herrschende Form des Willens zu entwickeln und deren Fetischcharakter bewusst zu machen« (Kurz 2013, 96, Hervorh. TM).


Dass die Dinge nicht mehr finanzierbar sind, hängt damit zusammen, dass die fetischistische Darstellung dieses Reichtums, nämlich in Wert, gegenstandslos wird, wenn zu der Produktion einer einzelnen Ware immer weniger Arbeit benötigt wird, und dass die Kompensationsmechanismen der Wegrationalisierung von Arbeit immer weniger oder gar nicht mehr greifen und somit einer auf dem Wert und Abspaltung basierenden Produktionsweise zunehmend unmöglich wird. Damit kann es auch keine auf Verwertung von Arbeit basierende Gesellschaft mehr geben, sondern diese zerfällt, verwildert und wird ›unregierbar‹ (vgl. Kurz 2003; Bedszent 2014; Böttcher 2016; Konicz 2014; 2016). »Es gehört«, so Robert Kurz, »zur Ignoranz des metropolitanischen Blicks auf die Weltverhältnisse, nicht sehen zu wollen, dass dieser ›Zustand‹ in großen Weltregionen bereits erreicht ist; nur partiell für Minderheiten aufgefangen durch die bislang noch vorhandene Anbindung an den Weltmarkt und seine Defizitkonjunkturen. Fällt dieser letzte Puffer, und zwar auch für die Zentren selbst, dann schlägt auch in diesem Sinne die Quantität von Massenverarmung in die Qualität eines globalen Massensterbens um, da für fast sieben Milliarden Menschen eine Rückkehr zur Subsistenzwirtschaft nicht möglich ist, ganz abgesehen von den damit verbundenen Gewaltexzessen, die ebenfalls bereits in Ansätzen zu beobachten sind und nicht zuletzt aus der Verwandlung der selber nicht mehr ›finanzierungsfähigen‹ Sicherheits- und Gewaltapparate in marodierende Banden hervorgehen« (Kurz 2013, 82).


Dieser oben angedeutete »Widerspruch zwischen Stoff und Form« (vgl. den Text von Ortlieb 2008a/2009) wird von den Linken allermeist nicht zur Kenntnis genommen. All dies hätte von entsprechender Szene diskutiert werden können, so dass die Linke sich tatsächlich auf eine theoretische Ebene eingelassen hätte, die den Kapitalismus auf der Höhe der Zeit zu kritisieren beansprucht, dann würde sie auch die Notwendigkeit sozialen Widerstandes nicht krampfhaft in alte Begriffe quetschen (auch wenn oft zugleich beteuert wird, man meine das ja gar nicht so altbacken). Die ›Praxisforderung‹ wäre weit aus weniger diffus und beliebig, sondern sie würde sich dahingehend militant, also mit Entschlossenheit und begrifflicher Schärfe, artikulieren. Was den oben erwähnten Text von Ortlieb angeht, haben die Linken, bzw. diejenigen die ihn lasen, sich einer Debatte konsequent verweigert. Es war in der Tat ein »Absturz einer Debatte«: Sich im Rahmen von Blog-Gesülze dumm zu stellen, die Begründungen des Textes dabei nicht zur Kenntnis nehmend, ist nichts anders als Realitätsverweigerung (vgl. Ortlieb 2008b)!


