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EXIT-SEMINAR: 15.-17.09. in Mainz - Krisen in der Krise: Corona, Krieg und Cash-Crash


EXIT – SEMINAR: 15.-17.09. in Mainz

Krisen in der Krise – Corona, Krieg und Cash-Crash

Klimakrise, Finanzkrise, Carekrise, Flüchtlingskrise, Coronakrise, Demokratiekrise, Krise der geopolitischen Ordnung usw. Allenthalben ist seit geraumer Zeit von einer „Vielfachkrise“ bzw. „multiplen Krisen“ die Rede. Aus der Perspektive der Wert-Abspaltungs-Kritik ist klar, dass es sich hierbei nicht um einzelne, zufällige Phänomene handelt, die einfach addiert werden können, sondern dass ein fetischistisch-kapitalistisch-patriarchales System, das wesentlich durch das Kapital als automatisches Subjekt und die Abspaltung der reproduktiven Tätigkeiten und ihre Delegierung vor allem an Frauen bestimmt ist, den Bedingungszusammenhang all dieser Krisen darstellt.

Trotz einer in den letzten Jahren beobachtbaren Renaissance von Marxismus und Kapitalismuskritik wird dabei immer noch nach Wegen gesucht, diesen multiplen Krisen immanent beizukommen, anstatt die gesamte Produktions- und Lebensweise radikal infrage zu stellen. Vor diesem Hintergrund wollen wir im diesjährigen Exit!-Seminar Corona, den Ukraine-Krieg und die desolate Situation auf den Finanzmärkten etwas genauer unter die Lupe nehmen.

Freitag 19.00 – 21.30

Roswitha Scholz:

Going back, back into time… Mit der Wertkritik zu einer verkürzten Kapitalismuskritik?

Spätestens seit Corona häufen sich Spaltungen innerhalb der Gesellschaft, so auch in der Linken. Ein Querdenkertum macht sich breit, das auch vor der Wert-Abspaltungs-Kritik nicht halt macht. Auch innerhalb des Exit!-Projekts kam es zu einer Spaltung. Ein Teil (ehemaliger) „Wertkritiker“ bagatellisiert die Bedrohung durch das Corona-Virus, sieht die Medizin in Diensten von Kapital und Staat, stellt die Interessen der Pharma-Industrie in den Vordergrund und nähert sich verschwörungstheoretischen Erzählungen an. Im Ukraine-Krieg stellt man sich eher auf die Seite von Putin, anstatt weltgesellschaftliche Strukturen und Prozesse in den Fokus zu nehmen, wobei auch der Westen nicht ungeschoren bleiben kann. Eine Fetischkritik tritt in den Hintergrund, Akteure und Interessen bestimmen weithin die Analyse. Derartige „Wertkritiken“ implizieren einen strukturellen Antisemitismus und bieten Anschlussstellen für rechte Ideologien. Ebenso sollen Einwände gegen diese Einschätzung, die es ebenfalls gibt, in dem Vortrag Thema sein.

Samstag 10.00 – 12.30

Thomas Ebermann, Hamburg

Pandemie, „Normalität“ und Kritik der Bedürfnisse

Mit seinem im Mai 2021 veröffentlichten Buch „Störung im Betriebsablauf“ hat Thomas Ebermann eine kritische Position zu den Formen und Instrumenten der „Bewältigung“ der SARS-CoV-2-Pandemie formuliert. Er wendet sich gegen einen Staat, der für die Aufrechterhaltung des kapitalistischen Betriebs Opferbereitschaft fordert; gegen die rechten und linken Verharmloser einer todbringenden Krankheit; gegen die Rücksichtslosigkeit und Brutalität der durch die Herrschaft geformten Subjekte; gegen die fortwährende Produktion falscher Bedürfnisse; gegen das große Heilsversprechen dieser Tage, dass wir, wenn wir uns alle nur richtig anstrengen, bald wieder zur »Normalität« zurückkehren können; und gegen die Vorstellung, dass diese »Normalität« etwas Erstrebenswertes sei. Ebermann: »Mein Ausgangspunkt bleibt, dass dem ›Plan‹ des deutschen Staates ein notwendiges kapitalistisches Kalkül zugrunde liegt, nämlich das Ausbalancieren von akzeptierten Opfern und die Vermeidung einer ›zu hohen‹, das nötige Reservoir der Ware Arbeitskraft beeinträchtigenden Zahl von Infektionen – bei Erhalt der Loyalität gegenüber dem Staat sowie seinem regierenden und konstruktiv-oppositionellen Personal selbstverständlichZugespitzt hat Ebermann seine Kritik an drei konformistischen Kernbotschaften in konkret 4/2022 formuliert:

  • „Wir“ seien gut durch die Pandemie gekommen. Hier würden die 171.992 Toten (RKI zum 17.04.2023) und schwer Erkrankten sowie an „Long-COVID“ Leidenden ins Dunkle verdrängt. So könne nur argumentieren, wer der polit-ökonomischen Rationalität anhängt.
  • Gesundheitssektor und „kritische Infrastrukturen“ sollten durchhalten. Gegen dieses „Prinzip des akzeptierten Kollateralschadens“ müsse sich kritisches Denken richten.
  • Aufrechterhaltung bzw. schnelle Rückkehr zur „Normalität“. „Normalität“ sei die „fortwährende Produktion weiteren Unglücks“, das darin zum Ausdruck komme, „indem der Mensch seine Lebensbedingungen auf diesem Planeten … durch kapitalistische Produktionsweise … systematisch untergräbt“.

Die Kritik zu 3. führt zur Kritik der Bedürfnisse, die als zum bestehenden System gehörig zu denunzieren, zugleich nicht drübersteherisch zu verdammen sind.

Samstag: 15.30 – 18.00

Tomasz Konicz:

Finanzkrise und Entdollarisierung des Weltgeldes?

Der Referent wird sich bemühen, die Grundzüge des Krisenprozesses in der Finanzsphäre nach dem Ende der großen Liquiditätsblase darzulegen, die durch die expansive Geldpolitik der Notenbanken im Spätneoliberalismus aufrechterhalten wurde. Mit dem 2020 einsetzenden Krisenschub (Covid-Pandemie und Ukraine-Krieg) scheint sich der bisherige Modus der globalen Finanzblasenökonomime erschöpft zu haben, da die Notenbanken auf die Inflationsdynamik mit einer restriktiven Geldpolitik reagieren müssen, was wiederum die Finanzsphäre destabilisiert und die Konjunktur abbremst. Im Vortrag sollen somit einerseits diese geldpolitische Sackgasse der spätkapitalistischen Krisenverwaltung, die faktisch zwischen drohender Inflation und Deflation balancieren muss, sowie deren widersprüchlich anmutenden Anpassungsleistungen beleuchtet werden. Kann die Produktion fiktiven Kapitals in der Finanzsphäre reorganisiert und weiter prolongiert werden oder stoßen diese Maßnahmen zur Krisenverschleppung, die in einem regelrechten Notenbank-Kapitalismus kulminierten, an ihre Grenzen?

Im zweiten Teil des Vortrags soll wiederum der Frage nachgegangen werden, inwiefern die aktuelle Krisenphase mit einem Wechsel der Hegemonie und der Ablösung des US-Dollars als Weltleitwährung einhergehen könnte. Kann das aufstrebende China die abgetakelten USA als globaler Hegemon beerben und ein neues Weltsystem etablieren, das den „Westen“ ablösen würde? Hierbei soll der chinesische Staatskapitalismus nicht als Systemalternative missverstanden werden, wie es etwa in den regressiven Teilen der in Auflösung befindlichen Linken immer noch üblich ist, sondern als Teil des kapitalistischen Weltsystems, der denselben inneren und äußeren Widersprüchen ausgesetzt ist wie der absteigende Westen. Der Referent wird sich bemühen, nicht nur diese sozioökologischen Verwerfungen in China sowie der zunehmend von Peking abhängigen Peripherie und Semiperipherie zu skizzieren, sondern auch die Wechselwirkung zwischen langfristigen Hegemonialzyklen des Weltsystems und der Krisendynamik nachzuzeichnen. Das weitverbreitete Narrativ, wonach es sich bei der gegenwärtigen Krisenphase nur um einen Hegemoniewechsel handele, soll hierbei mit der Krisenrealität konfrontiert werden, um ihm so das ökonomische und ökologische Fundament zu entziehen.