Gleiches gilt für die Krisentheorie von Robert Kurz insgesamt. So musste man sich über Jahrzehnte immer wieder die gleichen Plattitüden anhören (vgl. dazu Kurz 2012a; 2012b; 2013). In der Zeitung »Analyse und Kritik« sind auch entsprechende Artikel erschienen. So etwa Ingo Stützles in der ak Nr. 44916 (4/2001), der mit diesem das Buch »Marx lesen!« kommentierte. Er schließt mit den Worten: »Mit Kurz’ selbstherrlichen Prophetentum werden Probleme nur verwischt und eine ernsthafte Auseinandersetzung [mit Marx, TM] wird verhindert« (Zur Kritik: vgl. Kurz 2012a, 365). Auf diesen Trichter muss man erst einmal kommen! Doch damit nicht genug: Stefanie Hürtgen (die auch einen Beitrag im hier besprochenen Sammelband liefert) schreibt am Ende ihres Kommentars zu einer Podiumsdiskussion mit Robert Kurz in der ak Nr. 557 (1/2011) folgendes: »Es gibt gute Gründe, den Vorstellungen von Bereinigung durch Krise nicht zu folgen, aber die Rede von Kollaps oder auch des finalen Entwertungsschocks ist irreführend. Nicht nur, weil auch ein zutiefst und unmittelbar ständig krisenhafter Kapitalismus vorstellbar ist, sondern auch, weil soziale Reproduktion, auch weltweit, weitergeht und das allerdings leider häufig in einer Form, die Robert Kurz selbst als ›Barbarei‹ bezeichnet. Das ist aber etwas anderes als ›Kollaps‹ – es ist vielmehr die Fortexistenz sozialer Reproduktion auf denkbar schlimmste Weise. Wenn es aber um Barbarei als mögliche Perspektive geht – dann ist es umso dringender, Kritik, auch theoretische, nicht länger als ›kategoriale Kritik‹ zu begreifen, die bitte endlich in die verblendeten Hirne der Massen tröpfeln soll, sondern dann geht es darum zu lernen, auch theoretische Arbeit als Auseinandersetzung zu begreifen. Als eine Auseinandersetzung, ›die seit jeher mit anderen Praktiken verschränkt ist und die sich immer mit diesen Praktiken gemeinsam in einem konkreten historischen Zusammenhang bewegt‹ (Das Zitat ist von Demirovic aus Prokla Nr. 159, TM). Es wäre Zeit, sich dieser Verschränkung bewusst zu werden« (Hervorheb. i. O.).17 Das ist ein oft dargebrachtes Argument, ein Kapitalismus, der nur noch Verelendung produziert, würde nur zu seiner eigentlichen Normalität zurückkehren. Damit ist offenbar gemeint, dass hier einer Enthistorisierung des Kapitalismus Vorschub geleistet wird. Wenig überraschend, wenn am Ende eine Art diffuse Praxisaufforderung, auf die sich die Theoriearbeit auszurichten habe, formuliert wird.


VI.

Es kann also zusammengefasst werden, dass an der »neuen Klassenpolitik« schlussendlich gar nichts neu ist. Man ist sich zwar im Prinzip einig, Rassismus- und Homophobiekritik usw. nicht gegen eine Kritik sozialer Lagen auszuspielen, aber ansonsten verbleibt vieles sehr diffus. Einerseits werden zwar, oberflächlich betrachtet, sinnvolle oder zumindest nicht falsche Gedanken formuliert, die aber dann anderen, manchmal nur ein paar Sätze weiter, widersprechen. In theoretischer und damit inhaltlicher Hinsicht ist diese Debatte unausgegoren und das Resultat jahrelanger Kritikverweigerung. Es käme eben darauf an, dass die sozialen Kämpfe gegen die herrschende Form aufbegehren, also gegen die »unerträglich gewordene bürgerliche Willensform« (Kurz 2006, 397, Hervorh. i. O.). So nachvollziehbar immanente Proteste auch sind, ihr Horizont darf sich nicht auf immanente Forderungen beschränken. Das hängt auch damit zusammen, dass immanente Forderungen oft dazu dienen, die eigene Stellung im kapitalistischen Verwertungsprozess zu verbessern oder zu erhalten, ohne dass dieser selbst zum Gegenstand der Kritik gemacht wird. Bei Protesten gegen ›Mietenwahnsinn‹ oder zum ›Pflegenotstand‹ ist es naheliegend, sich zu solidarisieren, auch wenn das nicht ausschließt sie ideologiekritisch zu beäugen und ihnen dann jede Solidarität zu entziehen bzw. zu verweigern, ihnen selbst den Kampf anzusagen, wenn sie dahin kämen, etwa George Soros oder ›die Rothschilds‹ für die sozialen Katastrophen verantwortlich zu machen. In anderen Fällen ist eine Solidarisierung von vornherein wesentlich schwieriger, wenn nicht gar unmöglich: So können Forderungen, sich (besser) reproduzieren zu können, weil es ja in der vorausgesetzten Geldform geschehen muss, problematische Konsequenzen haben, wenn also z.B. Arbeiter/-innen gegen die Schließung einer Autofabrik protestieren oder wenn Gewerkschaften sich für Umweltzerstörung aussprechen, weil dies ›Arbeitsplätze‹ verspricht.18 Der gern formulierte Anspruch, die Interessen der »Arbeiterklasse« wieder ernst zu nehmen, ist also von vornherein inkonsistent, wenn man zugleich meint, die Umweltzerstörung usw. kritisieren zu wollen.


Damit sollte klar geworden sein, dass es unumgänglich ist, dass Kämpfe und Organisationsversuche grundsätzlich von der Theorie kritisch beäugt werden müssen, was aber nicht heißt, dass Theorie hier zu einem Agitations-Backrezept verkommt. Schlussendlich wäre die Dialektik zwischen Theorie und Praxis ernst zu nehmen, und das hieße, dass es Aufgabe der Linken wäre, entgegen ihrer schlechten Gewohnheit, sich einer kategorialen Kritik nicht länger zu verweigern.



Literatur

Auernheimer, Georg: Wie Flüchtlinge gemacht werden – Über Fluchtursachen und Fluchtverursacher, Köln 2018.

Bedszent, Gerd: Zusammenbruch der Peripherie – Gescheiterte Staaten als Tummelplatz von Drogenbaronen, Warlords und Weltordnungskriegern, Berlin 2014.

Bedszent, Gerd: Von der Obamania hin zum letzten Gefecht – Bemerkungen zu einem nicht ganz so überraschenden Wahlsieg, 2016, auf exit-online.org.

Böttcher, Herbert: »Wir schafften das!« – Mit Ausgrenzungsimperialismus und Ausnahmezustand gegen Flüchtlinge, 2016, auf exit-online.org.

Brand, Ulrich; Wissen, Markus: Imperiale Lebensweise – Zur Ausbeutung von Mensch und Natur im globalen Kapitalismus, München 2017.

Dowling, Emma; van Dyk, Silke; Graefe, Stefanie: Rückkehr des Hauptwiderspruchs? – Anmerkungen zur aktuellen Debatte um den Erfolg der Neuen Rechten und das Versagen der »Identitätspolitik«, in: Prokla Nr. 188, Münster 2017, 411–420.

Eberle, Was Erwerbslose und Prekäre eint – Die Kämpfe von Erwerbslosen als Teil der Klassenauseinandersetzungen, in: Sebastian Friedrich & Redaktion analyse & kritik (Hg.): Neue Klassenpolitik – Linke Strategien gegen Rechtsruck und Neoliberalismus, Berlin 2018, 108–113.

Gorz, André: Abschied vom Proletariat, Frankfurt 1988, zuerst Paris 1980.

Kollektiv aus Bremen: 11 Thesen über Kritik linksradikaler Politik, Organisierung und revolutionäre Praxis (2016), http://www.trend.infopartisan.net/trd0616/11%20Thesen%20um%20Organisierung%20und%20revolution%C3%A4re%20Praxis.pdf.

Kollektiv aus Bremen: Klassenkampf mit der Stadtteilgemeinschaft – Revolutionäre Stadtteilarbeit als Teil Neuer Klassenpolitik, in: Sebastian Friedrich & Redaktion analyse & kritik (Hg.): Neue Klassenpolitik – Linke Strategien gegen Rechtsruck und Neoliberalismus, Berlin 2018, 138–144.

Konicz, Tomasz: Globalisierte Barbarei, 2014, auf exit-online.org.

Konicz, Tomasz: Kapitalkollaps – Die finale Krise der Weltwirtschaft, Hamburg 2016.

Kram, Johannes: Ich hab ja nichts gegen Schwule, aber … – Die schrecklich nette Homophobie in der Mitte der Gesellschaft, Berlin 2018.

Kurz, Robert, Weltordnungskrieg – Das Ende der Souveränität und die Wandlungen des Imperialismus im Zeitalter der Globalisierung, Bad Honnef 2003.

Kurz, Robert: Das Weltkapital – Globalisierung und innere Schranken des modernen warenproduzierenden Systems, Berlin 2005.

Kurz, Robert: Geld ohne Wert – Grundrisse zu einer Transformation der Kritik der politischen Ökonomie, Berlin 2012a

Kurz, Robert: Krise und Kritik – Die innere Schranke des Kapitals und die Schwundstufen des Marxismus Erster Teil, in: exit! – Krise und Kritik der Warengesellschaft Nr. 10, Berlin 2012b, 26–61.

Kurz, Robert: Krise und Kritik – Die innere Schranke des Kapitals und die Schwundstufen des Marxismus Zweiter Teil, in: exit! – Krise und Kritik der Warengesellschaft Nr. 11, Berlin 2013,64–111.

Kurz, Robert: Marx lesen! – Die wichtigsten Texte von Karl Marx für das 21. Jahrhundert – Herausgegeben und kommentiert von Robert Kurz, Frankfurt 2006.