Samstag 19.00

Mitgliederversammlung


Sonntag 10.00 – 12.30

Herbert Böttcher

Auf dem Weg in die Weltvernichtung: Was Walter Benjamin angesichts drohender Gefahren ‚zu denken‘ gibt

Der Krieg in der Ukraine ist Ausdruck des globalen Krisengeschehens, das mehr und mehr auch die Großmächte erfasst. Die vor allem in den Zerfallsregionen an der Peripherie geführten ‚Weltordnungskriege‘ lassen sich immer weniger von den Zentren fernhalten. Im Zusammenhang mit anderen globalen Krisen (Klima, Flucht und Migration, Kontrollverluste der politischen Akteure und dem Griff nach autoritären und identitären Rettungsankern) haben sie das Potential, einen vernichtenden Weltbrand zu entfachen. Robert Kurz hatte im „Weltordnungskrieg“ die dem Kapitalismus inhärente und sich in den Krisen eskalierende Vernichtungsdynamik des Kapitalismus analysiert. Die Leere der kapitalistischen Form der Produktion und Reproduktion läuft auf ‚Nichts‘ und darin auf Vernichtung hinaus.

Walter Benjamin hat sehr früh erkannt, dass der bürgerlich-kapitalistischen Geschichte, die sich selbst als Fortschrittsgeschichte versteht, real die Katastrophe eingeschrieben ist. Sein Verständnis von Geschichte, in der angesichts des „Augenblicks der Gefahr“ Vergangenheit und Gegenwart in eine neue Konstellation treten, öffnet den Blick für Krisen und Katastrophen. Das ‚Weiter so‘ ist die Katastrophe, betont Benjamin. Gegen die mythologisch in der ‚Wiederkehr des Gleichen‘ dahinfließende Zeit setzt er in seiner Reflexion der Geschichte Kategorien des Bruchs: der Unterbrechung, des dialektischen Bildes, der Dialektik im Stillstand…

„Im Augenblick der Gefahr“, – der im Krieg in der Ukraine und den ihn begleitenden Krisenzusammenhängen deutlich wird – kann Benjamins Denken, das – wenn auch ergänzungsbedürftig – auf die Totalität des kapitalistischen Fetischzusammenhangs ausgreift, die herrschende Normalität reflektierend unterbrechen. Gegen den Trend, angesichts der sich zuspitzenden Krisen- und Vernichtungspotentiale regressiv und ressentimentgeladen auf autoritäre Kontrolle und Nation, auf Klasse und Identität, auf Interesse und Verschwörung zu setzen, rückt der Bruch mit den herrschenden Fetischverhältnissen als unverzichtbare Voraussetzung für eine Perspektive der Rettung in das Zentrum der Reflexion.

Tagungsort

Jugendherberge Mainz, Otto-Brunfels-Schneise 4, 55130 Mainz

Anreise

Mit der Bahn: Vom Hauptbahnhof Buslinien 62 und 63 in Richtung Weisenau-Laubenheim, Haltestelle „Am Viktorstift/Jugendherberge“. Mit dem Pkw: Über Autobahnring A60 Mainz-Darmstadt, Abfahrt Weisenau/Großberg in Richtung Innenstadt/Volkspark.

Teilnahmekosten pro Person mit Übernachtung und Verpflegung

Freitag bis Sonntag: 2-Bettzimmer Du/WC: (24 Plätze) 90 € pro Person 1-Bettzimmer Du/WC: (6 Plätze) 110 € pro Person.

Es stehen 30 Plätze zur Verfügung.

Teilnahme nur am Seminar, Tagungsbeitrag: 20 €. Teilnahme nur am Seminar, inkl. Vollpension: 40 €. Bitte entsprechend Bescheid geben!

Teilnahmebeiträge bitte nicht vorher überweisen, sondern in bar mitbringen.

Wer nicht im Haus übernachtet, aber bestimmte Mahlzeiten dort einnehmen will, gebe bitte bei der Anmeldung an, welche (Frühstück, Mittagessen, Nachmittagskaffee, Abendessen).

Teilnehmer/-innen, die nicht in der Jugendherberge übernachten wollen, bitten wir, sich selbst um eine externe Übernachtungsmöglichkeit zu kümmern. Die Jugendherbergsleitung hat uns das Hotel Stiftswingert (Am Stiftswingert 4; Tel. 06131-982640) und das Ibis-Hotel (direkt am Südbahnhof; Holzhofstr. 2, Tel. 06131-2470) empfohlen; von beiden ist das Tagungshaus gut zu Fuß zu erreichen.

Ermäßigung

Wer sich den TN-Beitrag nicht leisten kann, muss deswegen nicht auf das Seminar verzichten: Bitte sprecht uns in diesem Fall bei eurer Anmeldung wegen einer Ermäßigung an!

Anmeldung

Bitte bei der Anmeldung angeben, falls vegetarisches Essen gewünscht wird. Ansonsten gehen wir von nicht-vegetarisch aus. Per Email: seminar@exit-online.org.




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