Leisewitz, André; Lütten, John: Neue Klassendiskussion – Anmerkungen zu Klassentheorie, Klassenverhältnissen und zur linken Strategiekrise, in: Z – Zeitschrift marxistische Erneuerung Nr.116, Frankfurt am Main, Dezember 2018, 26–40.

Lower Class Magazine: Der Kongress der Kommunen – Neue Klassenpolitik braucht die Anbindung an reale Organisierungsprozesse, in: Sebastian Friedrich & Redaktion analyse & kritik (Hg.): Neue Klassenpolitik – Linke Strategien gegen Rechtsruck und Neoliberalismus, Berlin 2018, 151–156.

Marx, Karl: Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, Berlin 1953.

Meyer, Thomas: Business as Usual – Vom fortlaufenden Wahnsinn der kapitalistischen Produktionsweise, in: exit! – Krise und Kritik der Warengesellschaft Nr. 14, Angermünde 2017, 311–320.

Ortlieb, Claus Peter: Absturz einer Debatte – Zu Andreas Exners Versuch einer Auseinandersetzung mit der Krisentheorie, 2008b, auf exit-online.org.

Ortlieb, Claus Peter: Ein Widerspruch von Stoff und Form – Zur Bedeutung der Produktion des relativen Mehrwerts für die finale Krisendynamik, in: exit! – Krise und Kritik der Warengesellschaft Nr. 6, Bad Honnef 2009, 23–54. Vorabdruck bereits 2008a auf exit-online.org.

Purtschert, Patricia: Es gibt kein Jenseits der Identitätspolitik – Lernen vom Combahee River Collective, in: Widerspruch – Beiträge zu sozialistischer Politik Nr. 69, Zürich 2017, 15–22.

Scholz, Roswitha: Neue Gesellschaftskritik und das Problem der Differenzen – Ökonomische Disparitäten, Rassismus und postmoderne Individualisierung. Einige Thesen zur Wert-Abspaltung in der Globalisierungsära, in: exit! – Krise und Kritik der Warengesellschaft Nr. 1, Bad Honnef 2004, 15–43.

Speckmann, Guido: Allianz zwischen Rot und Grün – Die ökosoziale Frage bietet das Potenzial eine Aktualisierung der Klassenpolitik, in: Sebastian Friedrich & Redaktion analyse & kritik (Hg.): Neue Klassenpolitik – Linke Strategien gegen Rechtsruck und Neoliberalismus, Berlin 2018, 127–132.

Tügel, Nelli: Innerhalb oder jenseits des Nationalstaat – Der räumliche Rahmen von Klassenkämpfen und die Debatte um Migration, in: Sebastian Friedrich & Redaktion analyse & kritik (Hg.): Neue Klassenpolitik – Linke Strategien gegen Rechtsruck und Neoliberalismus, Berlin 2018, 52–57.

Wompel, Mag: Klassenkampf als Soziale Bewegung – Das Konzept des Social Movement Unionism,in: Sebastian Friedrich & Redaktion analyse & kritik (Hg.): Neue Klassenpolitik – Linke Strategien gegen Rechtsruck und Neoliberalismus, Berlin 2018, 157–165.

Zander, Michael: Gegen jede Unterdrückung – Historische Alternativen zur Gegenüberstellung von Klassen- und Identitätspolitik, in: Sebastian Friedrich & Redaktion analyse & kritik (Hg.): Neue Klassenpolitik – Linke Strategien gegen Rechtsruck und Neoliberalismus, Berlin 2018, 70–77.


1 Ich beanspruche hier natürlich keine Vollständigkeit. Ich greife aber einige relevante Aspekte heraus. Ich werde aber nicht jedes Detail nachweisen. Gern kann die aufgeführte Literatur dazu bemüht werden.

2 Wenn im Text von Arbeiterschaft die Rede ist, dann ist dies nicht im Sinne eines kohärenten Kollektivsubjekts gemeint, schon gar nicht ist die ›Arbeiterschaft‹ als Nachfolgerin der alten Arbeiterklasse anzusehen.

3 In der Tat konnte Trump durch seine Versprechen bei Leuten im ›rust-belt‹, also im Nordosten der USA, punkten, also bei Leuten, die man gemeinhin der »Arbeiterklasse« oder der »weißen Arbeiterschaft« zuordnet. Gemeint sind hier also nicht Lohnabhängige der Mittelschicht, die womöglich durch ein ›politisch korrektes‹ akademisches Milieu geprägt sind. Vgl z.B.. https://www.deutschlandfunk.de/amerikas-schweigende-mehrheit-wer-hat-donald-trump-gewaehlt.1148.de.html?dram:article_id=376733. Vgl. auch Bedszent 2016.

4 Vgl. dazu den Vortrag (2018) von Roswitha Scholz: It´s the class stupid!? – Degradierung, Deklassierung und die Renaissance des Klassenkampfbegiffs: Zu hören auf: https://exit-lesekreis-hh.de/kategorie/radio-fsk/.

5 Vgl. Robert Kurz: Zur Kritik der Arbeit (2005), https://www.freie-radios.net/10566. Ab ca. 2 Min.

6 Weitere Debattenbeiträge finden sich in der Zeitschrift Luxemburg: Spezial »Neue Klassenpolitik« (2017), https://www.zeitschrift-luxemburg.de/lux/wp-content/uploads/2017/10/LUX-Spezial-Neue-Klassenpolitik.pdf, in der Zeitschrift Prager Frühling Nr. 29: »Klasse mit Gedöns«, März 2017, https://www.prager-fruehling-magazin.de/de/topic/81.m%C3%A4rz-2018.html, sowie in der Zeitschrift Z-Zeitschrift marxistische Erneuerung Nr. 116, Dezember 2018.

7 Wie Johannes Kram andeutet, ist der Begriff Homophobie eigentlich eine Verharmlosung. Viel treffender wäre Homosexuellenfeindlichkeit (Kram 2018, 87).

8 Zur Konkurrenz vgl. z.B. das ›Konkurrenz-Fragment‹ von Marx in den Grundrissen: 542-45.

9 Vgl. auch dazu meine Kritik an Paul Mattick: Meyer 2017.

11 »Copwatch« beispielsweise dokumentiert Polizeigewalt. Der Standpunkt ist, wenn die Aktivitäten der Polizei dokumentiert werden, ließe sich Polizeigewalt eindämmen.

12 So der Titel eines von einigen Linken kontrovers diskutiertem Buch (Brand; Wissen, München 2017). Siehe dazu z.B. »Kritik der politischen Ökologie« in: wildcat Nr. 103, Frühjahr 2019, 44–46. So heißt es dort: »Handlungsspielräume diskutieren sie alleine auf der Ebene von Konsumentenentscheidungen und unterschiedlichen zur Verfügung stehenden Einkommen, womit die Mittelklasse zum maßgeblichen Subjekt einer ökologischen Wende wird. Sie nähren die Illusion, die Konsumenten könnten durch ihre individuellen Kaufentscheidungen den Ressourcenverbrauch im globalen Süden entscheidend eindämmen und argumentieren letztendlich nur moralisch, obwohl sie das immer bestreiten« (ebd., 46).

13 Vgl. die »11 Thesen über Kritik linksradikaler Politik, Organisierung und revolutionärer Praxis« vom Kollektiv aus Bremen 2016, sowie Kollektiv aus Bremen 2018.

14 Das schließt natürlich nicht aus, dass die Destruktivität des Kapitalismus und seiner zum Teil extrem verrückten ›Gebrauchswerte‹ zu kritisieren sind, selbst wenn sie nicht wegen mangelnder Finanzierbarkeit stillgelegt werden. Hier geht es mehr darum, den Widersinn des Kapitalismus in der Krise aufzuzeigen, durch den die Menschen vom Brot etwa ausgeschlossen werden, obwohl dieses vorhanden ist. Dass Brot im Kapitalismus auf eine zum Teil destruktive Weise produziert wird (industrielle Monokultur-Landwirtschaft) und diese Weise kritisiert und abgeschafft gehört, ist eine andere Ebene, auf die ich mich an dieser Stelle nicht fokussieren will.

15 Mal abgesehen davon, dass jeder soziale Widerstand, wie immanent und verkürzt dieser auch sei, von der Repression staatlicher/privater Knüppelgarden bekämpft (werden) wird. Das zeigen z.B. Räumungen besetzter Häuser mehr als deutlich.

18 So bei beim »Dakota Access Pipeline« Projekt, siehe die Stellungnahme der ALF-CIO, des größten US-amerikanischen Gewerkschaftsverbundes: https://aflcio.org/press/releases/dakota-access-pipeline-provides-high-quality-jobs.




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